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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776.

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II. Abs. Anfänge des Thieres.
der die Thierchen der Mutter, oder des Vaters die
Oberhand haben (d).

Man siehet leicht, wie man, sonderlich durch diese
lezzte Art der Entwikkelung dem Einwurfe auszuweichen
gesucht, es sei unmöglich, daß im Eyerstokke der Eva (e)
oder in den Hoden des Adams (f) so viel Plazz gewesen,
daß die Keime aller Menschen, welche dereinst, und so
lange die Welt bestehen wird, in der Welt leben sollen,
in einem so kleinen Räumchen Plazz gefunden haben
sollten. Wenn zugleicher Zeit tausend Millionen Men-
schen auf der Oberfläche der Erde leben, und wenn man
eine Generation auf dreißig Jahre sezzt, dabei aber das
Alter der Erde sechstausend Jahre seyn läst, so findet
man, daß zwei hundert Zeugungen geschehen, und
zweimal hundert Tausend Millionen Menschen gelebt
haben (g); diese Zahl würde nichts Schrekkliches an sich
haben, da wir ohnlängst die kleinsten Theilchen eines
werdenden Menschen (h) und sonst ein Theilchen der
Nezzhaut, oder den kleinsten Theil des Nervensistems,
viel kleiner angesezzt haben. Es zeiget sich zwar die
Schwierigkeit dabei, daß nothwendig im Eyerstokke der
ältesten Tochter der allgemeinen Stammmutter Eva,
nothwendig alle Kinder ausser einem, und in der Enke-
lin ebenfalls alle, ausser zwei enthalten gewesen seyn
müssen. Es ist aber nicht nothwendig, daß zwischen
diesen künftigen Müttern und den Früchten eben dasselbe
Verhältnis, als bei erwachsenen Jungfern Statt finden
müsse. Es hindert uns nichts, daß wir nicht die Früch-
te grösser, als es das Verhältnis angiebt, annehmen

sollten
(d) [Spaltenumbruch] GESNER l. c. p. 9.
(e) PAPI l. c. p. 181. Le FRAN-
COIS reflexions critiques p.
302.
dergleichen Grund von den Fischen
hat PLOUQUET p. 20.
(f) [Spaltenumbruch] Wie CHEYNE.
(g) Vergl. LIGNAC. I. c. p.
225. 228.
(h) p. 94.
H. Phisiol. 8. B. R

II. Abſ. Anfaͤnge des Thieres.
der die Thierchen der Mutter, oder des Vaters die
Oberhand haben (d).

Man ſiehet leicht, wie man, ſonderlich durch dieſe
lezzte Art der Entwikkelung dem Einwurfe auszuweichen
geſucht, es ſei unmoͤglich, daß im Eyerſtokke der Eva (e)
oder in den Hoden des Adams (f) ſo viel Plazz geweſen,
daß die Keime aller Menſchen, welche dereinſt, und ſo
lange die Welt beſtehen wird, in der Welt leben ſollen,
in einem ſo kleinen Raͤumchen Plazz gefunden haben
ſollten. Wenn zugleicher Zeit tauſend Millionen Men-
ſchen auf der Oberflaͤche der Erde leben, und wenn man
eine Generation auf dreißig Jahre ſezzt, dabei aber das
Alter der Erde ſechstauſend Jahre ſeyn laͤſt, ſo findet
man, daß zwei hundert Zeugungen geſchehen, und
zweimal hundert Tauſend Millionen Menſchen gelebt
haben (g); dieſe Zahl wuͤrde nichts Schrekkliches an ſich
haben, da wir ohnlaͤngſt die kleinſten Theilchen eines
werdenden Menſchen (h) und ſonſt ein Theilchen der
Nezzhaut, oder den kleinſten Theil des Nervenſiſtems,
viel kleiner angeſezzt haben. Es zeiget ſich zwar die
Schwierigkeit dabei, daß nothwendig im Eyerſtokke der
aͤlteſten Tochter der allgemeinen Stammmutter Eva,
nothwendig alle Kinder auſſer einem, und in der Enke-
lin ebenfalls alle, auſſer zwei enthalten geweſen ſeyn
muͤſſen. Es iſt aber nicht nothwendig, daß zwiſchen
dieſen kuͤnftigen Muͤttern und den Fruͤchten eben daſſelbe
Verhaͤltnis, als bei erwachſenen Jungfern Statt finden
muͤſſe. Es hindert uns nichts, daß wir nicht die Fruͤch-
te groͤſſer, als es das Verhaͤltnis angiebt, annehmen

ſollten
(d) [Spaltenumbruch] GESNER l. c. p. 9.
(e) PAPI l. c. p. 181. Le FRAN-
COIS reflexions critiques p.
302.
dergleichen Grund von den Fiſchen
hat PLOUQUET p. 20.
(f) [Spaltenumbruch] Wie CHEYNE.
(g) Vergl. LIGNAC. I. c. p.
225. 228.
(h) p. 94.
H. Phiſiol. 8. B. R
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[257/0309] II. Abſ. Anfaͤnge des Thieres. der die Thierchen der Mutter, oder des Vaters die Oberhand haben (d). Man ſiehet leicht, wie man, ſonderlich durch dieſe lezzte Art der Entwikkelung dem Einwurfe auszuweichen geſucht, es ſei unmoͤglich, daß im Eyerſtokke der Eva (e) oder in den Hoden des Adams (f) ſo viel Plazz geweſen, daß die Keime aller Menſchen, welche dereinſt, und ſo lange die Welt beſtehen wird, in der Welt leben ſollen, in einem ſo kleinen Raͤumchen Plazz gefunden haben ſollten. Wenn zugleicher Zeit tauſend Millionen Men- ſchen auf der Oberflaͤche der Erde leben, und wenn man eine Generation auf dreißig Jahre ſezzt, dabei aber das Alter der Erde ſechstauſend Jahre ſeyn laͤſt, ſo findet man, daß zwei hundert Zeugungen geſchehen, und zweimal hundert Tauſend Millionen Menſchen gelebt haben (g); dieſe Zahl wuͤrde nichts Schrekkliches an ſich haben, da wir ohnlaͤngſt die kleinſten Theilchen eines werdenden Menſchen (h) und ſonſt ein Theilchen der Nezzhaut, oder den kleinſten Theil des Nervenſiſtems, viel kleiner angeſezzt haben. Es zeiget ſich zwar die Schwierigkeit dabei, daß nothwendig im Eyerſtokke der aͤlteſten Tochter der allgemeinen Stammmutter Eva, nothwendig alle Kinder auſſer einem, und in der Enke- lin ebenfalls alle, auſſer zwei enthalten geweſen ſeyn muͤſſen. Es iſt aber nicht nothwendig, daß zwiſchen dieſen kuͤnftigen Muͤttern und den Fruͤchten eben daſſelbe Verhaͤltnis, als bei erwachſenen Jungfern Statt finden muͤſſe. Es hindert uns nichts, daß wir nicht die Fruͤch- te groͤſſer, als es das Verhaͤltnis angiebt, annehmen ſollten (d) GESNER l. c. p. 9. (e) PAPI l. c. p. 181. Le FRAN- COIS reflexions critiques p. 302. dergleichen Grund von den Fiſchen hat PLOUQUET p. 20. (f) Wie CHEYNE. (g) Vergl. LIGNAC. I. c. p. 225. 228. (h) p. 94. H. Phiſiol. 8. B. R

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/309>, abgerufen am 17.05.2024.