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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776.

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Leben u. Tod der Menschen. XXX. B.
selbige herum, ein weisser Nebel, welcher weit umher die
Rizze belagert. Es vergehet eben keine lange Zwischen-
zeit, so senkt sich aus ihm ein Gallert auf die Rizze her-
ab, so viel nämlich als die Wunde zu schliessen hinläng-
lich ist, und es läuft das Blut in der so stark verwunde-
ten Schlagader, als ob selbige nicht das geringste gelit-
ten hätte, dergestalt herum, daß auch nicht ein einziges
Kügelchen verloren geht. Doch siehet man, daß der von
aussen hervorquellende Gallert lange Zeit an der Wunde
hängen bleibt: wiewohl einige Stunden in Versuchen,
welche einem Zergliederer lang vorkommen, so viel als
nichts gegen die Jahre zu rechnen sind, welche die Na-
tur bei einem lebenden Menschen anwendet, um einen
neuen Grundstof auszubilden.

Wir sind nicht hinlänglich genug davon unterrichtet,
wie der Verlust der Muskelfasern ersezzt werde, indem
es noch zur Zeit nicht gehörig ausgemacht ist, ob diese
Faser hohl; oder vielmehr feste sey. Wenigstens scheint
eine Sehnenfaser feste, und aus einem dichten und com-
pakten Fadengewebe gewebt zu seyn (m).

Folglich wird eine solche Fleischfaser auf eben die Art
ernährt, wie andere cellulöse Gewebe, indem sich nem-
lich ein zäher Saft zu neuen Plättchen und zu neuen Fä-
serchen ansezzt. Wenn der sich zusammen ziehende Grund-
stof der Fleischfasern selbst, von den Gefässen verschieden,
und so auch von dem Fadengewebe verschieden, und hol
ist, so wird er sich nach der Beschaffenheit der Gefässe,
und wofern derselbe fest ist, nach der Struktur des cellu-
lösen Gewebes richten.

Offenbar werden die Knochen vermittelst eines Saf-
tes ernähret, welcher mit kalkartigen Theilen beladen ist,
und den die Gefässe in die Zwischenräume der Fasern
niederlegen (n).

Die
(m) [Spaltenumbruch] L. XI. p. 452.
(n) [Spaltenumbruch] L. XXIX. Sect. IV.

Leben u. Tod der Menſchen. XXX. B.
ſelbige herum, ein weiſſer Nebel, welcher weit umher die
Rizze belagert. Es vergehet eben keine lange Zwiſchen-
zeit, ſo ſenkt ſich aus ihm ein Gallert auf die Rizze her-
ab, ſo viel naͤmlich als die Wunde zu ſchlieſſen hinlaͤng-
lich iſt, und es laͤuft das Blut in der ſo ſtark verwunde-
ten Schlagader, als ob ſelbige nicht das geringſte gelit-
ten haͤtte, dergeſtalt herum, daß auch nicht ein einziges
Kuͤgelchen verloren geht. Doch ſiehet man, daß der von
auſſen hervorquellende Gallert lange Zeit an der Wunde
haͤngen bleibt: wiewohl einige Stunden in Verſuchen,
welche einem Zergliederer lang vorkommen, ſo viel als
nichts gegen die Jahre zu rechnen ſind, welche die Na-
tur bei einem lebenden Menſchen anwendet, um einen
neuen Grundſtof auszubilden.

Wir ſind nicht hinlaͤnglich genug davon unterrichtet,
wie der Verluſt der Muskelfaſern erſezzt werde, indem
es noch zur Zeit nicht gehoͤrig ausgemacht iſt, ob dieſe
Faſer hohl; oder vielmehr feſte ſey. Wenigſtens ſcheint
eine Sehnenfaſer feſte, und aus einem dichten und com-
pakten Fadengewebe gewebt zu ſeyn (m).

Folglich wird eine ſolche Fleiſchfaſer auf eben die Art
ernaͤhrt, wie andere celluloͤſe Gewebe, indem ſich nem-
lich ein zaͤher Saft zu neuen Plaͤttchen und zu neuen Faͤ-
ſerchen anſezzt. Wenn der ſich zuſammen ziehende Grund-
ſtof der Fleiſchfaſern ſelbſt, von den Gefaͤſſen verſchieden,
und ſo auch von dem Fadengewebe verſchieden, und hol
iſt, ſo wird er ſich nach der Beſchaffenheit der Gefaͤſſe,
und wofern derſelbe feſt iſt, nach der Struktur des cellu-
loͤſen Gewebes richten.

Offenbar werden die Knochen vermittelſt eines Saf-
tes ernaͤhret, welcher mit kalkartigen Theilen beladen iſt,
und den die Gefaͤſſe in die Zwiſchenraͤume der Faſern
niederlegen (n).

Die
(m) [Spaltenumbruch] L. XI. p. 452.
(n) [Spaltenumbruch] L. XXIX. Sect. IV.
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[886[888]/0940] Leben u. Tod der Menſchen. XXX. B. ſelbige herum, ein weiſſer Nebel, welcher weit umher die Rizze belagert. Es vergehet eben keine lange Zwiſchen- zeit, ſo ſenkt ſich aus ihm ein Gallert auf die Rizze her- ab, ſo viel naͤmlich als die Wunde zu ſchlieſſen hinlaͤng- lich iſt, und es laͤuft das Blut in der ſo ſtark verwunde- ten Schlagader, als ob ſelbige nicht das geringſte gelit- ten haͤtte, dergeſtalt herum, daß auch nicht ein einziges Kuͤgelchen verloren geht. Doch ſiehet man, daß der von auſſen hervorquellende Gallert lange Zeit an der Wunde haͤngen bleibt: wiewohl einige Stunden in Verſuchen, welche einem Zergliederer lang vorkommen, ſo viel als nichts gegen die Jahre zu rechnen ſind, welche die Na- tur bei einem lebenden Menſchen anwendet, um einen neuen Grundſtof auszubilden. Wir ſind nicht hinlaͤnglich genug davon unterrichtet, wie der Verluſt der Muskelfaſern erſezzt werde, indem es noch zur Zeit nicht gehoͤrig ausgemacht iſt, ob dieſe Faſer hohl; oder vielmehr feſte ſey. Wenigſtens ſcheint eine Sehnenfaſer feſte, und aus einem dichten und com- pakten Fadengewebe gewebt zu ſeyn (m). Folglich wird eine ſolche Fleiſchfaſer auf eben die Art ernaͤhrt, wie andere celluloͤſe Gewebe, indem ſich nem- lich ein zaͤher Saft zu neuen Plaͤttchen und zu neuen Faͤ- ſerchen anſezzt. Wenn der ſich zuſammen ziehende Grund- ſtof der Fleiſchfaſern ſelbſt, von den Gefaͤſſen verſchieden, und ſo auch von dem Fadengewebe verſchieden, und hol iſt, ſo wird er ſich nach der Beſchaffenheit der Gefaͤſſe, und wofern derſelbe feſt iſt, nach der Struktur des cellu- loͤſen Gewebes richten. Offenbar werden die Knochen vermittelſt eines Saf- tes ernaͤhret, welcher mit kalkartigen Theilen beladen iſt, und den die Gefaͤſſe in die Zwiſchenraͤume der Faſern niederlegen (n). Die (m) L. XI. p. 452. (n) L. XXIX. Sect. IV.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 886[888]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/940>, abgerufen am 22.11.2024.