lei Arten von einander abweichen, hingegen die äussern Theile an beiden Seiten einander höchst gleich sind. Es scheinet mir diese Anmerkung ein Beweis davon zu seyn, daß Gott ein Freund der Ordnung sey, und daß er diese überall zu erhalten suche, wo es sich nur irgend thun las- sen will; ja es scheinet mir hier noch etwas Feineres mit zum Grunde zu liegen: es scheinet nämlich den Menschen die Ordnung offenbar vorzuschreiben, um die Hand des Schöpfers zu erkennen; wo aber der Mensch nicht an- ders als vermittelst der Zergliederungskunst hindurch zu dringen vermag, da hat der Urheber der Natur andere Regeln als die Gesezze der Simmetrie zu seiner Vorschrift gemacht.
Zweiter Abschnitt. Der Zustand des Menschen und seine Ernährung.
§. 1. Jm Menschen verzehren sich die Säfte.
Wenn nunmehr das Wachsthum seine Endschaft erreicht hat, so befindet sich der Mensch, so viel als es sein Zustand erlauben will, in seiner grösten Vollkommenheit und er fühlet sich vollkommen glükkselig, sein Nerven- system ist empfindlich gespannt, seine Muskeln empfin- den ihre völlige Stärke, und der Mensch fühlt nicht nur Triebe, sondern er ist auch zu einer fruchtbaren Be- gattung geschikkt.
Noch kennt sein Gedächtniß keine Hinfälligkeit, sein Verstand denkt so lebhaft, als er irgend denken kann.
Es
Leben u. Tod der Menſchen. XXX. B.
lei Arten von einander abweichen, hingegen die aͤuſſern Theile an beiden Seiten einander hoͤchſt gleich ſind. Es ſcheinet mir dieſe Anmerkung ein Beweis davon zu ſeyn, daß Gott ein Freund der Ordnung ſey, und daß er dieſe uͤberall zu erhalten ſuche, wo es ſich nur irgend thun laſ- ſen will; ja es ſcheinet mir hier noch etwas Feineres mit zum Grunde zu liegen: es ſcheinet naͤmlich den Menſchen die Ordnung offenbar vorzuſchreiben, um die Hand des Schoͤpfers zu erkennen; wo aber der Menſch nicht an- ders als vermittelſt der Zergliederungskunſt hindurch zu dringen vermag, da hat der Urheber der Natur andere Regeln als die Geſezze der Simmetrie zu ſeiner Vorſchrift gemacht.
Zweiter Abſchnitt. Der Zuſtand des Menſchen und ſeine Ernaͤhrung.
§. 1. Jm Menſchen verzehren ſich die Saͤfte.
Wenn nunmehr das Wachsthum ſeine Endſchaft erreicht hat, ſo befindet ſich der Menſch, ſo viel als es ſein Zuſtand erlauben will, in ſeiner groͤſten Vollkommenheit und er fuͤhlet ſich vollkommen gluͤkkſelig, ſein Nerven- ſyſtem iſt empfindlich geſpannt, ſeine Muskeln empfin- den ihre voͤllige Staͤrke, und der Menſch fuͤhlt nicht nur Triebe, ſondern er iſt auch zu einer fruchtbaren Be- gattung geſchikkt.
Noch kennt ſein Gedaͤchtniß keine Hinfaͤlligkeit, ſein Verſtand denkt ſo lebhaft, als er irgend denken kann.
Es
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0910"n="856[858]"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Leben u. Tod der Menſchen. <hirendition="#aq">XXX.</hi> B.</hi></fw><lb/>
lei Arten von einander abweichen, hingegen die aͤuſſern<lb/>
Theile an beiden Seiten einander hoͤchſt gleich ſind. Es<lb/>ſcheinet mir dieſe Anmerkung ein Beweis davon zu ſeyn,<lb/>
daß Gott ein Freund der Ordnung ſey, und daß er dieſe<lb/>
uͤberall zu erhalten ſuche, wo es ſich nur irgend thun laſ-<lb/>ſen will; ja es ſcheinet mir hier noch etwas Feineres mit<lb/>
zum Grunde zu liegen: es ſcheinet naͤmlich den Menſchen<lb/>
die Ordnung offenbar vorzuſchreiben, um die Hand des<lb/>
Schoͤpfers zu erkennen; wo aber der Menſch nicht an-<lb/>
ders als vermittelſt der Zergliederungskunſt hindurch zu<lb/>
dringen vermag, da hat der Urheber der Natur andere<lb/>
Regeln als die Geſezze der Simmetrie zu ſeiner Vorſchrift<lb/>
gemacht.</p></div></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="3"><head><hirendition="#g">Zweiter Abſchnitt.</hi><lb/>
Der Zuſtand des Menſchen und ſeine<lb/>
Ernaͤhrung.</head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="4"><head>§. 1.<lb/>
Jm Menſchen verzehren ſich die Saͤfte.</head><lb/><p><hirendition="#in">W</hi>enn nunmehr das Wachsthum ſeine Endſchaft erreicht<lb/>
hat, ſo befindet ſich der Menſch, ſo viel als es ſein<lb/>
Zuſtand erlauben will, in ſeiner groͤſten Vollkommenheit<lb/>
und er fuͤhlet ſich vollkommen gluͤkkſelig, ſein Nerven-<lb/>ſyſtem iſt empfindlich geſpannt, ſeine Muskeln empfin-<lb/>
den ihre voͤllige Staͤrke, und der Menſch fuͤhlt nicht<lb/>
nur Triebe, ſondern er iſt auch zu einer fruchtbaren Be-<lb/>
gattung geſchikkt.</p><lb/><p>Noch kennt ſein Gedaͤchtniß keine Hinfaͤlligkeit, ſein<lb/>
Verſtand denkt ſo lebhaft, als er irgend denken kann.<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Es</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[856[858]/0910]
Leben u. Tod der Menſchen. XXX. B.
lei Arten von einander abweichen, hingegen die aͤuſſern
Theile an beiden Seiten einander hoͤchſt gleich ſind. Es
ſcheinet mir dieſe Anmerkung ein Beweis davon zu ſeyn,
daß Gott ein Freund der Ordnung ſey, und daß er dieſe
uͤberall zu erhalten ſuche, wo es ſich nur irgend thun laſ-
ſen will; ja es ſcheinet mir hier noch etwas Feineres mit
zum Grunde zu liegen: es ſcheinet naͤmlich den Menſchen
die Ordnung offenbar vorzuſchreiben, um die Hand des
Schoͤpfers zu erkennen; wo aber der Menſch nicht an-
ders als vermittelſt der Zergliederungskunſt hindurch zu
dringen vermag, da hat der Urheber der Natur andere
Regeln als die Geſezze der Simmetrie zu ſeiner Vorſchrift
gemacht.
Zweiter Abſchnitt.
Der Zuſtand des Menſchen und ſeine
Ernaͤhrung.
§. 1.
Jm Menſchen verzehren ſich die Saͤfte.
Wenn nunmehr das Wachsthum ſeine Endſchaft erreicht
hat, ſo befindet ſich der Menſch, ſo viel als es ſein
Zuſtand erlauben will, in ſeiner groͤſten Vollkommenheit
und er fuͤhlet ſich vollkommen gluͤkkſelig, ſein Nerven-
ſyſtem iſt empfindlich geſpannt, ſeine Muskeln empfin-
den ihre voͤllige Staͤrke, und der Menſch fuͤhlt nicht
nur Triebe, ſondern er iſt auch zu einer fruchtbaren Be-
gattung geſchikkt.
Noch kennt ſein Gedaͤchtniß keine Hinfaͤlligkeit, ſein
Verſtand denkt ſo lebhaft, als er irgend denken kann.
Es
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 856[858]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/910>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.