Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gottschalck, Friedrich: Die Sagen und Volksmährchen der Deutschen. Halle, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

Weit und breit schickte man Boten aus, zu forschen, ob nicht irgendwo Kunde von den verlornen Kindern zu erhalten sey, aber vergebens. Viele glaubten, der Satan habe dem Dienstmädchen ein Blendwerk vorgemacht, und die Kinder wären von ihm nicht in den Berg, sondern durch die Lüfte und nach Siebenbürgen entführt worden. Denn um eben diese Zeit - solches schreibt die Siebenbürgensche Chronik - wären in diesem Lande mit einem Male eine Menge Kinder angekommen, die eine unbekannte Sprache geredet hätten. Sie wären da geblieben, ihre Sprache hätte sich fortgepflanzt, und so wäre es gekommen, daß in diesem Lande eine andere, als die sächsisch-deutsche Sprache geredet werde.

Die Stadt Hameln hat nach dieser Begebenheit mehrere Jahre lang ihre Ausfertigungen datirt, wovon noch Documente vorhanden seyn sollen. Die kleine Gasse, durch

Weit und breit schickte man Boten aus, zu forschen, ob nicht irgendwo Kunde von den verlornen Kindern zu erhalten sey, aber vergebens. Viele glaubten, der Satan habe dem Dienstmädchen ein Blendwerk vorgemacht, und die Kinder wären von ihm nicht in den Berg, sondern durch die Lüfte und nach Siebenbürgen entführt worden. Denn um eben diese Zeit – solches schreibt die Siebenbürgensche Chronik – wären in diesem Lande mit einem Male eine Menge Kinder angekommen, die eine unbekannte Sprache geredet hätten. Sie wären da geblieben, ihre Sprache hätte sich fortgepflanzt, und so wäre es gekommen, daß in diesem Lande eine andere, als die sächsisch-deutsche Sprache geredet werde.

Die Stadt Hameln hat nach dieser Begebenheit mehrere Jahre lang ihre Ausfertigungen datirt, wovon noch Documente vorhanden seyn sollen. Die kleine Gasse, durch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0100" n="61"/>
        <p>Weit und breit schickte man Boten aus, zu forschen, ob nicht irgendwo Kunde von den verlornen Kindern zu erhalten sey, aber vergebens. Viele glaubten, der Satan habe dem Dienstmädchen ein Blendwerk vorgemacht, und die Kinder wären von ihm nicht in den Berg, sondern durch die Lüfte und nach Siebenbürgen entführt worden. Denn um eben diese Zeit &#x2013; solches schreibt die Siebenbürgensche Chronik &#x2013; wären in diesem Lande mit einem Male eine Menge Kinder angekommen, die eine unbekannte Sprache geredet hätten. Sie wären da geblieben, ihre Sprache hätte sich fortgepflanzt, und so wäre es gekommen, daß in diesem Lande eine andere, als die sächsisch-deutsche Sprache geredet werde.</p>
        <p>Die Stadt Hameln hat nach dieser Begebenheit mehrere Jahre lang ihre Ausfertigungen datirt, wovon noch Documente vorhanden seyn sollen. Die kleine Gasse, durch
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[61/0100] Weit und breit schickte man Boten aus, zu forschen, ob nicht irgendwo Kunde von den verlornen Kindern zu erhalten sey, aber vergebens. Viele glaubten, der Satan habe dem Dienstmädchen ein Blendwerk vorgemacht, und die Kinder wären von ihm nicht in den Berg, sondern durch die Lüfte und nach Siebenbürgen entführt worden. Denn um eben diese Zeit – solches schreibt die Siebenbürgensche Chronik – wären in diesem Lande mit einem Male eine Menge Kinder angekommen, die eine unbekannte Sprache geredet hätten. Sie wären da geblieben, ihre Sprache hätte sich fortgepflanzt, und so wäre es gekommen, daß in diesem Lande eine andere, als die sächsisch-deutsche Sprache geredet werde. Die Stadt Hameln hat nach dieser Begebenheit mehrere Jahre lang ihre Ausfertigungen datirt, wovon noch Documente vorhanden seyn sollen. Die kleine Gasse, durch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Überschriebene „e“ über den Vokalen „a“, „o“ und „u“ werden als moderne Umlaute transkribiert.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gottschalck_sagen_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gottschalck_sagen_1814/100
Zitationshilfe: Gottschalck, Friedrich: Die Sagen und Volksmährchen der Deutschen. Halle, 1814, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschalck_sagen_1814/100>, abgerufen am 20.04.2024.