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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

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Begräbniß-Gedichte.
Doch nein, Jan Wilhelm hat die zeiten nicht verlohren,
Zu welchen unsre welt in sichrer ruhe schlief.
Zwar wer ihn sieht das volck in glut und flammen führen,
Wenn sein erzörnter muth sich an den feinden reibt,
Der meynt, es wäre nichts sein tägliches studiren,
Als was die krieges-kunst in ihren schulen treibt.
Alleine wenn er sich läst an den höfen sehen,
Wo mancher könig ihn und seine tugend schätzt,
So gab sein gantzes thun uns etwas zu verstehen,
Als ob er nie die hand in krieg und blut genetzt.
Es muste Willjams huld in deiner seele leben,
Und weil er einst mit dir auf Englisch sich verband,
So wilst du abermals dich an die Thems erheben,
Dich tragen GOtt und schiff zum schönen Engelland,
Das deine thaten kennt. Du sahest Willjams hertze
Jtzt in gemehrter gunst die liebes-funcken streun,
Die freundschafft brannte nun gleich einer lichten kertze,
Worauf kein scheeler neid den geiffer dorffte speyn.
Die Seine hieß dich drauf, Durchlauchtigster! willkommen,
Paris, das allen pracht Europens in sich schleust,
Hat dich in seinen schoos, als Printzen, angenommen,
Dem Louis nach verdienst die höchste gunst erweist.
Dis ist der tugend art, daß sie ein feind auch liebet,
Ein feind, der noch verstand in seinen sinnen hegt;
Man ehrt den edelstein, der strahlen von sich giebet,
Ob ihn die fremde hand in fremdem golde trägt;
Der stoltze Frantzmann steht in nichtigen gedancken:
Daß unsre Deutschen plump und sonder anmuth sind;
Er zeucht die artigkeit in allzuenge schrancken,
Die sich nach seinem kopff nur an der Seine findt.
Der kühne Bouhours sucht recht gründlich zu erweisen,
Es sey ein deutsch gehirn zur klugheit ungeschickt;
Er spricht: der himmel sey bey uns von stahl und eisen,
Der seine härtigkeit auch in die seelen drückt.
Allein was dienet es mit fingern zu bemercken,
Wo der bekante glantz der sonnen-fackel brennt?
Es soll kein widerstreit das gegentheil bestärcken,
Das auch ein blödes aug aus den exempeln kennt.
Paris
Begraͤbniß-Gedichte.
Doch nein, Jan Wilhelm hat die zeiten nicht verlohren,
Zu welchen unſre welt in ſichrer ruhe ſchlief.
Zwar wer ihn ſieht das volck in glut und flammen fuͤhren,
Wenn ſein erzoͤrnter muth ſich an den feinden reibt,
Der meynt, es waͤre nichts ſein taͤgliches ſtudiren,
Als was die krieges-kunſt in ihren ſchulen treibt.
Alleine wenn er ſich laͤſt an den hoͤfen ſehen,
Wo mancher koͤnig ihn und ſeine tugend ſchaͤtzt,
So gab ſein gantzes thun uns etwas zu verſtehen,
Als ob er nie die hand in krieg und blut genetzt.
Es muſte Willjams huld in deiner ſeele leben,
Und weil er einſt mit dir auf Engliſch ſich verband,
So wilſt du abermals dich an die Thems erheben,
Dich tragen GOtt und ſchiff zum ſchoͤnen Engelland,
Das deine thaten kennt. Du ſaheſt Willjams hertze
Jtzt in gemehrter gunſt die liebes-funcken ſtreun,
Die freundſchafft brannte nun gleich einer lichten kertze,
Worauf kein ſcheeler neid den geiffer dorffte ſpeyn.
Die Seine hieß dich drauf, Durchlauchtigſter! willkommen,
Paris, das allen pracht Europens in ſich ſchleuſt,
Hat dich in ſeinen ſchoos, als Printzen, angenommen,
Dem Louis nach verdienſt die hoͤchſte gunſt erweiſt.
Dis iſt der tugend art, daß ſie ein feind auch liebet,
Ein feind, der noch verſtand in ſeinen ſinnen hegt;
Man ehrt den edelſtein, der ſtrahlen von ſich giebet,
Ob ihn die fremde hand in fremdem golde traͤgt;
Der ſtoltze Frantzmann ſteht in nichtigen gedancken:
Daß unſre Deutſchen plump und ſonder anmuth ſind;
Er zeucht die artigkeit in allzuenge ſchrancken,
Die ſich nach ſeinem kopff nur an der Seine findt.
Der kuͤhne Bouhours ſucht recht gruͤndlich zu erweiſen,
Es ſey ein deutſch gehirn zur klugheit ungeſchickt;
Er ſpricht: der himmel ſey bey uns von ſtahl und eiſen,
Der ſeine haͤrtigkeit auch in die ſeelen druͤckt.
Allein was dienet es mit fingern zu bemercken,
Wo der bekante glantz der ſonnen-fackel brennt?
Es ſoll kein widerſtreit das gegentheil beſtaͤrcken,
Das auch ein bloͤdes aug aus den exempeln kennt.
Paris
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[138/0140] Begraͤbniß-Gedichte. Doch nein, Jan Wilhelm hat die zeiten nicht verlohren, Zu welchen unſre welt in ſichrer ruhe ſchlief. Zwar wer ihn ſieht das volck in glut und flammen fuͤhren, Wenn ſein erzoͤrnter muth ſich an den feinden reibt, Der meynt, es waͤre nichts ſein taͤgliches ſtudiren, Als was die krieges-kunſt in ihren ſchulen treibt. Alleine wenn er ſich laͤſt an den hoͤfen ſehen, Wo mancher koͤnig ihn und ſeine tugend ſchaͤtzt, So gab ſein gantzes thun uns etwas zu verſtehen, Als ob er nie die hand in krieg und blut genetzt. Es muſte Willjams huld in deiner ſeele leben, Und weil er einſt mit dir auf Engliſch ſich verband, So wilſt du abermals dich an die Thems erheben, Dich tragen GOtt und ſchiff zum ſchoͤnen Engelland, Das deine thaten kennt. Du ſaheſt Willjams hertze Jtzt in gemehrter gunſt die liebes-funcken ſtreun, Die freundſchafft brannte nun gleich einer lichten kertze, Worauf kein ſcheeler neid den geiffer dorffte ſpeyn. Die Seine hieß dich drauf, Durchlauchtigſter! willkommen, Paris, das allen pracht Europens in ſich ſchleuſt, Hat dich in ſeinen ſchoos, als Printzen, angenommen, Dem Louis nach verdienſt die hoͤchſte gunſt erweiſt. Dis iſt der tugend art, daß ſie ein feind auch liebet, Ein feind, der noch verſtand in ſeinen ſinnen hegt; Man ehrt den edelſtein, der ſtrahlen von ſich giebet, Ob ihn die fremde hand in fremdem golde traͤgt; Der ſtoltze Frantzmann ſteht in nichtigen gedancken: Daß unſre Deutſchen plump und ſonder anmuth ſind; Er zeucht die artigkeit in allzuenge ſchrancken, Die ſich nach ſeinem kopff nur an der Seine findt. Der kuͤhne Bouhours ſucht recht gruͤndlich zu erweiſen, Es ſey ein deutſch gehirn zur klugheit ungeſchickt; Er ſpricht: der himmel ſey bey uns von ſtahl und eiſen, Der ſeine haͤrtigkeit auch in die ſeelen druͤckt. Allein was dienet es mit fingern zu bemercken, Wo der bekante glantz der ſonnen-fackel brennt? Es ſoll kein widerſtreit das gegentheil beſtaͤrcken, Das auch ein bloͤdes aug aus den exempeln kennt. Paris

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/140>, abgerufen am 06.05.2024.