Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762.

Bild:
<< vorherige Seite

Sechstes Buch. Die Wirkung des
ne Ursachen haben können, und sie lissen sich also von ei-
nem Feler hinreissen, in den diejenigen verfallen, welche
aus besondern Erscheinungen zu weit gedehnte Folge-
rungssäzze ziehen. Denn es entsteht auch aus sauren
Grundstoffen eine Röthe. Jm Pflanzenreiche gesell-
schaftet sich die Säure zur Röthe so oft, daß der berüm-
te Linnäus es als ein Gesezze betrachtet, daß sich alle
beide jederzeit beisammen befinden. Den sauern Früch-
ten theilet blos der Glanz des Sonnenlichtes die Röthe
mit. Die amerikanische Kochenille nimmt, von äusserst
sauern Geistern aufgelöst, eine hellere Röthe an sich, wel-
che aber von harnhaften Salzen zum Purpur vertieft
wird. Molken und Milch werden augenscheinlich von
sauren Geistern röter, als von einem feuerfesten Laugen-
salze (c). Und doch wird keiner die Röte der Säure
im Blute beilegen wollen. Endlich wiederholen wir
noch, daß im Blute weder was Laugenhaftes vorhan-
den sey (d), noch daß das Blutöl von diesem Geiste auf-
gelöset werde.

Blos mit einem einzigen Blikke berüren wir nur noch
die Hipotese eines neuern Schriftstellers, aus der Werk-
stäte der Maler (e). Es behauptet derselbe, es befinde
sich in dem Mittelpunkte eines roten Kügelchen ein weis-
ser Punkt, welcher durch das häufige Salzwasser durch-
schiene, und roth aussehe. Wir haben oft dergleichen
Silberglanz (f) in den einsamen Kügelchen spielen gese-
hen, und wir gestehen, daß dieser Maler hier die Natur
wirklich vor Augen gehabt hat. Doch es ist auch nicht
minder gewis, daß die Mitte des Kügelchen eben nicht
so gar weis sey, daß nicht daselbst, wo es viel dikker ist,
auch eine stärkre Röthe wohnen sollte (g).

§. 18.
(c) [Spaltenumbruch] petit Epist. II. S. 36.
(d) 5. Buch. 2. Abschn. §. 34.
(e) gavtier Obs. de physique
T. I. P. III.
S. 409. 410.
(f) [Spaltenumbruch] Second Memoir. sur le mou-
vem. du sang. Exp.
14.
(g) Ebendas. Exp. 19.

Sechſtes Buch. Die Wirkung des
ne Urſachen haben koͤnnen, und ſie liſſen ſich alſo von ei-
nem Feler hinreiſſen, in den diejenigen verfallen, welche
aus beſondern Erſcheinungen zu weit gedehnte Folge-
rungsſaͤzze ziehen. Denn es entſteht auch aus ſauren
Grundſtoffen eine Roͤthe. Jm Pflanzenreiche geſell-
ſchaftet ſich die Saͤure zur Roͤthe ſo oft, daß der beruͤm-
te Linnaͤus es als ein Geſezze betrachtet, daß ſich alle
beide jederzeit beiſammen befinden. Den ſauern Fruͤch-
ten theilet blos der Glanz des Sonnenlichtes die Roͤthe
mit. Die amerikaniſche Kochenille nimmt, von aͤuſſerſt
ſauern Geiſtern aufgeloͤſt, eine hellere Roͤthe an ſich, wel-
che aber von harnhaften Salzen zum Purpur vertieft
wird. Molken und Milch werden augenſcheinlich von
ſauren Geiſtern roͤter, als von einem feuerfeſten Laugen-
ſalze (c). Und doch wird keiner die Roͤte der Saͤure
im Blute beilegen wollen. Endlich wiederholen wir
noch, daß im Blute weder was Laugenhaftes vorhan-
den ſey (d), noch daß das Blutoͤl von dieſem Geiſte auf-
geloͤſet werde.

Blos mit einem einzigen Blikke beruͤren wir nur noch
die Hipoteſe eines neuern Schriftſtellers, aus der Werk-
ſtaͤte der Maler (e). Es behauptet derſelbe, es befinde
ſich in dem Mittelpunkte eines roten Kuͤgelchen ein weiſ-
ſer Punkt, welcher durch das haͤufige Salzwaſſer durch-
ſchiene, und roth auſſehe. Wir haben oft dergleichen
Silberglanz (f) in den einſamen Kuͤgelchen ſpielen geſe-
hen, und wir geſtehen, daß dieſer Maler hier die Natur
wirklich vor Augen gehabt hat. Doch es iſt auch nicht
minder gewis, daß die Mitte des Kuͤgelchen eben nicht
ſo gar weis ſey, daß nicht daſelbſt, wo es viel dikker iſt,
auch eine ſtaͤrkre Roͤthe wohnen ſollte (g).

§. 18.
(c) [Spaltenumbruch] petit Epiſt. II. S. 36.
(d) 5. Buch. 2. Abſchn. §. 34.
(e) gavtier Obſ. de phyſique
T. I. P. III.
S. 409. 410.
(f) [Spaltenumbruch] Second Memoir. ſur le mou-
vem. du ſang. Exp.
14.
(g) Ebendaſ. Exp. 19.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0530" n="510"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Sech&#x017F;tes Buch. Die Wirkung des</hi></fw><lb/>
ne Ur&#x017F;achen haben ko&#x0364;nnen, und &#x017F;ie li&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich al&#x017F;o von ei-<lb/>
nem Feler hinrei&#x017F;&#x017F;en, in den diejenigen verfallen, welche<lb/>
aus be&#x017F;ondern Er&#x017F;cheinungen zu weit gedehnte Folge-<lb/>
rungs&#x017F;a&#x0364;zze ziehen. Denn es ent&#x017F;teht auch aus &#x017F;auren<lb/>
Grund&#x017F;toffen eine Ro&#x0364;the. Jm Pflanzenreiche ge&#x017F;ell-<lb/>
&#x017F;chaftet &#x017F;ich die Sa&#x0364;ure zur Ro&#x0364;the &#x017F;o oft, daß der beru&#x0364;m-<lb/>
te <hi rendition="#fr">Linna&#x0364;us</hi> es als ein Ge&#x017F;ezze betrachtet, daß &#x017F;ich alle<lb/>
beide jederzeit bei&#x017F;ammen befinden. Den &#x017F;auern Fru&#x0364;ch-<lb/>
ten theilet blos der Glanz des Sonnenlichtes die Ro&#x0364;the<lb/>
mit. Die amerikani&#x017F;che Kochenille nimmt, von a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;er&#x017F;t<lb/>
&#x017F;auern Gei&#x017F;tern aufgelo&#x0364;&#x017F;t, eine hellere Ro&#x0364;the an &#x017F;ich, wel-<lb/>
che aber von harnhaften Salzen zum Purpur vertieft<lb/>
wird. Molken und Milch werden augen&#x017F;cheinlich von<lb/>
&#x017F;auren Gei&#x017F;tern ro&#x0364;ter, als von einem feuerfe&#x017F;ten Laugen-<lb/>
&#x017F;alze <note place="foot" n="(c)"><cb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">petit</hi> Epi&#x017F;t. II.</hi> S. 36.</note>. Und doch wird keiner die Ro&#x0364;te der Sa&#x0364;ure<lb/>
im Blute beilegen wollen. Endlich wiederholen wir<lb/>
noch, daß im Blute weder was Laugenhaftes vorhan-<lb/>
den &#x017F;ey <note place="foot" n="(d)">5. Buch. 2. Ab&#x017F;chn. §. 34.</note>, noch daß das Bluto&#x0364;l von die&#x017F;em Gei&#x017F;te auf-<lb/>
gelo&#x0364;&#x017F;et werde.</p><lb/>
            <p>Blos mit einem einzigen Blikke beru&#x0364;ren wir nur noch<lb/>
die Hipote&#x017F;e eines neuern Schrift&#x017F;tellers, aus der Werk-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;te der Maler <note place="foot" n="(e)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">gavtier</hi> Ob&#x017F;. de phy&#x017F;ique<lb/>
T. I. P. III.</hi> S. 409. 410.</note>. Es behauptet der&#x017F;elbe, es befinde<lb/>
&#x017F;ich in dem Mittelpunkte eines roten Ku&#x0364;gelchen ein wei&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er Punkt, welcher durch das ha&#x0364;ufige Salzwa&#x017F;&#x017F;er durch-<lb/>
&#x017F;chiene, und roth au&#x017F;&#x017F;ehe. Wir haben oft dergleichen<lb/>
Silberglanz <note place="foot" n="(f)"><cb/><hi rendition="#aq">Second Memoir. &#x017F;ur le mou-<lb/>
vem. du &#x017F;ang. Exp.</hi> 14.</note> in den ein&#x017F;amen Ku&#x0364;gelchen &#x017F;pielen ge&#x017F;e-<lb/>
hen, und wir ge&#x017F;tehen, daß die&#x017F;er Maler hier die Natur<lb/>
wirklich vor Augen gehabt hat. Doch es i&#x017F;t auch nicht<lb/>
minder gewis, daß die Mitte des Ku&#x0364;gelchen eben nicht<lb/>
&#x017F;o gar weis &#x017F;ey, daß nicht da&#x017F;elb&#x017F;t, wo es viel dikker i&#x017F;t,<lb/>
auch eine &#x017F;ta&#x0364;rkre Ro&#x0364;the wohnen &#x017F;ollte <note place="foot" n="(g)">Ebenda&#x017F;. <hi rendition="#aq">Exp.</hi> 19.</note>.</p>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">§. 18.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[510/0530] Sechſtes Buch. Die Wirkung des ne Urſachen haben koͤnnen, und ſie liſſen ſich alſo von ei- nem Feler hinreiſſen, in den diejenigen verfallen, welche aus beſondern Erſcheinungen zu weit gedehnte Folge- rungsſaͤzze ziehen. Denn es entſteht auch aus ſauren Grundſtoffen eine Roͤthe. Jm Pflanzenreiche geſell- ſchaftet ſich die Saͤure zur Roͤthe ſo oft, daß der beruͤm- te Linnaͤus es als ein Geſezze betrachtet, daß ſich alle beide jederzeit beiſammen befinden. Den ſauern Fruͤch- ten theilet blos der Glanz des Sonnenlichtes die Roͤthe mit. Die amerikaniſche Kochenille nimmt, von aͤuſſerſt ſauern Geiſtern aufgeloͤſt, eine hellere Roͤthe an ſich, wel- che aber von harnhaften Salzen zum Purpur vertieft wird. Molken und Milch werden augenſcheinlich von ſauren Geiſtern roͤter, als von einem feuerfeſten Laugen- ſalze (c). Und doch wird keiner die Roͤte der Saͤure im Blute beilegen wollen. Endlich wiederholen wir noch, daß im Blute weder was Laugenhaftes vorhan- den ſey (d), noch daß das Blutoͤl von dieſem Geiſte auf- geloͤſet werde. Blos mit einem einzigen Blikke beruͤren wir nur noch die Hipoteſe eines neuern Schriftſtellers, aus der Werk- ſtaͤte der Maler (e). Es behauptet derſelbe, es befinde ſich in dem Mittelpunkte eines roten Kuͤgelchen ein weiſ- ſer Punkt, welcher durch das haͤufige Salzwaſſer durch- ſchiene, und roth auſſehe. Wir haben oft dergleichen Silberglanz (f) in den einſamen Kuͤgelchen ſpielen geſe- hen, und wir geſtehen, daß dieſer Maler hier die Natur wirklich vor Augen gehabt hat. Doch es iſt auch nicht minder gewis, daß die Mitte des Kuͤgelchen eben nicht ſo gar weis ſey, daß nicht daſelbſt, wo es viel dikker iſt, auch eine ſtaͤrkre Roͤthe wohnen ſollte (g). §. 18. (c) petit Epiſt. II. S. 36. (d) 5. Buch. 2. Abſchn. §. 34. (e) gavtier Obſ. de phyſique T. I. P. III. S. 409. 410. (f) Second Memoir. ſur le mou- vem. du ſang. Exp. 14. (g) Ebendaſ. Exp. 19.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/530
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 510. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/530>, abgerufen am 16.07.2024.