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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

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Begräbniß-Gedichte.
Mein brief soll voller trost und voller zucker seyn;
Was aber soll mir doch die schwache feder rühren,
Jndem wir halb erstarrt eypressen-zweige streun,
Und ihren liebsten Sohn zum schwartzen grabe führen?
Ach allzulieber Sohn! Ach allzufinstres grab!
Wie bald kan glück und zeit doch seinen wechsel finden?
Wie bald fällt doch die frucht der reiffen hoffnung ab,
Wenn unser lebens-baum läst seine krafft verschwinden?
So unbeständig ist der große Barmach nicht:
So weiß Suratta nicht das wetter zu verkehren,
Als wenn des himmels schluß durch die gedancken bricht,
Und unsre Babel sich wie schatten-werck verzehren.
Wer rühmte, Seeligster! nicht deiner tugend glantz,
Der, wie ein feigen-baum vor blüte, frucht getragen,
Als dir die tugend selbst den bunten lorbeer-crantz
Und ihren ehrenpreiß um deinen kopff geschlagen?
Und dennoch schleust die grufft itzt deinen schimmer ein,
Der Freunde lust-stern muß mit deiner lust verbleichen,
Und dein entseelter mund muß selber zeuge seyn,
Daß muth und jugend nur dem porcellane gleichen.
Des Vaters edler ruhm, der Ahnen tapfferkeit,
Wird nunmehr allererst auf erden sich vermissen,
Nachdem der wunder-fall der kummer-vollen zeit,
Dich, als ihr ebenbild, der stoltzen welt entrissen;
Doch dieses nicht allein; das theure Schlesien,
Fängt auch an über dich, als ihren Sohn, zu klagen,
Und schaut mit thränen an, daß hier die Najaden,
Und nicht sein mutter-arm dich soll zu grabe tragen.
Zuletzt kommt Themis selbst, und denn die tapfferkeit,
Die bricht den festen schild bey deiner grufft in stücken,
Und jene hat den leib mit flohren überstreut,
Und will dich noch als kind an ihre brüste drücken.
Dis schreib ich aber nicht, was deiner Brüder weh
Vor liebes-seuffzer läst nach deiner seele schießen,
Noch wie die Mutter selbst aus ihrer hertzens-see
Das saltz der thränen läst als runde perlen fließen.
Ein offt beklagter tod verdoppelt nur die pein,
Und der muß grausamer, als rasende Cyrcassen,
Und
Begraͤbniß-Gedichte.
Mein brief ſoll voller troſt und voller zucker ſeyn;
Was aber ſoll mir doch die ſchwache feder ruͤhren,
Jndem wir halb erſtarrt eypreſſen-zweige ſtreun,
Und ihren liebſten Sohn zum ſchwartzen grabe fuͤhren?
Ach allzulieber Sohn! Ach allzufinſtres grab!
Wie bald kan gluͤck und zeit doch ſeinen wechſel finden?
Wie bald faͤllt doch die frucht der reiffen hoffnung ab,
Wenn unſer lebens-baum laͤſt ſeine krafft verſchwinden?
So unbeſtaͤndig iſt der große Barmach nicht:
So weiß Suratta nicht das wetter zu verkehren,
Als wenn des himmels ſchluß durch die gedancken bricht,
Und unſre Babel ſich wie ſchatten-werck verzehren.
Wer ruͤhmte, Seeligſter! nicht deiner tugend glantz,
Der, wie ein feigen-baum vor bluͤte, frucht getragen,
Als dir die tugend ſelbſt den bunten lorbeer-crantz
Und ihren ehrenpreiß um deinen kopff geſchlagen?
Und dennoch ſchleuſt die grufft itzt deinen ſchimmer ein,
Der Freunde luſt-ſtern muß mit deiner luſt verbleichen,
Und dein entſeelter mund muß ſelber zeuge ſeyn,
Daß muth und jugend nur dem porcellane gleichen.
Des Vaters edler ruhm, der Ahnen tapfferkeit,
Wird nunmehr allererſt auf erden ſich vermiſſen,
Nachdem der wunder-fall der kummer-vollen zeit,
Dich, als ihr ebenbild, der ſtoltzen welt entriſſen;
Doch dieſes nicht allein; das theure Schleſien,
Faͤngt auch an uͤber dich, als ihren Sohn, zu klagen,
Und ſchaut mit thraͤnen an, daß hier die Najaden,
Und nicht ſein mutter-arm dich ſoll zu grabe tragen.
Zuletzt kommt Themis ſelbſt, und denn die tapfferkeit,
Die bricht den feſten ſchild bey deiner grufft in ſtuͤcken,
Und jene hat den leib mit flohren uͤberſtreut,
Und will dich noch als kind an ihre bruͤſte druͤcken.
Dis ſchreib ich aber nicht, was deiner Bruͤder weh
Vor liebes-ſeuffzer laͤſt nach deiner ſeele ſchießen,
Noch wie die Mutter ſelbſt aus ihrer hertzens-ſee
Das ſaltz der thraͤnen laͤſt als runde perlen fließen.
Ein offt beklagter tod verdoppelt nur die pein,
Und der muß grauſamer, als raſende Cyrcaſſen,
Und
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[162/0164] Begraͤbniß-Gedichte. Mein brief ſoll voller troſt und voller zucker ſeyn; Was aber ſoll mir doch die ſchwache feder ruͤhren, Jndem wir halb erſtarrt eypreſſen-zweige ſtreun, Und ihren liebſten Sohn zum ſchwartzen grabe fuͤhren? Ach allzulieber Sohn! Ach allzufinſtres grab! Wie bald kan gluͤck und zeit doch ſeinen wechſel finden? Wie bald faͤllt doch die frucht der reiffen hoffnung ab, Wenn unſer lebens-baum laͤſt ſeine krafft verſchwinden? So unbeſtaͤndig iſt der große Barmach nicht: So weiß Suratta nicht das wetter zu verkehren, Als wenn des himmels ſchluß durch die gedancken bricht, Und unſre Babel ſich wie ſchatten-werck verzehren. Wer ruͤhmte, Seeligſter! nicht deiner tugend glantz, Der, wie ein feigen-baum vor bluͤte, frucht getragen, Als dir die tugend ſelbſt den bunten lorbeer-crantz Und ihren ehrenpreiß um deinen kopff geſchlagen? Und dennoch ſchleuſt die grufft itzt deinen ſchimmer ein, Der Freunde luſt-ſtern muß mit deiner luſt verbleichen, Und dein entſeelter mund muß ſelber zeuge ſeyn, Daß muth und jugend nur dem porcellane gleichen. Des Vaters edler ruhm, der Ahnen tapfferkeit, Wird nunmehr allererſt auf erden ſich vermiſſen, Nachdem der wunder-fall der kummer-vollen zeit, Dich, als ihr ebenbild, der ſtoltzen welt entriſſen; Doch dieſes nicht allein; das theure Schleſien, Faͤngt auch an uͤber dich, als ihren Sohn, zu klagen, Und ſchaut mit thraͤnen an, daß hier die Najaden, Und nicht ſein mutter-arm dich ſoll zu grabe tragen. Zuletzt kommt Themis ſelbſt, und denn die tapfferkeit, Die bricht den feſten ſchild bey deiner grufft in ſtuͤcken, Und jene hat den leib mit flohren uͤberſtreut, Und will dich noch als kind an ihre bruͤſte druͤcken. Dis ſchreib ich aber nicht, was deiner Bruͤder weh Vor liebes-ſeuffzer laͤſt nach deiner ſeele ſchießen, Noch wie die Mutter ſelbſt aus ihrer hertzens-ſee Das ſaltz der thraͤnen laͤſt als runde perlen fließen. Ein offt beklagter tod verdoppelt nur die pein, Und der muß grauſamer, als raſende Cyrcaſſen, Und

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/164>, abgerufen am 08.05.2024.