Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

Bild:
<< vorherige Seite
Begräbniß-Gedichte.
Der zeiten finsterniß umnebelt dieses licht,
Daß seine funcken kaum noch in der asche glimmen,
Und weil hertz, mund und hand so schlecht zusammen stimmen,
So bleibt die losung stets: Vertraue keinem nicht.
Seit dem politisch-seyn zur mode morden ist,
Hört man die redligkeit der einfalt titul führen:
Der wahrheit edles gold muß glantz und werth verlieren,
Weil lauter schlacken-werck der menschen thun umschliest.
Die unart dieser welt giebt eiß vor crystallinen,
Und hüllt die schwartze brust in schwanen-federn ein.
Es muß die falschheit kunst, die tücke tugend seyn,
Und worte voller pracht zu lauter fesseln dienen.
Der menschen falsches hertz kommt einer uhren bey,
Die anders schlägt und zeigt; ja die erfahrung lehret,
Daß offt der gröste freund, den man am meisten ehret,
Jm munde Seneca, im hertzen Nero sey.
Jhr! die ihr noch sehr tieff in solcher larve steckt,
Entblöset das gesicht bey diesen todten-grüfften,
Wo wir der redligkeit das letzte denckmahl stifften.
Hier ruht ein ehren-mann, den zwar die erde deckt,
Doch dessen nachruhm kan auch in dem tode zeigen,
Daß weder grufft noch nacht die tugend decken kan.
Schaut den erblaßten mund als einen lehrer an,
Der euch gesetze giebt im reden und im schweigen:
Wie man vor GOtt und welt sich ohne falsch bezeigt.
Lernt euren wandel hier auf treu und wahrheit gründen,
Lernt, wie man wort und werck durch liebe muß verbinden,
Damit ein guter ruch aus eurem grabe steigt.
Verzeihe, Seeligster! wenn ich dich loben will,
Du bist bey lebens-zeit dem ruhme feind gewesen;
Doch was die wahrheit schreibt, das mag ein ieder lesen:
Es war die redligkeit dein auserlesnes ziel.
Dein thun hast du wol nicht mit worten ausgemessen,
Das hertze selber gab den ausschlag in der that;
Und
Begraͤbniß-Gedichte.
Der zeiten finſterniß umnebelt dieſes licht,
Daß ſeine funcken kaum noch in der aſche glimmen,
Und weil hertz, mund und hand ſo ſchlecht zuſammen ſtimmen,
So bleibt die loſung ſtets: Vertraue keinem nicht.
Seit dem politiſch-ſeyn zur mode morden iſt,
Hoͤrt man die redligkeit der einfalt titul fuͤhren:
Der wahrheit edles gold muß glantz und werth verlieren,
Weil lauter ſchlacken-werck der menſchen thun umſchlieſt.
Die unart dieſer welt giebt eiß vor cryſtallinen,
Und huͤllt die ſchwartze bruſt in ſchwanen-federn ein.
Es muß die falſchheit kunſt, die tuͤcke tugend ſeyn,
Und worte voller pracht zu lauter feſſeln dienen.
Der menſchen falſches hertz kommt einer uhren bey,
Die anders ſchlaͤgt und zeigt; ja die erfahrung lehret,
Daß offt der groͤſte freund, den man am meiſten ehret,
Jm munde Seneca, im hertzen Nero ſey.
Jhr! die ihr noch ſehr tieff in ſolcher larve ſteckt,
Entbloͤſet das geſicht bey dieſen todten-gruͤfften,
Wo wir der redligkeit das letzte denckmahl ſtifften.
Hier ruht ein ehren-mann, den zwar die erde deckt,
Doch deſſen nachruhm kan auch in dem tode zeigen,
Daß weder grufft noch nacht die tugend decken kan.
Schaut den erblaßten mund als einen lehrer an,
Der euch geſetze giebt im reden und im ſchweigen:
Wie man vor GOtt und welt ſich ohne falſch bezeigt.
Lernt euren wandel hier auf treu und wahrheit gruͤnden,
Lernt, wie man wort und werck durch liebe muß verbinden,
Damit ein guter ruch aus eurem grabe ſteigt.
Verzeihe, Seeligſter! wenn ich dich loben will,
Du biſt bey lebens-zeit dem ruhme feind geweſen;
Doch was die wahrheit ſchreibt, das mag ein ieder leſen:
Es war die redligkeit dein auserleſnes ziel.
Dein thun haſt du wol nicht mit worten ausgemeſſen,
Das hertze ſelber gab den ausſchlag in der that;
Und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0166" n="164"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Begra&#x0364;bniß-Gedichte.</hi> </fw><lb/>
          <lg n="3">
            <l>Der zeiten fin&#x017F;terniß umnebelt die&#x017F;es licht,</l><lb/>
            <l>Daß &#x017F;eine funcken kaum noch in der a&#x017F;che glimmen,</l><lb/>
            <l>Und weil hertz, mund und hand &#x017F;o &#x017F;chlecht zu&#x017F;ammen &#x017F;timmen,</l><lb/>
            <l>So bleibt die lo&#x017F;ung &#x017F;tets: Vertraue keinem nicht.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="4">
            <l>Seit dem politi&#x017F;ch-&#x017F;eyn zur mode morden i&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Ho&#x0364;rt man die redligkeit der einfalt titul fu&#x0364;hren:</l><lb/>
            <l>Der wahrheit edles gold muß glantz und werth verlieren,</l><lb/>
            <l>Weil lauter &#x017F;chlacken-werck der men&#x017F;chen thun um&#x017F;chlie&#x017F;t.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="5">
            <l>Die unart die&#x017F;er welt giebt eiß vor cry&#x017F;tallinen,</l><lb/>
            <l>Und hu&#x0364;llt die &#x017F;chwartze bru&#x017F;t in &#x017F;chwanen-federn ein.</l><lb/>
            <l>Es muß die fal&#x017F;chheit kun&#x017F;t, die tu&#x0364;cke tugend &#x017F;eyn,</l><lb/>
            <l>Und worte voller pracht zu lauter fe&#x017F;&#x017F;eln dienen.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="6">
            <l>Der men&#x017F;chen fal&#x017F;ches hertz kommt einer uhren bey,</l><lb/>
            <l>Die anders &#x017F;chla&#x0364;gt und zeigt; ja die erfahrung lehret,</l><lb/>
            <l>Daß offt der gro&#x0364;&#x017F;te freund, den man am mei&#x017F;ten ehret,</l><lb/>
            <l>Jm munde Seneca, im hertzen Nero &#x017F;ey.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="7">
            <l>Jhr! die ihr noch &#x017F;ehr tieff in &#x017F;olcher larve &#x017F;teckt,</l><lb/>
            <l>Entblo&#x0364;&#x017F;et das ge&#x017F;icht bey die&#x017F;en todten-gru&#x0364;fften,</l><lb/>
            <l>Wo wir der redligkeit das letzte denckmahl &#x017F;tifften.</l><lb/>
            <l>Hier ruht ein ehren-mann, den zwar die erde deckt,</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="8">
            <l>Doch de&#x017F;&#x017F;en nachruhm kan auch in dem tode zeigen,</l><lb/>
            <l>Daß weder grufft noch nacht die tugend decken kan.</l><lb/>
            <l>Schaut den erblaßten mund als einen lehrer an,</l><lb/>
            <l>Der euch ge&#x017F;etze giebt im reden und im &#x017F;chweigen:</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="9">
            <l>Wie man vor GOtt und welt &#x017F;ich ohne fal&#x017F;ch bezeigt.</l><lb/>
            <l>Lernt euren wandel hier auf treu und wahrheit gru&#x0364;nden,</l><lb/>
            <l>Lernt, wie man wort und werck durch liebe muß verbinden,</l><lb/>
            <l>Damit ein guter ruch aus eurem grabe &#x017F;teigt.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="10">
            <l>Verzeihe, Seelig&#x017F;ter! wenn ich dich loben will,</l><lb/>
            <l>Du bi&#x017F;t bey lebens-zeit dem ruhme feind gewe&#x017F;en;</l><lb/>
            <l>Doch was die wahrheit &#x017F;chreibt, das mag ein ieder le&#x017F;en:</l><lb/>
            <l>Es war die redligkeit dein auserle&#x017F;nes ziel.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="11">
            <l>Dein thun ha&#x017F;t du wol nicht mit worten ausgeme&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Das hertze &#x017F;elber gab den aus&#x017F;chlag in der that;</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[164/0166] Begraͤbniß-Gedichte. Der zeiten finſterniß umnebelt dieſes licht, Daß ſeine funcken kaum noch in der aſche glimmen, Und weil hertz, mund und hand ſo ſchlecht zuſammen ſtimmen, So bleibt die loſung ſtets: Vertraue keinem nicht. Seit dem politiſch-ſeyn zur mode morden iſt, Hoͤrt man die redligkeit der einfalt titul fuͤhren: Der wahrheit edles gold muß glantz und werth verlieren, Weil lauter ſchlacken-werck der menſchen thun umſchlieſt. Die unart dieſer welt giebt eiß vor cryſtallinen, Und huͤllt die ſchwartze bruſt in ſchwanen-federn ein. Es muß die falſchheit kunſt, die tuͤcke tugend ſeyn, Und worte voller pracht zu lauter feſſeln dienen. Der menſchen falſches hertz kommt einer uhren bey, Die anders ſchlaͤgt und zeigt; ja die erfahrung lehret, Daß offt der groͤſte freund, den man am meiſten ehret, Jm munde Seneca, im hertzen Nero ſey. Jhr! die ihr noch ſehr tieff in ſolcher larve ſteckt, Entbloͤſet das geſicht bey dieſen todten-gruͤfften, Wo wir der redligkeit das letzte denckmahl ſtifften. Hier ruht ein ehren-mann, den zwar die erde deckt, Doch deſſen nachruhm kan auch in dem tode zeigen, Daß weder grufft noch nacht die tugend decken kan. Schaut den erblaßten mund als einen lehrer an, Der euch geſetze giebt im reden und im ſchweigen: Wie man vor GOtt und welt ſich ohne falſch bezeigt. Lernt euren wandel hier auf treu und wahrheit gruͤnden, Lernt, wie man wort und werck durch liebe muß verbinden, Damit ein guter ruch aus eurem grabe ſteigt. Verzeihe, Seeligſter! wenn ich dich loben will, Du biſt bey lebens-zeit dem ruhme feind geweſen; Doch was die wahrheit ſchreibt, das mag ein ieder leſen: Es war die redligkeit dein auserleſnes ziel. Dein thun haſt du wol nicht mit worten ausgemeſſen, Das hertze ſelber gab den ausſchlag in der that; Und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/166
Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/166>, abgerufen am 09.05.2024.