Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Abs. Der Zustand des Menschen.
den Fäserchen und Plättchen des Fadengewebes äussert,
indem man diese beständig in Bereitschaft findet, kürzer
werden zu wollen. Nun sezze man, daß etwa eine Grube
von aussen an irgend einem Gefässe, vermöge der Ver-
zehrung, entstanden sey, und daß der Saft aus dem Röhr-
chen diese Grube nicht erreichen könne: man sezze, wenn
es uns beliebt, daß der Grundstof einer Muskelfaser,
oder eines cellulösen Pläzzchens verloren gegangen sey.

So wird hier eben das vorgehen müssen; es wird
nemlich der gallertartige Saft, welcher sich in der Nach-
barschaft aufhält, gegen diese Grube zu, gleich als in ei-
nem leeren Raum getrieben werden, es wird sich der-
selbe um die Grube herumgiessen, er wird dieselbe aus-
füllen, er wird sich an die erdige Grundstoffe anhängen,
und von allen Arten der drükkenden Kräfte, sonderlich
aber von den cellulösen Fasern, an das Gefässe angedrükkt
werden, woran die Grube ausgestochen worden, indem
diese Fasern von oben und unten daran anschliessen, und
indem selbige ein Bestreben äussern, kürzer und gerader
zu werden, so stossen sie dadurch den Leim in die Grube
hinab, sie flikken diese Lükke aus, und was überflüßig
ist, wird durch eben diese Kräfte weiter gewiesen, ob sich
gleich bisweilen dieser Saft um das beschädigte Gefäß
gleichsam als eine kleine Halbkugel ergiest, und nach
dem Exempel des Beinbruchknorpels weit über die Wun-
de weggeht. Es verwandelt sich aber ein zäher Saft
sehr leicht, und auch widernatürlich, in ein Fadengewe-
be, wie man an den Bändern sieht, welche in der
Brust (i), und im Unterleibe (k), aus einem gallertar-
tigen Safte, oder aus einem verdikkten Eiter, entstehen.

Man kann diese Art der Ernährung an den Fröschen
mit Augen sehen (l), wenn man ihre Schlagadern ver-
lezzt. Es ergießt sich nemlich aus der Wunde, und um

selbige
(i) [Spaltenumbruch] L. VIII. p. 121.
(k) L. XX. p. 344.
(l) [Spaltenumbruch] Oper. min. p. 114. n. 5.
K k k 4

II. Abſ. Der Zuſtand des Menſchen.
den Faͤſerchen und Plaͤttchen des Fadengewebes aͤuſſert,
indem man dieſe beſtaͤndig in Bereitſchaft findet, kuͤrzer
werden zu wollen. Nun ſezze man, daß etwa eine Grube
von auſſen an irgend einem Gefaͤſſe, vermoͤge der Ver-
zehrung, entſtanden ſey, und daß der Saft aus dem Roͤhr-
chen dieſe Grube nicht erreichen koͤnne: man ſezze, wenn
es uns beliebt, daß der Grundſtof einer Muskelfaſer,
oder eines celluloͤſen Plaͤzzchens verloren gegangen ſey.

So wird hier eben das vorgehen muͤſſen; es wird
nemlich der gallertartige Saft, welcher ſich in der Nach-
barſchaft aufhaͤlt, gegen dieſe Grube zu, gleich als in ei-
nem leeren Raum getrieben werden, es wird ſich der-
ſelbe um die Grube herumgieſſen, er wird dieſelbe aus-
fuͤllen, er wird ſich an die erdige Grundſtoffe anhaͤngen,
und von allen Arten der druͤkkenden Kraͤfte, ſonderlich
aber von den celluloͤſen Faſern, an das Gefaͤſſe angedruͤkkt
werden, woran die Grube ausgeſtochen worden, indem
dieſe Faſern von oben und unten daran anſchlieſſen, und
indem ſelbige ein Beſtreben aͤuſſern, kuͤrzer und gerader
zu werden, ſo ſtoſſen ſie dadurch den Leim in die Grube
hinab, ſie flikken dieſe Luͤkke aus, und was uͤberfluͤßig
iſt, wird durch eben dieſe Kraͤfte weiter gewieſen, ob ſich
gleich bisweilen dieſer Saft um das beſchaͤdigte Gefaͤß
gleichſam als eine kleine Halbkugel ergieſt, und nach
dem Exempel des Beinbruchknorpels weit uͤber die Wun-
de weggeht. Es verwandelt ſich aber ein zaͤher Saft
ſehr leicht, und auch widernatuͤrlich, in ein Fadengewe-
be, wie man an den Baͤndern ſieht, welche in der
Bruſt (i), und im Unterleibe (k), aus einem gallertar-
tigen Safte, oder aus einem verdikkten Eiter, entſtehen.

Man kann dieſe Art der Ernaͤhrung an den Froͤſchen
mit Augen ſehen (l), wenn man ihre Schlagadern ver-
lezzt. Es ergießt ſich nemlich aus der Wunde, und um

ſelbige
(i) [Spaltenumbruch] L. VIII. p. 121.
(k) L. XX. p. 344.
(l) [Spaltenumbruch] Oper. min. p. 114. n. 5.
K k k 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0939" n="885[887]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Ab&#x017F;. Der Zu&#x017F;tand des Men&#x017F;chen.</hi></fw><lb/>
den Fa&#x0364;&#x017F;erchen und Pla&#x0364;ttchen des Fadengewebes a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ert,<lb/>
indem man die&#x017F;e be&#x017F;ta&#x0364;ndig in Bereit&#x017F;chaft findet, ku&#x0364;rzer<lb/>
werden zu wollen. Nun &#x017F;ezze man, daß etwa eine Grube<lb/>
von au&#x017F;&#x017F;en an irgend einem Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, vermo&#x0364;ge der Ver-<lb/>
zehrung, ent&#x017F;tanden &#x017F;ey, und daß der Saft aus dem Ro&#x0364;hr-<lb/>
chen die&#x017F;e Grube nicht erreichen ko&#x0364;nne: man &#x017F;ezze, wenn<lb/>
es uns beliebt, daß der Grund&#x017F;tof einer Muskelfa&#x017F;er,<lb/>
oder eines cellulo&#x0364;&#x017F;en Pla&#x0364;zzchens verloren gegangen &#x017F;ey.</p><lb/>
              <p>So wird hier eben das vorgehen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en; es wird<lb/>
nemlich der gallertartige Saft, welcher &#x017F;ich in der Nach-<lb/>
bar&#x017F;chaft aufha&#x0364;lt, gegen die&#x017F;e Grube zu, gleich als in ei-<lb/>
nem leeren Raum getrieben werden, es wird &#x017F;ich der-<lb/>
&#x017F;elbe um die Grube herumgie&#x017F;&#x017F;en, er wird die&#x017F;elbe aus-<lb/>
fu&#x0364;llen, er wird &#x017F;ich an die erdige Grund&#x017F;toffe anha&#x0364;ngen,<lb/>
und von allen Arten der dru&#x0364;kkenden Kra&#x0364;fte, &#x017F;onderlich<lb/>
aber von den cellulo&#x0364;&#x017F;en Fa&#x017F;ern, an das Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e angedru&#x0364;kkt<lb/>
werden, woran die Grube ausge&#x017F;tochen worden, indem<lb/>
die&#x017F;e Fa&#x017F;ern von oben und unten daran an&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en, und<lb/>
indem &#x017F;elbige ein Be&#x017F;treben a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ern, ku&#x0364;rzer und gerader<lb/>
zu werden, &#x017F;o &#x017F;to&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie dadurch den Leim in die Grube<lb/>
hinab, &#x017F;ie flikken die&#x017F;e Lu&#x0364;kke aus, und was u&#x0364;berflu&#x0364;ßig<lb/>
i&#x017F;t, wird durch eben die&#x017F;e Kra&#x0364;fte weiter gewie&#x017F;en, ob &#x017F;ich<lb/>
gleich bisweilen die&#x017F;er Saft um das be&#x017F;cha&#x0364;digte Gefa&#x0364;ß<lb/>
gleich&#x017F;am als eine kleine Halbkugel ergie&#x017F;t, und nach<lb/>
dem Exempel des Beinbruchknorpels weit u&#x0364;ber die Wun-<lb/>
de weggeht. Es verwandelt &#x017F;ich aber ein za&#x0364;her Saft<lb/>
&#x017F;ehr leicht, und auch widernatu&#x0364;rlich, in ein Fadengewe-<lb/>
be, wie man an den Ba&#x0364;ndern &#x017F;ieht, welche in der<lb/>
Bru&#x017F;t <note place="foot" n="(i)"><cb/><hi rendition="#aq">L. VIII. p.</hi> 121.</note>, und im Unterleibe <note place="foot" n="(k)"><hi rendition="#aq">L. XX. p.</hi> 344.</note>, aus einem gallertar-<lb/>
tigen Safte, oder aus einem verdikkten Eiter, ent&#x017F;tehen.</p><lb/>
              <p>Man kann die&#x017F;e Art der Erna&#x0364;hrung an den Fro&#x0364;&#x017F;chen<lb/>
mit Augen &#x017F;ehen <note place="foot" n="(l)"><cb/><hi rendition="#aq">Oper. min. p. 114. n.</hi> 5.</note>, wenn man ihre Schlagadern ver-<lb/>
lezzt. Es ergießt &#x017F;ich nemlich aus der Wunde, und um<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">K k k 4</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;elbige</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[885[887]/0939] II. Abſ. Der Zuſtand des Menſchen. den Faͤſerchen und Plaͤttchen des Fadengewebes aͤuſſert, indem man dieſe beſtaͤndig in Bereitſchaft findet, kuͤrzer werden zu wollen. Nun ſezze man, daß etwa eine Grube von auſſen an irgend einem Gefaͤſſe, vermoͤge der Ver- zehrung, entſtanden ſey, und daß der Saft aus dem Roͤhr- chen dieſe Grube nicht erreichen koͤnne: man ſezze, wenn es uns beliebt, daß der Grundſtof einer Muskelfaſer, oder eines celluloͤſen Plaͤzzchens verloren gegangen ſey. So wird hier eben das vorgehen muͤſſen; es wird nemlich der gallertartige Saft, welcher ſich in der Nach- barſchaft aufhaͤlt, gegen dieſe Grube zu, gleich als in ei- nem leeren Raum getrieben werden, es wird ſich der- ſelbe um die Grube herumgieſſen, er wird dieſelbe aus- fuͤllen, er wird ſich an die erdige Grundſtoffe anhaͤngen, und von allen Arten der druͤkkenden Kraͤfte, ſonderlich aber von den celluloͤſen Faſern, an das Gefaͤſſe angedruͤkkt werden, woran die Grube ausgeſtochen worden, indem dieſe Faſern von oben und unten daran anſchlieſſen, und indem ſelbige ein Beſtreben aͤuſſern, kuͤrzer und gerader zu werden, ſo ſtoſſen ſie dadurch den Leim in die Grube hinab, ſie flikken dieſe Luͤkke aus, und was uͤberfluͤßig iſt, wird durch eben dieſe Kraͤfte weiter gewieſen, ob ſich gleich bisweilen dieſer Saft um das beſchaͤdigte Gefaͤß gleichſam als eine kleine Halbkugel ergieſt, und nach dem Exempel des Beinbruchknorpels weit uͤber die Wun- de weggeht. Es verwandelt ſich aber ein zaͤher Saft ſehr leicht, und auch widernatuͤrlich, in ein Fadengewe- be, wie man an den Baͤndern ſieht, welche in der Bruſt (i), und im Unterleibe (k), aus einem gallertar- tigen Safte, oder aus einem verdikkten Eiter, entſtehen. Man kann dieſe Art der Ernaͤhrung an den Froͤſchen mit Augen ſehen (l), wenn man ihre Schlagadern ver- lezzt. Es ergießt ſich nemlich aus der Wunde, und um ſelbige (i) L. VIII. p. 121. (k) L. XX. p. 344. (l) Oper. min. p. 114. n. 5. K k k 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/939
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 885[887]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/939>, abgerufen am 25.11.2024.