Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

Leben u. Tod der Menschen. XXX. B.
ten, lehren die Hörner der Käfer, welche innerhalb drei
Tagen ungemein hart werden (f).

Nach meiner Meinung ist es wohl nicht leicht zu ver-
meiden, daß sich nicht aus einem ähnlichen Leime, so-
wol der erdige, als der gallertartige Grundstof wieder
herstellen sollte; und es entstehet hieraus eine andere Fra-
ge, warum die Körper der Kinder und Jünglinge so
lange in dem Zustande der Dehnbarkeit verbleiben; end-
lich aber alles, wenn nunmehr der Leim selbst mit einer
Menge Erde angefüllt ist, bei den Greisen steif wird.
Bekannt ist es, wie leicht bei Kindern die zerbrochene
Knochen wieder heilen (+), und wie schwer dieses der
Natur bei den Greisen zu stehen kömmt. Jn dem Bein-
bruchsknorpel der Kinder herrscht ein Leim, welcher ei-
nen Trieb zum Anhängen bei sich führt, hingegen stekkt
in dem Blute der bejahrten Personen eine rauhe kalkar-
tige Erde, welche sich der bildenden Kraft schon mehr
widersezzt.

Eine andere Beschaffenheit hat es mit der äusserli-
chen Ernährung. Diese geschieht vermittelst des Faden-
gewebes, und ich habe ein Exempel davon an den Frö-
schen gesehen.

Es bewegt sich nämlich in dem cellulösen Räumchen
eine dunstartige Flüßigkeit, welche jedoch aus der Classe
des Gallertes ist (g), vermittelst des Drukkes der benach-
barten Schlagadern, der nächsten Muskeln, und selbst
derjenigen langsamen sich zusammenziehenden Kraft, wel-
che wir todte Kraft genannt haben (h), und welche sich an

den
(f) [Spaltenumbruch] SWAMMERDAM bibl. p.
341. doch es verwandelt sich auch
der Keim der nucis coccus in eine
harte Knospe. PISON. mantis.
drom. p. 207. Conf. L. XXVI. p.

361. 362.
(+) SMELLIE cases Tom. III.
p.
505. 507.
(g) Die Nahrung kömmt in
die Zwischentäume. Der ganze
[Spaltenumbruch] Polipe wird roth, wenn selbiger
die rothe Würmerchen aufgegessen
und verdaut hat. BAKER p. 29.
TREMBLEY p. 126. 127. SCHAEF-
FER armpolyp. p.
32.
(h) L. XI. p. 443. u. s. w. diese
allein regiert den Lauf der vegeta-
bilischen Safte. LUDWIG Instit.
regn. vegerabil. p.
5.

Leben u. Tod der Menſchen. XXX. B.
ten, lehren die Hoͤrner der Kaͤfer, welche innerhalb drei
Tagen ungemein hart werden (f).

Nach meiner Meinung iſt es wohl nicht leicht zu ver-
meiden, daß ſich nicht aus einem aͤhnlichen Leime, ſo-
wol der erdige, als der gallertartige Grundſtof wieder
herſtellen ſollte; und es entſtehet hieraus eine andere Fra-
ge, warum die Koͤrper der Kinder und Juͤnglinge ſo
lange in dem Zuſtande der Dehnbarkeit verbleiben; end-
lich aber alles, wenn nunmehr der Leim ſelbſt mit einer
Menge Erde angefuͤllt iſt, bei den Greiſen ſteif wird.
Bekannt iſt es, wie leicht bei Kindern die zerbrochene
Knochen wieder heilen (†), und wie ſchwer dieſes der
Natur bei den Greiſen zu ſtehen koͤmmt. Jn dem Bein-
bruchsknorpel der Kinder herrſcht ein Leim, welcher ei-
nen Trieb zum Anhaͤngen bei ſich fuͤhrt, hingegen ſtekkt
in dem Blute der bejahrten Perſonen eine rauhe kalkar-
tige Erde, welche ſich der bildenden Kraft ſchon mehr
widerſezzt.

Eine andere Beſchaffenheit hat es mit der aͤuſſerli-
chen Ernaͤhrung. Dieſe geſchieht vermittelſt des Faden-
gewebes, und ich habe ein Exempel davon an den Froͤ-
ſchen geſehen.

Es bewegt ſich naͤmlich in dem celluloͤſen Raͤumchen
eine dunſtartige Fluͤßigkeit, welche jedoch aus der Claſſe
des Gallertes iſt (g), vermittelſt des Drukkes der benach-
barten Schlagadern, der naͤchſten Muskeln, und ſelbſt
derjenigen langſamen ſich zuſammenziehenden Kraft, wel-
che wir todte Kraft genannt haben (h), und welche ſich an

den
(f) [Spaltenumbruch] SWAMMERDAM bibl. p.
341. doch es verwandelt ſich auch
der Keim der nucis coccus in eine
harte Knoſpe. PISON. mantiſ.
drom. p. 207. Conf. L. XXVI. p.

361. 362.
(†) SMELLIE caſes Tom. III.
p.
505. 507.
(g) Die Nahrung koͤmmt in
die Zwiſchentaͤume. Der ganze
[Spaltenumbruch] Polipe wird roth, wenn ſelbiger
die rothe Wuͤrmerchen aufgegeſſen
und verdaut hat. BAKER p. 29.
TREMBLEY p. 126. 127. SCHAEF-
FER armpolyp. p.
32.
(h) L. XI. p. 443. u. ſ. w. dieſe
allein regiert den Lauf der vegeta-
biliſchen Safte. LUDWIG Inſtit.
regn. vegerabil. p.
5.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0938" n="884[886]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Leben u. Tod der Men&#x017F;chen. <hi rendition="#aq">XXX.</hi> B.</hi></fw><lb/>
ten, lehren die Ho&#x0364;rner der Ka&#x0364;fer, welche innerhalb drei<lb/>
Tagen ungemein hart werden <note place="foot" n="(f)"><cb/><hi rendition="#aq">SWAMMERDAM bibl. p.</hi><lb/>
341. doch es verwandelt &#x017F;ich auch<lb/>
der Keim der <hi rendition="#aq">nucis coccus</hi> in eine<lb/>
harte Kno&#x017F;pe. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">PISON.</hi> manti&#x017F;.<lb/>
drom. p. 207. Conf. L. XXVI. p.</hi><lb/>
361. 362.</note>.</p><lb/>
              <p>Nach meiner Meinung i&#x017F;t es wohl nicht leicht zu ver-<lb/>
meiden, daß &#x017F;ich nicht aus einem a&#x0364;hnlichen Leime, &#x017F;o-<lb/>
wol der erdige, als der gallertartige Grund&#x017F;tof wieder<lb/>
her&#x017F;tellen &#x017F;ollte; und es ent&#x017F;tehet hieraus eine andere Fra-<lb/>
ge, warum die Ko&#x0364;rper der Kinder und Ju&#x0364;nglinge &#x017F;o<lb/>
lange in dem Zu&#x017F;tande der Dehnbarkeit verbleiben; end-<lb/>
lich aber alles, wenn nunmehr der Leim &#x017F;elb&#x017F;t mit einer<lb/>
Menge Erde angefu&#x0364;llt i&#x017F;t, bei den Grei&#x017F;en &#x017F;teif wird.<lb/>
Bekannt i&#x017F;t es, wie leicht bei Kindern die zerbrochene<lb/>
Knochen wieder heilen <note place="foot" n="(&#x2020;)"><hi rendition="#aq">SMELLIE ca&#x017F;es Tom. III.<lb/>
p.</hi> 505. 507.</note>, und wie &#x017F;chwer die&#x017F;es der<lb/>
Natur bei den Grei&#x017F;en zu &#x017F;tehen ko&#x0364;mmt. Jn dem Bein-<lb/>
bruchsknorpel der Kinder herr&#x017F;cht ein Leim, welcher ei-<lb/>
nen Trieb zum Anha&#x0364;ngen bei &#x017F;ich fu&#x0364;hrt, hingegen &#x017F;tekkt<lb/>
in dem Blute der bejahrten Per&#x017F;onen eine rauhe kalkar-<lb/>
tige Erde, welche &#x017F;ich der bildenden Kraft &#x017F;chon mehr<lb/>
wider&#x017F;ezzt.</p><lb/>
              <p>Eine andere Be&#x017F;chaffenheit hat es mit der a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erli-<lb/>
chen Erna&#x0364;hrung. Die&#x017F;e ge&#x017F;chieht vermittel&#x017F;t des Faden-<lb/>
gewebes, und ich habe ein Exempel davon an den Fro&#x0364;-<lb/>
&#x017F;chen ge&#x017F;ehen.</p><lb/>
              <p>Es bewegt &#x017F;ich na&#x0364;mlich in dem cellulo&#x0364;&#x017F;en Ra&#x0364;umchen<lb/>
eine dun&#x017F;tartige Flu&#x0364;ßigkeit, welche jedoch aus der Cla&#x017F;&#x017F;e<lb/>
des Gallertes i&#x017F;t <note place="foot" n="(g)">Die Nahrung ko&#x0364;mmt in<lb/>
die Zwi&#x017F;chenta&#x0364;ume. Der ganze<lb/><cb/>
Polipe wird roth, wenn &#x017F;elbiger<lb/>
die rothe Wu&#x0364;rmerchen aufgege&#x017F;&#x017F;en<lb/>
und verdaut hat. <hi rendition="#aq">BAKER p. 29.<lb/>
TREMBLEY p. 126. 127. SCHAEF-<lb/>
FER armpolyp. p.</hi> 32.</note>, vermittel&#x017F;t des Drukkes der benach-<lb/>
barten Schlagadern, der na&#x0364;ch&#x017F;ten Muskeln, und &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
derjenigen lang&#x017F;amen &#x017F;ich zu&#x017F;ammenziehenden Kraft, wel-<lb/>
che wir todte Kraft genannt haben <note place="foot" n="(h)"><hi rendition="#aq">L. XI. p.</hi> 443. u. &#x017F;. w. die&#x017F;e<lb/>
allein regiert den Lauf der vegeta-<lb/>
bili&#x017F;chen Safte. <hi rendition="#aq">LUDWIG In&#x017F;tit.<lb/>
regn. vegerabil. p.</hi> 5.</note>, und welche &#x017F;ich an<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[884[886]/0938] Leben u. Tod der Menſchen. XXX. B. ten, lehren die Hoͤrner der Kaͤfer, welche innerhalb drei Tagen ungemein hart werden (f). Nach meiner Meinung iſt es wohl nicht leicht zu ver- meiden, daß ſich nicht aus einem aͤhnlichen Leime, ſo- wol der erdige, als der gallertartige Grundſtof wieder herſtellen ſollte; und es entſtehet hieraus eine andere Fra- ge, warum die Koͤrper der Kinder und Juͤnglinge ſo lange in dem Zuſtande der Dehnbarkeit verbleiben; end- lich aber alles, wenn nunmehr der Leim ſelbſt mit einer Menge Erde angefuͤllt iſt, bei den Greiſen ſteif wird. Bekannt iſt es, wie leicht bei Kindern die zerbrochene Knochen wieder heilen (†), und wie ſchwer dieſes der Natur bei den Greiſen zu ſtehen koͤmmt. Jn dem Bein- bruchsknorpel der Kinder herrſcht ein Leim, welcher ei- nen Trieb zum Anhaͤngen bei ſich fuͤhrt, hingegen ſtekkt in dem Blute der bejahrten Perſonen eine rauhe kalkar- tige Erde, welche ſich der bildenden Kraft ſchon mehr widerſezzt. Eine andere Beſchaffenheit hat es mit der aͤuſſerli- chen Ernaͤhrung. Dieſe geſchieht vermittelſt des Faden- gewebes, und ich habe ein Exempel davon an den Froͤ- ſchen geſehen. Es bewegt ſich naͤmlich in dem celluloͤſen Raͤumchen eine dunſtartige Fluͤßigkeit, welche jedoch aus der Claſſe des Gallertes iſt (g), vermittelſt des Drukkes der benach- barten Schlagadern, der naͤchſten Muskeln, und ſelbſt derjenigen langſamen ſich zuſammenziehenden Kraft, wel- che wir todte Kraft genannt haben (h), und welche ſich an den (f) SWAMMERDAM bibl. p. 341. doch es verwandelt ſich auch der Keim der nucis coccus in eine harte Knoſpe. PISON. mantiſ. drom. p. 207. Conf. L. XXVI. p. 361. 362. (†) SMELLIE caſes Tom. III. p. 505. 507. (g) Die Nahrung koͤmmt in die Zwiſchentaͤume. Der ganze Polipe wird roth, wenn ſelbiger die rothe Wuͤrmerchen aufgegeſſen und verdaut hat. BAKER p. 29. TREMBLEY p. 126. 127. SCHAEF- FER armpolyp. p. 32. (h) L. XI. p. 443. u. ſ. w. dieſe allein regiert den Lauf der vegeta- biliſchen Safte. LUDWIG Inſtit. regn. vegerabil. p. 5.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/938
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 884[886]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/938>, abgerufen am 25.11.2024.