Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762.

Bild:
<< vorherige Seite
Fünftes Buch. Das Blut.

Aber auch bei andern, besonders langwierigen Krank-
heiten, findet eine grosse Schärfe in den Säften statt.
Der Skorbut schmilzet, zwar langsamer, aber heftiger
als Fieber selbst, das Blut dergestalt, daß solches aus
dem Zanfleische, den Gedärmen (l), aus der Haut, mit
einem unerträglichen Gestanke hervordringt. Denn es
ist das Flieswasser im Skorbute so scharf, daß es, in
den holen Bauch ergossen, dem Wundarzte die Haut von
den Fingern abschält (m), und den leinenen Verband
zerfrist (n), und es hat sich in dergleichen Uebeln, an
Kranken, die noch leben, eine dermassen heftige zerende
Sucht in das Geblüte mit eingeschlichen, daß die Blut-
egel nicht einmal anbeissen wollen (o), und sich die Flek-
ken vom Blute in die Leinwand so tief eingenagt haben,
daß sie sich nicht einmal mehr haben herauswaschen las-
sen (p). Jn dieser Krankheit bekömmt man, wenn man
das Blut übertreibet, eine viel grössere Menge von ei-
nem harnhaften Salze (p*). Man weis, daß Stuben-
fliegen von dem Atem der Schwindsüchtigen getödtet
worden, und von dieser Vergiftung durch den Atem ist
einem Könige des muhamedanischen Hauses, Abdelmelik,
so gar der Beiname geblieben. Der häslich richende
Atem eines mit der englischen Gliederkrankheit behafteten
Mädchens, hat einen Vogel ums Leben gebracht (q).

So entstehet auch in den übrigen Säften ebenfalls
ein dergleichen Verderbnis. Zurückgehaltner und blos
von der Wärme des Körpers erhizzter Harn, wird so

scharf,
(l) [Spaltenumbruch] lind of scurvy S. 167.
boerhaave Introd. in praxin cli-
nicam
S. 5.
(m) Memoir. de l'Acad. des
scienc.
1699. S. 176.
(n) craanen, meno, mathiae
Obs. XI. I. B. fanton Obs.
36.
(o) lister de scorbuto. Mem.
de l'Academ.
angef. Ort. S. 173.
panarolvs Pentecost. IV. Obs. 7.
[Spaltenumbruch] la Mettrie Obs. de medec. prat.
S. 50. hvxham c. 5. u. f.
(p) smalts beim craanen de
homine
S. 311.
(p*) colbatch Essay concer-
ning acid and alcal.
(q) J. Petr. Büchner, in der
Dissert. über die Rachitis, welche
ich in meiner Sammlung wieder
mit auflegen lassen.
Fuͤnftes Buch. Das Blut.

Aber auch bei andern, beſonders langwierigen Krank-
heiten, findet eine groſſe Schaͤrfe in den Saͤften ſtatt.
Der Skorbut ſchmilzet, zwar langſamer, aber heftiger
als Fieber ſelbſt, das Blut dergeſtalt, daß ſolches aus
dem Zanfleiſche, den Gedaͤrmen (l), aus der Haut, mit
einem unertraͤglichen Geſtanke hervordringt. Denn es
iſt das Flieswaſſer im Skorbute ſo ſcharf, daß es, in
den holen Bauch ergoſſen, dem Wundarzte die Haut von
den Fingern abſchaͤlt (m), und den leinenen Verband
zerfriſt (n), und es hat ſich in dergleichen Uebeln, an
Kranken, die noch leben, eine dermaſſen heftige zerende
Sucht in das Gebluͤte mit eingeſchlichen, daß die Blut-
egel nicht einmal anbeiſſen wollen (o), und ſich die Flek-
ken vom Blute in die Leinwand ſo tief eingenagt haben,
daß ſie ſich nicht einmal mehr haben herauswaſchen laſ-
ſen (p). Jn dieſer Krankheit bekoͤmmt man, wenn man
das Blut uͤbertreibet, eine viel groͤſſere Menge von ei-
nem harnhaften Salze (p*). Man weis, daß Stuben-
fliegen von dem Atem der Schwindſuͤchtigen getoͤdtet
worden, und von dieſer Vergiftung durch den Atem iſt
einem Koͤnige des muhamedaniſchen Hauſes, Abdelmelik,
ſo gar der Beiname geblieben. Der haͤslich richende
Atem eines mit der engliſchen Gliederkrankheit behafteten
Maͤdchens, hat einen Vogel ums Leben gebracht (q).

So entſtehet auch in den uͤbrigen Saͤften ebenfalls
ein dergleichen Verderbnis. Zuruͤckgehaltner und blos
von der Waͤrme des Koͤrpers erhizzter Harn, wird ſo

ſcharf,
(l) [Spaltenumbruch] lind of ſcurvy S. 167.
boerhaave Introd. in praxin cli-
nicam
S. 5.
(m) Memoir. de l’Acad. des
ſcienc.
1699. S. 176.
(n) craanen, meno, mathiae
Obſ. XI. I. B. fanton Obſ.
36.
(o) liſter de ſcorbuto. Mem.
de l’Academ.
angef. Ort. S. 173.
panarolvſ Pentecoſt. IV. Obſ. 7.
[Spaltenumbruch] la Mettrie Obſ. de medec. prat.
S. 50. hvxham c. 5. u. f.
(p) ſmaltſ beim craanen de
homine
S. 311.
(p*) colbatch Eſſay concer-
ning acid and alcal.
(q) J. Petr. Büchner, in der
Diſſert. uͤber die Rachitis, welche
ich in meiner Sammlung wieder
mit auflegen laſſen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0158" n="138"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Fu&#x0364;nftes Buch. Das Blut.</hi> </fw><lb/>
            <p>Aber auch bei andern, be&#x017F;onders langwierigen Krank-<lb/>
heiten, findet eine gro&#x017F;&#x017F;e Scha&#x0364;rfe in den Sa&#x0364;ften &#x017F;tatt.<lb/>
Der Skorbut &#x017F;chmilzet, zwar lang&#x017F;amer, aber heftiger<lb/>
als Fieber &#x017F;elb&#x017F;t, das Blut derge&#x017F;talt, daß &#x017F;olches aus<lb/>
dem Zanflei&#x017F;che, den Geda&#x0364;rmen <note place="foot" n="(l)"><cb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">lind</hi></hi> of &#x017F;curvy</hi> S. 167.<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">boerhaave</hi> Introd. in praxin cli-<lb/>
nicam</hi> S. 5.</note>, aus der Haut, mit<lb/>
einem unertra&#x0364;glichen Ge&#x017F;tanke hervordringt. Denn es<lb/>
i&#x017F;t das Flieswa&#x017F;&#x017F;er im Skorbute &#x017F;o &#x017F;charf, daß es, in<lb/>
den holen Bauch ergo&#x017F;&#x017F;en, dem Wundarzte die Haut von<lb/>
den Fingern ab&#x017F;cha&#x0364;lt <note place="foot" n="(m)"><hi rendition="#aq">Memoir. de l&#x2019;Acad. des<lb/>
&#x017F;cienc.</hi> 1699. S. 176.</note>, und den leinenen Verband<lb/>
zerfri&#x017F;t <note place="foot" n="(n)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">craanen, meno, mathiae</hi><lb/>
Ob&#x017F;. XI. I. B. <hi rendition="#k">fanton</hi> Ob&#x017F;.</hi> 36.</note>, und es hat &#x017F;ich in dergleichen Uebeln, an<lb/>
Kranken, die noch leben, eine derma&#x017F;&#x017F;en heftige zerende<lb/>
Sucht in das Geblu&#x0364;te mit einge&#x017F;chlichen, daß die Blut-<lb/>
egel nicht einmal anbei&#x017F;&#x017F;en wollen <note place="foot" n="(o)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">li&#x017F;ter</hi> de &#x017F;corbuto. Mem.<lb/>
de l&#x2019;Academ.</hi> angef. Ort. S. 173.<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">panarolv&#x017F;</hi> Penteco&#x017F;t. IV. Ob&#x017F;.</hi> 7.<lb/><cb/> <hi rendition="#aq">la Mettrie Ob&#x017F;. de medec. prat.</hi><lb/>
S. 50. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">hvxham</hi> c.</hi> 5. u. f.</note>, und &#x017F;ich die Flek-<lb/>
ken vom Blute in die Leinwand &#x017F;o tief eingenagt haben,<lb/>
daß &#x017F;ie &#x017F;ich nicht einmal mehr haben herauswa&#x017F;chen la&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en <note place="foot" n="(p)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">&#x017F;malt&#x017F;</hi></hi> beim <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">craanen</hi> de<lb/>
homine</hi> S. 311.</note>. Jn die&#x017F;er Krankheit beko&#x0364;mmt man, wenn man<lb/>
das Blut u&#x0364;bertreibet, eine viel gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ere Menge von ei-<lb/>
nem harnhaften Salze <note place="foot" n="(p*)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">colbatch</hi> E&#x017F;&#x017F;ay concer-<lb/>
ning acid and alcal.</hi></note>. Man weis, daß Stuben-<lb/>
fliegen von dem Atem der Schwind&#x017F;u&#x0364;chtigen geto&#x0364;dtet<lb/>
worden, und von die&#x017F;er Vergiftung durch den Atem i&#x017F;t<lb/>
einem Ko&#x0364;nige des muhamedani&#x017F;chen Hau&#x017F;es, Abdelmelik,<lb/>
&#x017F;o gar der Beiname geblieben. Der ha&#x0364;slich richende<lb/>
Atem eines mit der engli&#x017F;chen Gliederkrankheit behafteten<lb/>
Ma&#x0364;dchens, hat einen Vogel ums Leben gebracht <note place="foot" n="(q)">J. Petr. <hi rendition="#fr">Büchner,</hi> in der<lb/>
Di&#x017F;&#x017F;ert. u&#x0364;ber die Rachitis, welche<lb/>
ich in meiner Sammlung wieder<lb/>
mit auflegen la&#x017F;&#x017F;en.</note>.</p><lb/>
            <p>So ent&#x017F;tehet auch in den u&#x0364;brigen Sa&#x0364;ften ebenfalls<lb/>
ein dergleichen Verderbnis. Zuru&#x0364;ckgehaltner und blos<lb/>
von der Wa&#x0364;rme des Ko&#x0364;rpers erhizzter Harn, wird &#x017F;o<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;charf,</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[138/0158] Fuͤnftes Buch. Das Blut. Aber auch bei andern, beſonders langwierigen Krank- heiten, findet eine groſſe Schaͤrfe in den Saͤften ſtatt. Der Skorbut ſchmilzet, zwar langſamer, aber heftiger als Fieber ſelbſt, das Blut dergeſtalt, daß ſolches aus dem Zanfleiſche, den Gedaͤrmen (l), aus der Haut, mit einem unertraͤglichen Geſtanke hervordringt. Denn es iſt das Flieswaſſer im Skorbute ſo ſcharf, daß es, in den holen Bauch ergoſſen, dem Wundarzte die Haut von den Fingern abſchaͤlt (m), und den leinenen Verband zerfriſt (n), und es hat ſich in dergleichen Uebeln, an Kranken, die noch leben, eine dermaſſen heftige zerende Sucht in das Gebluͤte mit eingeſchlichen, daß die Blut- egel nicht einmal anbeiſſen wollen (o), und ſich die Flek- ken vom Blute in die Leinwand ſo tief eingenagt haben, daß ſie ſich nicht einmal mehr haben herauswaſchen laſ- ſen (p). Jn dieſer Krankheit bekoͤmmt man, wenn man das Blut uͤbertreibet, eine viel groͤſſere Menge von ei- nem harnhaften Salze (p*). Man weis, daß Stuben- fliegen von dem Atem der Schwindſuͤchtigen getoͤdtet worden, und von dieſer Vergiftung durch den Atem iſt einem Koͤnige des muhamedaniſchen Hauſes, Abdelmelik, ſo gar der Beiname geblieben. Der haͤslich richende Atem eines mit der engliſchen Gliederkrankheit behafteten Maͤdchens, hat einen Vogel ums Leben gebracht (q). So entſtehet auch in den uͤbrigen Saͤften ebenfalls ein dergleichen Verderbnis. Zuruͤckgehaltner und blos von der Waͤrme des Koͤrpers erhizzter Harn, wird ſo ſcharf, (l) lind of ſcurvy S. 167. boerhaave Introd. in praxin cli- nicam S. 5. (m) Memoir. de l’Acad. des ſcienc. 1699. S. 176. (n) craanen, meno, mathiae Obſ. XI. I. B. fanton Obſ. 36. (o) liſter de ſcorbuto. Mem. de l’Academ. angef. Ort. S. 173. panarolvſ Pentecoſt. IV. Obſ. 7. la Mettrie Obſ. de medec. prat. S. 50. hvxham c. 5. u. f. (p) ſmaltſ beim craanen de homine S. 311. (p*) colbatch Eſſay concer- ning acid and alcal. (q) J. Petr. Büchner, in der Diſſert. uͤber die Rachitis, welche ich in meiner Sammlung wieder mit auflegen laſſen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/158
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/158>, abgerufen am 24.11.2024.