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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

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Begräbniß-Gedichte.
Dem Vater, dessen ruhm durch so viel länder geht,
Dem Vater, dessen witz ihn täglich mehr erhöht.
Was dieser itzund ist, das fieng er an zu werden:
Der fortgang war gewiß, er aber darff auf erden
Nicht ferner nützlich seyn: des harten himmels schluß
Macht, daß allhier der artzt selbst zeitlich sterben muß.
Es klagt die gantze stadt, und was ihm sonst sein leben
Bedächtig anvertraut: Nach andrer besten streben
Hielt er vor seinen nutz: Wir fallen selber bey,
Daß dieses Sternes fall sehr zu beweinen sey;
Jndem er uns bisher den schönen weg geleitet,
Wo die erfahrung geht, und der verstand nicht gleitet,
Der weg, der in das chor des hohen tempels führt,
Jn dem Hygea sitzt: wo sich die nacht verliert,
Womit Morvonens grimm den armen menschen dräuet,
Ach daß uns dieser Stern so kurtze zeit erfreuet!
Wie manches irr-licht bleibt und strahlet in der welt,
Obgleich viel tausenden sein strahlen schädlich fällt?
So ist kein Wedel nicht. Erblaßter! dessen seele
Uns allzufrüh verläst, und dessen leib die höle
Des grabes itzt umfängt, dir bleibet doch der ruhm,
Daß du recht treu gelehrt, zu deinem eigenthum.
Nun stirbet diese treu. Ach daß sie doch noch lebte!
Ach daß nicht der Parnaß von deinem falle bebte!
Wiewol sie lebet noch in deiner hörer brust.
Wem ist die redligkeit der Lehrer unbewust,
Die noch am leben sind und unsern tempel stützen?
Dein Vater, welchem wir zu seinen füßen sitzen,
Jst annoch unser trost. Drum wünschet unsre pflicht:
Daß GOtt, der kälte, flut und alles unterbricht,
Was uns verderben kan, die macht zurücke ziehe,
So uns in trauren setzt: Daß unser Pindus blühe:
Und der, so den verlust durch ungefärbte treu
Und wissenschafft ersetzt, ein andrer Wedel sey.
Als
Begraͤbniß-Gedichte.
Dem Vater, deſſen ruhm durch ſo viel laͤnder geht,
Dem Vater, deſſen witz ihn taͤglich mehr erhoͤht.
Was dieſer itzund iſt, das fieng er an zu werden:
Der fortgang war gewiß, er aber darff auf erden
Nicht ferner nuͤtzlich ſeyn: des harten himmels ſchluß
Macht, daß allhier der artzt ſelbſt zeitlich ſterben muß.
Es klagt die gantze ſtadt, und was ihm ſonſt ſein leben
Bedaͤchtig anvertraut: Nach andrer beſten ſtreben
Hielt er vor ſeinen nutz: Wir fallen ſelber bey,
Daß dieſes Sternes fall ſehr zu beweinen ſey;
Jndem er uns bisher den ſchoͤnen weg geleitet,
Wo die erfahrung geht, und der verſtand nicht gleitet,
Der weg, der in das chor des hohen tempels fuͤhrt,
Jn dem Hygea ſitzt: wo ſich die nacht verliert,
Womit Morvonens grimm den armen menſchen draͤuet,
Ach daß uns dieſer Stern ſo kurtze zeit erfreuet!
Wie manches irr-licht bleibt und ſtrahlet in der welt,
Obgleich viel tauſenden ſein ſtrahlen ſchaͤdlich faͤllt?
So iſt kein Wedel nicht. Erblaßter! deſſen ſeele
Uns allzufruͤh verlaͤſt, und deſſen leib die hoͤle
Des grabes itzt umfaͤngt, dir bleibet doch der ruhm,
Daß du recht treu gelehrt, zu deinem eigenthum.
Nun ſtirbet dieſe treu. Ach daß ſie doch noch lebte!
Ach daß nicht der Parnaß von deinem falle bebte!
Wiewol ſie lebet noch in deiner hoͤrer bruſt.
Wem iſt die redligkeit der Lehrer unbewuſt,
Die noch am leben ſind und unſern tempel ſtuͤtzen?
Dein Vater, welchem wir zu ſeinen fuͤßen ſitzen,
Jſt annoch unſer troſt. Drum wuͤnſchet unſre pflicht:
Daß GOtt, der kaͤlte, flut und alles unterbricht,
Was uns verderben kan, die macht zuruͤcke ziehe,
So uns in trauren ſetzt: Daß unſer Pindus bluͤhe:
Und der, ſo den verluſt durch ungefaͤrbte treu
Und wiſſenſchafft erſetzt, ein andrer Wedel ſey.
Als
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[160/0162] Begraͤbniß-Gedichte. Dem Vater, deſſen ruhm durch ſo viel laͤnder geht, Dem Vater, deſſen witz ihn taͤglich mehr erhoͤht. Was dieſer itzund iſt, das fieng er an zu werden: Der fortgang war gewiß, er aber darff auf erden Nicht ferner nuͤtzlich ſeyn: des harten himmels ſchluß Macht, daß allhier der artzt ſelbſt zeitlich ſterben muß. Es klagt die gantze ſtadt, und was ihm ſonſt ſein leben Bedaͤchtig anvertraut: Nach andrer beſten ſtreben Hielt er vor ſeinen nutz: Wir fallen ſelber bey, Daß dieſes Sternes fall ſehr zu beweinen ſey; Jndem er uns bisher den ſchoͤnen weg geleitet, Wo die erfahrung geht, und der verſtand nicht gleitet, Der weg, der in das chor des hohen tempels fuͤhrt, Jn dem Hygea ſitzt: wo ſich die nacht verliert, Womit Morvonens grimm den armen menſchen draͤuet, Ach daß uns dieſer Stern ſo kurtze zeit erfreuet! Wie manches irr-licht bleibt und ſtrahlet in der welt, Obgleich viel tauſenden ſein ſtrahlen ſchaͤdlich faͤllt? So iſt kein Wedel nicht. Erblaßter! deſſen ſeele Uns allzufruͤh verlaͤſt, und deſſen leib die hoͤle Des grabes itzt umfaͤngt, dir bleibet doch der ruhm, Daß du recht treu gelehrt, zu deinem eigenthum. Nun ſtirbet dieſe treu. Ach daß ſie doch noch lebte! Ach daß nicht der Parnaß von deinem falle bebte! Wiewol ſie lebet noch in deiner hoͤrer bruſt. Wem iſt die redligkeit der Lehrer unbewuſt, Die noch am leben ſind und unſern tempel ſtuͤtzen? Dein Vater, welchem wir zu ſeinen fuͤßen ſitzen, Jſt annoch unſer troſt. Drum wuͤnſchet unſre pflicht: Daß GOtt, der kaͤlte, flut und alles unterbricht, Was uns verderben kan, die macht zuruͤcke ziehe, So uns in trauren ſetzt: Daß unſer Pindus bluͤhe: Und der, ſo den verluſt durch ungefaͤrbte treu Und wiſſenſchafft erſetzt, ein andrer Wedel ſey. Als

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/162>, abgerufen am 08.05.2024.