Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite
II. Abs. Der Zustand des Menschen.

Die Abnahme, welche von dem Fortstosse herrühret,
und dergleichen man an den Kopfhaaren und der Ober-
haut bemerkt, scheinet von diesem Fortstosse selbsten und
zwar dergestalt ergänzt zu werden, daß das nächste Theil
in die Stelle des zerstörten Theilchens einrükkt, wie man
an den Fingernägeln deutlich sehen kann; dieses Theilchen
treibt das nächste andere vor sich her; das nächste aber
am Herzen ergänzt ein geronnener Saft, wie man an
den Haaren überhaupt siehet.

Und so hatte T. Morgan recht (o), so wie unser
Börhaave, der ein grösserer Verehrer der Gottheit
war, eine Maschine zu bewundern, welche sich nicht nur
selber zerstört, sondern auch wieder ergänzt. Eine Ma-
schine, welche in der That einen Theil der göttlichen
Haushaltungen, und über alle Kräfte der Menschen un-
endlich erhaben ist.

§. 7.
Der Stillstand des Menschenkörpers.

Von dem zwanzigsten oder fünf und zwanzigsten
Jahre an bis zum vierzigsten, vermuthet man gemeinig-
lich, daß der Bestand des Menschen fortdauere, ob man
ihn auch gleichwol für länger ansehen kann, ein Zustand,
in welchem der Mensch nicht weiter fortwächst, doch aber
auch nicht eben abnimmt, und da sich derselbe überhaupt
so ziemlich gleich bleibt: es ist dieses derjenige Bezirk der
Ernährung, in welchem sich der Verlust, wie man glaubt,
jedoch ohne einen Ueberschuß wieder herstellen läst.

Doch ändert sich in eben diesem Zustande auch man-
ches bei dem Menschen. Und so ist der menschliche Kör-
per ein hinfälliges und veränderliches Wesen. Er ver-
liert alle Tage, und zwar nicht wenig, durch den Urin,
durch die Ausdünstung, und vermittelst der abgeriebenen

Theile:
(o) Mechan. medic. praef.
K k k 5
II. Abſ. Der Zuſtand des Menſchen.

Die Abnahme, welche von dem Fortſtoſſe herruͤhret,
und dergleichen man an den Kopfhaaren und der Ober-
haut bemerkt, ſcheinet von dieſem Fortſtoſſe ſelbſten und
zwar dergeſtalt ergaͤnzt zu werden, daß das naͤchſte Theil
in die Stelle des zerſtoͤrten Theilchens einruͤkkt, wie man
an den Fingernaͤgeln deutlich ſehen kann; dieſes Theilchen
treibt das naͤchſte andere vor ſich her; das naͤchſte aber
am Herzen ergaͤnzt ein geronnener Saft, wie man an
den Haaren uͤberhaupt ſiehet.

Und ſo hatte T. Morgan recht (o), ſo wie unſer
Boͤrhaave, der ein groͤſſerer Verehrer der Gottheit
war, eine Maſchine zu bewundern, welche ſich nicht nur
ſelber zerſtoͤrt, ſondern auch wieder ergaͤnzt. Eine Ma-
ſchine, welche in der That einen Theil der goͤttlichen
Haushaltungen, und uͤber alle Kraͤfte der Menſchen un-
endlich erhaben iſt.

§. 7.
Der Stillſtand des Menſchenkoͤrpers.

Von dem zwanzigſten oder fuͤnf und zwanzigſten
Jahre an bis zum vierzigſten, vermuthet man gemeinig-
lich, daß der Beſtand des Menſchen fortdauere, ob man
ihn auch gleichwol fuͤr laͤnger anſehen kann, ein Zuſtand,
in welchem der Menſch nicht weiter fortwaͤchſt, doch aber
auch nicht eben abnimmt, und da ſich derſelbe uͤberhaupt
ſo ziemlich gleich bleibt: es iſt dieſes derjenige Bezirk der
Ernaͤhrung, in welchem ſich der Verluſt, wie man glaubt,
jedoch ohne einen Ueberſchuß wieder herſtellen laͤſt.

Doch aͤndert ſich in eben dieſem Zuſtande auch man-
ches bei dem Menſchen. Und ſo iſt der menſchliche Koͤr-
per ein hinfaͤlliges und veraͤnderliches Weſen. Er ver-
liert alle Tage, und zwar nicht wenig, durch den Urin,
durch die Ausduͤnſtung, und vermittelſt der abgeriebenen

Theile:
(o) Mechan. medic. praef.
K k k 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0941" n="887[889]"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Ab&#x017F;. Der Zu&#x017F;tand des Men&#x017F;chen.</hi> </fw><lb/>
              <p>Die Abnahme, welche von dem Fort&#x017F;to&#x017F;&#x017F;e herru&#x0364;hret,<lb/>
und dergleichen man an den Kopfhaaren und der Ober-<lb/>
haut bemerkt, &#x017F;cheinet von die&#x017F;em Fort&#x017F;to&#x017F;&#x017F;e &#x017F;elb&#x017F;ten und<lb/>
zwar derge&#x017F;talt erga&#x0364;nzt zu werden, daß das na&#x0364;ch&#x017F;te Theil<lb/>
in die Stelle des zer&#x017F;to&#x0364;rten Theilchens einru&#x0364;kkt, wie man<lb/>
an den Fingerna&#x0364;geln deutlich &#x017F;ehen kann; die&#x017F;es Theilchen<lb/>
treibt das na&#x0364;ch&#x017F;te andere vor &#x017F;ich her; das na&#x0364;ch&#x017F;te aber<lb/>
am Herzen erga&#x0364;nzt ein geronnener Saft, wie man an<lb/>
den Haaren u&#x0364;berhaupt &#x017F;iehet.</p><lb/>
              <p>Und &#x017F;o hatte T. <hi rendition="#fr">Morgan</hi> recht <note place="foot" n="(o)"><hi rendition="#aq">Mechan. medic. praef.</hi></note>, &#x017F;o wie un&#x017F;er<lb/><hi rendition="#fr">Bo&#x0364;rhaave,</hi> der ein gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;erer Verehrer der Gottheit<lb/>
war, eine Ma&#x017F;chine zu bewundern, welche &#x017F;ich nicht nur<lb/>
&#x017F;elber zer&#x017F;to&#x0364;rt, &#x017F;ondern auch wieder erga&#x0364;nzt. Eine Ma-<lb/>
&#x017F;chine, welche in der That einen Theil der go&#x0364;ttlichen<lb/>
Haushaltungen, und u&#x0364;ber alle Kra&#x0364;fte der Men&#x017F;chen un-<lb/>
endlich erhaben i&#x017F;t.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 7.<lb/><hi rendition="#b">Der Still&#x017F;tand des Men&#x017F;chenko&#x0364;rpers.</hi></head><lb/>
              <p>Von dem zwanzig&#x017F;ten oder fu&#x0364;nf und zwanzig&#x017F;ten<lb/>
Jahre an bis zum vierzig&#x017F;ten, vermuthet man gemeinig-<lb/>
lich, daß der Be&#x017F;tand des Men&#x017F;chen fortdauere, ob man<lb/>
ihn auch gleichwol fu&#x0364;r la&#x0364;nger an&#x017F;ehen kann, ein Zu&#x017F;tand,<lb/>
in welchem der Men&#x017F;ch nicht weiter fortwa&#x0364;ch&#x017F;t, doch aber<lb/>
auch nicht eben abnimmt, und da &#x017F;ich der&#x017F;elbe u&#x0364;berhaupt<lb/>
&#x017F;o ziemlich gleich bleibt: es i&#x017F;t die&#x017F;es derjenige Bezirk der<lb/>
Erna&#x0364;hrung, in welchem &#x017F;ich der Verlu&#x017F;t, wie man glaubt,<lb/>
jedoch ohne einen Ueber&#x017F;chuß wieder her&#x017F;tellen la&#x0364;&#x017F;t.</p><lb/>
              <p>Doch a&#x0364;ndert &#x017F;ich in eben die&#x017F;em Zu&#x017F;tande auch man-<lb/>
ches bei dem Men&#x017F;chen. Und &#x017F;o i&#x017F;t der men&#x017F;chliche Ko&#x0364;r-<lb/>
per ein hinfa&#x0364;lliges und vera&#x0364;nderliches We&#x017F;en. Er ver-<lb/>
liert alle Tage, und zwar nicht wenig, durch den Urin,<lb/>
durch die Ausdu&#x0364;n&#x017F;tung, und vermittel&#x017F;t der abgeriebenen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">K k k 5</fw><fw place="bottom" type="catch">Theile:</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[887[889]/0941] II. Abſ. Der Zuſtand des Menſchen. Die Abnahme, welche von dem Fortſtoſſe herruͤhret, und dergleichen man an den Kopfhaaren und der Ober- haut bemerkt, ſcheinet von dieſem Fortſtoſſe ſelbſten und zwar dergeſtalt ergaͤnzt zu werden, daß das naͤchſte Theil in die Stelle des zerſtoͤrten Theilchens einruͤkkt, wie man an den Fingernaͤgeln deutlich ſehen kann; dieſes Theilchen treibt das naͤchſte andere vor ſich her; das naͤchſte aber am Herzen ergaͤnzt ein geronnener Saft, wie man an den Haaren uͤberhaupt ſiehet. Und ſo hatte T. Morgan recht (o), ſo wie unſer Boͤrhaave, der ein groͤſſerer Verehrer der Gottheit war, eine Maſchine zu bewundern, welche ſich nicht nur ſelber zerſtoͤrt, ſondern auch wieder ergaͤnzt. Eine Ma- ſchine, welche in der That einen Theil der goͤttlichen Haushaltungen, und uͤber alle Kraͤfte der Menſchen un- endlich erhaben iſt. §. 7. Der Stillſtand des Menſchenkoͤrpers. Von dem zwanzigſten oder fuͤnf und zwanzigſten Jahre an bis zum vierzigſten, vermuthet man gemeinig- lich, daß der Beſtand des Menſchen fortdauere, ob man ihn auch gleichwol fuͤr laͤnger anſehen kann, ein Zuſtand, in welchem der Menſch nicht weiter fortwaͤchſt, doch aber auch nicht eben abnimmt, und da ſich derſelbe uͤberhaupt ſo ziemlich gleich bleibt: es iſt dieſes derjenige Bezirk der Ernaͤhrung, in welchem ſich der Verluſt, wie man glaubt, jedoch ohne einen Ueberſchuß wieder herſtellen laͤſt. Doch aͤndert ſich in eben dieſem Zuſtande auch man- ches bei dem Menſchen. Und ſo iſt der menſchliche Koͤr- per ein hinfaͤlliges und veraͤnderliches Weſen. Er ver- liert alle Tage, und zwar nicht wenig, durch den Urin, durch die Ausduͤnſtung, und vermittelſt der abgeriebenen Theile: (o) Mechan. medic. praef. K k k 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/941
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 887[889]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/941>, abgerufen am 22.11.2024.