Die
Sagen und Volksmährchen
der
Deutschen .
gesammelt
von
Friedrich Gottschalck
Herzogl . Anhalt- Bernburg. Assistenzrathes .
ERSTES-BÄNDCHEN .
Halle ,
bei Hemmerde und Schwetschke . 1814 .
Die
Sagen und Volksmährchen
der
Deutschen ,
von
Friedrich Gottschalck .
Erstes Bändchen .
Sit honor antiquitati et fabulis quoque .
Plinius .
Vorrede . Keiner europäischen Nation fehlt es an fabelhaften Erzählungen aus der Geschichte ihrer Vorzeit , welche unterm Volke einheimisch sind , ihm angehören , und daher mit Recht Volkssagen , Volksmährchen genannt werden . Die Vorliebe für das Alterthümliche war es , welche sie aufbewahrte , vom Vater dem Sohne , und von diesem dem Enkel bis auf unsere Tage forterzählen ließ . Daß sie nicht bloß Spiele einer lebhaften Einbildungskraft sind , sondern gewöhnlich irgend einer Veranlassung ihre Entstehung danken , leidet keinen Zweifel . Spürt man dieser nach , so findet man sie oft in dieser oder jener historischen Handlung der ältesten Zeit . Greifen sie mit dem Geiste der Vorzeit , oder mit den Handlungen mehrerer oder auch nur einzelner Menschen , in einander , so erhalten sie schon mehr Wichtigkeit . Finden sich aber auch historische Hinweisungen oder örtliche Ueberbleibsel ,
die damit zusammentreffen , und wo vielleicht eine sich auf die andere stützt , dann treten sie gewisser Maßen an die Stelle der Geschichte , und können dem Alterthumsforscher vielleicht zur Erläuterung und Aufhellung von Urkunden dienen .
Wer sie aber auch , da sie freilich immer die trübsten und ärmsten aller Quellen der Geschichte bleiben werden , als solche verwerfen wollte , der würde doch die in ihnen lebende reine Poesie , die natürliche , sie schmückende Einfalt , den treuen kindlichen Sinn , der überall aus ihnen hervorblickt , die in vielen verborgen liegende schöne Moral und eine religiöse Neigung für das Wunderbare als anziehend anerkennen und auch zugeben müssen , daß ihnen das Verdienst , Belege zur Charakteristik unserer Voreltern zu seyn , nicht abgesprochen werden könne .
Ist es daher keinem Zweifel unterworfen , daß Volksmährchen ihren Werth haben , so lohnt es auch wohl der Mühe , sie zu sammeln und sie als Erbstücke aus einer längst verschwundenen Ahnenzeit unsern Enkeln aufzubewahren . Dieß muß jedoch bald , es muß jetzt geschehen ; denn die zugenommene
Bildung eben der Klasse von Menschen , von der sie hauptsächlich festgehalten und fortgenommen wurden , hat leider schon bei ihnen eine Lauheit gegen diese lieblichen , einheimischen Mythen erzeugt , welche deren endliches Vergessen zur Folge haben wird . Es achtet nicht mehr so darauf , das Volk ; und mit dem Heimgange des alten Mütterchens , das sie jetzt noch weiß , wird wohl die Kunde dahin seyn . Die Jugend hat jetzt andere Vergnügungen , und kehrt sich nicht mehr an die fabelhaften Erzählungen der Mütter ; ja es hält schwer , selbst das Alter zur Erzählung solcher Sagen zu bringen , und nur durch Treuherzigkeit , nur durch eine unverstellte ernste Aufmerksamkeit darauf , vermag man es zur Mittheilung zu bewegen .
Zu den Nationen , welche solche Volksmährchen im Ueberflusse besitzen , gehört auch die deutsche . An ihren Burg- und Kloster-Ruinen , an den Gipfeln ihrer Berge , an ihren Flüssen , Quellen , Hainen , Felsen , Höhlen und Untiefen haften ihrer in Menge ; und wem unter uns wäre wohl die Erinnerung des Zaubers erloschen , mit welchem
diese Mährchen unser kindliches Gemüth ergriffen , wenn wir mit lauschendem Ohre und hingegebenem Staunen vor der Pflegerin standen , und jedes Wort auffaßten , daß ja keins verloren ginge , bis das grausende oder liebliche Ende der Sage uns ausrufen ließ : Noch ein Mal , noch ein Mal !
Diese unsere vaterländischen Mythen nun aufzubewahren , sie vor dem gänzlichen Vergessen zu sichern , beabsichtige ich durch die Herausgabe dieser Sammlung . Mein Plan ist , sie zu einer möglichst vollständigen zu erheben , und ich gedenke ihn durchzuführen , wenn ich , außer der Benutzung schon vorhandener ähnlicher Sammlungen und sonstiger mir zu Gebote stehender Hülfsmittel , so glücklich bin , Freunde für mein Unternehmen zu gewinnen , die mir vorzüglich solche Mährchen mittheilen , welche noch nirgends aufgefaßt wurden , und nur im Munde des Volks fortlebten . Finde ich diese , dann überlasse ich mich sehr gern der Hoffnung , eine Bibliothek der deutschen Volksmährchen entstehen zu sehen , die vielleicht für Deutschland dasselbe werden könnte ,
was Legrand’s Sammlung für Frankreich ist : eine Sammlung von historisch-romantischen Erzählungen nicht bloß zur Unterhaltung in den Stunden der Muße , sondern auch für den Menschenbeobachter und den philosophischen Geschichtsforscher . Daß hierbei manche Sage mit unterlaufen wird , die eben kein Dichtergeist belebt , die sich nicht durch charakteristische Züge auszeichnet , ist gewiß , aber bei dem mir vorgesteckten Ziele nicht wohl zu vermeiden .
Da jede Volkssage an Eigenthümlichkeit verlöre , und die wenigen historischen Goldkörner , die sie vielleicht besitzt , rein verflüchtigt würden , wenn man sie nicht in der Sprache des Volks , mit Vermeidung aller fremdartigen Zusätze und ohne eine willkürliche Ausdehnung , geben wollte , so müssen auch diese Rücksichten durchaus beachtet , und niemals verlassen werden . Sie sollen daher in der ihnen eignen schmucklosen Sprache und möglichst so , wie sie unterm Volke lauten , erzählt werden , und wer mir einen dankenswerthen Beitrag liefern will , den bitte ich , dieß nicht zu vernachlässigen . Durch fremdartige Zusätze , durch weiteres
Ausdehnen , durch eine romantische Bearbeitung , würde die Erzählung vielleicht an Unterhaltung , aber nur auf Kosten der Originalität , gewinnen , und das wäre meiner Absicht und der guten Sache ganz entgegen .
Wie sehr ich auch überzeugt bin , daß echte Volkssagen , durch eine zweckmäßige Anordnung – sie sey nun auf die Zeitfolge oder auf die Oertlichkeit gegründet – für den Forscher an Werth gewinnen würde , und so gern ich diesen Forderungen entsprochen haben möchte , so stellen sich jedoch eine Menge von Hindernissen der Ausführung entgegen , die schwerlich ganz zu beseitigen seyn dürften . Die Entstehungsperiode eines Mährchens aufzufinden , gelingt höchst selten , und auch dann nur in so weit , daß man ungefähr das Jahrhundert , aus dem es hervorging , anzugeben vermag . Nur von denen , worin eine historisch bekannte Person auftritt , z. B. Kaiser Friedrich II. , der in den Mährchen vom Kiffhäuser die Hauptrolle spielt , läßt sich mit etwas mehr Wahrscheinlichkeit dem Ursprunge näher kommen . Bei dem bei weitem größten Theile ist jede Nachforschung durchaus vergebens ,
und die Idee einer chronologischen Anordnung bleibt daher ein unausführbares Beginnen .
Mit weniger Hindernissen würde eine Anordnung nach Gegenden , nach Ländern verknüpft seyn , und wem es vergönnt wäre , alle die Gegenden , wo Volkssagen vorzüglich zu Haus sind , selbst , und in der Absicht zu ihrer Aufsammlung genau durchstreichen zu können , dem dürfte es vielleicht gelingen , sie alle aufzufinden ; allein , wer kann das ? Und wenn es Jemand könnte , so würde ihm doch wohl , selbst bei der größten Sorgfalt , manches Mährchen entschlüpfen . Wenn es nun auf diese Art nicht möglich ist , den Zweck der Vollständigkeit zu erreichen , so wird es auch durchaus auf keine andere möglich seyn . Für mich geht hieraus die Ueberzeugung hervor , daß eine chronologisch oder nach Länderbezirken geordnete vollständige Sammlung der deutschen Volksmährchen so lange noch ein unerreichbarer Wunsch bleiben wird , bis von vielen Seiten her zusammengetragen ist , und alsdann der künftige Freund unserer vaterländischen Volksdichtungen sie in chronologischer
oder geographischer Form aufzustellen vermag .
Ueberhaupt scheint es mir , als ob man den Volksmährchen einen größern historischen Werth beilege , als sie wirklich besitzen . Wer mit mir dieselbe Ansicht hat , und sie mehr von Seiten der Unterhaltung nimmt , der wird es daher weniger mißbilligen , wenn ich hier Mährchen , Sagen und Legenden gebe , ohne eine besondere Ordnung zu beobachten , und so wie ich sie auffinde und erhalte . Am Schlusse der Sammlung kann immer noch durch verschiedene Classificationen dem Wunsche derer entsprochen werden , welche mit dieser regellosen Aufstellung nicht zufrieden seyn möchten .
Woher ich jedes Mährchen nahm , woher ich es erhielt , das werde ich immer eben so genau angeben , als wo es sonst schon erzählt , wo es vielleicht schon poetisch oder romantisch bearbeitet wurde .
Wer über die Bedeutung , über den Werth , über die Quellen und über die Veranlassung zur Entstehung der Volkssagen Aufschlüsse verlangt , den kann man mit Recht auf die gehaltvollen und durchdachten
Abhandlungen verweisen , welche Nachtigal in Halberstadt seinen „ Volkssagen , nacherzählt von Otmar “ ( Bremen 1800 . 8. ) vorangeschickt hat , und welche diese Gegenstände in ihrer Art ausführlich und ernsthaft behandeln . Zugleich aber kann ich mir nicht versagen , hier auch den folgenden Bemerkungen noch einen Platz anzuweisen , welche mein geschätzter Freund , der Hofrath Beckedorff , als eine , hoffentlich nicht unwillkommene , Zugabe zu diesem ersten Bändchen , mir mitzutheilen die Güte gehabt hat .
Ballenstedt , den 18ten Oct. 1814 .
F. Gottschalck .
Gesetzt , es gäbe Jemanden , welcher Volksmährchen zu hören oder zu lesen ein besonderes Vergnügen fände , – worin er denn allerdings sehr Recht haben würde – welcher aber sich nicht begnügen wollte , dem bald heitern , bald ernsten , bald muthwilligen , bald schauderhaften , immer aber anziehenden Eindrucke dieser wunderbaren Erzählungen sich ohne weiteres zu überlassen , sondern verlangte , auch noch darüber hinaus Etwas zu wissen und von den Sagen selbst allerhand zu erfahren , so etwa , wie man von einem Menschen , der uns gefällt , gern noch mancherlei persönliche Dinge zu wissen begehrt , als da sind : wie er heiße , woher er komme , was er wolle , wohin er gehe , und dergleichen mehr ; ein solcher würde wahrscheinlich eine Menge Fragen thun , die ihm denn doch beantwortet werden müßten .
Ich will eine solche Antwort auf die natürlichsten von diesen Fragen hier , so gut es gehn will , versuchen . Vielleicht , daß einige Leser dadurch befriedigt werden . Andersdenkende aber mögen ihre abweichenden Ansichten daran prüfen , befestigen , oder auch berichtigen .
Erste Frage :
Was sind Volkssagen ? Im Grunde könnte man darunter alle jene Erzählungen von verschiedenartigstem Inhalte verstehen , die im Munde des Volks leben , und sich dort von der Großmutter zum Enkel getreu fortpflanzen . Indessen möchte alsdann manches dazu gerechnet werden , was diesen Namen eigentlich nicht verdient , als z. B. wirkliche historische Anekdoten , eigentliche Mährchen , die das Gepräge absichtlicher Erfindung an sich tragen , und und endlich , falls sie sich unter dem Volke erhalten sollten , jene erdichteten Erzählungen mit moralischer Richtung , die man in der neuern Zeit ihm geflissentlich in Kalendern , Aufklärungsschriften , Volksbüchern und dergleichen , hat in die Hände spielen wollen . Echte Volkssagen aber , lassen sich vielleicht an folgenden Unterscheidungszeichen erkennen :
1 ) sie ruhen auf einem geschichtlichen oder örtlichen Grunde ; sie beziehen sich entweder auf wirkliche historische Personen , Familien und Begebenheiten , oder auf bekannte Gegenden und Orte , und bekommen eben dadurch einen Schein und Anstrich von Wahrheit ;
2 ) sie enthalten aber auch einen wunderbaren oder wenigstens abenteuerlichen Bestandtheil , durch welchen jener Anschein von Wahrheit immer wieder zunichte gemacht , und ein zweifelhaftes und eben dadurch anziehendes Halbdunkel über das Ganze verbreitet wird ; und endlich
3 ) sie haben keine anderen Quellen , als sich selbst ; sie sind da , sie werden erzählt , sie gefallen , sie reizen , aber wer sie erdacht , wer sie zuerst erzählt habe , ist unbekannt .
Und durch dieses alles werden sie nun dasjenige , wofür sie eigentlich gehalten werden müssen , nämlich der Kreis und Inbegriff der gesammten Volks-Dichtung : sie enthalten den Stoff der ganzen National-Poesie , und was von dieser überhaupt gilt , das findet auf sie ebenfalls Anwendung .
Wenn wir annehmen , daß wohl jeder Mensch von Zeit zu Zeit das Stückwerk seines Daseyns lebhaft empfindet , daß er sich bald durch die Noth des Augenblicks , bald durch das Dunkel der Zukunft , hier durch die eigene Kurzsichtigkeit , dort durch fremde Verkehrtheit , immer aber durch ein räthselhaftes Geschick , und durch
eine unübersehbare und unerforschliche Weltordnung gedrückt , gehemmt und beschränkt fühlt ; so werden wir es sehr begreiflich finden , daß er sich auch dann und wann hinaus sehnt aus der Enge und Verwirrung dieses Lebens in eine Welt voll erkannten Zusammenhanges , wo alle billigen Wünsche erfüllt , jede Sehnsucht befriedigt , der Schmerz versöhnt , und die Thränen getrocknet werden . Da aber in der weiten Wirklichkeit eine solche Welt nicht vorgefunden wird , so ist es ebenfalls natürlich , daß der Mensch sie sich selbst auferbaut in Träumen , Wünschen , Hoffnungen und Ahndungen . Und so entsteht ihm dann jene wunderbare Welt der Dichtungen , wohin der Geist so gern sich flüchtet aus den kleinlichen und drückenden Verwicklungen des alltäglichen Lebens , und worin er nicht sowohl wirklichen Ersatz für den Druck des Lebens , als vielmehr nur ein tröstliches Bild und eine Bürgschaft finden will von einer zusammenhängenden , weisen und gerechten Ordnung der Dinge . Damit aber die solchergestalt erschaffene Welt nicht bloß als ein Reich phantastischer Gebilde erscheine , so knüpft er sie gern mit festen Banden an die Wirklichkeit fest . Bekannte Gegenden und Orte müssen den Hintergrund bilden ,
geschichtliche Personen geben ihre Namen her , oder wahre Begebenheiten werden auf irgend eine Weise hinein verflochten ; und wie die meisten Menschen gerne ihrer Jugend gedenken , sie als eine Zeit des Glückes und der Zufriedenheit sich vorzustellen pflegen , und so aus der Erinnerung einer besseren Vergangenheit Erheiterung und Trost in der Gegenwart hernehmen mögen , so werden auch jene Dichtungen am liebsten in eine frühere , oft dunkle , aber immer als glücklicher gepriesene Vorzeit verlegt . Endlich aber werden ungewöhnliche und abenteuerliche Verhältnisse und wunderbare Wesen und Gestalten hineingewebt , theils als Reiz und Spiel der Einbildungskraft , theils als Zeugniß von dem in der menschlichen Seele tief gegründeten Glauben an einen unergründlichen Weltzusammenhang , theils endlich als immerwährende Erinnerung , daß das Ganze doch nur menschliche Erfindung und Spiel sey .
Und auf diese Weise bildet sich die Poesie überall und zu allen Zeiten . Ihre Quelle ist die im menschlichen Gemüthe gegründete unverwüstliche Sehnsucht nach einem glücklichen , vollkommenen und befriedigenden Zustande , und sie
selbst erscheint zugleich als Spiegel und als Gegensatz der Wirklichkeit , als bedeutsames Bild einer wünschenswerthen Weltordnung und als Inbegriff der unerfüllten Ansprüche an das Leben . –
Da indessen nach der Verschiedenheit der Zeiten sowohl als der einzelnen Charactere und selbst der augenblicklichen Stimmungen auch die Ansichten vom Leben und die Ansprüche an dasselbe höchst verschieden sind , so müssen auch die einzelnen Dichtungen darnach eine sehr ungleiche Gestalt zeigen . Bald nämlich sind sie heiter scherzend , bald bitter spottend und strafend , dann schmerzlich klagend , und dann wieder tröstlich beruhigend , bald vollständig beglückend , bald tragisch versöhnend , immer aber doch auf die eine oder die andere Weise besänftigend und befriedigend .
Und auf gleiche Weise verhalten sich nun auch die Volkssagen . Alles , was von der Poesie hier im Allgemeinen gesagt worden ist , gilt von ihnen ; ja , es bewährt sich an ihnen gerade recht auffallend , und ihr Inhalt , so verschiedenartig er auch seyn mag , beweiset dieses . Wenn ein verzauberter
Kaiser auf seiner verfallnen Burg sich bald einem alten Bergmann , bald einem armen Hirten wohlthätig offenbart ; wenn ein fleißiger Köhler in seinem Meiler plötzlich einen reichen Schatz ausgeschmolzen findet , der ihm zur Herzogswürde verhilft ; wenn wunderbare Bergfräulein Kleinodien verschenken ; wenn ein armer Schäfer Goldhöhlen entdeckt , und wenn wohlthätige Zwerge zu Hochzeiten dienstfertig das Tischgeschirr herleihen : wer erkennt nicht in allen diesen freundlichen Mährchen die erlaubten und nicht hoffnungslosen Wünsche bedrängter , um den Unterhalt des Lebens oftmals besorgter Menschen ? Wenn aber die Burg eines grausamen Raubritters von der Erde verschlungen ; wenn ein unersättlicher Jäger bis zum jüngsten Gericht fortzujagen verdammt wird ; wenn ein habsüchtiger Edelmann , der Schätze heben will , die ihm nicht bestimmt sind , dabei elendiglich zu Schaden kommt ; wenn verbrecherische Mönche mit ewiger Unruhe bestraft werden ; und selbst wenn ein schelmischer Berggeist die kleineren Unbilden des Lebens scherzhaft , aber derb berichtigt oder bestraft : zeigt sich dann in diesen ernsteren oder heiteren Sagen nicht neben dem stillen Unmuth über die ungerechten Ungleichheiten des Lebens
auch das tröstende Vertrauen auf eine höhere ausgleichende Gerechtigkeit ? Oder wenn ein kluger und mächtiger , aber übermüthiger König endlich in Ketten und Banden geschlagen wird ; wenn in den Pallästen der Fürsten und Großen eine weißverschleierte Ahnfrau Jahrhunderte hindurch Unglück weissagend umherwandelt ; wenn eine Riesentochter , mit ihrer goldenen Krone auf dem Haupt , den drei Mal wiederholten frevelhaften Sprung über die grause Felsenschluft mit ihrem Leben bezahlt , und eine arme Jungfrau dagegen , die , von einem frechen Jäger verfolgt , sich den Felsen hinabstürzt , unbeschädigt von den Engeln in die Tiefe getragen wird : scheinen solche Erzählungen nicht auf das Mißliche und Gefahrvolle der irdischen Hoheit hinzudeuten , und das Lob der unbekannten Niedrigkeit mit dem Troste der überall verbreiteten göttlichen Hülfe zu enthalten ? Und wenn endlich wohlbekannte nahgelegene Felsen , Wälder , Hügel , Thäler und Quellen mit wunderbaren Bewohnern bevölkert , oder durch seltsame Begebenheiten und Abenteuer aus lange verflossenen Zeiten merkwürdig erscheinen , strahlt dann nicht ein Theil ihres Rufes auch auf die Anwohner zurück , und giebt ihnen selbst einen wundersamen Anstrich , oder setzt
sie wenigstens mit einer geheimnißvollen Vorzeit in ehrenvolle Verbindung ?
Und so wandeln dann alle diese seltsamen Sagen und Mährchen neben dem mühseligen und einförmigen Leben des beschränkten , gedrückten und belasteten Volks freundlich , tröstend , hülfreich und oftmals erhebend einher , und helfen die wenigen Stunden verkürzen und erheitern , welche dem harten Dienste der Nothdurft abgewonnen worden sind . Gutmüthige Mütter aber übernehmen das dankbare Geschäft der Dichter , indem sie entweder den überlieferten Stoff nach ihrer Art bald mehr bald weniger ausführlich und lebendig darstellen und ausschmücken , auch wohl verändern und umgestalten , oder aus eigener Erfindung und gelegentlicher Veranlassung neue Erzählungen hinzufügen . Und diese Bewandniß nun scheint es überall mit den Volkssagen anjetzt zu haben . Ich sage : anjetzt , wo ein so auffallendes Mißverhältniß in Bildung , Ansichten und Sitten unter den einzelnen Theilen derselben Nation Statt findet . In alter Zeit freilich , als das sogenannte Wiederaufleben der antiken Kultur noch nicht dem einen Theile der Nation den bevorzugten Namen
des gebildeten beigelegt hatte ; mag auch kein großer Unterschied zwischen Volksdichtungen und der Poesie der höheren Stände gewesen seyn . Dieselben Sagen und Erzählungen , von welchen sich Fürsten und Ritter angezogen und erfreut fühlten , ergötzten auch den Knappen und den Knecht , und die Lieder und Gesänge , welche in Schlössern und Burgen ertönten , hallten in Häusern und Hütten wieder , so , daß in jener vollständigern Zeit Volkssagen schwerlich in dem Sinne angetroffen werden möchten , worin hier versucht worden ist , ihr Wesen und ihre Bedeutung zu beschreiben und zu erklären .
Volkssagen also machen die Poesie des Volkes aus , und , indem dieses hier hat sollen gezeigt werden , ist auch die mögliche
Zweite Frage :
Woher stammen die Volkssagen ? und wo sind sie zu Hause ? schon vorläufig mit beantwortet worden .
Die Volkssagen stammen her aus der Natur der menschlichen Seele , aus der in jedem Gemüthe wohnenden Sehnsucht nach Freude , Freiheit ,
Ordnung , Licht und Recht ; und sie sind überall zu Hause , wo Menschen denken , betrachten , empfinden und gesellig leben . Sie entstehen wie von selbst , sie verändern , sie erneuern sich , und wenn nicht Dichter , Chroniken-Schreiber oder Sammler sie für längere Zeit festhalten und aufbewahren , verschwinden sie auch wieder , wie von selbst und oftmals ohne Spur ; wie denn , zum Beweise dieser Behauptung , von dem ganzen großen Sagenkreise altdeutscher Vorzeit außer den wenigen Bruchstücken , die uns alte Gesänge und das Heldenbuch bewahrt haben , wohl nur wenige oder gar keine Ueberbleibsel in lebendiger Ueberlieferung mehr gefunden werden möchten .
Was es jedoch mit den einzelnen noch vorhandenen Sagen für eine Bewandniß habe ; welchen geschichtlichen , örtlichen oder anderweitigen Veranlassungen sie ihre Entstehung verdanken mögen ; wann und wo sie zuerst erfunden seyn können ; in welcher Verbindung die Sagen einzelner Provinzen und ganzer Länder mit einander stehen , wie sie gewandert , verändert und umgestaltet sind ; wie weit die Erzählungen von bestimmten fabelhaften Wesen und Personen reichen
u. s. w. , dieß alles sind Fragen , welche von Wißbegierigen leicht aufgeworfen werden können , und deren Beantwortung schon an andern Orten und namentlich in den „ Volkssagen von Nachtigall in Halberstadt “ ausführlich und geistreich versucht worden ist . Auf jeden Fall aber bleibt es ausgemacht , und erhellet auch zur Genüge aus dem oben Gesagten , daß die ganze Geschichte eines Volks , seine Abstammung , Wanderungen und Schicksale , ferner die verschiedenen Zustände von Rohheit und steigender Ausbildung , seine Verfassung , Sitten , Religion , Regierungsart , das Klima und die Beschaffenheit seiner Wohnsitze , seine Armuth oder Wohlhabenheit , und endlich seine Bedürfnisse , Ansprüche und Wünsche auch auf die Sagen desselben den mannigfaltigsten und bestimmtesten Einfluß werden äußern müssen , und daß daher ein scharfsichtiger Beobachter und aufmerksamer Prüfer auch umgekehrt aus Inhalt , Art , Ton , und Farbe der einzelnen Sagen treffende Rückschlüsse auf Zeit , Ort , und Veranlassung ihrer Entstehung wird machen können . Es ist begreiflich , daß die Mythen roherer Völker auch ein wilderes , kriegerisches , aber mehr wunderbares und religiöses Gepräge zeigen werden , daß
die Sagen südlicher Nationen freundlicher , reicher , üppiger und sinnlicher , die der nördlichen hingegen düsterer , trüber und ahndungsvoller erscheinen müssen ; daß unter freien , glücklichen und wohlhabenden Völkern auch die Mährchen heiterer und scherzhafter , bei ärmeren und gedrückteren aber trauriger , klagender und mißmuthiger seyn werden ; daß ferner gebirgige Gegenden deren mehr und mannigfaltigere besitzen müssen als das ebene Land , und endlich , daß es , wie schon mehrmals bemerkt worden ist , vor allen Dingen die Zeit sey mit ihren Veränderungen und Fortschritten , mit ihren religiösen und politischen Reformen und Umwälzungen , vorzüglich aber mit ihren Ansichten und Ansprüchen , Wünschen und Hoffnungen , welche entscheidend auf dieselben werde gewirkt haben . –
Wenn es nun aber eine Zeit gäbe , oder gegeben hätte , in welcher die Menschen sich gar wohl und behaglich gefühlt hätten , worin sie mit ihren friedlichen und glücklichen Lagen und Verhältnissen , hauptsächlich aber mit dem Zustande ihrer Bildung , mit ihrer Einsicht , ihrer Weisheit , ihren Empfindungen und Urtheilen höchlich zufrieden gewesen wären , welche sie selbst als
eine vortreffliche und überlegene Zeit zu betrachten und zu preisen sich nicht hätten erwehren können , und von welcher aus sie die verflossenen Zeiten nicht bloß zu eigener Genugthuung vornehm betrachtet , sondern auch deren Thaten , Arbeiten und Bestrebungen einer neuen Prüfung und verständigen Sichtung zu unterwerfen für nöthig erachtet hätten , so würde eine solche Zeit begreiflicher Weise der Poesie eben nicht günstig gewesen seyn . Wozu hätte sie auch in ihrer eigenen Vortrefflichkeit diesen schöneren Gegensatz einer unvollkommenen Wirklichkeit , dieses erfreuliche Bild eines besseren Lebens , diese hülfreiche und tröstenden Begleiterin des beschränkten Daseyns eben gebrauchen können . Wenn sie aber dennoch der Poesie , als einer angenehmen Zugabe , eines herkömmlichen Luxus des Lebens , etwa zur Uebung des Urtheils und Witzes , oder zu gelegentlicher Erwärmung der Empfindung nicht ganz hätte entbehren wollen ; so würde sie doch gewiß nicht unterlassen haben , derselben eine neue angemessene Richtung zu ertheilen . Sie würde also zuvörderst das Alterthümliche und hauptsächlich alles Wunderbare daraus verbannt , und sie sodann angewiesen haben , sich in allen Stücken , so viel wie möglich , an die wirklichen
Zustände des Lebens , an die sogenannte Natur und Wahrheit zu halten , und sich in Form und Inhalt einer getreuen Nachahmung derselben zu befleißigen , indem es ja nur darauf abgesehen sey , durch die erdichteten Darstellungen zu einer recht täuschenden , schnellen und vielseitigen Berührung mit der geliebten Wirklichkeit zu gelangen .
Wir kennen sie , und haben sie zum Theil erlebt , eine solche eigenliebige , an sich selbst verschwendete und zersplitterte Zeit , und ein großer Meister hat es übernommen , uns das Bild derselben und ihrer buntscheckigen , nach den verschiedenen Aeußerlichkeiten des Lebens aus einander gerichteten , selbst gefälligen Thätigkeit in Darstellungen „ aus seinem Leben “ lehrreich und warnend vor die Augen zu führen , und an seinem eigenen Beispiele zu zeigen , wie selbst ein großes Talent und ein gesundes Naturell in solcher Zeit verleitet werden können , die Dichtung ganz in das wirkliche Leben herab zu ziehen , und sie zu augenblicklichen und bloß persönlichen Zwecken zu verbrauchen , so daß sie am Ende , obgleich immer ihrer eigenthümlichen hülfreichen Natur gemäß , nur als ein „ Hausmittel “ dienen
muß , um über innere peinliche Verwickelungen oder kleine moralische Verlegenheiten glücklich hinweg zu helfen .
Daß nun ein solches Zeitalter der Wunderwelt der Volkssagen eben nicht günstig gewesen seyn könne , läßt sich leicht erachten . Auch hat man darin nicht unterlassen , sie bald als kindisch zu verspotten , bald als abergläubisch und gefährlich zu verwerfen ; und da ein , eben dieser Zeit angehöriges , sonst achtbares Bestreben , die Zustände des Volks zu verbessern und dasselbe an sich heran zu bilden , hinzugekommen ist ; so hat man vielfältig sogar gesucht , die alten wunderbaren Sagen und Mährchen ganz zu verdrängen , und an ihre Stelle eine Reihe sogenannter natürlicher und vernünftiger , kurz zeitgemäßer Erzählungen unterzuschieben , so , daß , wenn es gelungen wäre , in kurzer Zeit Nachbar Velten und Vetter Michel die Stellen eingenommen haben würden , welche Kaiser Friedrich und der Ritter Siegfried so lange glänzend behauptet hatten .
Und in dieser Beschaffenheit der vorletzten Zeit liegt nun auch der Hauptgrund , warum
die Sagen und Mährchen , wie ihre Sammler jetzt häufig klagen , unter dem Volke selbst so selten geworden sind . Hernach ist die Noth und der Druck der jüngsten Zeit hinzugekommen , und so haben nach und nach die seltsamen Wesen und Gestalten der alten Sagenwelt sich von der unfreundlichen Wirklichkeit in ihre Wälder , Burgen , Klüfte und Höhlen , oder in ihre luftige Heimath auf eine Zeitlang zurückziehen müssen .
Aber sie werden wiederkehren , und die glorreiche Zeit , welche uns angebrochen ist , und worin Alles ehrwürdig-Alte in erneuerter Form wieder auferstehen muß , wird auch sie wieder , und hoffentlich in noch besserer und verjüngter Gestalt , zurückführen und in ihr altes schönes Recht einsetzen ; ja , es ist zu erwarten , daß diese Zeit selbst dereinst als der Beginn eines neuen würdigen Sagenkreises und einer großen nationalen Poesie , von den kommenden Geschlechtern werde betrachtet werden .
Dritte Frage :
Wie lassen sich die Volkssagen ordnen und eintheilen ? Diese Frage , welche wohl nur von ordnungsliebenden Sammlern aufgeworfen werden möchte , läßt sich auf mannigfaltige Weise beantworten .
Volkssagen lassen sich ordnen einmal auf gleiche Weise , wie die einzelnen Dichtungsarten selbst klassifiziert worden sind , insofern dieß nämlich nicht nach der Form der Darstellung , sondern nach der Art des Inhalts geschehen ist , und so bekommen wir komische und tragische , elegische und satyrische , idyllische und epische Sagen ; sie lassen sich ferner ordnen nach ihrer Heimath , und in dieser Rücksicht giebt es allgemein verbreitete Sagen , Sagen einzelner Länder , Sagen einzelner Provinzen , und endlich ganz bestimmte Local-Sagen ; sie lassen sich drittens ordnen nach den Gestalten , Personen oder Begebenheiten , die in ihnen wiederkehrend vorkommen , und auf diese Weise haben wir Hühnen-Sagen , Zwerg-Sagen , Geister-Sagen , oder auch die Sagen von Karl dem Großen , vom Kaiser Friedrich , die Mährchen vom Rübezahl u. s. w. ; und endlich viertens lassen sie sich
ordnen , – und dieß möchte vielleicht die bequemste und beste Art ihrer Eintheilung seyn , – nach der ihnen selbst inwohnenden Zeit ; und in dieser Rücksicht kann man sie füglich in vier Hauptordnungen bringen : Es giebt Sagen 1 ) aus fabelhafter Urwelt , 2 ) aus dunkler Vorwelt , 3 ) aus späterer historisch erhellter Zeit , und 4 ) die außer aller Beziehung auf irgend eine Zeit stehen , und welchen man deshalb zur Unterscheidung die Benennung : Volksmährchen , beilegen könnte , da jene ersteren drei Arten hingegen vorzugsweise den Namen der Volkssagen verdienen möchten . Welche von diesen oder anderen gedenkbaren Eintheilungsarten man jedoch annehmen wolle , scheint höchst gleichgültig zu seyn , oder wird vielmehr von den besondern Zwecken abhangen , um welcher willen ihre Sammlungen veranstaltet werden . Am besten ist es wohl , sie gar nicht zu ordnen , ihr freies , buntes , durch einander geschlungenes Leben , durch keine steife Rangordnung zu stören , und dergestalt den neu entdeckten oder neu erfundenen immer einen ungehinderten Eintritt in die wunderbare alte Gesellschaft offen zu erhalten .
Vierte Frage :
Welchen Nutzen haben die Volkssagen ? Wenn man zu Beantwortung dieser Frage zuvörderst den Begriff von Nutzen überhaupt erörtert und die mancherlei Zwecke berücksichtigt hätte , zu welchen die Volkssagen etwa gebraucht werden können ; so würde man wahrscheinlich finden , daß nach Verschiedenheit der Forderungen , welche an sie gemacht werden , auch ihr Nutzen höchst verschieden ausfällt .
Wer sich ihrer gelehrten Absichten , für Historie , alte Erdbeschreibung , Kultur- oder Sitten-Geschichte und dergl. bedienen wollte , würde schwerlich eine reiche Ausbeute aus ihnen zu erwarten haben . In allen diesen Rücksichten liefern sie wenig oder gar nichts ; als Quellen sind sie durchaus nicht zu gebrauchen , nicht einmal als Hülfsmittel ; höchstens zu Belegen möchten sie dienen können . Und diejenigen , welche sie zu solchen Zwecken haben anpreisen wollen , scheinen nicht sowohl ihnen einen übertriebenen Werth beigelegt , als vielmehr ihren wirklichen Werth gänzlich verkannt zu haben .
Ihr eigentlicher Nutzen nämlich , und welcher auch schon oben bei ihrer Beschreibung vorläufig angegeben und entwickelt worden , ist kein anderer , als den alle Poesie überhaupt hat und haben kann , welche nicht bloß unterhält , ergötzt , erfreuet , erheitert , sondern auch erhebt und stärkt , ja den Blick von den irdischen Dingen hinweg auf eine höhere Ordnung und zuletzt auf Gott selbst hin richtet .
Eben so wohlthätig wirken nun auch die Volkssagen , oder vielmehr sie könnten es , wenn sie in angemessener , würdiger Gestalt dem Volke , oder besser , der Nation , in die Hände gegeben würden . Denn freilich ist es mit ihrem bloßen Inhalte , mit dem rohen Stoffe allein , nicht gethan ; es soll nicht bloß eine müßige Neugier befriedigt oder eine augenblickliche Theilnahme erregt werden , sondern auch die Empfindung will geweckt und genährt und das Nachdenken selbst beschäftigt seyn . Erst wenn allen diesen Forderungen ein Genüge geschehen ist , wenn ein an und für sich Antheil erregender Gegenstand auch auf zweckmäßige Art dargestellt worden , wenn ihm ein unabhängiger Anfang und ein befriedigendes Ende , innere Vollständigkeit , Haltung ,
nothwendige Verknüpfung , Wahrheit , Reichthum , äußere Anmuth und Gefälligkeit , vor allen Dingen aber hinlängliche Klarheit ertheilt und der Reiz und Zauber der Sprache selbst darüber verbreitet worden ist , erst dann verdient ein poetisches Werk seinen Namen und tritt in seine schöne Wirksamkeit vollständig ein .
Daß nun auch den Volkssagen zu diesem Einflusse verholfen werde , ist das Geschäft der Dichter , denen daher diese schönen und anziehenden Stoffe nicht angelegentlich genug zur Behandlung empfohlen werden können . Möchten sie doch immer mehr auf jene , aus dem alltäglichen Leben und den bürgerlichen und geselligen Verhältnissen der sogenannten gebildeten Stände hergenommenen , Gegenstände Verzicht leisten , durch welche nicht bloß die Poesie selbst herabgezogen und entwürdigt , sondern auch das oben gerügte Mißverhältniß in der Bildung der Nation immer mehr befördert und die Dauer der poetischen Werke selbst begreiflicher Weise äußerst beschränkt wird . Möchten sie dagegen , wie ihnen auch schon von großen Meistern das Beispiel gegeben ist , sich der Volkssagen zu ihren Erzählungen und Romanen , hauptsächlich aber
zu der öffentlichsten Gestalt der Dichtkunst , zu Schauspielen und zu der wundersamen Gattung der Oper immer häufiger bedienen ! Möchte dazu auch diese Sammlung , welche die Sagen und Volksmährchen der Deutschen den Liebhabern und Freunden derselben rein , einfach und ungeschmückt in die Hände zu geben bestimmt ist , das Ihrige beitragen , und so die wohlgemeinte Absicht des verdienten Herausgebers glücklich erreicht werden !
Ludolph Beckedorff .
Inhalt
des ersten Bändchens .
Der Hexentanz auf dem Brocken. | S. 1 |
Die drei Schwestern aus dem See . | 11 |
Die goldenen Kohlen. | 17 |
Die Tanzwiese. | 23 |
Das Oldenburg’sche Wunderhorn . | 32 |
Die Seelöcher. | 36 |
Die verwünschte Jungfrau. | 41 |
Die Glocke im Opferteiche . | 48 |
Graf Helias von Cleve und Jungfer Beatricia. | 51 |
Der Ausgang der Hameln’schen Kinder . | 56 |
Das Himmelreich . | 65 |
Mährchen von Questenberg. | 68 |
Die Erzminen Annaberg’s und Goslar’s . | 85 |
Der Wunderfisch. | 91 |
Der Wolfsbrunnen. | 110 |
Die Gegensteine. | 112 |
Die Zauber- oder Berggeister-Kirche . | 117 |
Das versunkene Kloster . | 122 |
Die blutende Hostie . | 128 |
Teufelssteine. | 134 |
Der Fichtelberger in Venedig . | 142 |
Das weiße Reh . | 155 |
Jungfer Ilse . | 157 |
Notburga. | 162 |
Die Teufelsmauern. | S. 177 |
Die Schloßjungfer. | 184 |
Der Löwenkampf. | 194 |
Die sieben Trappen . | 199 |
Die drei Schwäne. | 202 |
Der Ottiliensberg bei Freiburg ( so lese man auch in der Ueberschrift statt Freiberg ) | 212 |
Der Burggeist auf Scharzfeld. | 221 220 |
Der Schwan im Frauenberge. | 225 |
Der Klingel. | 230 |
Die Teufelsschlacht im Goslar’schen Dom. | 232 |
Der Mäusethurm . | 240 |
Herr Nickert und der Saaltanz bei Großwirschleben. | 245 |
Das Kloster Allerheiligen. | 250 |
Der Mummelsee . | 252 |
Prinzessin Mathilde. | 260 |
Der Thomaspfennig , der Kuttenzins. | 264 |
Die Entstehung des Klosters zum Elende . | 282 |
Goldner . | 286 |
Die kluge Prinzessin. | 296 |
Die Bläsjungfer. | 300 |
Die Teufelsmühle. | 304 |
Der Hautsee. | 311 |
Die Goldgruben im Fichtelgebirge. | 318 |
Der Liebesring. | 330 |
Die Tanzenden. | 333 |
Der Ring der ehelichen Treue . | 338 |
Der Hexentanz auf dem Brocken . Eine Sammlung von deutschen Volksmährchen möchte wohl am schicklichsten mit einem solchen eröffnet werden , das ein in ganz Deutschland allgemein bekanntes ist , und daher den Namen eines Volksmährchens der Deutschen im vollen Umfange des Wortes verdient . Es sind deren einige da , wovon ich für dieses erste Bändchen das vom Hexentanze auf dem Brocken wähle .
Auf dem Harzgebirge giebt es einen hohen , hohen Berg , der über alle Berge , wohl funfzig Meilen in der Runde , weit hinwegsieht . Er heißt : der Brocken . Wenn man aber von den Zaubereien und Hexenthaten ,
die auf und an ihm vorgehen und vorgegangen sind , spricht , so heißt er auch wohl der Blocksberg . Auf dem Scheitel dieses kahlen , unfruchtbaren Berges – der mit hunderttausend Millionen Felsstücken übersäet ist – hat der Teufel jährlich , in der Nacht vom letzten April auf den ersten Mai , der so genannten Walpurgisnacht , mit seinen Bundesgenossen , den Hexen und Zauberern der ganzen Erde , eine glänzende Zusammenkunft . So wie die Mitternachtsstunde vorüber ist , kommen von allen Seiten diese Wesen auf Ofengabeln , Besen , Mistforken , gehörnten Ziegenböcken und sonstigen Unthieren , durch die Luft herbeigeritten , und der Teufel holt mehrere selbst dazu ab . Ist alles beisammen , so wird um ein hoch loderndes Feuer getanzt , gejauchzt , mit Feuerbränden die Luft durchschwenkt und bis zur Ermattung herum geras’t . Von Begeisterung ergriffen , tritt alsdann der Teufel auf die „ Teufelskanzel “ ,
lästert auf Gott , seine Lehre und die lieben Engelein , und zum Beschluß giebt er , als Wirth , ein Mahl , wo nichts als Würste gegessen werden , die man auf dem „ Hexenaltar “ zubereitet . Die Hexe , die zuletzt ankommt , muß , wegen Vernachlässigung der herkömmlichen Etiquette , eines grausamen Todes sterben . Sie wird nämlich , nach der letzten glühenden Umarmung des Regenten der Unterwelt , in Stücken zerrissen , und ihr auf dem Hexenaltar zerhacktes Fleisch , den andern zum warnenden Beispiel , als eine der Hauptschüsseln des Schmauses vorgesetzt . Mit anbrechender Morgenröthe zerstäubt die ganze saubere Sippschaft nach allen Windgegenden hin .
Damit diese Unholde auf ihrer Hin- und Zurückreise weder Menschen noch Vieh Schaden zufügen können , so machen die Bewohner der Oerter um den Brocken vor der einbrechenden Walpurgisnacht an die Thüren
der Häuser und Ställe drei Kreuze , und sind dann des festen Glaubens , daß sie und das Ihrige nun von den durchziehenden Geistern und bösen Wesen nicht behext werden können .
Der Schlüssel zu diesem Mährchen ist wohl ziemlich klar in der Geschichte Karls des Großen zu finden . Als Karl mit eben so viel Bekehrungs- als Eroberungsgeiste die kriegerische Schaubühne in Deutschland zuerst betrat , waren die Deutschen , namentlich die Sachsen , noch freie Völker voll Kraft und Muth , die sich durchaus nicht einer fremden Herrschaft sklavisch unterwerfen wollten . Als eifrige Götzendiener lag ihnen aber die Religion ihrer Väter nicht weniger , als ihre Freiheit am Herzen . Karl bot alle seine Kräfte auf , sie zu überwinden . Indessen wollte er nicht bloß dieß , er wollte sie auch
zum Christenthum bekehren . Dadurch wurde er aber in einen Krieg mit den Sachsen verwickelt , der über drei und dreißig Jahre dauerte . Oft wurden die letztern geschlagen , aber nach jedem Siege Karls , und nach jedem Friedensschlusse , griffen sie immer wieder zu den Waffen , und nach jeder scheinbaren Annahme des Christenthums kehrten sie zum Götzendienste zurück . Dieß erbitterte Karln zuletzt so sehr , daß er , nach damaligen schrecklichen Toleranzbegriffen , Gewalt brauchte , viele , die sich nicht wollten taufen lassen , niederhauen ließ , und gebot , daß diejenigen , welche nach der Annahme des Christenthums fortfahren würden , als Heiden zu leben , und den Götzen zu dienen , mit dem Tode bestraft werden sollten .
Die heidnischen Sachsen mußten zwar endlich der Gewalt weichen , und öffentlich die Taufe annehmen ; allein in ihren Herzen blieben sie dennoch Heiden , und wenn sich
Karl mit seinem Kriegsheere zurückgezogen hatte , so opferten sie in den Wäldern von neuem den alten Götzen . Karl ließ darauf ihre Altäre und Götzenbilder zerstören . Da sie hierdurch gehindert wurden , ihre Opferfeste in der Ebene zu feiern , so flüchteten sie in die Wälder und Gebirge des Harzes , und namentlich auf den Brocken , der damals noch wenig zugänglich seyn mochte . Karl gewahrte dieß nicht so bald , als er an den vorzüglichsten Opferfesttagen die Zugänge zu den Gebirgen mit Wache besetzen ließ . Allein die Sachsen sannen auf List , dennoch an den Freuden ihrer Opferfeste Theil nehmen zu können . Sie verkleideten sich in scheußliche Larven , bewaffneten sich mit Heuforken und Ofengabeln , und erschreckten dadurch des Nachts die Wachen so , daß diese die Flucht ergriffen . Im Nothfall bedienten sie sich ihrer Instrumente auch zum Schutze gegen wilde Thiere . Vielleicht bedurften sie ihrer auch beim Opferfeuer
selbst , theils zum Nachlegen des Holzes , theils zum Herausziehen der Feuerbrände , mit welchen in der Hand sie in Schmaus und Fröhlichkeit um das Opferfeuer herum tanzten . Da auf den Höhen des Harzes , wenigstens auf dem Brocken , am Feste des ersten Maies gewöhnlich noch Schnee lag , so bedurfte man der Besen , auf deren Stielen die Fabel die Damen der Walpurgisnacht reiten läßt , zum Fegen und Reinigen des Opferplatzes .
Die damaligen Christen hielten allgemein den Götzendienst für Teufelsdienst , und glaubten nichts gewisser , als daß der Teufel selbst , trotz der mit christlichen Wachen besetzten Wege zu den Opferplätzen , seine treuen Anhänger zu unterstützen wisse , und durch die Luft zum Brocken hinjage . Ein Wahnglaube , welchen die abergläubische Wache durch ihr Geschwätz von den gesehenen Teufelsmasken und Hexengestalten zur Bemäntelung ihrer Flucht
entweder veranlaßte , oder doch nährte , indem sie ihm nicht widersprechen durfte .
Auf diese historisch wahren Umstände gründet sich die Fabel von der Hexenfahrt auf dem Brocken .
Warum sie der Nacht vor dem ersten Mai angedichtet worden ist , läßt sich zwar nicht mit Gewißheit beantworten , aber doch mit Wahrscheinlichkeit . Da nämlich die heidnischen Deutschen eins ihrer größten und fröhlichen Feste – das Fest der wiederkehrenden schönen Jahreszeit – am ersten Mai , also um die Zeit feierten , wo unsere Ostern und Pfingsten fallen ; – da sie in dieser Absicht ihre Wohnungen und Opferplätze mit Maien oder jungen Birken auszuschmücken und um das mächtige Opferfeuer herum frohlockend zu tanzen pflegten , und da endlich dieß Fest vorzüglich der in den Harzgegenden so sehr
verehrten Göttin Ostera geheiligt gewesen zu seyn scheint : so ist es in der That mehr als bloß wahrscheinlich , daß die große Anhänglichkeit der Sachsen an dieß besonders fröhliche Fest des ersten Maies jenes unaufhaltsam nächtliche Zuströmen der Unholde zum Opferplatze veranlaßte ; – daß der in mehrern Gegenden Deutschlands noch bis auf diesen Tag herrschende Gebrauch , am Pfingstfeste die Häuser und Kirchen mit Maien zu schmücken , noch ein Rest von jener heidnischen Feierlichkeit ist ; – daß die ebenfalls noch übliche Gewohnheit der jungen Bursche in und am Harz , am ersten Osterabend auf den Bergen ein großes Freudenfeuer anzuzünden , und da herum zu tanzen , von den heidnischen Tänzen der ersten Mainacht herstammet , – und daß endlich vielleicht unser deutsches Wort selbst aus dem Götzenthum in die Kirchensprache der Christen hinübergetragen ist .
Büsching in seinen Volkssagen , Leipzig 1812 , 2te Abtheil. S. 339 , theilt ein altes Lied von dem Brockenmährchen mit . – Reise durch den Harz und die hessischen Lande , Braunschweig 1797 . 8. S. 17–27 , spricht umständlich über Entstehung desselben .
Die drei Schwestern aus dem See . Was dem Städter im Winter Schauspiel , Oper und Ball ist , das ist dem einfachen Landvolke die vertrauliche Spinnstube . In den langen Winterabenden kommen da die Spinnerinnen zusammen , die jungen Bursche gesellen sich dazu , man singt ein fröhliches Liedchen , man scherzt , man löset Pfänder ein , oder erzählt sich Mährchen und Gespenstergeschichten .
So war es vor uralten Zeiten , und so ist es noch jetzt , im Süden wie im Norden .
Auch in dem Dörfchen Epfenbach bei Sinzheim in der Unterpfalz kam man von jeher so traulich zusammen , und setzte sich recht dicht um den warmen Ofen herum , wenn ’s draußen stürmte und fror .
Aber damals traten , seit dem Gedenken der Aeltermutter , drei wunderschöne weiß gekleidete Jungfrauen in den fröhlichen Kreis . Man harrte ihrer jeden Abend mit Sehnsucht , und wie gute Engel nahm man die holden Schwestern auf ; denn sie brachten jeden Abend ein neues Lied mit einer Melodie , ein munteres Spiel oder ein unbekanntes Mährchen mit . Jedermann liebte sie , und besonders verweilten die Blicke der jungen Bursche mit Wohlgefallen auf den schönen Zügen der Jungfrauen ; aber eine besondere Hoheit verscheuchte jede Vertraulichkeit . Auch sie brachten immer ihre Rocken und Spindeln mit , und keine der Spinnerinnen übertraf sie an Behendigkeit und ihre Fäden an Feinheit . So wie aber die Glocke eilf schlug , so packten sie ihre Rocken zusammen , und nichts in der Welt konnte sie bewegen , auch nur eine Minute länger zu bleiben . Fröhlich und eilig verschwanden sie aus dem
Kreise , wie sie gekommen waren . Keine Spur verrieth ihren Weg , wenn sie „ gute Nacht “ gesagt hatten . Niemand wagte es aber auch , ihnen nachzugehen . Man wußte nicht , woher sie kamen , man wußte nicht , wohin sie gingen , man sah sie nur in die Stube treten und wieder hinausgehen , und wenn man von ihnen sprach , so hießen sie nur die Jungfrauen aus dem See , oder die drei Schwestern aus dem See .
Alle jungen Bursche des Dorfs brannten im Stillen für die wunderbaren Mädchen , keiner wagte aber seine Empfindungen gegen sie laut werden , noch sie ihnen merken zu lassen .
Besonders heftigen Eindruck hatte ihr liebes Wesen und das Geheimnißvolle ihres Aufenthaltes auf des Schulmeisters Sohn gemacht . Ihm that es so leid , wenn sie gingen ; ihm währte immer die Zeit zu lang , bis sie wieder kamen , und war erst der Abend nahe , so dünkte ihm jede Stunde ,
ehe er zur Spinnstube gehen durfte , eine Ewigkeit . Wenn sie nun hereintraten , die holden Schwestern , ach ! da verstrich ihm wieder die Zeit so schnell , die Stunden verliefen wie Minuten , und immer meinte er , die alte Thurmuhr tauge gar nichts , denn im Winter laufe sie täglich eine halbe Stunde vor . Aber die Jungfrauen meinten , die Uhr gehe ganz recht , und kein Bitten konnte sie bewegen , länger zu bleiben .
Lange sann der liebende Jüngling hin und her , wie er es wohl anfinge , den Anblick der Unbegreiflichen länger zu genießen . Endlich kam er auf den Gedanken , die Thurmuhr um eine Stunde zurück zu stellen , um sie zu täuschen . Er that’s .
Mit recht freudigem Behagen ging er nun in die Spinnstube ; denn er sah ja die lieben Mädchen heute eine Stunde länger .
Sie kamen , wie gewöhnlich , und brachten ein neues Lied mit einer neuen Melodie
mit , das sie die Anwesenden lehrten . Darüber wurde der längere Verzug der eilften Stunde nicht bemerkt . Die Jungfrauen blieben , bis die Glocke eilf schlug , und gingen also eigentlich erst um zwölf Uhr weg . Fröhlich und heiter , wie sonst , schieden sie . Darüber freute sich der gute Jüngling gar sehr , und beschloß , diesen unschuldigen Betrug alle Abende zu wiederholen .
Aber er hatte sich vergebens gefreut . Als am folgenden Tage einige Leute am See vorübergingen , siehe , da hörten sie ein klägliches Gewimmer , und auf dem Spiegel des Wassers gewahrte man drei große blutige Stellen , die jedoch niemand zu deuten wußte . Des Schulmeisters Sohn hatte nichts davon erfahren . Er ging zur gewöhnlichen Zeit in die Spinnstube , hatte auch wieder die Thurmuhr zurückgestellt , aber – man harrte vergebens . Sie kamen nicht , und sind auch niemals wieder gekommen , die lieben Schwestern .
Bald sagte dem trauernden Jüngling eine leise Ahndung , daß er die Ursache ihres Verschwindens sey ; daß wohl sein unschuldiger Betrug ihren Lebensfaden zerrissen habe . Und das quälte und nagte ihm an der Seele . Er schlich umher , ward bleich und krank , suchte Ruhe , und – fand sie im Grabe .
Unersättlichkeit im Genusse tödtet den Genuß . Wer auch die unschuldigste Freude eine Stunde , und immer eine Stunde länger schmecken will , als Geschick , Zeit , Pflicht gestatten , der wird leicht sich und andern verderblich . Hätte man diese Wahrheit in einer Dichtung darstellen wollen , man hätte dazu nichts treffenderes finden können , als die vorstehende Sage , welche aus der Badenschen Wochenschrift von 1807 genommen ist .
Die goldenen Kohlen . Nahe bei der Stadt Aschersleben 4 Meilen von Halberstadt . liegt in dem engen Thale , das die Eine durchfließt , eine Mühle . Groß und stattlich sind ihre Gebäude , die Wohlhabenheit des Besitzers verkündend . Vordem lebte aber einer ihrer Eigenthümer in der niedrigsten Dürftigkeit , bis ihn folgende wunderbare Begebenheit schnell zu einer nie gekannten noch erwarteten Wohlhabenheit verhalf .
Ein bei ihm dienendes Mädchen erwachte einst mitten in der Nacht . Sie sah ihr Kämmerlein durch das Mondlicht erhellt , glaubte , der Tag breche schon an , und erschrack gewaltig , daß sie vielleicht die Zeit
verschlafen habe . In wenigen Minuten hatte sie sich angekleidet , und schlich nun leise , damit es der Herr nicht hören sollte , zur Küche , um Feuer anzumachen . Sie pickte , und pickte , aber Zunder , Stahl und Stein versagten ihr hartnäckig den Dienst . Von ungefähr fällt ihr Blick auf das Küchenfenster , und – da glüht ihr drüben von der andern Seite des Berges her ein helles Kohlenfeuer entgegen . Zwar fällt es ihr auf , wo das Feuer da an den grünen Berg hinkomme ; indessen hält sie die Gelegenheit für gut , sich gleich Feuer zu verschaffen , wirft das Feuerzeug weg ergreift eine hölzerne Mulde , und geht hin nach der Stelle , um sich Kohlen zu holen .
Als sie näher kommt , sieht sie , daß Männer mit sonderbaren Gesichtszügen , und in einer längst veralteten Tracht , sich um das Feuer schweigend und unbeweglich gelagert
haben . Dreist von Natur , und weder was Arges ahndend noch wollend , läßt sie sich durch diese Erscheinung nicht irre machen , geht darauf zu , füllt rasch ihr Gefäß mit den vollglühenden Kohlen , eilt nach der Mühle zurück , und ist froh , auf diese Weise gleich viel Feuer auf einmal erlangt zu haben .
Kaum aber hat sie die Kohlen auf den Heerd geschüttet , und sich nach Holz niedergebückt , als sie auch alle schon wieder erloschen sind . Sie wundert und ärgert sich darüber , bläst und bläst , daß sie ganz außer Athem kommt , aber , nichts da – die Kohlen sind todt und bleiben todt . Schnell nimmt sie das Gefäß , eilt wieder hinaus , um frische Kohlen zu holen , und sucht sich nun die größten und glühendsten aus , denkend : die werden doch glühend bleiben . Aber kaum liegen diese auf dem Heerde , so sind sie auch schon wieder schwarz und todt . Unbegreiflich ist ihr dieß
abermalige Erlöschen . Sie schüttelt den Kopf , ist unschlüssig , was sie thun soll , geht indessen zum dritten Mal hinaus , Kohlen zu holen , doch mit dem festen Vorsatze , zum letzten Male . Wie die beiden ersten Male , füllt sie furchtlos ihr Gefäß mit den besten Kohlen an ; aber , indem sie sich umdreht , zurück zu gehen , hört sie hinter sich mit drohender Stimme rufen :
„ Nun komm nicht wieder ! “
Von Furcht plötzlich ergriffen , läuft sie hastig der Mühle zu , und wirft mit einem heimlichen Schauder die Kohlen auf den Heerd , welche , wie die vorigen , im Nu verlöschen . Eiskalt läuft es ihr über den ganzen Leib , sie zittert und blickt scheu und bange durch das Küchenfenster nach dem Feuer hin . Das dauert ungefähr zwei Minuten , da fängt die Thurmuhr in der Stadt an zu schlagen . Sie schlägt und schlägt eine lange
Reihe . Jetzt ertönt der letzte , der zwölfte Schlag , und – weg ist das hellglühende Kohlenfeuer , weg sind die seltsamen Gestalten , nicht eine Spur davon ist noch sichtbar .
Von den Schrecken der Mitternacht ergriffen , von den Schauern der Geisterwelt angeweht , eilt sie aus der Küche , ihrem Kämmerlein zu , verbirgt sich tief in ihr Bette , zittert und bebt , und schläft endlich , von der ungewöhnlichen Spannung ermüdet , ein .
Am andern Morgen erwacht zuerst der Müller . Da noch Alles im Hause schläft , so geht er in die Küche , um selbst Feuer anzumachen . Aber wie erstaunt er , als es ihm vom Heerde wie lauter Gold entgegenstrahlt . Er untersucht , und findet – pure gediegene Goldstücke .
Ob er dem unschuldigen Dienstmädchen , das ihn in argloser Einfalt so reichlich beschenkte , dankbar ward , das verschweigt die Sage ; aber seitdem stieg ein schönes großes Mühlengebäude auf dem Grunde des alten ärmlichen hervor , und der Besitzer war nun ein reicher , reicher Mann .
Aus mündlichen Ueberlieferungen .
Die Tanzwiese . In eben dem Thale bei Aschersleben liegt eine Wiese , die Tanzwiese genannt , zu deren Namens-Erklärung man folgende Sage hat .
In diesem friedlichen Thale versammelten , vor Jahrhunderten , sich oft , an schönen Sommerabenden , die blühenden Töchter der benachbarten Stadt , um sich mit Tanzen zu belustigen . Besonders pflegten hier , auf der rings umschlossenen Wiese , die Bräute in den nächsten Tagen vor der Hochzeit mit den Gespielinnen ihrer Jugend , deren Kreis sie nun bald verlassen sollten , zu tanzen .
Lange blieb diese schuldlose Freude ungestört , bis die benachbarte Raubburg auch diese Bürgerfeste unterbrach .
Einst tanzten hier , am zweiten Vorabend der Hochzeit einer reich ausgestatteten Braut , viele geladene Jungfrauen , bis spät in die Nacht , welche der Vollmond erhellte . Gegen Mitternacht brach die jubelnde Schaar auf , um tanzend und singend heim zu kehren . Doch nicht alle der Geladenen kehrten zurück . Zwei der blühendsten Dirnen wurden in den elterlichen Häusern vermißt , und fanden sich , alles heimlichen Forschens und Suchens ungeachtet , nicht wieder . Nach einigen Stunden vergeblichen Harrens verbreitete sich Bestürzung über viele benachbarte Häuser , und die Sorge hielt manches weinende Auge wach . Auch die Rache entbrannte ; denn Viele ahndeten schon , durch ähnliche Unbildung dazu berechtigt , eine , unter Begünstigung der Nacht und des Freudetaumels , verübte Entführung .
Und ihre Ahndung betrog sie nicht . – Einige Knappen des Burgherrn auf Arnstein
hatten Kunde bekommen von diesem ländlichen Feste , und , um sich und ihrem Herrn einen Scherz nach ihrer Sitte zu bereiten , hatten sie , versteckt in dem Dickicht , welches die Tanzwiese begränzte , zwei der Tänzerinnen , die während des lärmenden Aufbruchs sich etwas von ihren Gespielen entfernt hatten , geraubt , und sie auf Umwegen in das nahe Harzgebirge geführt , um sie , zur ersehenen Zeit , unbemerkt in die Raubburg zu bringen .
Kaum blickte die Sonne auf , so versammelten sich viele der Bürger , welche die Nacht angstvoll durchwacht hatten , vor den Thüren ihrer Häuser , um mit den aufgeschreckten Nachbaren Rath zu pflegen , was zu thun sey . Ein heimlich ausgeschickter und mit der Morgenröthe heimkehrender Späher hatte nur zu sehr die Vermuthung einer gewaltsamen Entführung bestätigt , ob er gleich die Spur der Räuber im Gebirge verloren
hatte , und es nur ahndete , daß sie auf dem Arnstein hauseten .
Die Schöffen , von dem sich verbreitenden Schrecken mit Tagesanbruch benachrichtigt , beriefen sofort den wohlweisen Rath , die Aldermänner und die Väter und Verwandten der Entführten zu einer geheimen Sitzung , und ließen Stille und Ruhe in den Häusern gebieten . – Die meisten der Versammelten riethen , augenblicklich die ganze waffenfähige Mannschaft aufzubieten , um die verhaßte Raubburg Arnstein zu erstürmen und von Grund aus zu zerstören . Aber , außer der Unbestimmtheit der Nachrichten , würden , wie der vorsitzende Schöffe klüglich bemerkte , Monathe kaum hingereicht haben , um in offner Fehde die wohlbefestigte und mit Lebensmitteln reichlich versehene Burg einzunehmen ; und doch war schnelle Hülfe hier nöthig .
Und so fand , nachdem eine lange stürmische Berathung die Köpfe und Zungen der Eiferer , es sey betäubt , oder abgekühlt hatte , der Rath eines bejahrten Aldermanns Eingang , der den Versuch einer Kriegslist vorschlug , welche den Entführten schnellere Befreiung versprach .
Auf seinen Rath mußte jeder still nach seinem Hause zurückkehren , und Bestürzung und Rache tief im Herzen verschließen . Dann wurde ( gleich als hätte man bei dem fortwährenden Freudentaumel jene Entführten noch nicht vermißt , oder erwarte ruhig ihre Heimkehr ) so lärmend als möglich ein ähnlicher festlicher Tanz , auf den eigentlichen Polterabend , in den Häusern der Stadt angesagt , und die Nachricht davon durch vertraute Boten auch in den benachbarten Weilern und Dörfern verbreitet .
Und die Kunde davon kam auch bis zu den Ohren des Burgherrn von Arnstein , der
bei einem Zechgelage , mit seinen Rittern und Knappen , die Dummheit der Bürger laut belachte , die für sie ihre Töchter groß zögen .
Unter Lachen und Fluchen ward ein großer Ausritt beschlossen ; denn keiner der Anwesenden wollte dieß Mal zurückbleiben von dem lustigen Streifzuge nach der Tanzwiese .
Als die Dämmerung hereinbrach , füllte sich allgemach die Wiese mit Tanzenden . Doch dieses Mal waren die Dirnen daheim geblieben . Von dem Schatten der Nacht umschleiert , hatten sich die rüstigen Bürger , nebst ihren erwachsenen Söhnen , in Weiberkleidern , die geschärfte Waffen verbargen , eingefunden , um die Ehre ihrer Töchter , Schwestern und Verlobten zu rächen , und auf die Zukunft zu sichern . Sie tanzten laut jubelnd , doch nach Weiberart , bis gegen Mitternacht ; während daß ausgesandte Späher , von dem stillen Heranzuge der Räuber
von Arnstein immer nähere und nähere Botschaft brachten .
Jetzt brachen die Tanzenden auf , um im Großvatertanz und singend nach Hause zu ziehen . – Siehe ! da stürmte der Burgherr von Arnstein , von vielen Reisigen , Rittern und Knappen zu Pferde und zu Fuß begleitet , heran , um den großen Fang zu thun , dem der gestrige nur das Vorspiel seyn sollte .
Der Burgherr , als er mitten unter die Tanzenden hineingesprengt war , saß ab von seinem Streitroß , um den Ruhm und die Freude zu haben , mit eignen hohen Händen die Braut entgegen zu nehmen .
Aber , wie ward ihm , der hohnlachend und mit donnernder Stimme die vermeinte Braut für sein Eigenthum erklärte , als ihm ein gezucktes Schwert entgegenblitzte , und den ausgestreckten Arm augenblicklich durchbohrte ! Brüllend und Rache schnaubend
stürzte er zurück , und forderte sein Streitroß . Aber zehn kraftvolle Arme hielten ihm Hände und Schultern und Füße , wie mit eisernen Fesseln umstrickt . Einige der Ritter und Knappen , die brüllend dem Burgherrn zu Hülfe eilten , wurden , nach kurzem Kampf , übermannt und gefesselt ; die meisten entflohen schreiend , von schimpflichen Schlägen und Steinwürfen zerbläut .
Die eingefangenen Räuber wurden im lauten Triumph der Stadt zu geführt . Den Burgherrn von Arnstein spundete man vorläufig in einen großen eichenen Kasten ein . Und hier gestand er , durch die Anstalten zu seiner nahen Hinrichtung geschreckt , den verübten und den beabsichtigten Frevel . Die geraubten Jungfrauen wurden , auf seinen Befehl , augenblicklich zurückgebracht ; und nur mit schwerem Lösegelde , und der eidlichen Zusage , sich nie wieder eines Frevels gegen die Stadt und deren Bewohner schuldig zu
machen , erkaufte er seine Befreiung aus dem furchtbaren Kerker .
Der eichene Kasten , worin der Burgherr von Arnstein einige Monden schmachtete , ist noch jetzt auf dem Rathhause zu Aschersleben zu sehen , ein Denkmal der Sitten der Vorzeit für kommende Jahrhunderte .
Von Otmar ( Nachtigall in Halberstadt ) erzählt und in „ Das Alexisbad im Unterharz von Krieger ; Magdeb. 1812 . 8. S. 316 . “ zuerst abgedruckt .
Das Oldenburgsche Wunderhorn . Im eilften Jahrhunderte lebte Otto , Graf von Oldenburg , ein großer Freund der Jagd .
Einst verirrte er sich bei einer Rehhetze von seinem Gefolge bis in den Osenberg , eine öde Sandgegend , eine Meile von Oldenburg . Es war um Mittag , die Sonne brannte gewaltig , und Otto war ganz verschmachtet . Der Wunsch zu trinken ward heftig in ihm rege , und unwillkürlich rief er so für sich aus :
„ O hätt’ ich einen kühlen Wassertrunk ! “
Und siehe , da that sich vor ihm der Berg auf , und hervor trat eine schöne Jungfrau in herrlichem Gewande . Den blendend weißen Nacken wallte ihr Haar hinab , und ein
Kranz zierte ihr Haupt . In der Hand hielt sie ein köstlich silber-vergoldetes Geschirr , wie ein Jägerhorn gestaltet und gar künstlich gearbeitet , das war mit Wasser angefüllt .
„ Du bist durstig , “ sprach sie zum Grafen , „ da , trinke , labe dich ! “
Dabei reichte sie ihm das Horn hin . Otto nahm es , sah das Wasser an , getraute sich aber nicht zu trinken , so gern er auch den brennenden Durst gelöscht hätte .
„ Scheue nicht den Trunk ! “ sprach sie , „ er wird dir nicht schaden . Trinkst du , dann wird es wohl gehen dir und deinem Hause , dein Land wird zunehmen und ein Gedeihen haben . Trinkst du nicht , dann wird – das wisse ! – Uneinigkeit zerrütten dein Geschlecht . “
Aber Otto mißtraute der Rede der schönen Dirne , trank nicht , und goß das Horn hinter sich aus . Sein Pferd wurde davon etwas naß , und Otto gewahrte mit Schrecken , daß
im Augenblick da , wo es naß geworden , die Haare wie weggebeizt verschwanden . Erboßt rief die Jungfrau :
„ Gieb mir mein Horn zurück ! “
Aber der erschrockene Otto gab seinem Pferde die Sporen , und eilte mit dem Horne davon . Er gelangte glücklich wieder zu den Seinigen , erzählte ihnen das wunderbare Ereigniß , und verordnete , daß das Horn zum ewigen Andenken als ein kostbares Kleinod bei seiner Familie aufbewahrt bleiben solle .
Dieß Wunderhorn ist , bis zur dänischen Besitznahme der Grafschaft Oldenburg , in Oldenburg wirklich verwahrt worden . Da kam es nach Kopenhagen , wo es noch jetzt in der Kunstkammer gezeigt wird . Abbildungen davon giebt es in dem Welt- und Staats- Theatro 1749 , und in Hammelmann’s
Oldenburgscher Chronik , welche dieß Mährchen erzählen . Es sind auch noch verschiedene kleine Schriften darüber erschienen , nach welchen es für ein Pathengeschenk Karls des Großen an Wittekind gehalten wird . Andere schreiben es dem dänischen Könige Christian dem Ersten , Andere dessen Bruder Gerhard zu . – Freie romantische Bearbeitungen dieser Sage findet man in dem 2ten Bande der neuen Volksmährchen der Deutschen , von Mad. Naubert , Leipz. 1790 . 8. S. 221 bis 352 , und in den Volkssagen , 1r Band , Eisenach 1795 . 8. S. 63-124 . Büsching giebt es S. 380 in altem Styl , und so auch : Die Werke des Teufels auf dem Erdboden , Freiburg 1751 . 8. S. 248 .
Die Seelöcher . An der Mittagsseite des Harzgebirges , in der Grafschaft Hohnstein , giebt es eine Menge von Erdfällen . Die beiden größten sind beim Dorfe Haffrungen auf einer beträchtlichen Anhöhe dicht bei einander . Sie heißen : die Seelöcher , haben eine steile mit Rasen bewachsene Abdachung , und sind unten mit tiefem klaren Wasser angefüllt . Der Umfang des größeren mag wohl 600 Schritt betragen . Beide liefern Fische und Krebse in großer Menge , und sind mit einer Pflanze bewachsen , deren Blätter die Größe und Form eines Pferdehufs haben , welche an langen strickförmigen , fingerdicken Stielen aus der Tiefe heraufwachsen und auf dem
Wasser schwimmen . Die Blume ist weiß oder gelb , und hat viel Aehnlichkeit mit gefüllten Tulpen .
Von allen Erdfällen der Gegend ist kein einziger bei Menschen Gedenken entstanden . Da es nun auch aus ihrer Entstehungsperiode keine Nachrichten darüber giebt , so erzählt man sich Legenden über ihren Ursprung , welche den Mangel an Urkunden ersetzen sollen . Von den Haffrung’schen Seelöchern giebt es folgende :
An dem Orte , wo sie jetzt sind , weideten immer zwei Bauerjungen ihre Pferde . Gegen Abend setzten sie sich gewöhnlich vertraulich beisammen , ihr Abendbrot zu essen , und zu kosen . Einst , als das auch geschah , bemerkte der eine , daß der andere viel weißeres und besseres Brot habe , als er . Er bat , ihm etwas davon mitzutheilen . Jener weigerte sich aber , und sagte :
„ Nein , kriegst nichts , ess’ selber gern ! “
Darüber wurde dieser sehr erbittert , aß nicht mehr , sondern nahm sein Stück schwarzes Brot , band es an eine Weide , und hieb mit der Peitsche so lange darnach , bis es allmählich in kleinen Krumen auf die Erde gefallen war .
Während dem hatten sich am Horizonte dicke finstere Wolken aufgethürmt . Es blitzte und donnerte , und mit großer Schnelle wälzte sich das heftigste Gewitter herauf und nach der Gegend hin , wo die Knaben waren . Ein alter Mann , der vorüberging , rief ihnen zu , daß sie nach Haus gehen möchten , das Gewitter sey ein sehr schweres . Da koppelte der eine Knabe auch sehr schnell seine Pferde zusammen , schwang sich darauf , und jagte dem Dörfchen zu . Der andere , der Verächter des schwarzen Brotes , wollte es auch thun , konnte aber , so sehr er sich auch tummelte , mit dem Aufzäumen seiner Pferde gar nicht fertig werden . Als er ’s endlich war ,
und sich nun aufsetzen wollte , da entfiel ihm bald ein Schuh , bald die Peitsche , oder der Wind nahm ihm den Hut vom Kopfe , kurz , immer neue Hindernisse hielten ihn auf , und er kam nicht von der Stelle . Donner und Blitz krachte und leuchtete indessen fürchterlich zischend dicht um ihn her . Er zitterte und bebte . Jetzt hatte er endlich alles wieder beisammen , saß auf , und wollte nun im vollen Gallop davon jagen , da fuhr ein Blitz in einem zweifachen Strahle , von einem schrecklichen Donner begleitet , herab , und schlug den Knaben in den einen und die Pferde in den andern Abgrund .
So entstanden diese beiden Seelöcher , und seitdem schwimmen auf beiden in den Pflanzenblättern die Hufe der erschlagenen Pferde herum .
Sollte nicht in dieser Legende das Wahre liegen , daß diese beiden Erdfälle bei einem
starken Gewitter und einer vielleicht damit verknüpft gewesenen heftigen Erschütterung der Erde entstanden sind ?
Die Unzufriedenheit mit dem , was da ist , und die Geringschätzung der schlechten Nahrungsmittel ist aber auch ein bedeutender Umstand , und weist vielleicht darauf hin , daß die Einwohner der Gegend ihr dürftiges Loos oder ihren eben nicht ergiebigen Boden verachtet hatten .
Behrens Hercynia curiosa S. 85 , und mit ihm Büsching S. 317 , erzählen dieß Mährchen etwas anders . Die hier gegebene Erzählung ist aus den Halberstädter gemeinnützigen Blättern 1785 .
Die verwünschte Jungfrau . Auf dem Fichtelberge in Franken , auf der südlichen Seite des Schneeberges , ist der Nußhardtfelsen der abgelegenste , der wildeste und schaudervollste Bezirk . Hier herrscht die ödeste und traurigste Einsamkeit , die nur dann und wann durch die Viehheerden aus dem nächsten Dorfe Vordorf unterbrochen wird .
Auf diesem Bezirk haftet folgende Volkssage :
In Vordorf hat einmal ein Hirte gelebt – seine Nachkommen sind noch vorhanden – der trieb seine Heerde oft in diese Gegend , wo er , wegen ihrer weiten Entfernung vom Dorfe , immer erst um Mittag beim Nußhardtfelsen anlangte . So oft er dahin kam , so oft erblickte er auch zwischen eilf und zwölf
Uhr Mittags eine köstlich ausgeschmückte Jungfrau , die jedes Mal sehr eifrig beschäftigt war , mit einem Rechen Flachsknoten umzuwenden . Oft hatte er seine Gedanken darüber , warum die schöne Jungfrau den ganzen Sommer hindurch dieß Geschäft triebe , und nie damit fertig werden könne . Mit dem Schlage zwölf Uhr war sie aber immer verschwunden , und anstatt der Flachsknoten fand der Hirt auf der Stelle Roßkoth , und mitunter ein Goldstück . Einige Male war er willens , die holde Dirne anzureden ; aber nie hatte er das Herz dazu .
So vergingen mehrere Sommer . Sie sahen beide einander täglich , sie wurden einander gewohnt ; aber keines sprach ein Wort mit dem andern , denn sie sahen sich immer nur von ferne .
Was geschah ? Einst näherte sich dem Hirten die jungfräuliche Gestalt , schön und herrlich , wie es keine Schönheit weiter in
der Welt giebt . Sie redete ihn mit stolzer und majestätischer , aber doch mit liebreicher und freundlicher Miene an :
„ Du kannst mein Retter werden ! “ sprach sie . „ Viele Jahre bist du schon Zeuge meines Thuns und Wirkens in dieser furchtbaren Einöde . Nie that ich dir etwas zu Leide , und werde es auch nie thun . Wisse , ich bin eine verwünschte , edle Jungfrau , die schon Jahrtausende hier nach Erlösung schmachtet . Du kannst mich retten , nur Du ! Höre meine Weisung . Mir steht ein merkwürdiger Tag bevor ; – sie nannte den Tag – vergiß ihn nicht . Auf diesen Tag gehe in die große Höhle des Felsens , die du kennst . Hier findest du mich . Gehe dreist auf mich zu , und gieb mir drei Küsse auf die Stirn . Thust du das , dann – dann bin ich erlöst ! – Aber merke es dir wohl : in dem Zustande , wie du mich jetzt siehst , bin ich dann nicht . An jenem Tage habe ich einen
schweren , großen Kampf zu kämpfen . Aus meinem Halse spricht Feuer , mein Haupthaar ist ein Geflechte von Schlangen , und ich liege in Krämpfen und Zuckungen . Dieser Anblick muß dich aber nicht schrecken . Gehe nur getrost auf mich los , und gieb mir drei Küsse . Deine Entschlossenheit rettet mich , und wird dir wohl , wird dir reichlich belohnt werden . Nimm auch , wenn du dich fürchten solltest , deinen Beichtvater oder sonst einen treuen Freund mit dir . “
Sprach’s , und verschwand . Der Hirte stand da , und wußte nicht , ob er gewacht oder geträumt hatte . Er trieb seine Heerde heim , konnte nicht schlafen , ging gedankenvoll herum , und wußte nicht was er thun sollte . Das furchtbare Gemälde , das die schöne Jungfrau von sich selbst ihm gemacht , hatte eine unüberwindliche Furcht in ihm erzeugt , die von der ihm zugleich eröffneten Aussicht auf eine gute Belohnung nicht überwunden
werden konnte . Keinem Menschen offenbarte er das Geschehene , auch seinem Beichtvater nicht . Er trug es mit sich herum , quälte sich Tag und Nacht , vermied in der Zeit den Nußhardtfelsen , und – der bestimmte Tag verstrich .
Als er vorüber war , war’s ihm , als sey ein Stein von seinem Herzen gefallen . Nun trieb er die Heerde wieder zum Nußhardtfelsen . Voll Erwartung nahte er sich ihm und der Stelle , von wo er die schöne Jungfrau immer gesehen hatte .
Sie erschien . Sie näherte sich ihm in ihrem ganzen jungfräulichen Glanze . Mit starkem Herzklopfen sah er sie kommen . Da sprach sie sanft und rührend :
„ Du hast an mir nicht wohl gehandelt . Du hättest mich retten können , und thatest es nicht . Höre , was ich dir sage , und was dir wohl selbst nicht bekannt war . Deine Lebensereignisse greifen in die meinigen wunderbar
ein . Du bist getauft aus einer Bademulde , die aus einem Birkenbaume gemacht war , der an einem bestimmten Tage nicht nur gepflanzt , sondern auch gefällt wurde . An das Zusammentreffen aller dieser Umstände ist meine Erlösung aus einer schrecklichen Verbannung geknüpft . Du – Du hättest mich erlösen können , und hast es nicht gethan ! “
Sie drehte sich um , eine Thräne fiel aus ihrem blauen Auge , und ihr schönes Gebilde zerfloß wie ein lichter Nebel vor den Augen des Hirten .
Auf seinen Stab gestützt , sah dieser starr vor sich hin . Er war gerührt und betrübt . Nun hätte er das Wagstück gern bestanden ; aber nie sah er die schöne Jungfrau wieder , so oft er auch den Nußhardtfelsen behütete .
Das Zögern der Furcht und Unentschlossenheit , die sich für klug hält , und eben damit die Versäumung des Augenblicks zur Rettung Anderer und zur eigenen Befriedigung , kann nicht sanfter und zugleich eindringender dargestellt werden , als es in dieser Sage geschieht , die mir aus jenen Gegenden mitgetheilt wurde .
Die Glocke im Opferteiche . Dicht an Moringen , einem Städtchen bei Göttingen , liegt das Oberdorf Moringen . Da findet man in einem Garten einen Teich , der Opferteich genannt . In frühen Zeiten wurde in seiner Nähe , auf dem Mallo oder Gerichtsplatze , unter großen Eichen Gericht gehalten , und die Tradition sagt , daß er von den Opfern , die nach geschlossenem Gericht gebracht wären , wobei man sich seines Wassers bediente , den Namen erhalten habe . Neben ihm stand sonst ein Tempelherrenkloster , wovon noch Ueberbleibsel da sind , und etwas weiterhin steht eine Kirche , die schon unter Ludwig dem Frommen erbaut seyn soll , zum Kloster gehörte , und jetzt die Filialkirche des Orts ist . Der Teich ist sehr tief , hat
gar keinen sichtbaren Zufluß , aber so reichliche unterirdische Quellen , daß sein sehr klares und eben so kaltes Wasser gleich beim Ausflusse zwei Mühlen treibt .
Von ihm erzählt man , daß es jährlich , in der Weihnachtsnacht von zwölf bis ein Uhr , in seiner Tiefe läute .
Die Mönche des erwähnten Klosters hatten nämlich einmal eine neue Glocke gießen und in dem noch stehenden Kirchthurme aufhängen lassen . Sie vergaßen aber , der Gewohnheit gemäß , sie vor dem Gebrauche zum Gottesdienste einzusegnen und zu taufen . Nun wollten sie sie zum ersten Male in der heiligen Weihnachtsnacht zur Christmesse gebrauchen . Aber kaum war sie in Schwung gesetzt und hatte einige Male getönt , als sie durch eine wunderbare Kraft losgerissen wurde , zum Schallloche des Thurmes hinaus , über das Kloster hin flog , und in den Opferteich fiel .
Da liegt sie nun tief unten . In jeder Weihnachtsnacht aber hebt sie sich in die Höhe , läutet , und sinkt dann wieder unter .
Seit der Zeit ist auch der Gottesdienst in der Kirche in Verfall gerathen und das Tempelherrenkoster aufgehoben worden . Auch kann ihrentwegen kein Fisch in dem Teiche leben .
Bei hellem Wetter haben Einige die Glocke in der Tiefe des Wassers liegen sehen ; auch kann man noch an der Seite des Schallloches die Spuren ihres heftigen Durchflugs bemerken .
Aus handschriftlichen Mittheilungen aus der Gegend von Moringen .
Graf Helias von Cleve und Jungfer Beatricia . In Rom war im Jahre nach Christi Geburt 709 ein edler streitbarer Mann , der hieß Dietrich von dem Geschlechte der Ursine . Dem gab der Kaiser Justinian , mit Zustimmung des Königs in Frankreich , Childerich , ein Land zu Erb und zu eigen , nämlich das Land Cleve . Auch gab er ihm die kaiserliche Burg in Nymwegen ein , sie zu beschützen und zu vertheidigen .
Als Dietrich nun so zu Nymwegen wohnte , baute er eine Festung in Westsachsen auf dem Anger , die hieß hernach Cleve , und Dietrich nannte sich Herr von Cleve . Fünf Jahre und fünf Tage regierte er nur , aber wohl , und tapfer stritt er gegen die Sachsen
bis an seinen Tod . Er hinterließ nur eine Tochter , die hieß Beatricia . Diese ward Erbin , und nannte sich Gräfin von Cleve .
Aber ihr Land ward bald voll von Räubern , die es plünderten und verheerten ; denn sie war zu schwach , es davon zu säubern . Darüber betrübte sie sich sehr , und war traurig , daß ihre armen Leute so geplagt wurden .
Eines Tages saß sie auf der Burg zu Nymwegen am Fenster , und sah ganz niedergeschlagen auf die blauen Wellen des Rheins . Siehe , da kam ein Schwan auf dem Flusse herauf geschwommen , der war weiß . Um den Hals hatte er eine goldne Kette , woran ein kleines Schiff hing , das er hinter sich her zog . In diesem Schiffchen saß ein schöner Jüngling , der hatte in der Hand ein blankes Schwert von purem Golde und auch ein schön gewundenes Jagdhorn . Auf der Brust hing ihm ein Schild , worin acht goldne Scepter standen , und in der
Mitte war ein Stück Zinnober , so noch das Wappen von Cleve ist .
Dicht unter den Mauern von Nymwegen hielt das Schiff , und der schöne Jüngling begehrte die holde Jungfrau von Cleve zu sprechen .
Beatricia kam züchtiglich und ehrbar herab an das Ufer . Ihr war das eine Schickung Gottes ; denn oft schon war es ihr im Traume vorgekommen , daß sie auf diese Art einen Mann haben solle . Nun besprachen sich beide lange , und sagten einander viel Gutes und Liebes . Helias , so hieß der Jüngling , sagte ihr auch alle seine Gebrechen und Mängel , verlangte aber von der Jungfrau , daß , wenn sie ihn liebe , sie ihn nie fragen solle , wo er hergekommen sey . Thäte sie das doch , so müsse er sie verlassen , und könne alsdann nie zurückkehren . Sie gelobte ihm dieß an , und so kamen sie denn zusammen in den Stand des echten Lebens , der Ehe .
( Beiläufig sey es gesagt – die Historienschreiber meinen , der Jüngling Helias sey gekommen aus dem Berge Grale , wie man nannte ein Festspiel , worauf es herging lustig und liederlich , so daß er also ein Kind der Liebe zu nennen sey . )
So waren nun also Helias und Beatric Beatricia Mann und Weib . Sie zählten in vier Jahren drei Söhne . Der eine hieß Dietrich , der ward des Vaters Nachfolger im Lande ; der zweite hieß Gottfried , und wurde ein Graf von Lyon ; der dritte hieß Konrad , der kam zum Bischof nach Mainz .
Kaiser Theodosius machte aus diesem Helias einen Grafen , und aus seinem Lande eine Grafschaft , die er ein und zwanzig Jahre regierte . Da brach seine Frau ihr Versprechen , und fragte darnach , was er ihr verboten hatte .
Es war nämlich im Jahre 737 , als Graf Helias bei seiner Ehefrau Beatricia im Bette
lag . Da fragte sie ihn mit einem Male und ohne es vorher zu überlegen , und sprach :
„ Lieber Herr , warum müssen eure Kinder das nicht wissen , wo sie sind hergekommen , und was Geburt das sie sind ? “
Sobald sie diese Worte ausgesprochen , da verlor sie ihn aus dem Bette . Helias verschwand , so daß sie gar nicht wußte , wo er geblieben war , und nimmer kam er auch zurück .
Da härmte und grämte sich Beatricia , und verblich wie eine Blume auf dürrer Heide .
Ihr Sohn Dietrich aber ward Graf zu Cleve , und regierte vierzig Jahre . Von ihm gingen aus alle Grafen und Herzoge zu Cleve bis auf unsere Zeit .
C. Abel , Samml . etlicher noch nicht gedruckter alter Chroniken. Braunschw. 1732 . S. 54 .
Der Ausgang der Hamelnschen Kinder . Bei der Stadt Hameln liegt gegen Morgen , vor dem Osterthore , ein mäßiger Hügel , der Koppelberg genannt . An diesem bemerkt man eine Vertiefung nebst zwei steinernen Kreuzen , welche das Andenken an eine furchtbare Begebenheit erhalten sollen , die sich hier im Jahre 1284 am 26sten Junius zugetragen hat .
Um diese Zeit war nämlich die Stadt Hameln mit einer furchtbaren Menge Ratten geplagt . Ueberall wimmelte es von diesem Ungeziefer , gegen welches kein Schloß , keine Falle , kein Riegel , kein Pulver half . Sie zehrten alles auf , zernagten , was sie nicht fressen konnten , packten das Vieh in den
Ställen an , bissen die Menschen des Nachts in den Betten ; und wenn auch hier Tausende todt geschlagen wurden , so kamen dort neue Tausende zum Vorschein . Kurz , die armen Hamelenser waren eben so arg geplagt , wie einstens die Aegypter .
Da erschien ein Mann in der Stadt , der war wunderlich gekleidet , und machte laut kund : „ er wolle das Ungeziefer verbannen , wenn man ihm ein gutes Stück Trinkgeld gäbe . “ Wer war froher , als die Einwohner , die noch Geld genug , aber kein Brot hatten . Sie versprachen daher dem Manne zu geben , was er verlange , nur möchte er sie bald von ihrem Uebel erlösen . Sie dachten , er besäße vielleicht ein unfehlbar wirkendes Rattenpulver , oder bediene sich doch eines natürlichen Mittels zu seinem Zwecke . Aber , was geschah ? Der wunderlich gekleidete Mann nahm ein Pfeifchen aus seiner Tasche , blies darauf , und ging so durch die Straßen . Da
stürzten aus allen Häusern , aus allen Winkeln , Kellern , Gärten und Höfen die Ratten schaarenweise hervor , und folgten dem Pfeifer nach . Die erstaunten Einwohner folgten auch ; und als er nun alle Straßen durchgangen hatte , und das Ungeziefer in solcher Masse hinter ihm drein wogte , daß manche Straße zu eng war , führte er sie an das Ufer der Weser . Hier sprach er einige fremde kauderwälsche Worte , hob seinen bunten Stab auf , und siehe , die ganze Rattenmenge stürzte sich in die Fluth und verschwand .
Den Einwohnern standen bei diesem Anblicke die Haare zu Berge . Mit natürlichen Dingen ging das nicht zu . Der fremde Mann mußte ein Hexenmeister oder gar der Teufel selbst seyn . In beiden Fällen hielten sie sich nicht für verpflichtet , ihm die versprochene Zahlung zu leisten ; und so sehr auch der „ verfluchte Bube “ – so nennt ihn das Mährchen – darauf bestand , so verweigerten
sie sie ihm doch hartnäckig , fürchtend , er banne ihnen das Rattenheer von neuem auf den Hals .
Darob ergrimmte der Zaubermann entsetzlich , und beschloß , sich dafür recht weidlich zu rächen . Als nun eines Sonntags die Bürger alle in den Gotteshäusern waren , ging er wieder mit seinem verwünschten Pfeifchen durch alle Straßen . Ratten gab es nicht mehr , dafür kamen aber die Kinder aus den Häusern und zogen ihm gleich jenen nach . Als er nun hundert und dreißig Knaben und Mädchen beisammen hatte , ging er mit ihnen durch die enge bungelose Straße zum Osterthore hinaus nach dem Koppelberge zu .
Ein Dienstmädchen , das mit einem kleinen Kinde im Mantel am Thore stand , war neugierig zu sehen , was daraus werden solle , und folgte dem Kinderschwarme . Als nun der Mann , der den Zug anführte , an den Berg kam , öffnete sich dieser , er ging hinein ,
alle Kinder mit ihm , und schwapp ! da schlug die Oeffnung zu , und weg war alles .
Zitternd und bebend eilte das erschrockene Dienstmädchen zurück , und erzählte die traurige Begebenheit .
( Nach einer andern Lesart sollen zwei von den hundert und dreißig Kindern umgekehrt und in die Stadt gekommen seyn . Eins davon wäre blind , das andere stumm gewesen . Das letztere habe die Gegend des Berges , wo er sich geöffnet , angezeigt , und das blinde die Erzählung dazu geliefert . )
Die Nachricht war indessen kaum kundbar geworden , als alles aus den Kirchen heraus und nach dem Koppelberge stürzte . Das war ein Klagen und ein Jammergeschrei , ein Rufen und ein Weinen . Aber umsonst , der Berg blieb verschlossen , und die Kinder kamen nicht zurück . Nur eine Vertiefung gewahrte man an dem Berge , die der Eingang gewesen zu seyn schien .
Weit und breit schickte man Boten aus , zu forschen , ob nicht irgendwo Kunde von den verlornen Kindern zu erhalten sey , aber vergebens . Viele glaubten , der Satan habe dem Dienstmädchen ein Blendwerk vorgemacht , und die Kinder wären von ihm nicht in den Berg , sondern durch die Lüfte und nach Siebenbürgen entführt worden . Denn um eben diese Zeit – solches schreibt die Siebenbürgensche Chronik – wären in diesem Lande mit einem Male eine Menge Kinder angekommen , die eine unbekannte Sprache geredet hätten . Sie wären da geblieben , ihre Sprache hätte sich fortgepflanzt , und so wäre es gekommen , daß in diesem Lande eine andere , als die sächsisch-deutsche Sprache geredet werde .
Die Stadt Hameln hat nach dieser Begebenheit mehrere Jahre lang ihre Ausfertigungen datirt , wovon noch Documente vorhanden seyn sollen . Die kleine Gasse , durch
welche die Kinder zum Thore hinausgeführt wurden , heißt noch jetzt die Bungelose Gasse . Es wurde nämlich von dem Magistrat verordnet , daß bei Gelegenheiten , wo Musik und Spielwerk auf den Straßen erschalle , zum ewigen Andenken in dieser Straße nie eine Trommel ( Bunge ) gerührt werden solle .
Diese Erzählung hat allerdings ihren historischen Grund , ist aber durch eine falsche Deutung verstellt worden . Die wahre Geschichte ist diese . Der Abt zu Fulda verkaufte im Jahre 1252 die Stadt Hameln und die Vogtey darüber an den 32sten Bischof zu Minden , Wedekind oder Widekind . Hiermit war der Graf von Everstein nicht zufrieden ; als welcher bisher die Schutzgerechtigkeit oder Vogtey über die Stadt und das Stift Hameln , als ein Lehn von Fulda , besessen hatte . Er reizte daher die Bürgerschaft ,
sich dem Bischof zu widersetzen , der sich jedoch mit Gewalt den Besitz der Stadt verschaffte . Als man seinen Anmarsch erfuhr , rückten ihm die Bürger , am Tage des Märtyrers Pantaleon 1259 , unter ihrem Anführer mit Trommeln und Pfeifen entgegen . Dieß ist der Ausgang der Hamelnschen Kinder , die der Anführung eines Pfeifers , der sie zusammenberufen hatte , folgten . Es kam zum Treffen bei Sedemünden am Fuße des Koppelberges , das die Hamelnschen Bürger verloren , und theils erschlagen , theils nach Minden geführt wurden . Zum Andenken dieser Begebenheit feierte die Stadt jährlich einen Gedächtnißtag , welchen sie den Ausgang ihrer Kinder nannte . Nachher machte die Stadt mit dem Bischof einen Waffenstillstand , und in der Hoffnung , die Stadt durch Güte zum Nachgeben zu bewegen , setzte der Bischof die gefangenen Bürger auf freien Fuß . Diese eilten wieder nach Haus , und
kamen durch den nächsten Weg nach Hameln über die Sevenberge , welche eine halbe Stunde von Hameln liegen . Es kamen also die Hamelnschen Kinder in den Seven- oder Siebenbergen wieder zum Vorschein , woraus die Unverständigen Siebenbürgen gemacht haben .
C. F. Fein , Das unter dem Ausgang der Hamelnschen Kinder verborgene Geheimniß. Hannov. 1749 . – Halberstädter gemeinnütz . Blätter 1788. S. 130. – Bertuch’s Modenjournal , Octoberheft 1813. S. 637. – v. Göthe hat dieß Mährchen als Stoff zu einem Gedicht , „ der Rattenfänger “ überschrieben , benutzt .
Das Himmelreich . In dem lieblichen Thale , durch welches der Neckar sich schlängelt , ragt , nicht weit von dem Städtchen Grundelsheim , ein steiler Berg vor den andern Bergen weit hervor , auf dessen Gipfel eine , dem Erzengel Michael geweihete , Kirche steht , die Himmelreich heißt . Von dieser redet die Sage Folgendes :
Als noch finsterer Wald den ganzen Berg umgab , lebte hier , abgeschieden von der Welt , der heilige Lukas . Frommen Betrachtungen und stillem Gebete war sein Leben geweiht Wurzeln und wilde Kräuter aß er . Fand er einen verirrten Wanderer , so labte er ihn so gut er ’s vermochte , und brachte ihn dann wieder auf die rechte Straße .
Bald ging die Kunde von dem heiligen Manne in der Gegend umher . Viele pilgerten nach seiner Hütte , und wer die Tröstungen des alten Greises gehört , wen er gesegnet hatte , der fühlte sich heiterer und kehrte mit mehr Ruhe im Herzen zurück .
Und immer mehr breitete sich der Ruf seiner Heiligkeit aus , und immer zahlreicher pilgerte man nach der heiligen Höhe .
Schon bleichte Lukas’s Haar , seine Rechte zitterte , und ein Knotenstab unterstützte seine wankenden Schritte , da pochte es eines Abends spät noch an seiner Thüre . Ein Pilger trat ein . Seine Kleider trieften vom Regen , und erstarrt waren seine Glieder . Der Greis hieß ihn willkommen , zündete eilig ein Feuer an , trocknete die Kleider des Pilgers , setzte ihm Essen auf , und bereitete ein Lager von Moos . Andächtig kniete er alsdann in einem Kämmerlein vor dem kleinen Hausaltare , sein Abendgebet zu verrichten .
Da trat der Pilger zu ihm ein . Aber sprachlos staunte der fromme Lukas , als um des Fremden Stirn er einen Strahlenkranz schimmern sah , der seine blöden Augen trübte .
„ Dein Gebet ist erhört ! “ flüsterte der Engel des Herrn ; „ gehe zur Ruhe ! “
Er küßte den Sprachlosen auf die Stirn , da entfloh die Seele mit ihm ins Paradies .
Todt fanden am Morgen den heiligen Mann einige Waller . Weinend begruben sie ihn an jener Stelle , und baueten eine Kirche , dem Erzengel Michael heilig .
Himmelreich heißt davon der Berg , und jährlich wallfahrtet das Volk noch hinauf nach jener Kirche , um sein Gebet zu verrichten .
Badensche Wochenschrift 1807 .
Mährchen von Questenberg . Eine Stunde von Roßla , in der Grafschaft Stolberg , verwittern , zwischen Bergen des Harzes , die Ruinen der Burg Questenberg . In weiter Ferne blinken sie gar deutlich hervor ; denn die Burg war von weißem Gyps- oder Kalkstein erbaut , den die Sonne je länger je mehr ausblich . Hier lebte im dreizehnten Jahrhunderte Ritter Knut , der hatte ein einziges Töchterlein , das er sehr liebte , weil er kein Kind mehr hatte . Nun spielte es einmal vor dem Thore der Burg , suchte Blumen im nahen Walde , verlor sich zu tief ins Dickicht , und konnte den Heimweg nicht wieder finden . Die Wärterin , die sorglos vor des Thores Pforte saß , und gewohnt war , das Kind nach Blumen im Gebüsch herumlaufen
zu sehen , hatte anfänglich nichts Arges daraus , daß es nicht gleich wieder zurückkam . Als aber der Abend heran dunkelte , und ihr Rufen vergebens , ihr Suchen nach dem theuren Kinde umsonst war , da rang sie angstvoll die Hände , raufte sich das Haar und eilte nach Hülfe auf die Burg zurück . Alles wehklagte und lief in den Wald . Der Burgherr sandte seine Knappen nach allen Windgegenden aus , und die Gemeinheiten wurden aufgeboten , das verlorne Kind zu suchen .
Das Kind hatte sich durch immer schönere Blumen immer tiefer in den Wald locken lassen , war in ein finsteres Thal , durch das kein Weg führte , und endlich zu einer Köhlerhütte gekommen . Hier hatte es sich vor der Thür hingesetzt , und flocht eben mit seinen zarten Fingerchen einen Blumenkranz , an dem zwei Quasten von Blumen herabhingen , als der Köhler es mit einbrechender Nacht bei seiner Rückkehr fand . Das Kind lächelte so
freundlich zu ihm hinauf , als kenne es den schwarzen Mann schon längst , bot ihm seinen Blumenkranz an , und verlangte zu essen . Der Köhler kannte das Kind nicht , konnte auch den Namen seines Vaters von ihm nicht erfahren . Er nahm es indessen freundlich auf den Arm , drückte seinen rußigen Mund auf die rothe Wange , trug es in das enge Holzhaus , und pflegte sein . So vergingen mehrere Tage . Das Kind zeigte kein Verlangen zum Vater zurück ; denn es fand hier Blumen vor der Hütte , wie vor der Burg , und seine stete Beschäftigung war , Blumenkränze zu winden .
So fanden es endlich nach mehrern Tagen einige Einwohner des unter Questenberg liegenden Dorfes Finsterberg . Groß war ihre Freude . Jubelnd nahmen sie das Kind auf , banden den Blumenkranz , den es eben wand , an eine hohe Stange , trugen diese vorauf , und zogen nun tanzend und singend
nach der Burg , wohin auch der Köhler mitgehen mußte .
Hier saß indessen der trauernde Vater , und härmte sich ab und weinte . Alle Hoffnung hatte er schon aufgegeben , alle Freude wollte von ihm schwinden , da tönte mit einem Male das fröhliche Geschrei aus der Ferne zu ihm herauf . Er stürzte die Treppen hinab , zum Burgthore hinaus , und , ach ! da hing die kleine Jutta an seinem Halse . Alles weinte vor Freude , alles jubelte mit Thränen im Auge , und das Entzücken des glücklichen Vaters war unbeschreiblich . Die hohe Stange mit dem Blumenkranze wurde im Burghofe aufgepflanzt , und Knappen und alles , was mit eingezogen war , tanzten und zechten um ihn her bis tief in die Nacht hinein .
Zum dankbaren Andenken schenkte der Vater den Einwohnern von Finsterberg einen Strich Waldes , und denen von Roda , das
ihm auch gehörte , den Holzfleck , wo sein Kind vor der Köhlerhütte gefunden war Das Holz ist später ausgerodet und in eine Wiese verwandelt worden , die noch jetzt die Fräuleinwiese heißt und zu den Grundstücken des Predigers in Roda gehört . . Ferner gab er , veranlaßt durch die Blumenquasten , welche am Kranze des Kindes angebracht waren , seiner Burg und dem darunter liegenden Dorfe Finsterberg den Namen Questenberg , und verordnete , daß jährlich an dem für ihn so freudigen Tage auf dem höchsten Berge der Gegend ein Baum aufgerichtet , und mit einem solchen Kranze , wie der des Kindes war , geschmückt werden solle .
Seitdem hieß und heißt noch die Burg und das Dorf : Questenberg , und seitdem wird bis auf den heutigen Tag dieß Fest jährlich
am dritten Pfingstfesttage , jedoch mit einigen durch die Zeitumstände herbeigeführten Abänderungen , als ein echtes Volksfest gefeiert . Die jungen Bursche und Männer des Dorfes suchen sich aus dem Walde den größten ihnen beliebigen Baum aus , hauen ihn am Abend vor Pfingsten ab , nehmen ihm , bis auf eine halbe Elle vom Stamme , alle Aeste , bringen ihn am Tage der Feier früh vor Aufgang der Sonne auf einen hohen Berg gleich über dem Dorfe , richten ihn da auf , und befestigen nun einen von grünen Zweigen und Blumen geflochtenen Kranz daran , welcher die Größe eines Wagenrades hat , und auf den Seiten mit Quasten von Blumen geziert ist . Das alles geschieht unterm Zulauf einer Menge Menschen der ganzen Gegend , von Musik , Jubel und Freudenschüssen begleitet . Ist man damit fertig , was jedoch nie vor Mittag der Fall ist , so wird in Procession nach der Kirche gezogen ,
Gottesdienst gehalten , und dann der Tag mit Tanz beschlossen .
So wird , wie gesagt , noch jetzt jährlich das Fest gefeiert , nur mit der Abänderung , daß nur alle acht Jahre ein frischer Baum geholt werden darf , dagegen die Gemeine in jedem der übrigen sieben Jahre ein Geschenk von 8 Rthlr . erhält . Wahrscheinlich hat dieß die in unsern Tagen nothwendig gewordene Sparsamkeit im Holzverbrauch veranlaßt .
Es könnte scheinen , als ob diese Volkssage durch die Wortforschung entstanden sey ; indessen sehe ich nichts Unwahrscheinliches in der Begebenheit . Es geht so ganz natürlich , ohne Zauberei , ohne Unbegreiflichkeiten , ohne Einwirkung unsichtbarer Kräfte darin zu , ja selbst die Phantasie scheint keinen Einfluß darauf gehabt zu haben , warum sollte sie nicht wahr , nicht wirklich so geschehen seyn , wie sie noch erzählt wird ? Ein Vater verliert sein Kind , die Unterthanen bringen es
ihm zurück : natürlich bezeigt er sich dankbar dafür , und da ihm die Begebenheit wichtig ist , so ordnet er ein jährliches Fest der Erinnerung an . Dieß Fest war ganz im Geiste der Volksfeste eingerichtet , und so erhielt es sich bis in unsere Tage . Gewiß , man wird bei wenig deutschen Volkssagen mit ähnlicher Zuversicht behaupten können , daß ihnen ein historisches Factum zum Grunde liege , und durch sie so wenig entstellt sey , als in dieser von der Quäste auf Questenberg .
Es giebt aber auch noch andere Sagen von Questenberg , die mehr das Gepräge von gewöhnlichern Mährchen haben .
Im dreißigjährigen Kriege flüchteten die Anwohner ihr Geld und ihre Habseligkeiten auf die Burg Questenberg , um sie gegen Raub und Plünderung zu sichern . Diese
Schätze liegen jetzt noch alle in einem großen Braukessel beisammen , der in einem der unterirdischen Gewölbe steht , und von einem Geiste bewacht wird . Einst ging einmal des Sonntags ein Einwohner aus Questenberg auf die alte Burg , besah die morschen Ruinen , kroch überall herum , und kam auch an eine Stelle , wo es ihm vorkam , als ginge es tief in die Erde hinein . Er drängte sich durch dichtes verworrenes Gebüsch durch , ging immer mehr abwärts , und kam in die Oeffnung eines dunkeln Ganges . Die Neugierde führte ihn weiter , und da gewahrte er endlich im Hintergrunde , wo kaum noch ein Schimmer von Tagslicht hinfiel , eine runde Oeffnung in der Erde . Als er dicht davor stand , erschien plötzlich ein Geist in einen Schleier gehüllt . Es wurde hell , und der erschrockene Mann sah vor sich den Braukessel mit lauter Goldstücken angefüllt , von den ihm gar oft schon seine Großmutter erzählt hatte . Er
wußte nicht , was er thun , ob er gehen oder nehmen sollte . Da sprach der Geist :
„ Nimm eins der Goldstücke , komm jeden Tag wieder und nimm dir eins , aber nimm nie mehr , als eins ! “
und verschwand . Der Mann nahm eins der Goldstücke , eilte mit klopfendem Herzen vor Freude und Angst nach der Oeffnung zurück , merkte sich den Ort genau , und ging , zehn Mal besehend das Geschenk des Geistes , nach Hause . Tags darauf kam er wieder . Der Geist war nicht da , aber der Braukessel mit dem Golde . Er nahm sich wieder ein Stück , und ging . Den zweiten , dritten , vierten Tag fand er sich wieder ein , holte immer ein Stück , und so trieb er ’s wohl ein Jahr lang . Seine Hütte hatte er während dem in ein stattliches Haus umgewandelt , sich viel Acker gekauft , schönes Zugvieh angeschafft , und kein Bauer im Dorfe konnte es ihm gleich
thun . Je mehr aber sein Reichthum wuchs , desto übermüthiger wurde er . „ Wozu soll ich arbeiten , “ sprach er , „ ich kann ja der Ruhe pflegen ! “ und nun hielt er Knechte und Mägde , die das Feld bebauen mußten , und saß im Lehnstuhl , oder ritt auf einem Gaul hinaus , die Saat zu besehen , die er sonst selbst ausgestreut hatte . Nur den täglichen Gang nach dem Braukessel machte er selbst . Als nun der Mammon immer mehr anwuchs – denn so ein Goldstück war wohl beynahe zwanzig Thaler werth – und sein Stolz mit ihm , da kam ihm der Gedanke bei , daß es doch sehr lästig sey , täglich um eines Goldstücks wegen den hohen Berg hinanklimmen zu müssen , er wolle das nächste Mal zwei Goldstücke nehmen . Er that es , nahm Tags darauf zwei Stücke mit , und trieb dieß einen ganzen Monat hindurch . Auch damit noch nicht zufrieden , sprach er :
„ Ei , was soll ich mich da täglich quälen und zwei Goldstücke nur nehmen ! Der ganze Schatz ist ja doch für mich bestimmt , ob ich ihn nun nach und nach oder auf ein Mal hole , das wird einerlei seyn . Ich werde gehen und den schönen Braukessel auf ein Mal leeren , dann brauche ich mich nicht weiter zu mühen ! “
Er packte viele Säcke auf , keuchte den Berg hinan ( denn die gute Kost und das gemächliche Leben hatten seinen Körper wohl genährt ) , langte bei der bewußten Oeffnung ganz ermattet an , setzte sich erst nieder , um wieder zu Kräften zu kommen , freute sich , daß nun auch diese lästigen Gänge hierher aufhören würden , und berechnete schon im Geiste , was er nun beginnen könne , wenn alle die Säcke , wohl angefüllt , in seinem Hause erst ständen ; wie er dann ein großes Rittergut sich kaufen , in einem schönen Glaskasten
mit Vieren bespannt fahren , wie er große Tafel halten , viel Gäste bei sich sehen , mit ihnen zechen wolle , trotz der Ritter auf der nahen Burg Kyffhausen , und dergleichen mehr . Jetzt stand er auf , nahm die Säcke , ging durch den dunkeln Gang , und langte bei dem Braukessel , der , trotz alles dessen , was schon nach und nach weggeholt war , von neuem bis an den Rand sich wieder gefüllt hatte , an . Er nahm den ersten Sack , kniete nieder an den Rand des Kessels , fuhr mit beiden Händen in das Gold hinein und wollte so die erste Ladung in den Sack werfen , als plötzlich der ganze Braukessel vor ihm mit schrecklichem Geprassel hinabsank , Feuerflammen und Schwefelgestank heraufqualmten , und der betäubte Thor fast ohnmächtig zurückfiel . Fort war der Schatz , fort alle die schönen Träume und Luftschlösser . Kein Braukessel erschien wieder , so oft auch der Nimmersatte wiederkam , der nun gern immer
nur ein Goldstück genommen hätte , wenn ’s vergönnt gewesen wäre .
So rächt sich die Unersättlichkeit an ihren Verehrern .
Zerstörte und zerfallene Burgen und Klöster wurden von jeher von Schatzgräbern durchwühlt , um ohne große Mühe das zu finden , was sich sonst nur durch Fleiß und Ordnung erwerben läßt , – Reichthümer . Dieß Loos hatten auch die Ruinen von Questenberg , wovon man noch aus unsern Tagen Spuren antrifft . Ein Paar Jesuiten kamen einst auch in derselben Absicht hierher . Sie suchten und forschten nach Kellern und Gewölben , und fanden endlich auch die Oeffnung , welche nach dem mit Golde gefüllten Braukessel führte . Ihrem trunkenen Blicke zeigte er sich , voll des glänzenden Metalls , und schon schickten sie sich an , den Schatz zu
heben , als plötzlich der Geist ihnen auch erschien und sprach :
„ Nicht euch sind diese Reichthümer beschieden , und nie könnt ihr sie nehmen . Das Schicksal bestimmt sie einem Grafen von Stolberg , der zweierlei Augen haben wird . Diesem allein darf ich sie übergeben ; aber , bis dieser kommt , schützt sie mein mächtiger Arm gegen jeden Angriff . Fort mit euch ! “
Voll Angst und Entsetzung eilten die Jesuiten hinaus und den Berg hinab ; doch erzählten sie die wunderbare Begebenheit und wiederholten die seltsamen Worte des bewachenden Geistes .
Ein Graf Stolberg mit zweierlei Augen ist noch nicht geboren worden , der Schatz also noch vorhanden . Gesehen haben aber
den großen Braukessel viele Menschen , und noch vor vierzig Jahren hat ein Bauer aus Questenberg den Geist dabei stehen sehen , der , wie er ihn beschreibt , wie mit Kankergespinnst überzogen gewesen sey .
Auch die schöne Wunderblume , die auf und am Harze häufig gefunden worden ist , durch deren Besitz man zu großen Reichthümern gelangen kann , und deren Wirkung weiter unten in mehrern Sagen vorkommen wird , soll hier auf Questenberg , doch ohne guten Erfolg , oft gefunden worden seyn . Die Sagen davon habe ich aber nicht genau erfahren können .
Die Sage von dem verlornen Kinde habe ich bereits in meinen Ritterburgen etc. 2r Bd. S. 41 erzählt . In der deutschen Monatsschrift
von 1795 und in Otmar’s Volkssagen S. 121 findet sie sich auch . In Questenberg , wo sie durch das jährliche Volksfest stets im frischesten Andenken erhalten wird , weiß sie jedes Kind zu erzählen . Die andern Sagen , von dem großen Schatze auf Questenberg , habe ich aus mündlichen Erzählungen an Ort und Stelle erhalten .
Die Erzminen Annaberg’s und Goslar’s . Die Entdeckung der Erzminen Annaberg’s im sächsischen Erzgebirge , und Goslar’s am Harze , fällt so tief in die dunkle Vorzeit zurück , daß die wirkliche Geschichte derselben nur aus Hypothesen besteht . Die Fabel hat dagegen die Auffindung dieser noch immer ergiebigen Minen außer allen Zweifel zu setzen gewußt ; denn sie erzählt Folgendes davon :
Es lebte einmal ein armer Bergmann , mit Namen Daniel Knappe . Er hatte Weib und Kind , liebte sie sehr , war aber nicht vermögend , sie mit seinen Händen zu ernähren . Er arbeitete zwar rastlos und betete , doch seiner Noth war kein Ende . So hoch aber auch sein Unglück stieg , so wich und wankte sein Glaube doch nicht .
Da erschien ihm eines Nachts ein Engel im Traum , der sprach :
„ Geh ’ hin und suche in der tiefsten Tiefe des Waldes den Baum auf , in dessen Zweigen silberne Eier ruhen . Du wirst ihn erkennen an seiner Größe ; denn kein Baum im ganzen Walde kann sich ihm vergleichen . “
Daniel erwachte , fühlte sich gestärkt , und als der Morgen kaum graute , eilte er in den Wald , den Baum zu suchen . Tief drang er ein in das verworrenste Dickicht , wo vielleicht noch kein menschlicher Fuß gewesen war , und fand endlich den hohen gewaltigen Baum . Aber keine silbernen Eier konnte er erspähen , so sehr er sich auch mühte , Zweig für Zweig mit den Augen zu durchsuchen .
Traurig und ganz niedergeschlagen , den schönen Traum unerfüllt zu sehen , wollte er schon wieder heimkehren , als mit einem Male der Engel ihm zur Seite stand , und sprach :
„ Gott ist hülfreich und wahrhaft , wo du auch keinen Ausweg siehst . Der Baum hat auch Zweige in der Erde . Dir sey geholfen um deiner Treue und Liebe willen ! “
Der Engel verschwand ; aber Hoffnung und Muth stärkte den armen Bergmann , und er grub am Fuße des Baumes .
Von seinen Wurzeln durchflochten , fand er da reiche Silberstufen in Menge . Er staunte , er weinte vor Freude ; denn ihm und den Seinigen war nun geholfen .
Annaberg , das freundliche Städtchen , erhob sich hierauf in dieser waldigen Gegend , und ergiebige Bergwerke umher . Den 21 sten des Herbstmonds im Jahre 1496 legte Herzog Georg der Bärtige den Grund dazu .
Die Erzminen um Goslar am Harz , und besonders die reichen bis auf unsere Tage noch immer ergiebigen Bergwerke des bei dieser
Stadt gelegenen Rammelsberges , läßt die Sage auf folgende Art entdecken :
Kaiser Otto der Große , der in den Gegenden des Nieder- und Vorharzes oft sein Hoflager hatte , war einmal auf seiner Burg Harzburg bei Goslar . Da ritt einer seiner Jäger , Ramm hieß er , aus auf die Jagd . Auf diesem Ritt kam er an den Berg , der nachher den Namen Rammelsberg erhielt und noch jetzt führt . Das Dickicht war so stark , daß er mit dem Pferde nicht durch konnte . Er band es daher an einen Baum , um seinen Weg zu Fuß besser fortsetzen zu können , und ging . Dem Pferde mochte sein Herr aber zu lange ausbleiben , daher es vor Ungeduld stampfte und die Erde wegscharrte . Als nun Ramm nach einigen Stunden zurückkam , erstaunte er , als er unter seines Gauls Füßen die reichsten Erzstufen hervorblinken sah , die es durch sein Scharren und
Kratzen von dem sie bedeckenden Rasen entblößt hatte .
Er theilte seinem Herrn , dem Kaiser , die gemachte Entdeckung mit , worauf dieser aus Frankenland Bergleute kommen ließ , die den Bergbau hier einrichten mußten . Zur Erhaltung des Andenkens an Ramm bekam der Berg den Namen Rammelsberg , und die Stadt Goslar vergrößerte sich seitdem sehr . Auch wurde Ramm nach seinem Tode in der Augustinerkirche zu Goslar beerdigt . Seine Frau hieß Gosa . Um auch ihr Andenken zu erhalten , gab man dem durch Goslar fließenden Wasser den Namen Gose . Es führt ihn noch , und auch das daraus gebraute Getränk nennt man so .
Die Sage von Annaberg ist aus dem 200ten Stück der Zeit. f. d. elegante Welt v. 1811 , aus der sie auch in die Büschingsche
Sammlung , 1e Abth. S. 183 , aufgenommen wurde .
Die vom Rammelsberge theilen alle Harzchroniken mit , namentlich : Honemann in seinen Alterthümern des Harzes , Clausthal 1754 , 1r Th. S. 23 ; Engelhaus in seiner Chronik , S. 176 ; Leibnitz Script . Brunsuic. Tom. III. cap. 15. S. 426 , und andere mehr . Ueber das historisch Wahre darin ist viel dafür und dagegen gesagt worden . An einem entscheidenden Resultate fehlt es aber noch .
Der Wunderfisch . Bei Göttingen , ungefähr viertehalb Stunden davon entfernt , liegt in einer angenehmen Gegend des Eichsfeldes , zwischen den Dörfern Seeburg und Berendshausen , ein See . Tief und unergründlich ist er , und im Umkreise hat er drei Viertelstunden .
Vordem war er nicht . An seiner Stelle prangte dagegen auf einem mäßigen Hügel das stattliche Schloß der reichen Grafen von Isang .
Der letzte Erbe dieses alten gräflichen Geschlechts war ein schöner , von der Mutter Natur gar köstlich geschmückter Jüngling , aber wild und ausschweifend über die Maße .
Sein Vater sah mit Leidwesen diesen unglücklichen Hang , daher er ihn noch auf seinem Sterbelager zu sich rief und beschwor , sich zu zähmen und ein Gott wohlgefälliges Leben zu führen ; aber die Ermahnung ward bald vergessen . Denn kaum war der Entseelte in der Gruft der Ahnherren beigesetzt , die Trauerzeit vorüber , so ließ der Jüngling allen Leidenschaften den Zügel schießen . Reich , jung und schön , frei und fessellos , setzte er seinen Begierden keine Grenzen . Mit gleich lockern Spießgesellen durchzechte und durchbuhlte er die Nächte , und am Tage zogen sie umher , die Töchter des Landes zu besehen und freiwillig oder gezwungen nach Seeburg zu führen . Bald war Graf Isang das Schrecken der ganzen Gegend . Ritt er durch ein friedlich Dörflein , so liefen die Dirnen wie vor einem Unhold . Die Männer sperrten ihre Weiber , die Väter ihre Töchter ein , bis das Ungethüm vorüber war . Die alten
Freunde des Vaters kamen nicht mehr nach Seeburg , und kein Ritter , der auf Ehre und Tugend hielt , kehrte bei ihm ein .
So trieb er es mehrere Jahre lang , und stürmte wild in seine Gesundheit ein . Einst saßen auch die lockern Gesellen beisammen und zechten , als er vorschlug , einen Raubzug nach dem Kloster Lindau zu machen , und die dem Himmel geweihten Töchter zu bekosen . Mit teuflischem Jauchzen wurde der Vorschlag bewillkommt und ausgeführt . In einer stürmischen Nacht , wo Dunkel und Graus die Erde umgab , stahlen sie sich mit List in das sonst wohlverwahrte Kloster . Die Wächter wurden geknebelt , die Aebtissin eingesperrt , und nun wüstete , gleich Wölfen , die unter eine ruhig schlummernde Heerde gerathen , die junge Natterbrut unter den wehklagenden Nonnen . Die heiligen Mauern hallten wieder von dem Geschrei und Wimmern der himmlischen Schäfchen , aber ganz
ohne Hülfe und Beistand mußten sie der Macht unterliegen . Ein jeder nahm sein Mägdlein mit auf sein Roß , und fort flohen sie mit der Beute nach allen vier Winden .
Als Hermann , so hieß Graf Isang , mit der seinigen vor Seeburg ankam , hob man sie ohnmächtig vom Pferde . Der Unmensch benutzte diesen Zustand , und krönte seine Schandthat .
Das Gewissen ist ein übler Gesellschafter für den , den ’s immer was vorschwatzt . Niederdrücken läßt es sich wohl , man kann ihm auf eine Weile Schweigen gebieten , aber es arbeitet sich doch wieder hervor , und spricht so lange mit , bis man antwortet . Hermann hatte es nun zwar zu einer ziemlichen Fertigkeit gebracht , das seinige zum Schweigen zu zwingen ; aber nach diesem Morde einer dem Himmel geweiheten Unschuld erwachte es mit aller Kraft und klopfte so unsanft an ,
daß er sich entschloß , das Opfer seiner Lust nach dem Kloster zurück zu schicken .
Doch , welche schreckliche Post brachte ihm sein Diener von da her . Die Nonne war seine Schwester gewesen . Hermann wußte zwar von seinem Vater , daß er eine Schwester habe , daß sie sich der Kirche geweiht ; aber wo sie lebe , das hatte ihm dieser nie sagen wollen . Diese Nachricht war daher ein Donnerwort für den im Laster versunkenen Jüngling , ein Schwert , das ihm die Seele durchbohrte . Er weinte und klagte acht Tage lang , zechte nicht und hatte keine Gelage , ging in die Kirche und betete , spendete reichliche Gaben an das Kloster , schenkte ihm einige Dörfer , zum Heil seiner Seele , und als er nun glaubte , daß er hinreichende Buße gethan habe und der Himmel nun wohl beruhigt seyn könne , fuhr er in der alten Lebensweise wieder fort . Er fröhnte allen gewohnten Leidenschaften auf das ausschweifendste ,
betäubte sich in Wein und Wollust , und wenn einmal ein guter Gedanke in ihm aufkeimte , flugs wurde er von seinen Zechbrüdern weggespottet , und das Flackerfeuer seiner Begierden von seinem Diener Arnold , der treulich mithalf und mitgenoß , immer wieder angefacht .
Uebersättigt und abgespannt lag Graf Hermann eines Morgens auf dem Faulbette , und gähnte mißgelaunt den Tag an . Da trat sein Mundkoch – der schon lange den abgestumpften Gaumen seines Herrn durch kein Würznäglein mehr zu reizen vermochte – herein , und brachte in einem Netz einen silberweißen Aal getragen .
„ Schauts ’mal , gestrenger Herr , “ sagte er , „ da hat der Fischer einen weißen Aal im Schloßgraben gefangen . Hab’ in meinem Leben so ein wunderbarlich Thier nicht gesehen , und bin doch ein eisgrauer Kerl ! “
Graf Isang staunte lange das seltene Thier an , zweifelte anfangs , daß es ein Aal sey , und meinte , es könne eine Schlange seyn . Da aber der erfahrne Koch versicherte , es sey gewiß ein Aal , so hielt Graf Hermann dafür , daß ein so außerordentliches Thier auch außergewöhnlich schmecken müsse . Seine Eßlust wurde bei dieser Vorstellung ganz rege , und er befahl dem Koch , daß er den Fisch mit einer stark gewürzten Brühe zum Mittagsmahl zubereiten solle .
Es geschah . Der Fisch wurde aufgetragen , und Graf Isang ließ sich die seltene Speise trefflich schmecken . Je mehr er aß , desto besser schmeckte es ihm ; denn der Fisch hatte einen ganz ungewöhnlich reizenden Geschmack .
Noch ein Stückchen lag in der Schüssel , als sein treuer Diener Arnold eintrat .
„ Da , du treuer Bursche , “ sprach er , „ du mußt auch etwas von dem wunderbaren Fische haben ! “
Arnold aß , und fand den Bissen köstlich .
In sanftem Schlummer lag Graf Isang nach der Tafel auf dem Lotterbette hingestreckt , und Arnold saß in seiner Zelle und schnarchte auch . Da wälzten sich fürchterliche Träume vor Isang’s Seele vorüber . Die Glieder zuckte es ihm , die Nerven zog es an , er sprach unverständliche Worte , schrie , fuhr auf , und erwachte endlich unter konvulsivischen Zuckungen . Schreckliche Bilder der Vergangenheit standen vor ihm . Eine unerklärbare Veränderung durchdrang sein ganzes Wesen . Das lange Register seiner Sünden , seiner Schandthaten , seiner längst vergessenen Ausschweifungen und veralteten schlechten Handlungen mit allen ihren furchtbaren Folgen sah er in einem schauderhaften Gemählde vor sich . Unaussprechliche Angst folterte ihn . Gewissensbisse nagten wie verzehrendes Feuer an seiner Seele .
„ Gott ! was ist das ! Hülfe ! Hülfe ! “
Schrecklich brüllte er diese Worte heraus . Einige Diener stürzten herbei ; denn die übrigen Bewohner der Burg arbeiteten auf dem Felde , aber entsetzt blieben diese stehen vor ihrem Herrn , dessen Haare sich sträubten , dessen Augen verworren und gräßlich rollten , der einem Wahnsinnigen glich . Zur Thür stürzte er hinaus auf den Burghof . „ Luft , Luft ! “ schrie er von neuem gegen die hohen Mauern , die es dumpf zurückgaben , „ Hülfe ! “
Das ganze Hofgesinde versammelte sich erschrocken um ihn her . Aber er sah keinen , er hörte keinen . Wild lief er umher , stand still , griff gierig in die Luft , zerriß die Luft , als wollte er ein ihm vorschwebendes Bild zernichten , und floh dann in den Garten . Umsonst , die gräßlichen Bilder verließen ihn nicht , sie flohen mit ihm , sie verfolgten ihn überall .
In diesem Augenblicke brachte ein Eilbote aus dem Kloster Lindau ein Schreiben von der Aebtissin . Hastig riß er es von einander , und las :
„ Heute früh ist Eure unglückliche Schwester gestorben . Ihre Seele steht vor Gott und klagt Euch , Graf Isang , an . Ihr Tod ist die Folge Eurer himmelschreienden Schandthat . Im Wahnsinn schied ihr Geist , und ihre letzten Worte waren : Wehe , Wehe über ihn ! Gott sey Euch gnädig . “
Hermann stürzte nieder zur Erde , krümmte sich heulend , und schrie wie einer , dem tausend Messer das Herz durchschneiden .
„ Schrecklich , schrecklich ! O , wer hilft mir von dieser Qual ! Wer nimmt mir mein schändliches Leben ! “
Die Diener sprachen ihm zu , hoben ihn auf , wollten ihn ins Schloß zurückbringen , aber von nichts wollte er wissen . Mit Ingrimm stieß er sie von sich , und befahl ihnen ,
Mordgewehre zu bringen , aber keiner gehorchte . Er drohte , sie alle mit zu morden , wenn sie seinen Befehl nicht vollzögen , aber keiner gehorchte .
„ Nun , so hole ich sie selbst ! “ rief er , und wollte fort , aber – sieh , eine unwiederstehliche Macht hielt ihn zurück . Seine Handlungen hingen nicht mehr von seinem Willen ab , eine unsichtbare Hand schien sie zu leiten . Die Fieberwuth ging in stille Betäubung über , innerliche Angst schien ihm das Herz sprengen zu wollen , ohne von neuem auszubrechen . So ging er zitternd und langsam aus dem Garten in den Schloßhof zurück . Hunde , Katzen , und Geflügel aller Art gingen da durch einander herum , und Isang vernahm unter ihnen ein dumpfes Gemurmel wie leise Menschenstimmen . Er stutzte , schien mit einem Male seine volle Besinnung wieder zu erhalten , wandte sich bald nach diesem Hunde , nach jener Katze , neigte sich hier
herab zu einer Ente , dort zu einer Taube , fuhr dann heftig auf , streckte die Hände zum Himmel und weinte bitterlich . Seine Begleiter sahen sich erstaunend an , begriffen von allem dem nichts , und meinten zuletzt , ihr Herr habe nun den Verstand rein verloren .
Freilich mußten sie so etwas vermuthen ; denn sie wußten es nicht , daß durch den Genuß des wunderbaren Fisches dem Grafen die Gabe verliehen war , die Sprache dieser Thiere zu verstehen , daß diese sich eben jetzt von den Schandthaten ihres Herrn unterhielten , und ihm die Strafe dafür , den Untergang seiner prächtigen Burg , ankündigten . Diese Strafe deutete ihm eine alte Henne mit den Worten an :
„ Deine prächtige Seeburg wird , ehe heute die Sonne sich neigt , untergehen . Du und wir alle finden unsern Tod , du schuldig , wir unschuldig . Bereite dich , und bete ! “
Ergeben in den Willen des Schicksals , setzte sich Graf Isang auf einen Stein vor der Thür seines Pallastes . Hier , wo so oft die Freude eingezogen , und eben so oft , gleich jungen Weins , die wilden Spießgesellen herausgebraust waren , wo manch liebes Mädchen hineingeschleppt und hohnlächelnd herausgestoßen war , hier wollte er das Ende seines Lebens ruhig abwarten und unter den Ruinen seiner Burg sich begraben lassen . Der Gedanke an eine Rettung , an eine Flucht aus der Burg , kam ihm nicht bei . Alle Kräfte des Geistes und des Körpers hatten ihn verlassen , in stummem Hinbrüten ließ er mit sich geschehen , was geschehen wollte .
Da von seiner Dienerschaft keiner von der bevorstehenden Gefahr etwas wußte , so konnte ihm auch keiner einen Rath ertheilen . Alle standen sie traurig und mit verschränkten Armen von ferne , sahen ihren Herrn mitleidig an , voll Angst , wie das enden werde .
Da schritt der alte Haushahn , der wegen der Pracht seines Gefieders der Liebling des Grafen war und manches Weizenkorn aus seiner Hand erhalten hatte , zum Grafen , schlug mit den weiten Fittigen , krähte und sprach :
„ Herr , noch kannst du dich retten , aber du mußt sogleich dein schnellstes Roß besteigen , und vor Sonnenuntergang , doch ohne einige Begleitung , die Burg verlassen . “
„ Wie ! ist’s möglich ? “ fuhr Isang hastig auf .
„ Ja , sprach das Thier , aber eile , denn schon senkt sich die Sonne hinab . “
„ Aber meine treuen Diener , kann ich sie nicht mit mir retten ? “
„ Du allein , du ganz allein , eile , eile ! “ und dort lief er hin , der treue Hahn .
Dieselbe unsichtbare Macht , die den Grafen vorhin vom Selbstmorde zurückgehalten hatte , trieb ihn jetzt an , für die Erhaltung
seines Lebens zu sorgen . Er sprang auf , lief zum Stalle , zog sein bestes Pferd heraus , schwang sich hinauf , und sprengte , zum Erstaunen der Zurückgelassenen , durch das Burgthor . Draußen kam ihm Arnold bleich und entstellt entgegengelaufen , und fiel dem Pferde in die Zügel . Auch er hatte nach dem Genusse der Ueberbleibsel des Wunderfisches die Sprache der Thiere verstehen lernen , hatte die furchtbare Weissagung des Haushahns vernommen , und wollte den Grafen nicht allein entfliehen lassen .
„ Herr , “ schrie er ängstlich und athemlos , „ nehmt mich mit , nehmt mich hinten auf Euer Pferd ! “
„ Ich kann nicht , ich darf nicht , “ erwiederte der Graf .
„ Ihr müßt , um Gottes Willen nehmt mich mit ! “
„ Ich kann nicht , laßt mich los ! “
Da kam der alte Haushahn geflattert , und schrie in eins fort : „ eile , eile , die Sonne sinkt . “
Schon glühte ihr scheidender Strahl auf den Gipfeln der Berge , als Graf Isang , von Furcht überwältigt , daß mit ihrem letzten Blicke auch jede Hoffnung zur Rettung verschwinden werde , ohne zu wissen was er that , das Schwert zog und dem flehenden Diener den Kopf spaltete . Nun sprengte er über die Zugbrücke hinweg , zu dem Schloßthore hinaus , und erst nachdem er eine kleine Anhöhe nahe vor dem Städtchen Gieboldehausen erreicht hatte , stieg er vom Pferde , um sich zu erholen und über die Begebenheit des Tages nachzudenken . Matt und erschöpft , mit ängstlich klopfendem Herzen lag er da , und blickte weinend nach seiner schönen Seeburg hin .
Rund um ihn her lag die Natur im Schleier eines heitern Abends gehüllt . Ueber
ihm schwirrten die Lerchen , ein kühlender Westwind säuselte in seinen Locken , und im Glanze der scheidenden Sonne blitzten die vergoldeten Spitzen der vier schönen hohen Thürme seiner Stammburg ihn an . Bitterlich weinte der leichtsinnige Jüngling , und aufrichtige Reue keimte ihm im Herzen .
Da stieg tröstend der Gedanke in ihm auf : „ wie , wenn alles Täuschung meiner Einbildungskraft wäre ? “ und ein Strahl von Hoffnung und Freude , daß es so seyn könne , fiel in seine Seele . Schon wollte er aufspringen und nach dem Schlosse zurückkehren , als er plötzlich fühlte , daß sich die Erde unter seinen Füßen bewegte . Voll Schrecken , sie würde ihren Rachen aufthun , ihn zu verschlingen , raffte er sich auf , ließ das Pferd im Stiche , und floh mit schnellen Schritten weiter . Nur einen Augenblick stand er still , um sich noch ein Mal an dem Anblicke seiner lieben Burg zu weiden . Er blickte nach ihr
hin , und – da sank sie eben mit ihren Thürmen , Mauern und Wällen hinab in die Tiefe , und an der Stelle , wo sie gestanden hatte , zeigte sich plötzlich seinen erschrockenen Augen – ein See .
Nach dieser wundervollen Begebenheit bekehrte sich Graf Isang , und büßte in dem Kloster zu Gieboldehausen , dem er seine übrigen reichen Besitzungen schenkte , durch ein frommes Leben seine Sünden ab . Lange nachher noch wurden , nach seiner Verordnung , jährlich an einem gewissen Tage , Seelenmessen für reuige Sünder gelesen .
Wenn man in dieser Sage die Wahrheit von der Fabel scheidet , so bleibt die Vermuthung nicht unwahrscheinlich , daß der See vor langen Jahren durch einen Erdfall entstanden seyn kann , und vielleicht stand wirklich in der Mitte des See ’s auf einer Insel
ein Landhaus oder eine Burg , die , durch eine Menge Fische unterminirt , in die Tiefe versunken ist . An einigen Stellen soll der See , der Aussage der Fischer nach , so tief seyn , daß man ihn nicht ergründen kann . Vor einigen Jahren brachte einmal ein Fischer ein Gefäß aus dem See heraus , das einem Kochtopfe von sehr antiker Form ähnlich , und von einer ganz besondern Masse zu seyn schien . Es gab einen hellen Klang von sich , und soll bei der Probe aus Messing und Silber zusammengesetzt befunden seyn . Späterhin sind noch Fragmente von Silbergeräthe , als Stiele von Eßlöffeln und andere Kleinigkeiten , in dem See gefunden worden , welches für die Hypothese , daß einmal eine Burg oder auch nur ein Haus im See stand , zu sprechen scheint . – Aus dem neuen Hannöv. Magazin von 1807. N. 40 .
Der Wolfsbrunnen . Eine halbe Stunde von Heidelberg , in der Vertiefung eines wüsten Berges , sprudeln einige frische Quellen und sammeln sich in vier Teichen , deren jeder etwas tiefer als der andere liegt . Diese Quellen heißen : der Wolfsbrunen , welchen Namen eine alte dichterische Sage erklärt .
Auf dem Jettenbühl , dem Berge , worauf gegenwärtig die Ruinen des Heidelberger Schlosses liegen , wohnte in uralten Zeiten eine Wahrsagerin . Man nannte sie , wie an so vielen andern Orten ihres Gleichen , Jetta , Jutta oder Velleda . Diese kam eines Tages in die Schatten dieser Sprudel , wo eben eine Wölfin mit ihren Jungen lag . Das Thier
glaubte vielleicht Gefahr für seine Jungen , fiel daher die Prophetin an und zerriß sie .
Seit der Zeit nannte man das Wasser den Wolfsbrunnen .
Heidelberg und seine Umgebungen , beschrieben von A. Schreiber . 1811 . 8. S. 198 . – Eine poetische Bearbeitung dieses Mährchens ist kürzlich von Amalie v. Helwig , geb. v. Imhof , unter dem Titel : „ Die Sage vom Wolfsbrunnen , Heidelberg 1814 . 8. “ erschienen .
Die Gegensteine . Zwischen Ballenstedt und Quedlinburg liegen auf einer Anhöhe zwei isolirt stehende Sandsteinfelsen , die Gegensteine genannt . Vermuthlich heißen sie deswegen so , weil sie seitwärts gegen einander liegen . Der eine , der etwas niedriger als der andere liegt , giebt , wenn man gegen seine Mittagsseite spricht , jeden Ton , jedes Wort im Echo zurück , und heißt daher „ der Laute . “ Der andere besitzt diese Eigenschaft nicht , und man nennt ihn „ den Stummen . “
Böse Geister trieben hier sonst ihr Wesen , und dem Wanderer war es grausend und fürchterlich , bey nächtlicher Weile vorbei zu gehen . Doch wichen sie Menschen , die , reines Gewissens und vertrauend auf Gott , ihnen gerade entgegengingen .
Einst , es war im Frühjahr , ritt kurz vor Sonnenaufgang ein Ackermann aus Ballenstedt auf seinem vor Alter und kärglichem Futter matten Pferde zwischen den Gegensteinen durch , um seinen dahinter liegenden Acker zu besäen . Des öfter schon gethanen Weges kundig , saß er in Gedanken vor sich hin auf dem alten Gaule . Erst , als er seinen Acker erreicht hatte , blickt er um sich . Aber wie erstaunte er ! Die Gegend war ganz verändert , und vor ihm zeigte sich eine tiefe geräumige Höhle . Nie hatte er sie bemerkt , und konnte sich auch gar nicht erinnern , je davon gehört zu haben . Die Neugierde trieb ihn an , sich ihrer Oeffnung zu nähern . Da erblickte er eine große Pfanne voll Gold , auf selbiger eine silberne Tafel , in welche Zahlen eingegraben waren , neben dieser eine schöne neue Peitsche , dabei aber einen , alle diese Kostbarkeiten bewachenden , großen , schwarzen Hund mit feurigen Augen .
Lange stand er vor den schönen Sachen , musterte sie sorgfältig , und war unentschlossen , was er thun solle . Die Peitsche wünschte er sehnlich zu haben , und eine Hand voll Geld auch . In Gedanken berechnete er schon , wie er seine Umstände dann verbessern und ein gemächlicheres Leben führen könne , wenn nur der fatale Hund nicht gewesen wäre . Indessen nahm er sich doch ein Herz , ging näher , sah dabei immer den schwarzen Wächter an , und da dieser ganz ruhig lag , wollte er schon zugreifen ; aber da erhob sich dieser , knurrte , fletschte die Zähne , und der Ackermann trat zitternd zurück . Drei Mal wagte er es so , zuzugreifen , und jedes Mal widersetzte sich das Thier . Da wurde er unwillig , fluchte , und wünschte laut den Hund zu allen Teufeln . Was geschah ! Der Nebel verschwand , weg war der Hund , und vor dem erschrockenen Manne erhob sich ein Wesen , halb thierischer , halb menschlicher Gestalt ,
wie nur je das böse Gewissen den Teufel sich mahlt . Unwillig schüttelte es seinen Kopf , und mit Sausen und Brausen fuhr es hoch in der Luft mit der Pfanne und Tafel nach einem der Gegensteine hin , trat mit dem Fuße davor , und – von einander theilte sich dieser , nahm das Ungethüm ein , und schwapp – da fuhren beide Theile wieder zusammen .
Der Ackermann stand da und wußte nicht , wie ihm geschehen . – Lange hörte er noch das Klingeln des Geldes , wie es hinunter in den Gegenstein fiel . Nur die Tafel sah er noch , und viele Zahlen darauf , welche die Summen des Schatzes anzeigten .
Wo die Höhle gewesen , wußte er nicht mehr ; die Peitsche lag zwar da , aber er rührte sie nicht an , denn sie war ja vom Teufel .
Hier in dem Gegensteine sitzt nun das Ungethüm noch , und spottet die Vorübergehenden ; denn , fragt man es , so erhält man immer dieselbe Antwort . Alle Töne und Stimmen ahmt es nach , spukt auch , aber gar selten , in menschlicher Gestalt um Mitternacht in der Gegend umher , um den Wanderer zu irren .
Aus mündlicher Ueberlieferung .
Die Zauber- oder Berggeister-Kirche . Auf dem Fichtelberge giebt es einen Berg , der heißt : der Ochsenkopf .
Viele wunderbare Dinge werden von ihm erzählt . Das Wunderbarste unter allen aber ist eine verzauberte Kirche , ein in ein geheimnißvolles Dunkel gehülltes Heiligthum , welches von Berggeistern bewohnt und beherrscht wird . Darin finden sich Reichthümer und Kostbarkeiten jeder Art in Menge aufgehäuft . Das Gold hängt gediegen , wie große Eiszapfen , herab . Edle Steine von allen Farben und Sorten liegen scheffelweise umher , so wie die harten blanken Thaler und Goldstücken von der Größe einer Sonnenrose .
An dem Daseyn eines solchen Heiligthums läßt sich nicht zweifeln . Nur ist es schwer , den Eingang dahin zu finden . So viel man aus Erfahrung weiß , öffnet sich diese Kirche jährlich ein Mal von selbst am Johannistage , und zwar nur so lange , als der Pfarrer im nächsten Dörfchen Bischofsgrün das Evangelium auf der Kanzel verliest . Wer sich nun eben am rechten Orte befindet , der sieht die Kirche . Sie steht dann offen , und er kann sich an all’ den Herrlichkeiten weiden , kann hineingehen , und seine Taschen mit Goldzapfen und Kleinodien füllen , so viel er davon fortzubringen vermag . Dabei muß er aber doch sehr vorsichtig seyn . Wenn ihm zugerufen wird , oder wenn er hinter und neben sich ein Geräusch hört , oder wenn ein Phantom sich sehen läßt : so muß er nicht antworten , muß sich nicht umsehen , muß nicht das geringste Zeichen des Entsetzens an sich wahrnehmen lassen . Kann er das nicht ,
so geschieht ihm zwar kein Leid , allein die gesammelten Kleinodien verwandeln sich augenblicklich in eine gewöhnliche werthlose Sache .
So ist es schon Vielen ergangen , welche ein glückliches Ungefähr diese Erscheinung wahrnehmen ließ : z. B. einem Köhler , der , als er durch die Oeffnung einer Felsenwand ging , sich plötzlich in den Tempel versetzt sah , wo er mit Erstaunen einen Altar von gediegenem Golde erblickte . Statt nun davon abzuschlagen , was losgehen wollte , und seine Taschen damit zu füllen , dachte er : es sey doch besser , den ganzen Altar fortzuschleppen , drehte sich um , wollte sich die Gegend genau merken , nach dem Dorfe eilen , um von dem gemachten Funde seinen Bekannten Nachricht zu geben und sie um Hülfe zu rufen ; allein da hörte er hinter sich ein entsetzliches Geprassel , weg war die Erscheinung , und wie konnte er den Ort nun wieder finden !
Eben so ging es einst einem Mädchen , das Gras zu schneiden ausgegangen war . Als sie eben ihr Gras in ein Bund sammelte und in den Korb thun wollte , sah sie sich plötzlich in die Mitte eines Tempels versetzt . Lauter Goldstangen lagen um sie her , lauter Schmuck und Perlen und köstliches Geschmeide . In der Geschwindigkeit raffte sie zusammen , was sie fassen konnte , warf das Gras wieder aus dem Korbe , füllte ihn über und über mit kostbaren Dingen an , quälte sich gewaltig , um die Last auf den Rücken zu kriegen , und eilte , um fortzukommen . Da erscholl mit einem Male eine Stimme hinter ihr , die rief : „ Sieh dich nicht um ! “ Sie aber , sah sich unwillkürlich doch um , und augenblicklich wurde der Korb leicht , denn – es war nun altes faules Holz , was sie trug .
Aus den schriftlichen Mittheilungen eines Bewohners des Fichtelgebirges . – Ausführliche Beschreibung des Fichtelberges , S. 69 . – Die Werke des Teufels auf dem Erdboden , S. 234 .
Das versunkene Kloster . Nahe bei dem Flecken Neuenkirchen , im finstern Odenwalde , liegt in einem einsamen Wiesenthale ein kleiner See .
Wenig gekannt und wenig besucht ist die Gegend umher ; denn es ist so heimlich da , und der finstere Tannenwald an des See ’s Ufern hat gar etwas Schauerliches und Melancholisches . Auch ist das Wasser unergründlich tief , und man fürchtet sich deshalb noch mehr davor .
Von diesem See wird folgende Sage erzählt :
Vor vielen hundert Jahren stand auf der Stelle , wo jetzt das Wasser ist , ein Frauenkloster . In einer stürmischen Nacht kam einst , ganz abgemattet , ein armer alter Mann vor die Pforte desselben . Er klopfte
an , und bat um ein Obdach . Die Pförtnerin war eine gar gemächliche Person und harten Herzens . Ihr war es zu umständlich und zu kalt , die Schlösser und Riegel nochmals zu öffnen . Sie hieß daher mit harten Worten den alten Mann weiter gehen . Das war aber dem vor Frost und Ermattung zitternden Greise nicht möglich . Er bat nochmals , er jammerte und winselte , aber alles umsonst . Selbst die Priorin und alle Mitschwestern wiesen ihn hart ab .
Nur eine Laienschwester , die noch nicht das Gelübde des Ordens abgelegt hatte , nahm sich des alten Mannes an , und bat die andern , ihn einzulassen . Aber man lachte sie aus , spottete ihrer , und die Pforte blieb dem Wanderer verschlossen .
Plötzlich erhob sich ein grausendes Unwetter . Der alte Mann berührte mit seinem Stabe die Klostermauer , und hinab in die Tiefe versank im Nu das ganze prächtige
Kloster . Erst sprühten Feuerflammen aus der Tiefe herauf , dann füllte sich die weite Oeffnung mit Wasser , und am andern Morgen sah man erstaunt da einen See , wo Tags zuvor noch die schönen Glockenthürme mit ihren goldenen Kreuzen im Sonnenschein gefunkelt hatten .
Schon längst hatte jene gutmüthige Laienschwester in traulichen Verhältnissen mit einem der edelsten Ritter des Gaues gelebt . Sie liebte ihn , und wollte daher auch nicht im Kloster bleiben , und er kam sehr oft bei nächtlicher Weile zum einsamen Kloster . Wenn dann alles rings umher schlief , sprach er durchs Gitter der Zelle mit seinem Liebchen , und oft ging er erst mit Tagesanbruch wieder heim .
Auch in dieser stürmischen Nacht kam er . Aber , wie bebten seine Glieder , wie zitterte er vor Schmerz und Kummer , als er sein geliebtes Kloster nicht mehr sah , und nur Wasser
vor sich rauschen hörte . Er rang die Hände , jammerte , rief den Namen seiner Geliebten , daß es weit und breit wiederhallte , und sprach :
„ Nur noch ein Mal kehre zurück in meine Arme ! “
Da vernahm er eine Stimme aus der Tiefe des See ’s , die sprach :
„ Morgen um die eilfte Stunde der Nacht kehre wieder zu dieser Stätte . Auf der Oberfläche des Wassers gewahrst du dann einen Faden von blutrother Seide . Nimm ihn auf und zieh’ ihn empor . “
Die Stimme verhallte . Traurig schlich der Ritter nach Hause , unwissend , was sein Schicksal seyn werde . Aber zur bestimmten Stunde kam er wieder , und that , wie die Stimme ihm geheißen .
Zitternd ergriff er den blutrothen Faden , zog ihn auf , und – da stand die Geliebte vor ihm .
„ Das unergründliche Schicksal , “ sprach sie , „ das mich Schuldlose mit den Schuldigen versenkte , vergönnt mir , dich in jeder Nacht von der eilften bis zwölften Stunde zu sprechen . Nie darf ich aber diese bestimmte Zeit überschreiten , sonst siehst du mich nie wieder . Auch darf mich , außer dir , keines Mannes Auge erblicken , sonst schneidet eine unsichtbare Hand den Faden meines Lebens entzwei . “
Lange , lange setzte nun der Ritter seine nächtlichen Besuche fort , und immer stieg sein Liebchen aus den blauen Wellen zu ihm herauf , wenn er den blutrothen Faden zog . Sie waren beide eben so glücklich in diesen geheimnißvollen Verhältnissen , als unbesorgt , sie jemals zerstört zu sehen . Aber Neid und Mißgunst belauschten des Ritters Schritte , und ein anderer Mann hatte die Liebenden Arm in Arm am Ufer des See ’s wandeln sehen . Als sich nun der Ritter in der folgenden
Nacht beim vollen Monde dem lieben See wieder nahte , ach ! da fand er sein klares Wasser in Blut verwandelt . Bebend ergriff er den Faden , aber – der war verbleicht und zerschnitten .
Jammernd lief er um den See , rang die Hände , und rief den Namen der Geliebten . Aber es blieb still . Da stürzte sich der trostlose Jüngling in den See , und sank hinab .
Aus der Badenschen Wochenschrift von 1807. S. 17 .
Die blutende Hostie . Zur Entstehung der meisten Klöster und Stifter gab sehr häufig der Aberglaube des Volks , den die nimmersatte Klerisei jener Zeit zu benutzen wußte , die Veranlassung . Wo eine ungewöhnliche Naturerscheinung vorfiel , wo eine menschliche Handlung einen Anstrich von übernatürlicher Kraft zu haben schien , da war die Geistlichkeit bei der Hand , den Anschein zur Gewißheit zu erheben , hinzuzusetzen was noch fehlte , und das Volk zu täuschen , um es zur Spende oder zur Errichtung eines neuen Aufenthalts des Wohllebens für sie zu veranlassen . Die Geschichte der Klöster liefert hierzu Belege in Menge . Auch das Stift zum heiligen Grabe bei Wittstock
in der Priegnitz entstand auf diese Weise . Das Volk erzählt davon folgende Sage :
Im Dorfe Techow fand sich einmal den Freitag nach dem Himmelfahrtsfeste ein Jude aus Freiberg in Sachsen ein . Da ihn die Nacht übereilt hatte , so blieb er im Gasthofe . In der Mitternachtsstunde erbrach er aber die Kirche des Dorfs , und stahl die geheiligte Monstranz sammt der darin befindlichen Hostie . Zwar eilte er gleich mit der Beute fort , war aber kaum einige hundert Schritte vom Dorfe , so konnte er nicht von der Stelle . Er setzte sich unter einer Eiche nieder , zerrieb vor Angst die Hostie , und grub sie zwischen einem Galgen und einem dabei stehenden Pfahle mit einem Rade in die Erde . Nun konnte er zwar wieder fortgehen , aber seine Hände waren voll Blut .
Unterdessen war in Techow der Kirchenraub entdeckt worden , und der Verdacht fiel gleich auf den Juden . Es wurde ihm nachgesetzt ,
und in Pritzwalk erwischte man ihn auch . Aber der Israelit läugnete standhaft . Da kleidete sich ein listiger Tuchmacher wie ein geistlicher Pater an , ließ sich eine Platte scheeren , ging so zum Juden , schärfte ihm das Gewissen , gelobte ihm die heiligste Verschwiegenheit an , und brachte ihn dadurch so weit , daß er mit ihm zur Stelle ging , wo er die Hostie eingescharrt hatte . Indem sie nun damit beschäftigt waren , sie wieder hervor zu wühlen , sprangen mehrere Personen die in einem Busche verborgen waren , hervor , und nahmen den Juden beim Kopf . Er gestand nun ohne Umstände sein Verbrechen , und ward als ein Kirchenräuber zum Rade verurtheilt . Bei der Vollziehung des Todesurtheils war eine große Menge Menschen versammelt , welcher die Priester die blutige Hostie zeigten , und nun fingen die Wallfahrten und Wunderkuren an .
Heinrich II. ( aus der Schulenburgischen Familie ) trat im Jahre 1270 seine Regierung als Bischof an . Da seine Stiftskirche in Havelberg 1279 von den Magdeburgern in Brand gesteckt worden war , so verlegte er seinen Sitz nach Wittstock . Als er nun einmal nach Pritzwalk ritt , überfiel ihn in der Gegend , wo sich die Geschichte mit dem Juden zugetragen hatte , eine heftige Krankheit . Man mußte ihn vom Pferde heben und auf die Erde legen . Er rief das heilige Sacrament an , that ein Gelübde , es fleißig zu besuchen , und – ward gesund .
Ein anderes Mal , als er dieß Mirakel von der Kanzel verkündigen wollte , sah er über der Grube , wo die Hostie gelegen hatte , den Himmel offen . Er weinte , und ließ durch seinen Kapellan diese Begebenheit dem Volke bekannt machen . Darauf baute er an dem Orte eine Kapelle , die noch steht . Auch zwang er den Pfarrer in Pritzwalk , die berühmte
Hostie , die er in Verwahrung hatte , auszuliefern , der es auch , freilich nicht gern , that . Das Wunderblut wurde nun in einer feierlichen Procession , bei brennenden Kerzen , die kein Wind verlöschen konnte , wieder an seinen Ort gebracht .
Der Bischof wollte nun hier ein Nonnenkloster stiften . Er suchte dazu die Einwilligung des Markgrafen Otto des Langen von Brandenburg zu erhalten ; allein diesem riethen seine Hofleute , lieber ein Jagdschloß dahin zu bauen , und das sollte auch geschehen . Doch ein neues Wunder vereitelte diesen Plan .
Otto reiste nämlich an den Ort , wo das Jagdschloß hinkommen sollte . Als er nun unterwegs im Dorfe Mankauß sich zum Essen niedergesetzt hatte , siehe , da verwandelten sich die aufgetragenen Speisen zu zweien Malen in eine blutrothe Farbe . Da gab er sogleich den Plan zu dem Jagdschlosse auf , und
nahm sich vor , nun selbst ein Kloster auf dieser Stelle zu erbauen . Dieser Entschluß erhielt dadurch noch mehr Festigkeit , daß ihm des Nachts eine Stimme vom Himmel zurief : „ Baue hier ein Jungfrauenkloster Zisterzienser-Ordens , mit grauen Kappen , wie sie St. Bernhardt getragen , nach der Regel St. Benedicts ! “
Der Markgraf baute hierauf das Kloster im Jahr 1289 .
Aus Müller’s Frühlingsreise aus der Priegnitz nach Thüringen , 1ster Th. 1795 . S. 4.
Teufelssteine . Unsere guten Vorfahren , die mit festerem Glauben , als wir , an Gott hingen , glaubten auch eben so fest an das Daseyn des Teufels . Seine Einwirkung auf die Erde und ihre Bewohner war für sie außer Zweifel ; denn sie fanden ja überall Spuren seines Wirkens und seiner teuflischen Kraft . Wo die Natur in ungewöhnlichen Formen erschien , wo sie groteske Bilder in ihren Schöpfungen aufgestellt hatte , da mußte der Teufel gehaust haben ; denn nur ihm traute man solche gigantische Erzeugnisse zu . Wo etwas Ungewöhnliches geschehen , eine Handlung begangen war , die den Menschen entehrt hätte , oder die Ursache einer Begebenheit nicht gleich aufzufinden war , da mußte der Teufel den
Namen hergeben , das wurde ihm zur Last gelegt .
Aber auch noch eine andere Ursache erzeugte jene Menge von Teufelsbenennungen , die noch jetzt Oerter , Berge , Felsen u. s. w. führen . Bei der gewaltsamen Heidenbekehrung Karls des Großen glaubten nämlich die christlichen Lehrer und Oberherren ihre neue Lehre nicht besser befestigen zu können , als wenn sie die Haine , Altäre und Götzen der Bekehrten zerstörten . Da nun aber manches davon doch nicht ganz vernichtet werden konnte , so suchten sie den Rest durch Beinamen , vom Teufel , Hexen und dergleichen , zu brandmarken . Daher jene Menge von Teufelsbenennungen in Deutschland , zu deren Erklärung man späterhin Geschichten erfand , die bis auf unsere Tage gekommen sind .
Der Teufel kam einmal zu einem Fürsten von Anhalt , der in Zerbst wohnte , und verlangte ,
daß er ihm die Stadt Zerbst abtreten solle . Der Fürst weigerte sich Anfangs , allein der Teufel ließ nicht nach ; und da der Fürst sah , daß er dem Verlangen nicht werde ausweichen können , so bequemte er sich endlich dazu , machte aber noch die Bedingung : daß der Teufel zuvor einen am Hainholze bei Zerbst liegenden großen Stein drei Mal um die Stadt herum tragen müsse .
Der Teufel war das zufrieden , hieb mit einer Axt gewaltig in den Stein , daß sie darin stecken blieb , nahm dann den Stein auf die Schulter , und trat den Marsch um die Stadt an .
Der Fürst war unterdessen in der größten Angst . Er betete inbrünstig zu Gott um Abwendung des der Stadt bevorstehenden großen Unglücks , und sein Gebet wurde erhört .
Zwei Mal hatte der Teufel die Stadt schon umgangen , da fiel ihm beim Hainholze der Stein von der Axt . Ergrimmt darüber ,
verschwand der Böse , und die Stadt war gerettet . Im Steine blieb ein Stück von der Axt des Teufels stecken , das man noch heutiges Tages sieht .
Ein zweiter Teufelsstein liegt bei der Kirche des Dorfes Sennewitz , anderthalb Stunden von Halle an der Saale . An seiner Oberfläche sind fünf Vertiefungen wie Eindrücke von Fingern , die in den Stein gegriffen hätten .
Diesen Stein hat der Teufel , dem alle Gotteshäuser zuwider waren , beim Bau der Kirche in Sennewitz vom Petersberge auf sie herabgeschleudert , um sie zu zertrümmern . Der Wurf ist aber zu kurz geschehen , die Kirche unverletzt und das Felsstück daneben liegen geblieben . Aber die Abdrücke der fünf Krallen des Teufels sieht man noch darin .
Ein dritter Stein der Art liegt auf dem Wege von der Landeskrone nach der Stadt Görlitz in der Oberlausitz . Auch an ihm bemerkt
man noch die Vertiefungen , wo ihn der Teufel mit seinen Klauen packte . Als dieser nämlich sah , daß in Görlitz der hohe Dom zur Ehre der Apostel Petrus und Paulus erbauet ward , gerieth er in Wuth , riß einen ungeheuren Felsblock von dem Berge „ Landeskrone “ ab , und trug ihn hoch in die Luft , um ihn auf das schöne Gebäude niederfallen zu lassen und es zu zerschmettern . Aber Gott rettete das ihm geweihte Haus . Von seiner Macht gelähmt , mußte der Teufel das Felsstück früher , als über der Stadt , fallen lassen .
Ein vierter liegt auf dem Domplatze in Halberstadt . Er heißt : der Lügenstein . Der Vater der Lügen hatte , als der tiefe Grund zur Domkirche gelegt wurde , große Felsenmassen herbeigetragen , weil er hoffte , hier ein Haus entstehen zu sehen , das sein Reich mit neuen Unterthanen bevölkern könnte .
Als er aber bemerkte , daß das Gebäude sich immer mehr in seiner Form erhob , die Gestalt eines Kreuzes erhielt , und daß man eine christliche Kirche erbaute , beschloß er , den Bau zu zerstören . Mit einem ungeheuern Felsstück schwebte er herab , um Gerüste und Mauern zu zerschmettern . Nur durch das Versprechen , ein Weinhaus dicht neben der Kirche zu erbauen , ward er besänftigt , und ließ den Fels auf dem geebneten Platze vor der Kirche fallen . Noch sieht man an ihm die Höhle , die der glühende Daumen seiner Hand , beim Tragen , eindrückte .
Es giebt gewiß noch an andern Orten solche Teufels- oder Zaubersteine . Ob die Sagen davon mit dem Vorstehenden im Wesentlichen übereinstimmen , weiß ich zwar nicht , glaube es aber fast ; denn zu irgend
einem bösen Zweck mußte der Teufel sich ihrer bedient haben .
Durch welche Kräfte der Stein , welcher beim Hainholze bei Zerbst liegt , dahin kam , ob ihn physische Revolutionen oder Menschenhände in diese flache sandige Gegend , wo kein Hügel , geschweige ein Gebirge zu finden ist , brachten , das möchte wohl eine nicht zu beantwortende Frage seyn . Eben so bleibt seine Bestimmung zweifelhaft . Vielleicht ist er der Denkstein eines gefallenen Helden , oder ein Opferaltar unsrer heidnischen Vorfahren , oder der Standpunkt für öffentliche Redner . Die Stücken Eisen , die man noch in ihm stecken sieht , sind wahrscheinlich abgebrochene Keile , womit man ihn vielleicht zu spalten versuchte .
Das Mährchen von ihm habe ich aus mündlichen Ueberlieferungen . Das vom Sennewitzer Stein erzählt Dreyhaupt in seiner Beschreibung des Saalkreises , Th. 2.
Das von Görlitz findet sich in Grosser’s Lausitzischen Merkwürdigkeiten 1714 . Th. 5. S. 12 , aus denen es auch in Büsching’s Volkssagen 1e Abth. S. 177 aufgenommen wurde ; und das von Halberstadt erzählt Otmar in seinen Volkssagen S. 27 .
Der Fichtelberger in Venedig . Es gab einmal eine Zeit , wo in allen Gebirgsgegenden Deutschlands Venetianer , überhaupt Italiener , herumzogen , um , wie es hieß , Goldsand aufzusuchen . Sie handelten zum Schein mit Hecheln oder Mäusefallen , und kehrten , wenn sie ihre Säckel mit dem sogenannten Goldsande gefüllt hatten , wieder heim . Daß sie an gewisse Orte immer wieder hinkamen , einen feinen Sand aufsuchten und mit sich nahmen , ist gewiß , aber an seiner Goldhaltigkeit möchte wohl mit Recht gezweifelt werden . Wozu sie aber den mitgenommenen Sand nutzten , weiß man nicht .
Solche Venetianer , wie sie gewöhnlich genannt wurden , kamen auch auf das Fichtelgebirge , und manche denkwürdige Geschichte
trug sich zwischen ihnen und den Gebirgsbewohnern zu , wovon man noch die Personen zu nennen weiß .
Unter andern hielt sich einmal einer , Namens Gabriel , lange Zeit in dem Dorfe Wülfersreuth , an der alten Eger’schen Landstraße , bei einem Bauer auf . Er war da wie zu Haus , und wurde wie ein Mitglied der Familie behandelt . Am Tage wanderte er im Gebirge herum , und Abends , wenn er heim kam , schlief er hinterm Ofen , und lag auf Thierfellen von wilden Schweinen , Bären und Wölfen ; denn solche Bestien gab es damals häufig noch im Fichtelgebirge .
So lebte Gabriel zehn Jahre lang in steter Einigkeit und Freundschaft bei dem Bauer . Keiner störte den andern in seinen Geschäften . Der Bauer fragte nicht , wo der Fremdling am Tage herumgehe , was er suche , ob er denn gar nicht wieder heimkehren wolle , und dieser bezahlte wöchentlich
seine Zeche , ohne zu äußern , daß er bald , daß er überhaupt einmal wieder fortgehen werde . Beide waren an einander gewöhnt , und lebten gern beisammen .
Da es dem Bauer , nach einer so langen Reihe von Jahren gar nicht einfiel , daß sein Freund ihn je wieder verlassen könne , so kam es ihm um so unerwarteter , als Gabriel ihm einst ganz schlank sagte : er werde des andern Tags aufbrechen , nach Venedig zurückgehen , und nie wieder in diese Gegend kommen .
Alles im Hause ward betrübt über diese Nachricht , und Weib und Kind weinten , als gehe ihr Vater weg . Aber Gabriel ging doch . Beim Abschiede drückte er seinem biedern Hauswirthe recht herzlich die Hand , und sprach :
„ Leb wohl , Hans , und laß dir zum Abschiede noch sagen : Es steht dir ein trauriges Geschick bevor . Du wirst einst in große Noth gerathen , wo du Geld und Freunde
nöthig hast , wenn du gerettet werden sollst . Denke dann an mich , deinen Freund Gabriel , und komm nach Venedig . Lebe wohl ! “
Und dort ging Gabriel hin . Der Bauer sah ihm stumm nach , so lange er konnte . Dann kehrte er still in sein Haus zurück , und dachte dem dunkeln Worte nach .
„ Ein feiner Abschiedsgruß , “ sprach er . „ Zehn Jahre lang habe ich ihn gehegt und gepflegt , und zur Dankbarkeit hinterläßt er mir die Nachricht , daß ich in große Noth kommen werde ! Nimmt mir diese Prophezeihung nicht all’ meine Ruhe weg ! Konnte er nicht lieber sagen : wenn du einmal in Noth kommst , so suche bei mir Schutz ; mußte er so bestimmt sagen : du wirst in Noth kommen ! “
Aber sein Weib , eine kluge Frau , redete ihm zu , sich der Worte zu entschlagen , und
nicht weiter daran zu denken . Doch schwer wurde das dem guten Hans , und nur die Zeit konnte das Andenken daran etwas schwächen . Es verging ein Jahr , es verging noch eins , und da noch immer keine Noth eingetreten war , so ließ der Glaube an die Prophezeihung nach , und kein Mensch im Hause dachte weiter daran .
Nach vier Jahren war Hans an einem Sonntage , wie gewöhnlich , in der Schenke . Er hatte sich ’s wohl schmecken lassen , und war etwas mehr , als lustig . Da erhob sich vor der Thür des Hauses ein Gezänk zwischen jungen Burschen . Erst war ’s ein heftiger Wortwechsel , dann raufte man sich bei den Haaren , und endlich schlug man sich . Hans kam gleich andern heraus , Frieden zu stiften , und bediente sich dazu eines ausgerissenen Stuhlbeins . Er schlug derb drein , der Weingeist ließ ihn nicht sehen , wo er hinschlug ,
und , ach ! da schlug er einen jungen Bauer mausetodt .
Plötzlich wurde der arme Hans nüchtern , und fort sprang er , der gerechten Strafe zu entgehen . Zwar verfolgten ihn die Verwandten des Erschlagenen , aber die Dunkelheit der Nacht und der dicke Wald bargen ihn .
Sechs Stunden lang war er in eins fort gelaufen , da ward er matt , und mußte sich setzen , und schlief ein . Spät am andern Morgen erwachte er , und nun erst fühlte er ganz das Traurige seiner Lage .
„ Was thu’ ich , wohin wende ich mich ! “ rief er weinend aus .
Da fielen ihm plötzlich Gabriels Worte ein .
„ Ja , Gabriel , ich komme zu dir ! “ Sprach’s , sprang auf , und schritt wie neu gestärkt vorwärts .
„ Aber , wo liegt denn Venedig ? rechts , links , vorwärts , oder rückwärts ? “
Wer konnte ihm die Frage beantworten ! Er ging daher auf gut Glück immer vorwärts . Mancher lachte ihn aus , den er nach dem nächsten Wege nach Venedig fragte , mancher wies ihn zurecht . So kam er denn endlich nach zehn vollen Wochen vor der schönen Stadt an .
Kaum war er aus dem Fahrzeuge gestiegen , und hatte ein paar Schritte auf der Straße gethan , so fragte er den Ersten , der ihm begegnete : wo Gabriel wohne ? Aber der ließ ihn stehen , und gab ihm keine Antwort . Er ging weiter , sah sich überall nach Gabriel um , aber Gabriel war nicht zu finden . Er fragte wohl noch zehn Mal nach Gabriels Wohnung , aber man lachte ihn aus , oder antwortete höchstens durch Kopfschütteln .
So verging der erste , so der zweite und auch der dritte Tag . Hans lief sich matt und müde durch alle Straßen , fragte und fragte , aber Gabriel war nicht zu finden .
„ Ach , ich unglücklicher Mann ! “ rief er aus , „ da bin ich nun in Gabriels , meines alten Freundes , Stadt , und kann ihn nicht finden . Nach Haus darf ich nicht kommen , Geld habe ich auch nicht mehr , was soll aus mir werden ! “
Voll Kummer setzte er sich auf die Mauer an einem Kanal , und die hellen Thränen liefen ihm über die Backen .
„ Finde ich ihn heute nicht , “ sagte er , „ so stürze ich mich ins Meer . “
Da war ’s ihm , als höre er seinen Namen rufen . Er schaute umher , horchend , ob er sich auch nicht irre . Da rief eine Stimme noch lauter :
„ Hans ! Hans vom Fichtelgebirge ! “
Hans sprang auf , schaute umher , sah aber keinen , der ihn gerufen hätte . Unwillkürlich ging er einige Schritte vorwärts , wußte nicht , wohin er sich wenden sollte , da rief die Stimme nochmals :
„ Hans von Wülfersreuth , suchst du deinen Freund Gabriel ? Hier , hier oben bin ich ja ! “
Hans schaute in die Höhe , und siehe , da winkte ihm Gabriel aus dem Fenster eines schönen großen Pallastes . Er traute seinen Augen nicht . Es war zwar Gabriels Stimme , Gabriels Gesicht , aber wie geputzt , wie stattlich gekleidet , und welcher prächtige Pallast war das ! Unentschlossen , was er thun sollte , blieb er betroffen und verwirrt stehen .
Da that sich die Thür des Pallastes auf , und Gabriel , der Herr davon , trat , köstlich angethan , heraus .
„ Je Hans , kennst du denn deinen alten Hausfreund Gabriel nicht mehr ? “
Hans maß ihn von Kopf bis zum Fuß , und blieb versteinert stehen . Gabriel faßte ihn bei Hand , zog ihn in das Haus , und führte ihn in ein prachtvolles Zimmer .
„ Erkennst du mich denn immer noch nicht , Hans ! “ sprach Gabriel , „ ich bin ja Gabriel , der zehn Jahre lang bei dir im Wülfersreuth wohnte ? “
Hans schüttelte den Kopf , und sprach kein Wort . Da verließ Gabriel das Zimmer , und ließ den wie betäubt da stehenden Bauer allein .
„ Was soll daraus werden ! “ dachte Hans , und sah sich im Zimmer verwundernd um , ohne von der Stelle zu weichen . Da that sich die Thür nach einer kleine Weile wieder auf , und Gabriel trat , bekleidet mit demselben schmutzigen Anzuge , den er in Wülfersreuth damals getragen hatte , herein .
„ Ach ! Gabriel , du bist’s ! “ schrie Hans , und die Freunde lagen sich in den Armen .
Nun war Hans wieder wie sonst gegen Gabriel . Er duzte ihn wie vorhin , er erzählte ihm seine Schicksale , sein gehabtes Unglück , seine Wanderungen nach Venedig , alles auf’s umständlichste . So verging der Tag unter traulichen Gesprächen , bis es Schlafenszeit war . Da sagte der reiche Gabriel :
„ Nun , alter Hans , bei wem willst du diese Nacht schlafen ? Du hast die Wahl , bei einem Bären , bei einem Wolfe oder bei einem wilden Schweine ? “
Der Fichtelberger wußte nicht , was die Fragen bedeuten sollten . Er ahndete nichts Geringeres , als die Bestrafung seiner Freiheiten in diesem kostbaren Herrenhause . Da er immer schwieg , so nahm ihn Gabriel lächelnd bei der Hand , und führte ihn durch eine Menge Gemächer , wovon eins immer
köstlicher geschmückt war , als das andere . Dann ging ’s eine lange Gallerie hin in den abgelegensten Theil des Hauses , wo sie endlich in ein Schlafgemach traten . Hans war gefolgt , aber immer voller Furcht . Was erblickte er aber hier !
Drei goldne Betten standen da , wovon das eine wie ein Bär , das andere wie ein Wolf , und das dritte wie ein wildes Schwein künstlich gearbeitet waren .
„ Sieh , Hans ! “ sprach Gabriel , „ diese Betten , und alle Kostbarkeiten , die du in meinem großen Pallaste findest , sind die Früchte meines Aufenthalts bei dir auf dem Fichtelgebirge . Dorther holte ich Goldsand , den ihr nicht kennt und daher nicht achtet , und machte mich damit zum reichen Manne . Dort schlief ich in deinem Hause auf Bären- , Wolfs- und wilden Schweinsfellen , jetzt
wähle du , in welchem Bette du schlafen willst . Gute Nacht ! “
Gabriel verließ den erstaunten Hans , wählte das Bärenbette , und schlief köstlich bis an andern Morgen .
Aus einer Gegend am Fichtelgebirge mitgetheilt erhalten .
Das weiße Reh . Bei Baden im Badenschen heißt eine Höhe „ der Hasensprung . “ An dieser rieselt in dem etwas verwilderten Steinwäldchen unter einer Eiche aus altem Gemäuer eine Quelle hervor , heimlich und frisch , wie der Quell Melusinens . Stärker läuft sie beim Vollmond , weniger stark beim abnehmenden Lichte .
Von diesem Brünnlein geht folgende Sage :
Ein Jüngling kam einst beim ersten Morgenroth in diesen Hain , und sah auf einer blumenreichen Wiese ein milchweißes Reh weiden . Das seltsame Thier gefiel ihm sehr .
„ Das muß ich haben ! “ rief er aus , schlich leise darauf zu , streckte schon , zitternd vor Begierde , die Hand darnach aus , aber – dort lief es hin und zum Brunnen ,
auf dessen Einfassung eine Jungfrau von wunderbarer Schönheit saß . In ihren Schooß legte es seinen Kopf .
Der Jüngling blieb unbeweglich stehen , und staunte die liebliche Erscheinung an . Er wußte nicht , was er beginnen sollte . Die Furcht trieb ihn zu fliehen , aber die Schönheit der Jungfrau hielt ihn gefesselt .
„ Was thu’ ich ? “ fragte er sich eben leise ; da winkte ihm die Jungfrau , rückwärts zu schauen . Er that’s , sah aber nichts . Jetzt drehte er sich wieder um , und – fort war das milchweiße Reh , fort die schöne Jungfrau . Nie sah sie der Jüngling wieder , so oft er auch mit anbrechendem Tage die Wiese betrat , die rieselnde Quelle begrüßte .
Schreiber , Beschreibung von Baden , Heidelb. 1811 . S. 188 .
Jungfer Ilse . Wenn man von Ilsenburg aus in dem schönen romantischen Harzthale , das die Ilse durchrauscht , eine halbe Stunde lang aufwärts gegangen ist , so tritt ein nackter gigantischer Granitfelsen , der Ilsenstein genannt , aus der linken Thalwand hervor , dessen bedeutende Höhe und eigenthümliche Form niemand ohne Bewunderung anschaut . Ihm gegenüber steigt ein ähnlicher , doch nicht ganz so hoher , Fels empor , dessen Schichten zu diesem passen ; und wahrscheinlich ist es , daß beide einmal zusammenhingen , durch irgend eine Revolution aber getrennt wurden . Diese vielleicht schon in den frühesten Zeiten aufgestellte Muthmaßung gab folgendem Mährchen das Daseyn .
Zur Zeit der Sündfluth , als das Wasser der Nordsee die Thäler und Ebenen von Niedersachsen überströmte , flohen ein Jüngling und eine Jungfrau , die sich schon lange liebten , aus der Ebene dem Harzgebirge zu , um hier auf den Höhen ihr Leben zu retten , oder beisammen zu sterben . Mit dem Steigen des Wassers stiegen auch sie höher , und näherten sich immer mehr dem hohen Brocken , der ihnen ein sicherer Zufluchtsort zu seyn schien . Endlich standen sie auf einem ungeheuern Felsen , der weit über dem wogenden Meere hervorragte . Von hier sahen sie das umliegende Land von der Fluth ganz überdeckt , und Hütten und Thiere und Menschen waren verschwunden . Einsam starrten sie in die Wogen hin , die am Fuße des Felsens sich brachen . Doch noch höher stieg das Wasser , und schon dachten sie darauf , über einen noch unbedeckten Felsenrücken weiter zu fliehen , und den Brocken hinan zu klimmen , der wie eine
große Insel über die wogende See hervorragte .
Da erbebte unter ihren Füßen der Fels , auf dem sie standen . Zwischen ihnen riß er aus einander . Beide Theile wichen zurück , als wollten sie die Liebenden trennen , aber fest schlangen diese ihre zitternden Hände in einander , und fest blieben sie verschlungen , bis die Kluft zu breit ward . Da stürzten sich Beide hinab in die tobende Fluth .
Ilse hieß die Jungfrau . Sie gab dem reizenden Thale , dem Flüßchen , das es durchläuft , und dem Felsen den Namen . In diesem , dem Ilsensteine , wohnt sie nun , da ist ihr Schloß . Alle Morgen öffnet sie es , so bald der erste Sonnenstrahl ihn trifft , und steigt herab zur Ilse , in deren spiegelhellem Wasser sie badet . Freilich ist ’s nicht allen Menschen vergönnt , sie zu sehen ; aber wer sie sah , preist sie wegen ihrer Schönheit und Holdseligkeit . Oft schon theilte sie von ihren
unendlichen Schätzen mit , die der Ilsenstein in sich schließt , und manche sonst arme , aber ehrliche Familie verdankt der schönen Jungfrau ihr Glück .
Einst fand sie einmal am frühen Morgen einen armen Köhler , der in den Wald gehen wollte , an der Ilse sitzen . Er grüßte sie freundlich , und da winkte sie ihm , mitzugehen . Er folgte , und bald standen sie vor dem großen Felsen . Da nahm sie ihm den Ranzen ab , klopfte drei Mal mit einem weißen Stäbchen an , und der Ilsenstein that sich aus einander . Sie ging hinein , brachte nach einer kleinen Weile wohlgefüllt den Ranzen zurück , gab ihn dem Köhler , befahl ihm aber ernstlich , ihn ja nicht früher zu öffnen , als bis er wieder in seiner Hütte wäre . Er versprach’s , bedankte sich , und ging . Aber der Ranzen war schwer , und die Neugierde groß ; kaum vermochte er ihr zu widerstehen . Als er aber auf die Ilsenbrücke kam , sich niedergesetzt
hatte , um etwas auszuruhen , und den schweren Ranzen mit seinem geheimnißvollen Inhalte neben sich liegen sah , da konnte er sich nicht länger halten . Er öffnete ihn , und sah – Eicheln und Tannenäpfel . Voll Unwillen schüttelte er sie von der Brücke hinab in den angeschwollenen Fluß . Aber , wie ward ihm , als er ein helles Klingeln hörte , wenn die Eicheln und die Aepfel die Steine in der Ilse berührten , als er sah , daß er das pure Gold verschüttet hatte . Bloß vor Schrecken machte er schleunig den Ranzen zu , um etwas noch zu retten . Und als er nach Hause kam , kehrte er ihn ganz um , störte aus den Winkeln alles heraus , was noch darin war , und da fand sich doch immer noch so viel , daß er sich ein kleines Bauergütchen dafür erkaufen konnte .
Volkssagen von Otmar , S. 169 .
Notburga . Am Neckar steht eine Burg , die man Hornberg nennt , und der man ’s nicht ansehen sollte , daß vor vielen hundert Jahren schon einmal ein Kaiser seine Hofhaltung darin hielt . Denn die Thürme stehen noch fest , und die Mauern können noch lange dem Winde und Wetter trotzen . Der Kaiser nun , der da wohnte , hatte eine Tochter , die hieß Notburga . Eine feine Dirne war’s , schlank und schön von Gestalt , dem Ritter Otto treu ergeben , der hinausgezogen war ins fremde Land , zu streiten . Aber er kehrte nicht wieder , und da stand sie an ihrem einsamen Erkerfenster Morgens , Mittags und Abends , und oft auch um Mitternacht , und schaute hinüber in den Wald , oder hinab in den
Neckar , oder hinauf zum stillen Himmel . Aber wie lange sie auch hinausschaute in die ruhige Nacht , so wollt ’s doch nicht ruhig werden in ihrer Brust . Und wenn der Sturmwind an ihrem Erkerfenster vorüberbrauste , so stand sie auch oft da , und ihre Seufzer flogen mit dem Sturmwinde in die Welt hinein , und ihre Thränen fielen oft mit den Regentropfen hinab in den Zwinger , und die Maslieben blüheten immer frischer , und die Kartheusernelken blüheten immer rother davon auf , und achteten’s nicht , daß sie mit Thränen genetzt wurden . Aber Notburga’s Wangen wurden immer bleicher und immer bleicher , und achtete lange niemand darauf .
Da trat der Kaiser , ihr Vater , eines Tages zu ihr , und sprach mit seinem rauhen Tone :
„ Mach ’ dich gefaßt , Burga , dein Bräutigam wird in drei Tagen kommen . “
Darauf ging er wieder von ihr . Aber Notburga sank auf einen Stuhl , und verhüllte ihre Augen . Und als nun die Nacht kommen war , stand sie an ihrem Erkerfenster , und starrte in den dunkeln Nachthimmel , und die Thränen flossen ihr häufiger , als sonst .
„ Mein Otto , mein Otto ! “ sprach sie , „ so hast du mich vergessen , hast vergessen deine treue Notburga , – vergessen in den Armen fremder Dirnen , und ist dein Herz kälter worden im Lande , wo die Sonne wärmer scheint ? – Oder , fielst du unterm Schwertstreich der Feinde , und ruhst nun unter der braunen Erde , oder schläfst unterm grünen Rasen , die gelben Schlüsselblumen über deinem Herzen ? – Ach , daß ich bei dir ruhen könnte in der Grabesstille ! – Muß so einsam trauern in der Welt , schwanke nur noch , wie ein dünnes Rohr , das der Wind zu knicken droht , und meine Wangen sind erbleicht . – Und soll nun mit den bleichen
Wangen sitzen unter den Gästen , und als Braut , als Braut , und mein Bräutigam , mein Otto , soll nicht bei mir sitzen ! – O , daß ich eine treue Seele hätte , die mich führte weit , weit von hier , die mich geleitete in eine Wildniß , wo ich , fern von den Menschen , nur mir lebte , nur dein gedächte und Gottes , unsers Gottes , und Christi , und der gebenedeieten Jungfrau ! “
So klagte die holdselige Jungfrau , und wußte sich keinen Rath und keine Hülfe . Denn ihrem Vater traute sie sich nicht zu widersetzen , und konnte doch nur den armen Otto lieben , und Otto war selbst nicht mehr zurückgekommen , und hatte ihr auch nicht Botschaft gesandt ein ganzes Jahr , ob er noch lebe .
Aber ihr alter treuer Diener , Kaspar , hatte ihre Klage gehört unter ihrem Fenster , und rief ihr zu , und versprach ihr , sie zu führen , wohin sie begehre . Das schoß ihr
durch die Seele wie ein Blitzstrahl , und sie machte sich auf und floh noch zur selben Stunde aus ihres Vaters Burg , und wollt’ hinüber über die Waldhöhe nach der Kapelle zu St. Michael flüchten , zu dem alten weißhaarigen Greise , der dort einsiedelte . Bei dem wollte sie sich Raths erholen , was sie thun solle , und wie sie sich des verhaßten Ehebundes mit dem Heidenfürsten entschlagen könne .
Aber kaum war sie an die Waldhöhe gekommen mit ihrem Diener , so sprang’s schnell hinter ihnen her , und als sie sich umsahen , siehe ! da erkannte Notburga den weißen Hirsch , den Otto gefangen und gezähmt hatte . Und er hielt still bei der Jungfrau , und blickte sie mit Augen an , die , wie bei den Menschen , vor Freude glänzten . Und Notburga küßte das fromme Thier , als ob’s ihr Otto selber wäre , und lachte und weinte
dazwischen , und setzte sich auf den bekannten Sattel , auf den sie Otto selbst oft gehoben . Aber kaum fühlte der Hirsch , daß sie fest saß , so machte er einen Satz über den Weg hinüber , und verschwand mit ihr zwischen den Bäumen .
Da stand der alte , treue Kaspar , und wollte nacheilen , und vermocht’s nicht , so zitterten ihm die Kniee ; er wollt ’ ihr nachrufen , und vermocht’s nicht , so zitterte ihm die Stimme . Doch als er noch so stand , und gern helfen wollte , wenn er nur gekonnt hätte , da sah er hinab , und sah den Hirsch in den Neckar springen , und hinüberschwimmen , und Notburga sah er noch winken im Mondscheine mit dem weißen Tuche . Und glücklich sah er Notburga am andern Ufer auf dem Hirsche , aber zwischen dem Gebüsch verschwand sie im Schatten , den die Berge darauf warfen .
Als der Vater am andern Morgen erwachte , dachte er daran , seiner Tochter Notburga die goldenen Spangen und die kostbaren Ringe und Perlen ihrer verstorbenen Mutter zu geben , daß sie sich an ihrem Brauttage damit schmücke , und sie fortan trage . Als er aber zu ihr schickte , war sie nicht zu finden , nicht in ihrem Gemach , nicht im Garten , nicht unterm Apfelbaum , wo sie sonst oft saß . Und der Vater fragte bei allen , ob niemand erfahren , wohin seine Tochter verschwunden sey ; aber niemand konnte ihm Nachricht geben . Und er fragte auch Kasparn , aber Kaspar fürchtete sich , und sagte : er habe davon keine Kunde .
Da sandte der Vater bekümmert Boten aus , aufwärts und abwärts am Neckar , und im Gebirge , aber niemand brachte von Notburga Kunde zurück . Und er sandte Boten von neuem aus , die nach ihr späheten ,
und ritt selbst hinab , und fragte in allen Burgen , bis an das Schloß Minneberg , und die Ritter der Burgen geleiteten ihn mit ihren Mannen , und zeigten ihm die verborgensten Winkel der Felsen , und die dichtesten Stellen ihrer Forste , aber Notburga konnten sie ihm nicht zeigen .
Auf Hornberg hatte aber die Mittagsglocke geläutet , und der alte Kaspar stand an seinem Fenster , da kam Notburga’s Hirsch in den Zwinger , und schaute durch die Scheiben , und es däuchte Kaspar , der Hirsch sey traurig , und sprach für sich : „ Ja könntest du nur reden , gutes Thier , und sagen was dir fehlt , ich wollte dir ja gern helfen . Hast du vielleicht Hunger ? “ fragte er , und ging hin , und nahm das Brot vom Tisch , den er sich schon gedeckt hatte , und wollt’ ihm ein Stück abschneiden . Als er aber wieder an’s Fenster kam , hielt der Hirsch
den Kopf nieder , und bot ihm sein Gehörn dar , und blieb ruhig stehen .
„ Ja was soll ich denn damit machen ? “ sagte Kaspar lachend , und besann sich , was der Hirsch wohl damit meine . Endlich sagte er : „ Soll ich dir denn ein Stück an’s Geweih stecken ? Ei nun , man sagt ja , ein Stück Brot sey besser , als eine Feder auf dem Hut , “ und damit schnitt er ein Stück ab , und steckt’s dem Hirsch an ein Ende seines Geweihes , und schnell richtete sich der Hirsch auf , und lief damit fort , dem Neckar zu .
Und als Kaspar des andern Tages wieder an sein Fenster kam , stand der Hirsch schon wieder da , und hielt sein Gehörn hin . Aber er sah ein großes Eichenblatt daran gebunden mit einem Band . Doch als er dieß los machte , erkannt’ es seine Frau , die er herzurief , für Notburga’s Strumpfband ; denn ihr Name stand mit Gold darauf gestickt ,
und auf dem Eichenblatt stand mit einer Nadel eingeritzt :
„ Gott zum Gruß !
Notburga dankt dem Geber
des Manna in
der Wüsten . “
Als aber Kaspar und Else mit Mühe diese Worte gelesen , da liefen den alten Leuten die Augen über von Thränen . „ So hat der fromme Hirsch das Brot gebracht ! “ rief Kaspar ; und „ Gott , ach Gott ! “ schluchzte Else , „ die zarte Jungfrau in der Wüste , nur genährt von unserm trocknen Brote ! “ und ging , und holte ein gekochtes Huhn , und band ’s dem Hirsche mit dem Strumpfbande an , und der Hirsch trug ’s schnell wieder bergab , dem Neckar zu , und kam erst am zweiten Tage wieder , und nur von Zeit zu Zeit , und die alten Leute gaben ihm immer ihr Bestes mit . Dafür brachte er manchmal ein paar dankbare Worte auf einem Blatte .
Aber der Vater Notburga’s war heimgekommen von seinem Streifzuge , und hatte nichts von seiner Tochter erforscht ; denn an das andere Ufer dachte er nicht , weil hinauf und hinab keine Fähre war , weit und breit , die sie hätte hinüberfahren können ; auch der Bräutigam Notburga’s war kommen mit hochzeitlichem Geleite und im festlichen Schmucke , aber er war auch wiederum heimgezogen , ohne die Braut mit sich zu führen . Schon war der Kukuk verstummt und die Nachtigallen , die bei Notburga’s Flucht zum ersten Mal gesungen , da machte endlich der weiße Hirsch den Vater aufmerksam . Und als er immer und immer wieder kam , und er ihn endlich ein Mal vor Kaspars Fenster stehen sahe , da ging er zu Kaspar , und fragte nach des Thieres seltsamen Gängen . Und Kaspar gestand in der Bestürzung alles , was er wußte ; denn eben band er dem Hirsche ein
Tüchlein mit reifen Sommeräpfeln von Notburga’s Lieblingsbaume an .
Flugs machte sich nun der Kaiser auf mit seinen Rittern und Edelknechten , und verfolgten zu Pferde den Hirsch . Und als er sich in den Neckar stürzt , da sprengt auch der Kaiser hinein , und ihm folgten auch die andern auf ihren Rossen .
Drüben verschwand der Hirsch zwischen den Sträuchern , aber der Kaiser sprengte schnell nach , und sah ihn noch im Blick in eine Höhle rennen . Und als er abstieg , und mit seinem Gefolge hineintrat , lag er auf weichem Moos , und Notburga kniete mit gefalteten Händen vor einem Crucifix , das ihr Kaspar auch geschickt hatte , und betete . Da erschrack der Vater , denn sie sah ganz todtenbleich aus , weil sie nicht mehr hervorgekommen war an das Sonnenlicht , seit der Hirsch sie hierher trug .
Und er sprach mit linden Worten zu ihr , und bat sein Kind : daß es ihm doch wieder folgen möchte auf die Burg , und sein Kind seyn , wie vorher .
Notburga aber sprach : „ Ich habe mein Leben Gott gelobt , und suche nichts mehr bei den Menschen . “ Und wenn der Vater in sie drang , antwortete sie immer mit diesen Worten . Da ward er endlich zornig , und faßte sie beim Arm , und wollte sie mit Gewalt mit sich ziehen . Sie aber legte ihre andere Hand an ihr Crucifix , da trennte sich der Arm von ihrem Leibe , und blieb dem zornigen Vater in den Händen , daß ihn und alle , die mit ihm waren , ein grauses Entsetzen ankommt , und alle von hinnen fliehen . Und keiner begehrte mehr der Höhle und dem andern Ufer zu nahen .
Aber von Stund an ward sie als eine Heilige vom Volke geehrt , und wenn zum frommen Klausner bei der Kapelle zu St.
Michael reuige Sünder kamen , so schickte er sie wallfahrten nach der frommen Notburga , und Notburga betete für die Büßenden , und hoch begnadigt kehrten sie mit ruhigem Herzen zurück .
Als darauf im Herbste die Blätter fielen , und Notburga auch zu sterben kam , da schwebten die Engelskindlein herab , und trugen die Sterbende heraus aus der Höhle , und legten ihr Crucifix auf die Brust , und sie schlug die brechenden Augen nochmals auf , und schaute hinauf gen Himmel , und seufzte freudig : „ Ja , Otto ! ich sehe dich winken , du bist schon dort ! Ich komme ! “
Damit entschwebte ihre Seele . Die Engel hüllten ihre Leiche in ein Todtengewand , und schmückten sie , ob’s gleich im Herbste war , mit frischen Frühlingsrosen , und legten sie in einen Sarg , und zwei schneeweise Stiere , die noch nie ein Joch getragen , trugen ihn über den Fluß , ohne die Hufe zu benetzen ;
die Glocken in der Nachbarschaft läuteten von selbst , und die Engel sangen ein himmlisches Chor dazu . So brachten sie die heilige Leiche nach der Kapelle zu St. Michael , und begruben sie dort .
Als aber Notburga dort war , kam Otto’s und Notburga’s Hirsch nicht mehr vor Kaspars Fenster , um Manna für die Jungfrau in der Wüste zu holen . Er war verschwunden .
In der Kirche des Dorfs Hochhausen am Neckar wird noch jetzt das Bild der Notburga in Stein gehauen gezeigt . Auch die Notburgenhöhle , gewöhnlich die Jungfernhöhle genannt , ist noch zu sehen , und jedem Kinde bekannt . – Süd-Deutschlands Miscellen , 1813 . Nr. 26 .
Die Teufelsmauern . Der Teufelsmauern giebt es mehrere . Zwei davon befinden sich an der Nordseite des Harzes , zwischen den Städten Blankenburg und Ballenstedt . Die eine besteht aus einer unzähligen Menge von Steinen , welche in einer langen Linie , die sich durch den Wald zieht , auf einander gehäuft sind , als hätte man eine hohe lange Mauer abgetragen . Da die Steine von keiner ungewöhnlichen Größe sind , und locker auf einander wie hingeschüttet liegen , so wird man versucht , zu glauben , daß sie von Menschenhänden zur Errichtung eines Gebäudes hierher gebracht wurden , oder daß ein Gebäude hier stand und abgebrochen wurde . Die wahre Ursache ihrer
entstandenen Aufhäufung möchte sich schwerlich aufdecken lassen .
Diese Teufelsmauer liegt hoch oben auf den Vorharzgebirgen .
Nicht fern davon , am Fuße dieser Gebirge , im flachen Lande , findet man die andere Teufelsmauer . Diese ist ein schmaler Felsenriff , der bei der Stadt Blankenburg anhebt , und mit Unterbrechungen sich an zwei Stunden lang fortzieht . Seine Klippen ragen in grotesken Gestalten auf dem Rücken eines niedrigen Bergzugs , Heidelberg genannt , hervor , und gleichen sehr täuschend einer von ungeheuern Quadern aufgeführten Riesenmauer .
Von diesen beiden Teufelsmauern erzählt das Volk folgendes Mährchen :
Der Teufel habe lange Zeit mit Gott um die Herrschaft der Erde gestritten . Endlich sey zwischen ihnen eine Theilung derselben verabredet und die Grenze gezogen worden .
Um nun diese genau zu bezeichnen , und auch die Verkündiger der Lehre Jesu von seinem Antheil zurück zu halten , hätte der Teufel die vorhin zuerst erwähnte Mauer errichtet . Bald wäre ihm aber sein Reich nicht groß genug gewesen , er hätte von Gott noch eine Vergrößerung verlangt , und auch erhalten ; worauf er jene Mauer wieder eingeworfen , und die zweite errichtet gehabt .
Eine dritte Teufelsmauer giebt es im Süden Deutschlands . Sie fängt bei Pföring an der Donau an , läuft über die Landstraße von Nürnberg nach Ingolstadt hinweg , und so fort bis in die Vorstadt von Gunzenhausen , dann nach Dünkelsbühl , über die Jaxt durch das Fürstenthum Oettingen und bis an den Neckar .
Diese , viele Stunden lange , Mauer ist ein von Menschenhänden errichtetes Werk , und stammt noch aus den Zeiten der römischen Herrschaft in Deutschland her . Kaiser
Hadrian errichtete hier zuerst eine Landwehre , indem er lange starke Pfähle einschlagen und mit Weißdorn dicht bepflanzen ließ , was eine undurchdringliche Hecke bildete . Die Römer nannten es Vallatum , die Deutschen Pfahlhecke . Kaiser Probus ließ hierauf eine Mauer mit vielen Thürmen daneben aufführen , wovon noch jetzt kleine Reste übrig sind .
Der gemeine Mann , der ein solches riesenmäßiges Unternehmen menschlichen Kräften nicht zutraute , schrieb es dem Teufel zu . Man nannte es eine Teufelsmauer , und erzählt dabei , so wie bei jenen Teufelsmauern , daß der Teufel von Gott ein Stück der Erde als Eigenthum verlangt habe . Gott habe auch eingewilligt , und ihm so viel abzutreten versprochen , als er in einer Nacht vor dem ersten Hahnenschrei mit einer Mauer umgeben könne . Der Teufel habe darauf das
Werk begonnen , sey auch fast damit fertig gewesen , als der Hahn sich hören lassen . Wüthend über die fehlgeschlagene Hoffnung , hätte er alles wieder umgestürzt , und die mühsam zusammengetragenen Steinklumpen umhergeschleudert .
Eine vierte Teufelsmauer ist bei Lieberose in der Niederlausitz zu finden .
Mit dem Besitzer des Gojazer Gasthofs bei Lieberose , machte der Teufel einst ein Bündniß , worin er von seiner Seite ihm versprach , in einer Nacht um seinen Weinberg und sämmtlichen Acker eine Mauer aufzuführen , den Hofraum zu pflastern und damit vor dem ersten Hahnenschrei fertig zu seyn . Wozu sich jener dagegen verpflichtete , verschweigt die Sage . Wahrscheinlich aber mußte er ihm seine Seele , der gewöhnliche Preis , um den der Böse solche Dienste leistete , verschreiben .
Aber so rüstig und ämsig auch der Teufel arbeitete , so krähte doch der Hahn früher , als er fertig und eben im Begriffe war , im Hofe noch einen großen Stein anzubringen . Diesen nahm er voll Zorns , und warf ihn , ob er gleich funfzehn Zentner schwer war , mit einer Hand über das Thor hinweg , wo er vor mehreren Jahren noch mit fünf Löchern , die seine Finger eingedrückt hatten , lag .
Noch sieht man die um den Weinberg aus ungeheuern Feld- und Bruchsteinen aufgeführte Mauer , die nur eine teuflische Macht so bauen konnte , und findet viele Aecker mit großen Steinen eingefaßt .
Die Sagen von den ersten beiden Teufelsmauern sind aus mündlichen Ueberlieferungen . Auch in Otmar’s Volkssagen stehen sie S. 175 . Die von der süddeutschen erzählt Döderlein in seiner Vorstellung des
alten röm. Valli und Landwehr , der Pfal- oder Pahlhecke , auch Teufelsmauer , Weißenburg 1731 . 4. , und die von der Lieberoser ist aus der Lausitzer Monatsschr. 1798 , Th. 2. S. 323 genommen . Büsching hat sie auch in der 1sten Abth. S. 203 .
Die Schloßjungfer . Bei dem kleinen Städtchen Güntersberge auf dem Unterharze findet man auf einem Berge – Kohlberg heißt er – Spuren einer vormaligen Burg , welche die Güntersburg geheißen haben soll . Hier ist ’s gar nicht recht geheuer . Die Schloßjungfer wankt da herum , und spukt dem Neugierigen , der sie belauschen will , etwas vor .
Es hauste hier vor uralten Zeiten ein Ritter , Bodo genannt . Es war ein gar lustiger Finke und lockerer Gesell . Das Handwerk des Raubens trieb er gleich seinen Nachbarn , und wer die unten am Berge vorübergehende Harzstraße zog , der kam nicht ungezwickt durch . Am liebsten fing er hübsche Dirnen auf , führte sie auf seine Burg ,
und sperrte sie ein . Warum ? das verschweigt die Sage .
Bodo trieb aber das Ding zu arg , er hieß bald im ganzen Harzgau der Mädchenräuber . Keine Dirne wagte sich die Straße mehr , sondern nahm lieber einen großen weiten Umweg .
Das hörte ein Zauberer , der tief im Harze in einem von Felsen und düstern Tannenwäldern umschlossenen Thale seine Wohnung hatte . Er war ein mächtiger Mann , und trieb mit allen Naturkräften ein beliebiges Spiel . Aber nur Gutes zu wirken , übte er seine Macht , nur den Bösen strafte er durch seinen Zauberstab .
„ Halt , Bursche ! “ sprach er einst , „ dein Unwesen soll sich enden ! “
Gegen der Burg über im Walde verbarg er sich , das Thun und Lassen Bodo’s zu beobachten , ihn auf der That zu ertappen . Aber lange Zeit mußte er vergebens warten ;
denn es zog , wie gesagt , gar selten einer die Straße . Endlich kam aber ein Handelsmann aus Nordhausen vorbei , der nach Quedlinburg zu Markte ging . Er saß auf einem Maulthiere , und neben ihm her ritt sein Töchterlein , gar klüglich und fein in Mannskleider gesteckt . Noch war die Sonne nicht aufgegangen , und so dachte er , wird dich wohl Ritter Bodo nicht gewahren , und , sieht er dich , doch deine Iduna nicht erkennen . Kaum gewahrte aber der Burgwärter von der Zinne des Thurms sie beide , da stieß er in das Horn , zum Zeichen , daß sich Beute sehen lasse .
Bodo sprengte mit seinen Reisigen den Berg hinab . Iduna schrie vor Schrecken , ward ohnmächtig , verrieth dadurch die Verkleidung , und ward gefangen . Hohnlächelnd ließ Bodo den Vater ziehen , der Gold und Geld anbot , ihm seine einzige Tochter zu lassen .
„ Geh , mache , daß du fortkommst , alter Kauz , “ sprach er , „ und danke Gott , daß ich dir’s Leben lasse . “
Ohne Besinnung schleppte man die Dirne auf die Burg . Grinsend stand da der Räuber vor der Unschuld , und jauchzte über den herrlichen Fang , wie er lange keinen gemacht hatte .
„ Erwache ! “ rief er ihr zu , „ erwache ! “ allein sie blieb besinnungslos liegen . Da wollte der Bösewicht die Rose brechen ; aber plötzlich krachte es durch seine weite Burg wie Donnerschläge . Die Erde bebte , und hinab sank in die Tiefe des Berges das steinerne Gebäude in Schutt und Trümmern .
Das that der Zauberer . Ergrimmt hatte er Bodo’s Raub mit angesehen , und so strafte er den Verruchten vor der Vollendung der Schandthat .
Der schuldlosen Dirne aber vergönnte er , an gewissen Tagen auf Erden sichtbar herum
zu wandeln , und seitdem sieht man sie im weißen Kleide mit einem Bund Schlüssel an der Seite und einem Blumenstrauß in der Hand , und nennt sie die Schloßjungfer . Sie beschenkt oder züchtigt die , mit denen sie zusammentrifft , je nachdem man sich gegen sie benimmt .
Einst hörte ein Mönch aus einem nahen Kloster von ihrem Herumwandeln . Die Neugierde , vielleicht auch noch etwas anderes , trieb ihn hin zur heiligen Stätte , um sie kennen zu lernen . Er saß eine Weile auf den alten Mauern und wartete , aber , es erschien nichts . „ Hm , “ dachte er , „ sollst wohl kommen ! “ zog hierauf den mitgenommenen Höllenzwang aus der Tasche , und fing in Zauberformeln an , die Jungfrau laut zu citiren . Da erschien sie plötzlich , dicht vor ihm stehend .
„ Was willst du ? “ sprach sie mit unfreundlicher Miene .
Der Mönch stutzte Anfangs ob der Erscheinung , sammelte sich jedoch bald , und grinste freundlich sie an , bat , sie möchte sich zu ihm setzen , möchte ihm Gold geben , von ihren köstlichen Steinen etwas bringen ; und dabei wollte er mit gar behaglicher Gebehrde eines ihrer weißen Patschchen vertraulich fassen . Aber die Schloßjungfer wurde böse über solche Zudringlichkeit , nahm ihr Schlüsselbund von der Seite , schlug damit auf den Mönch los , daß dieser erschrocken sammt seinem Höllenzwange den Berg hinab eilte , zufrieden , nur blaue Mahle mitzunehmen .
Freundlicher war sie einem Schäfer , der zwischen den alten Mauern seine Schafe weiden ließ . Hingestreckt auf den Rasen , dachte er an nichts weniger , als an die Schloßjungfer , als diese mit einem Male auf zwanzig Schritte vor ihm stand , und Blumen in der Hand hielt , die sie in einen Strauß zu ordnen schien . Ohne sich zu bewegen , lauschte
er unterm Hute hervor nach ihr hin , zu sehen , was sie wohl beginnen möchte . Indem entfiel ihr eine der Blumen , und da sie sie liegen ließ , so sprang er hinzu , hob sie auf , gab in seiner Einfalt der Blume einen Kuß , steckte sie auf seinen Hut , trat einen Schritt zurück , und fragte ganz bescheiden :
„ Jüngferchen , hat sie das Blümchen verloren ? Hier ist’s ! “
Aber die Schloßjungfer antwortete nichts , und winkte , ihr zu folgen . Der Schäfer setzte den Hut mit der Blume auf , und folgte . An hundert Schritte waren sie stillschweigend gegangen , da öffnete sich vor der schönen Jungfrau die Erde , und sie stieg hinab . Dreist ging der Schäfer hinterher , und tief und immer tiefer schritten sie ins Dunkel hinein . Als sie so ein hundert Klafter tief waren , da ward es plötzlich hell , und vor dem erstaunten Schäfer stand ein prachtvolles Schloß mit hohen Thürmen und schönen
Zimmern , die alle voll Gold und Silber , blitzenden Steinen und köstlichen Perlen waren . Wie starrte er alle die schönen Sachen an , und schlug voll Verwunderung in seine Hände !
Die Schloßjungfer war indessen verschwunden , und da der Schäfer meinte , daß er nicht umsonst hierher geführt worden sey , so öffnete er seinen Ranzen , warf heraus , was drin war , und füllte ihn mit Kostbarkeiten aller Art , mit Gold und edlem Schmuck , bis nichts mehr hinein wollte . Dann stopfte er alle Taschen voll , alle Winkel in seiner Kleidung , wo nur etwas zu verwahren war , und zuletzt nahm er den Hut umgekehrt in den Arm und füllte auch diesen an . Dabei verlor er aber die Blume davon . Die Gierde , immer mehr von den schönen Kostbarkeiten einzustecken , ließ es ihn nicht bemerken ; auch hörte er nicht , wie im Nebenzimmer eine seufzende Stimme rief : „ Ach ! vergiß
das Beste nicht ! “ und eilte , da er reichlich bepackt war , zurück . Nochmals rief die Stimme ihm laut jene Warnung nach , aber Schrecken und Angst , den Mammon wieder zu verlieren , machten ihn jetzt verwirrt . Er lief fort , kam wieder ins Freie , und mit Krachen schloß sich hinter ihm die Oeffnung .
Erschöpft setzte er sich nieder , sann nun der dunkeln Worte nach , und fand endlich , daß er die schöne Blume verloren hatte . Umsonst suchte er sie . Sie war fort und blieb fort .
Am ganzen Harze ist das Mährchen von einer Wunderblume einheimisch . Der Schauplatz ihrer Wirksamkeit wird in verschiedenen Erzählungen bald da , bald dort hin verlegt . In allen wird sie zwar gefunden aber immer wieder verloren , und mit ihr auch das durch ihre Zauberkraft Erlangte . Dieß Mährchen
macht jedoch hiervon eine Ausnahme . Der Schäfer behält die Reichthümer ungeachtet der verlornen Blume , auch nicht in eine werthlose Sache verwandeln sie sich . Mein Referent , ein alter Mann aus Güntersberge , wollte wenigstens von keinem andern , als diesem Ausgang des Mährchens , je etwas gehört haben .
Der Löwenkampf . Einst lebte zu Rastedt , im Oldenburgischen , Graf Huno von Oldenburg , ein alter , braver Mann . An den Welthändeln nahm er keinen Antheil mehr , aber sein Sohn , Friedrich , war seine ganze Freude , und mit seiner Gemahlin Guella führte er ein einförmiges , gottseliges Leben .
Da schrieb einmal der Kaiser Heinrich einen Reichstag nach Goslar aus . Alle Fürsten , Grafen und Herren des Reichs wurden dazu eingeladen , und auch Graf Huno . Aber der gute alte Mann blieb daheim . Er liebte die Ruhe , und ließ sich nicht gern in seinen gewöhnten Andachtsübungen stören .
„ Was soll ich da ? ich gehe doch bald heim zu meinen Vätern . Mögen sie immer
ohne mich abthun , wozu ich ohnehin nicht mehr tauge ! “ und ließ sich entschuldigen .
Aber da gab ’s um den Kaiser herum Liebediener , Zungendrescher , Ohrenbläser . Die sagten : Huno ist ein Aufrührer , er widersetzt sich dem kaiserlichen Befehl , das darf man nicht leiden .
Da ließ Heinrich eine neue Ladung an ihn ergehen : daß er kommen solle und kommen müsse . Auch solle er einen starken Kämpfer mitbringen , der mit des Kaisers Kämpfern nach Frieser Art stritte .
„ Nun , so will ich reisen , “ sprach der alte Huno , „ Gott wird mir ja beistehen . “
In Begleitung seines Sohnes Friedrich reiste er nach Goslar . Dieser junge rüstige Mann wurde hier aufgefordert , des Vaters Unschuld durch einen Kampf mit einem Löwen zu beweisen ; denn der Löwe war des Kaisers Kämpfer .
Der tief gebeugte Vater flehte zu Gott , daß er ihm , wie einst dem Abraham , seinen Sohn erhalten möge ; und dann that er ein Gelübde , im Fall sein Friedrich siegen werde , zu Ehren der heiligen Jungfrau Maria ein Kloster zu stiften .
Friedrich ging muthvoll zum harten Kampfe . Sinnreich hatte er aber eine ausgestopfte männliche Figur mit sich genommen ; die hielt er dem Löwen vor , und während das getäuschte Thier diese ergriff und zerriß , durchstieß ihn Friedrich , und verließ als Sieger die Schranken .
Mit offenen Armen empfing ihn der Kaiser , umgürtete ihn mit einem Kriegsgürtel , tauchte zwei seiner Finger in das warme Blut des hinsterbenden Löwen , und machte damit zwei Striche auf des Grafen Schild . „ Das , “ sprach er , „ sey zum ewigen Andenken deiner That das Wappen deines Geschlechts , zwei rothe Balken im gelben Schilde ! “
Nun beschenkte er ihn noch mit einem Ringe und mit verschiedenen bei der Stadt Soest gelegenen Reichsgütern . Auch befreite er seine Grafschaft , welche bisher vom Reiche zu Lehn gegangen war , auf ewig von aller Lehnspflicht .
Der alte Huno , seines Gelübdes eingedenk , stiftete das Kloster Rastedt . Den Degen , womit Friedrich den Löwen erlegte , hat man noch viele Jahrhunderte nachher in der Rüstkammer zu Oldenburg sehen können .
Sicher haben die Rastedter Mönche dieß Mährchen erfunden , um , nach der Gewohnheit jener Zeit , ihrem Kloster einen wunderbaren Ursprung zu geben , und sich dadurch zugleich ihrem Schutzvoigt , dem Grafen von Oldenburg , zu empfehlen . Entscheidungen durch Zweikämpfe waren freilich zu der Zeit nicht
ungewöhnlich ; aber die Angeklagten kämpften mit ebenbürtigen Anklägern , und nicht mit Löwen . Auch erwähnen die alten Nachrichten von den zu Goslar gehaltenen Reichstagen gar nichts von einem solchen Zweikampfe . – Aus Hammelmann’s Oldenburgscher Chronik .
Die sieben Trappen . Im Fürstenthum Kalenberg liegt , eine Viertelstunde von dem Dorfe Bente , mitten im Felde eine kleine dreieckige Anhöhe , welche die sieben Trappen heißt . Man steigt zu ihr durch sieben sogenannte Trappen oder Vertiefungen hinan , die sehr stark und nach unten hin immer größer werden . Dicht vor diesen Vertiefungen sind sieben Steine in einer Hecke befindlich , welche ebenfalls vom ersten bis zum siebenten nach unten hin immer größer werden und das Andenken dieser sieben Trappen sichern sollen . Die Gemeinde Bente hat seit undenklichen Zeiten die Verpflichtung , diese Trappen zu erhalten und alle Jahre frisch aufgraben zu lassen , wofür sie seit ebenfalls uralten Zeiten vom Amte in Kalenberg
jährlich einen halben Scheffel Rocken erhielt und noch erhält .
Von diesen sieben Trappen heißt es in der Gegend allgemein , daß es dabei spuke , und jede Nacht ein Poltergeist sich da sehen lasse . Es geht daher Nachts niemand gern vorbei .
Einst , so lautet die Sage , ging ein Ackermann mit seinem Knechte über diese Anhöhe . Das Gespräch kam auf den Lohn , welchen der Knecht noch an seinem Herrn zu fordern habe . Dieser läugnete , jenem noch etwas schuldig zu seyn , jener behauptete dagegen standhaft , daß er noch eine namhafte Summe zu fordern habe . Der Ackermann , ein grundschlechter Patron , vermaß und verschwor sich , daß er ihm nichts mehr schuldig sey , und schloß mit den Worten :
„ Mich soll der Teufel auf der Stelle holen , und ich will , noch ehe ich von dieser Anhöhe herunter bin , vor euren Augen versinken , wenn ich euch noch etwas schuldig bin ! “
In diesem Augenblick betrat er die siebente Trappe , und siehe da , es that sich die Erde unter seinen Füßen auf , der Betrüger sank unter einem fürchterlichen Getöse in den Abgrund , der ihn verschlang . Die Erde schloß sich darauf wieder , und der Knecht ging unbeschädigt und wohlbehalten über sie hin nach Haus .
Ein Mährchen , wie dieses , mag sich zwar lediglich auf Aberglauben gründen , hat aber gewiß unverkennbar guten Einfluß auf die Sittlichkeit des Volkes . Ich erhielt es aus jener Gegend zugeschickt .
Die drei Schwäne . Bei Wimpfen am Neckar giebt es einen kleinen See auf einem Berge , wovon folgende Sage erzählt wird .
Ein Knabe saß einmal am Ufer dieses See ’s und spielte mit Blumen . Er war ganz allein . Oft hatte er schon auf das Wasser hingeschaut und sich einen Kahn gewünscht , mit dem er sich auf der glatten Oberfläche herumfahren könne , aber nur ein Bret lag neben ihm , was er allenfalls zum Schwimmen gebrauchen konnte , sonst nichts .
Jetzt blickte er wieder hin , und siehe , da waren mit einem Male drei schneeweiße Schwäne auf dem See . Mit stolzer Miene segelten sie hin und her , und endlich auf den Knaben zu . Der Knabe war ganz entzückt
über ihren Anblick . Er suchte alle Brotkrumen aus den Taschen hervor , und fütterte sie . Sie schienen ihm so zahm , sie sahen ihn so freundlich an , und kamen so dicht an’s Ufer , daß er sie haschen zu können meinte . Aber immer wichen sie aus , wenn er sich auch noch so tief zu ihnen hin beugte , und die junge Pappel , die er umfaßte , noch so tief hinabzog , um recht weit zu reichen .
Je zahmer sie ihm schienen und je weniger er ihrer habhaft werden konnte , desto höher stieg sein Wunsch , einen wenigstens zu besitzen . Er ergriff daher das Bret neben sich , ließ es vom Ufer hinab , wagte sich darauf , und es trug ihn . Mit einem : Juchhei ! stieß er vom Ufer , gebrauchte die Hände als Ruder , und trieb sich so vorwärts . Die Schwäne waren immer vor ihm , aber er erreichte sie nimmer . Jetzt war er mitten im See . Da überfiel ihn eine Angst und eine Mattigkeit . Er mußte die Arme sinken lassen
und ruhen . Wo er hinsah , war eine große Wasserfläche um ihn her , und er zitterte vor Furcht , wie er wieder an das Ufer kommen solle . Indem hatten sich die drei Schwäne um ihn versammelt , als wollten sie ihn beruhigen . Da vergaß der Knabe die Gefahr , fuhr hastig mit der Hand nach dem schönsten , aber ach ! – das unsichere Fahrzeug schlug um , und er sank hinab in die blaue Fluth .
Als er aus der ersten Betäubung erwachte , sah er sich auf einem Ruhebette in einem prächtigen Schlosse , und vor ihm standen drei wunderschöne Jungfrauen .
„ Wie kamst du hierher ? “ fragte die eine mit holder Miene , und ergriff seine Hand .
„ Ich weiß es selbst nicht , “ sprach er , „ wie mir geschehen ist , aber ich wollte drei weiße Schwäne auf einem Teiche haschen , und fiel dabei ins Wasser . “
„ Willst du bei uns bleiben ? “ sprach eine der Jungfrauen weiter , „ so sollst du uns willkommen seyn . Wisse aber , daß , wenn du erst drei Tage verweiltest , du dann nie wieder in deine Heimath zurückkehren kannst ; denn du würdest dich nicht wieder an die obere Luft gewöhnen können , und sterben müssen . “
Die Freundlichkeit der Schwestern flößte dem Knaben Zutrauen ein . Sein kindliches Gemüth hatte kein Arg , und bald sprang er von seinem Lager auf , und rief fröhlich aus : „ Ich bleibe bei euch ! “
Nun führten ihn die Holden in ihrem großen Feenpallaste herum . Sie zeigten ihm die Pracht und die Schönheiten , mit denen ein Gemach immer reicher als das andere geschmückt war , und nicht satt konnte sich der in Dürftigkeit empor gewachsene Knabe sehen . Das flimmerte , das glänzte ! Da gab ’s Perlen , wie welsche Nüsse ; Diamanten , wie Hühnereier . Das Gold lag in langen Stangen
herum , und mit Silberplatten waren alle Wände , alle Fußböden getäfelt . In den Gärten wuchsen Früchte so köstlich , als er sie noch nie gesehen . Aepfel , wie ein Kinderkopf ; Pflaumen , wie ein Straußenei ; Kirschen , wie eine Billardkugel ; Trauben , wie sie einst Josua trug , und dergleichen mehr , alles mit den schönsten Farben geschmückt .
Der Knabe hatte oft vom Paradiese gelesen . „ Das , “ sagte er , „ ist ’s gewiß , hier gefällt’s mir ! “
Wochen und Monate verschwanden ihm , und er gewahrte es nicht ; denn immer neue Gegenstände reizten seine Aufmerksamkeit und beschäftigten seine Sinne . Besonders oft hielt er sich unter den mit Früchten prangenden Bäumen auf , und naschte . Der Heimath gedachte er gar nicht .
Endlich aber , es mochte wohl ein Jahr verflossen seyn , da ergriff ihn mit einem Mal eine unwiderstehliche Sehnsucht nach seinem
Dörfchen . Nichts gefiel ihm , nichts schmeckte ihm mehr . Aber eingedenk der Worte : von hier nie wieder zurückkehren zu können , verbarg er den geheimen Kummer in seinem Innern , und nur wenn das dicke Gebüsch der Gärten ihn umgab , dann weinte er bitterlich . Sahen ihn die drei Schwestern , so zwang er sich , freundlich zu seyn , aber die Spuren des Kummers auf seinem Gesichte , die bleichen Wangen , die roth geweinten Augen , die konnte er nicht verbergen , und sie verriethen endlich den Streit in seinem Innern . Zutraulich fragten sie ihn oft , was ihm fehle , aber er verschwieg immer den wahren Grund , und suchte durch allerlei Entschuldigungen und Vorgeben von Kränklichkeit sie zu täuschen .
Einst lag er beim Untergang der Sonne auf weichem Rasen an einem Bache hingestreckt . Die ganze Natur um ihn her war so reizend , so üppig , so schwelgerisch . Alles
ladete zur Freude und zum Genuß ein . Wohlgerüche erfüllten die Luft . Ihr Abendlied sangen die Vögel , und auf der Wiese vor ihm schäkerte im bunten Gemisch ein Häufchen fröhlicher Arbeiter . Da trat das Bild seiner Heimath , seines lieben Dörfchens , der Kreis seiner Gespielen , seine Mutter , wie sie um ihn weine , lebhaft vor seine Phantasie , und laut schluchzte er auf , und bitterlich weinte der gute Knabe . Das Gefühl seiner unglücklichen Lage bei all’ der Fülle von Ueberfluß und Reichthum , von Genüssen jeder Gattung , war nie so lebhaft in ihm rege geworden . Mit beiden Händen verhüllte er sein Gesicht , und barg es im hohen Grase . Reichliche Thränen befeuchteten die Erde unter ihm , und laut jammerte und weinte er .
In diesem Zustande der höchsten Anspannung und Reizbarkeit hörte er seinen Namen nennen . Er fuhr auf , und siehe , da stand vor ihm ein altes buckliches Weib , häßlich
und widrig . Braun und in tiefen Falten gelegt war ihr Gesicht , rothbraun die lange Nase , triefend die Augen , und an einem dicken Stabe hielt sie ihren morschen und vertrockneten Körper aufrecht .
Nie hatte der Knabe eine so scheusliche Menschengestalt gesehen . Kalt überlief es ihn . Er wollte um Hülfe schreien , er wollte fortlaufen , aber er konnte nicht .
„ Was willst du ? “ fragte er endlich mit zitternder Stimme .
„ Hi hi hi ! “ grinste das Scheusal , „ wenn du lieber Junge mir versprichst , mich zu heirathen , so will ich dich auch in deine Heimath zurückbringen . “
„ Fort , du Ungeheuer ! “ erwiederte der Knabe voll Ingrimm , „ fort ! Nimmer verlasse ich meine Wohlthäterinnen ohne ihren Willen , und lieber will ich sterben und meine Heimath nie wieder sehen , als dir häßlichem Geschöpfe folgen ! “
Kaum hatte er die letzten Worte ausgesprochen , so zerfloß die häßliche Figur in Nebel , und vor ihm standen die drei Schwestern .
Er staunte sie sprachlos an . Da sprach die Eine :
„ Weil du so redlich gegen uns denkst , so soll dir dein geheimer Wunsch gewährt seyn . Du sollst zu den Deinigen zurückkehren . “
Freude und Dankbarkeit machten den Knaben stumm . Er weinte , daß er gehen durfte ; er weinte , daß er seine Wohlthäterinnen verlassen sollte . Er wollte gern fort , und wollte doch nun auch gern bleiben . Er konnte nichts , als weinen . Unruhig wälzte er sich auf seinem Lager herum , und erst spät in der Nacht schlief er ein .
Als er am andern Morgen erwachte , lag er am Ufer des wohlbekannten See ’s . Er blickte auf , sah die drei Schwäne , streckte seine Arme nach ihnen aus , sie nickten ihm freundlich zu , tauchten unter , und nie sah er sie wieder .
Im Dörfchen war Freude und Erstaunen über sein Wiedererscheinen . Alles versammelte sich um ihn her , hörte mit weit aufgesperrtem Munde zu , was der Knabe erzählte , aber niemand glaubte ihm ein Wort .
Nach der ersten Freude , seine Heimath wieder gesehen zu haben , fand sich aber wieder eine leise Sehnsucht nach dem unbekannten Lande ein . Sie wuchs mit jedem Tage . Umsonst lief er oft zum See , die Schwäne erschienen nicht wieder . Er weinte von neuem , er härmte sich ab , nirgends fand er Ruhe . Immer seufzte er nach jenen paradiesischen Gefilden , und immer vergebens . Da bleichten seine Wangen ab . Langsam schlich er noch um den See , setzte sich ermattet an das Ufer , entschlummerte , und nie erwachte er wieder .
Badensche Wochenschrift von 1807 .
Der Ottiliensberg bei Freiburg . Im Elsaß lebte einmal ein Graf von Hohenburg . Reich war er , sehr reich , hatte viele Schlösser und Wälder und Knappen , und auch eine schöne Hausfrau . Alles , was sein Herz wünschte , besaß er , oder konnte er erlangen . Nur , was sich nicht mit Gelde erhandeln läßt , eigene Kinder , die hatte er nicht . Er betete oft in der Kapelle seiner Burg : Gott möchte seinen Wunsch erhören – denn auch ein frommer gottesfürchtiger Mann war er – , aber es vergingen wohl zehn der Ehejahre , und noch wiegte er keinen Erben seiner schönen Länder auf dem Schooße . Da verzweifelte er ganz daran , je einen zu sehen . Aber , unverhofft kommt oft ! Im eilften Jahre gebahr ihm sein
Weib ein Mägdlein . So groß indessen die Freude vor der Geburt war , so groß war das Leid nach der Geburt ; denn das neugeborne Mägdlein kam blind zur Welt .
Vater und Mutter jammerten , jedes für sich im Stillen , über dieß traurige Schicksal , härmten sich ab und grämten sich , daß ihre Freude so grausam verbittert worden . Doch , die Zeit , die alles lindert , alles ebnet , machte ihnen das Unglück zur Gewohnheit , und sie hatten das Töchterchen , das das einzige Kind blieb , recht herzlich lieb . Es wuchs gesund und schlank heran , und wurde ein recht feines und gutes Mädchen .
Ottilie , so hieß sie , war ungefähr vierzehn Jahre alt , als sie – durch welchen Zufall , weiß man nicht – plötzlich das Augenlicht erhielt . Die Freude der Eltern darüber war grenzenlos . Große Pläne machten sie nun für Ottiliens künftiges Schicksal , suchten sich unter den benachbarten Edeln und
Rittern des Landes einen stattlichen Schwiegersohn aus , oder setzten sie gar schon an die Seite eines Rheinfürsten .
Nicht so Ottilie . Ihr früher Zustand hatte ihr einen Hang zur Schwärmerei , zum Religiösen gegeben , und einen ewigen Bund mit dem Himmel zu schließen , war ihr fester Entschluß . In der Erlangung ihres Gesichts gewahrte sie einen Fingerzeig Gottes , ihrem Vorsatze getreu bleiben zu müssen , und der stand denn auch felsenfest .
Da begab es sich , daß ein reicher Ritter des Gaues das schöne Fräulein lieb gewann . Oft sprach er bei den Eltern ein , um Ottilien näher kennen zu lernen , aber immer wußte diese sich unter irgend einem Vorwande zu entfernen . Das gefiel zwar Anfangs dem Ritter , er hielt es für jungfräuliche Züchtigkeit , aber den Eltern gefiel es nicht . Sie hatten schon längst gemerkt , daß Ottilie geneigter sey , sich mit dem Himmel , als mit
einem Ritter zu vermählen , und das wurde ihnen jetzt ganz klar . Sie hofften indessen , daß sich das geben werde , und als daher der Ritter ihnen einen förmlichen Antrag um die schöne Ottilie machte , so erhielt er ein fröhliches Jawort , ohne daß die Hauptperson weiter befragt worden wäre .
Ottilie hatte eben ihr Abendgebet verrichtet , war frommen Herzens aus der Burgkapelle in ihr Kämmerlein zurückgekehrt , und drehte schon wieder züchtiglich die Spindel , als die Eltern zu ihr hereintraten . Mit freudiger Gebehrde verkündigten sie , was geschehen sey , erzählten , daß der Ritter ihrer harre , und sie nun , als seine Verlobte , ihn begrüßen solle .
Da erhob sich die erschrockene Tochter von ihrem Sitze , schlug ein Kreuz , und sprach :
„ Ich bin schon eine Braut des Himmels , und kann nie eines Mannes Gattin werden . Dieß schwöre ich bei dem Heile meiner Seele ! “
Da erzürnte sich der Vater und wurde heftig . Die Mutter weinte . Aber weder Bitten noch Drohungen halfen . Ottilie blieb fest entschlossen , blieb standhaft , und erklärte nochmals , daß sie eher den Tod suchen , als in den Willen ihrer Eltern sich je ergeben werde . Da schwur der erzürnte Vater , diesen Starrsinn zu brechen . Er deutete Ottilien an , sich morgen zur Hochzeit zu bereiten , und verließ sie im vollen Zorn .
Die arme Ottilie weinte . Ihrem Vorsatze getreu zu bleiben , war sie fest entschlossen , aber sie wußte auch , daß der Vater auf seinem Verlangen eben so fest beharren werde . Was nun machen ! – Die halbe Nacht verbrachte sie mit Ueberlegungen . Bald wollte sie das , bald jenes , und immer kam kein Entschluß zur Reife . Als aber die Hähne den grauen Morgen zu verkünden begannen , da entschloß sie sich plötzlich , aus dem väterlichen Hause zu fliehen . Sie nahm das Köstlichste
ihrer Habseligkeiten mit , schlich aus der hoch gelegenen Burg , und eilte nun schleunig und auf gut Glück fort .
Als am Morgen in der Burg des Ritters schon alles wach und mit den Anstalten zum Hochzeitfeste beschäftigt war , da fehlte noch immer Ottilie . Und als sie noch immer fehlte , wie die Sonne schon hoch heraufgerückt war , da ging der Vater auf ihre Kammer , sie zu holen . Aber leer war es , das kleine Kämmerlein . Man suchte und suchte , man störte die ganze weitläufige Burg aus , aber nirgends war das Fräulein zu finden , auch nicht im Burggarten . Da wurde es allen glaubhaft , daß sie entflohen sey . Der Ritter ließ nun alle seine Mannen aufbieten , die Entflohene zu suchen . Alles setzte sich zu Pferde , und eilte nach allen Weltgegenden . Auch der Vater und der Bräutigam ritten aus , und nahmen ihren Weg nach der Stadt Offenburg im Breisgau zu .
Schon begann der Tag sich zu neigen , als sie bei dieser Stadt einen Berg hinaufritten . Sie wollten von da die Gegend überschauen , und dann in Offenburg zu Nacht bleiben . Da hörten sie plötzlich einen lauten Schrei , und , als sie aufblickten , sahen sie Ottilien oben auf des Berges Spitze stehen . Im Hui sprengten sie hinan , frohlockend , der Beute gewiß zu seyn .
Ottilie weinte , hob die Hände gen Himmel , und bat die lieben Engelein um Hülfe und Rettung . Da schützte der Himmel seine Braut . Unter ihren Füßen öffnete sich der rauhe Fels , und vor den Augen des Vaters und des Bräutigams sank Ottilie in die Tiefe hinab . Der Fels schloß sich , und eine lautere Quelle lief aus einer kleinen Oeffnung hervor .
Weinend und trostlos kehrte der Vater heim , und nie sah er seine Ottilie wieder .
Das Wunder ward bald bekannt im ganzen Lande . Man wallfahrtete nach der Stelle , trank von dem hellen Wasser , das sehr stärkend für schwache Augen war , und ein Einsiedler baute nicht weit davon sich eine Wohnung hin . Lange , lange pilgerte man nach dem Ottilienberge , der noch jetzt diesen Namen führt .
Streifereien in einige Gegenden Deutschlands ( von Klinger ) . – Mad. Naubert , in den neuen Volksmährchen der Deutschen 1r Bd. Lpz. 1789 . 8. , hat diese Sage von S. 276 bis 361 romantisch bearbeitet .
Der Burggeist auf Scharzfeld . Auf einem hohen Vorberge des Harzes , unfern Osterode , liegen die Ruinen der Burg Scharzfeld . Da hat vor ungefähr sechzig Jahren noch ein hoher runder Thurm ganz vorn auf der Ecke gestanden , der hatte kein Dach , und konnte auch keins darauf gesetzt werden . Denn wenn sie auch am Tage daran bauen wollten , so nahm es der Burggeist des Nachts wieder weg , und warf alles tief in den Abgrund .
Es war nämlich in der Burg eine große Schandthat verübt worden vom Kaiser Heinrich , den man den Vierten nennt , und dafür sollte das die Rache des Burggeistes seyn , daß er , zum ewigen Schimpf der Burg , kein Dach auf dem Thurme litt .
Der Kaiser sah in Goslar die Frau des Burgherrn , der hieß von der Helden , und war gesetzt über seine Bergwerke auf dem Harze . Die gefiel ihm und die wollte er zu seinem Willen haben . Da schickte er den Mann weg , gab ihm eine Verrichtung , daß er sich weit entfernen mußte ; und wie er nun ausgeforscht , daß die schöne Frau allein auf der Burg sey , ritt er bei einem gräßlichen Unwetter um die Burg herum , that , als jage er Wild , und wie denn das Wetter gar zu arg ward , und lauter Feuerflammen am Himmel hin und her zischten , da sprengte er rasch auf die Burg , als wolle er hier Schutz suchen . Die junge schmucke Frau kam denn gar ehrbarlich dem Heinrich entgegen , verneigte sich züchtiglich , kein Arg habend , und that Küch ’ und Keller auf , das Oberhaupt des Reichs geziemend zu bewirthen . Aber nachdem er Speis ’ und Trank genossen , begehrte der Kaiser mehr und immer mehr , und
da hat er denn auch endlich genommen , was er begehrte . Gar unchristlich war das vom Kaiser , und schlecht von dem Pfaffen aus Pöhlde , der ihm beistand und zwingen half . Beide dachten , sie hätten’s gar heimlich getrieben , aber kaum war Heinrich des andern Tages von dannen gezogen , da ging der Spuk los . Der Burggeist war’s der’s verrieth . Schon viele Jahrhunderte lang hatte der auf Scharzfeld sein Wesen getrieben , ließ sich bald da , bald dort hören , besonders im runden Thurme ; aber da er kein Böses that , so war man seiner gewohnt , und ließ ihn poltern . Der erhob jetzt ein schreckliches Geheul und Gebell , tobte in allen Kammern und Gemächern , und rüttelte die Burg bis in ihre Grundfeste . Da schlug das Hofgesinde Kreuz auf Kreuz , und die verführte Burgfrau sank auf ihr Angesicht , betend und weinend . Aber der Burggeist war nicht böse . Er wollte nicht züchtigen , er wollte
nur weg von seinem alten Sitze , wo solche Schandthat verübt worden . Drob erhob er sich im runden Thurme , fuhr unter Krachen und Schmettern aufwärts , nahm das Dach mit , stürzte es in die Tiefe , schwebte über Scharzfeld , und schrie laut : daß der Pfaffe mehr als der Kaiser an der That schuld sey ! und verschwand .
Seit der Zeit hat kein Dach wieder auf dem Thurme fest sitzen wollen ; denn wenn auch eins darauf gesetzt war , so ist der Burggeist immer wieder gekommen und hat es heruntergerissen . Der Pfaffe aber ging sein Lebelang verstört umher , und kam nie wieder zu einem heitern Gesicht .
Das alles ist geschehen , als man schrieb Eintausend , einhundert und zehn nach Christi Geburt .
Honemann’s Alterthümer des Harzes . Behrens , Hercynia curiosa , S. 196 .
Meine Ritterburgen Deutschlands , 1r Bd. S. 51. Büsching’s Volkssagen , 2e Abth. S. 341 . – Daß Kaiser Heinrich IV. ein höchst wollüstiger Mensch war , ist bekannt . Ganz vorzüglich beurkundet es aber ein Zug aus der Geschichte seiner Kriege zur Unterdrückung der Thüringer . Als er sich nämlich im Laufe derselben zu Goslar in einer sehr bedrängten Lage befand , und deshalb den Fürsten , die sich gegen ihn verbunden hatten , Neigung zur Versöhnung zeigte , da machten diese unter andern auch die Bedingung , daß er seine vielen Mätressen abschaffen solle . Das Abenteuer auf der Burg Scharzfeld ist daher nicht unwahrscheinlich , und vielleicht mischte das Volk nur deshalb eine wunderbare Theilnahme des Burggeistes hinzu , um diese Begebenheit , als einen sprechenden Charakterzug ihres Kaisers , der Nachwelt desto sicherer aufzubewahren .
Der Schwan im Frauenberge . Bei Sondershausen , im Fürstenthume Schwarzburg , liegt gegen Abend ein hoher Berg , der Frauenberg genannt . Hier stand in den Zeiten des grauesten Alterthums das Bild der Göttin Jecha , in welchem die Thüringer ihre Diana verehrten . Sie wallfahrteten fleißig zu ihr auf den Gipfel des Berges , den damals dunkle heilige Haine bedeckten , und opferten reichliche Gaben an Wildpret und Geflügel . Am häufigsten geschah dieß zur Zeit des heutigen Osterfestes , wo der lieben Frau , so nannte man sie , unbeschreiblich viele Opfer dargebracht wurden . Mit Bonifaz Erscheinen verschwand aber ihr Bild und an die Stelle trat die Mutter Maria , der Bonifaz auf dem Berge einen Tempel
erbauen ließ . Auch zu diesem wallfahrtet man , auch ihr brachte man reichliche Opfer .
Die Zeit hat jetzt jede Spur dieses Tempels verwischt , und der heilige Hain ist nicht mehr , aber das Volk besteigt noch immer am dritten Ostertage den Berg in großen Schaaren . Warum ? das weiß es wohl selbst nicht , es ist einmal so der Gebrauch . Man geht hin , es regne oder schneie , ergötzt sich an der schönen Aussicht , und nimmt von den kleinen Schraubenschnecken , die nur an diesem Berge leben , einige als Wahrzeichen mit zurück .
Das Mährchen vom Schwan im Frauenberge , das erzählt bei dieser Wallfahrt aber gewiß manches Mütterchen dem zarten Kinde , wenn es am Fuße des Berges im Dorfe Jechaburg an dem krystallhellen Brunnen sich erquickt .
„ Siehst du das helle Wässerchen ? siehst du , wie es aus dem Innern des Berges hervorquillt ? weißt du , wo es herkommt ? –
Ich will dir’s erzählen . Der Berg , vor dem wir da stehen , ist ganz hohl . Horch , wie dumpf es klingt , wenn ich mit dem Fuße stampfe ! Sieh , in dem hohlen Berge ist ein großer , großer See . Ueber dem See spannt sich ein lieblich blauer Himmelsbogen aus , der ist mit vielen schönen funkelnden Sternen besäet , die flimmern und glänzen gar herrlich in dem See . Auf der ruhigen Wasserfläche rudert seit Anbeginn der Welt in ewigen Kreisen ein silberweißer Schwan , der lebt vom Ausfluß des Glanzes der Sterne , und hält im Schnabel einen güldenen prächtigen Ring . Als der liebe Gott die Erde schuf , da gab er ihm selbst den Ring in den Schnabel , damit er die Welt im Gleichgewicht erhielte . Wenn einmal der Schwan den Ring fallen läßt , dann geht die Erde unter , dann ist das Ende der Welt . Merke es dir , dann ist das Ende der Welt . “
Die Entstehung dieser lieblichen Dichtung , die mir von einem Freunde solcher Volksmythen in Sondershausen mitgetheilt ist , soll , seiner Meinung nach , folgende seyn : Als die Jechaburg , welche neben den Tempel der Maria nach Bonifaz Zeiten erbaut ward , im Jahre 933 durch die Hunnen belagert und erobert wurde , hatten die Mönche des Klosters während der Belagerung viele kostbare Schätze auf dem Berge verscharrt . Um nun zu verhindern , daß auf der zerstörten Stätte nicht nach Schätzen , die hier befindlich seyn könnten , gegraben und ihr Verscharrtes gefunden werden möchte , brachten sie das Mährchen vom silberweißen Schwan unter’s Volk , und sagten ; es sey sehr gefährlich , auf dem Berge starke Erschütterungen vorzunehmen , zu hacken , oder zu graben ; denn man könne leicht die dünne Oberfläche des Berges durchhauen , der Schwan werde durch das
Eindringen des Tageslichts erschrecken , den Ring fallen lassen , und dann gehe die Welt unter . Das gutmüthige Volk glaubte es , nicht erwägend , daß ja die Burg ohne solche Erschütterungen weder erbaut , noch zerstört werden konnte .
Der Klingel . In dem schönen Thale der Murg , im Badenschen , liegt eine Viertelstunde über dem Orte Gernsbach eine Kapelle , der Klingel oder finstere Klingel genannt , die lebhaft an Tell’s Kapelle am Vierwaldstädter See erinnert .
Nach einer alten Volkssage war ehedem nicht fern davon die Klause eines Einsiedlers . Oft wurde er da im Traume durch ein wunderbar klingendes Bild überrascht , das immer von einer Stelle her zu ihm hin zu schallen schien . Erwachte er , so erhellte jedes Mal ein heiliger Schimmer seine Klause . Begierig , den Grund dieser Erscheinung zu erforschen , spähte er einst im Dickicht des Waldes nach , und siehe , da fand er – das
Bild der heiligen Jungfrau mit dem Jesuskinde . Das war ihm ein Wink des Höchsten , die Stelle mit einem Denkmal für eine ferne Nachwelt zu bezeichnen , und da baute er diese Kapelle .
Von frommen Pilgern ward sie zur Stunde besucht , und noch jetzt wandelt man fleißig hin ; denn der wunderthätige Fund ist noch darin zu sehen .
Vor 150 Jahren war hier auch noch eine Einsiedelei , von einem Waldbruder bewohnt .
Klüber , Beschreibung von Baden , 1810 . 2r Th. S. 131.
Die Teufelsschlacht im Goslar’schen Dom . Kaiser Heinrich IV. hatte seinen Geburtsort , die vormalige Reichsstadt Goslar am Harze , ungemein lieb , hielt sich fast immer da auf , und wendete viel auf ihre Erweiterung und Verschönerung . Die hohen Festtage , besonders das Weihnachtsfest , feierte er gemeiniglich da , und das recht prunkvoll . Auch ladete er dazu immer einige Erzbischöfe und Bischöfe ein , um den Glanz des Festes zu erhöhen .
Im Jahre 1063 war er auch zur Feier des Christfestes da . Sie sollte im Dom , der noch jetzt steht , geschehen . Es wurden daher Tags zuvor die erforderlichen Anstalten und Vorbereitungen getroffen , und auch Stühle für die hohen Anwesenden hingestellt . Da
entstand zwischen den Kämmerlingen des Bischofs von Hildesheim und des Fürstabts von Fulda – beide geistliche Herren waren vom Kaiser zum Feste eingeladen – ein Rangstreit wegen des Vorsitzes . Einer auf altes Herkommen gegründeten Gewohnheit nach , saßen die Aebte von Fulda , bei Versammlungen der Bischöfe , immer zunächst dem Erzbischofe von Mainz . Sie verwalteten bei der Kaiserin das Amt eines Erzkanzlers , was die Erzbischöfe von Mainz beim Kaiser bekleideten , und aus diesem Grunde behaupteten sie den Sitz neben dem Mainzer . Der Bischof von Hildesheim meinte dagegen : in seinem Kirchsprengel könne ihm nur der Erzbischof , sonst niemand , vorsitzen . Da nun keiner ihrer Diener seinem Herrn etwas vergeben , und keiner gutwillig weichen wollte , so kam ’s in der Kirche von Worten zu Thätlichkeiten , denen nur durch das Ansehn des Herzogs Otto von Baiern , der zugegen und Fuldaisch
gesinnt war , gesteuert und der Streit zu Gunsten des Abts von Fulda für das Mal beigelegt wurde .
An dem darauf folgenden Pfingstfeste erhob sich aber der Zank von neuem , und viel heftiger . Der Kaiser war wieder in Goslar , das Fest sollte ebenfalls solenn gefeiert werden , und zu dem Ende waren jene beiden geistlichen Herren auch wieder zugegen . Der Hildesheimer , den der Schimpf von Weihnachten her noch bitter wurmte , war entschlossen , jetzt alles zu wagen , um den Rang über den Fuldaer zu behaupten . Zu dem Ende hatte er den Markgrafen Eckbert von Sachsen mit vielen Kriegsknechten heimlich hinter den Altar in der Domkirche versteckt , die ihm zur gehörigen Zeit zu Hülfe kommen sollten .
Als nun der Kaiser mit den Bischöfen und seinem Gefolge im Gotteshause angekommen war , so erhob sich der Streit wegen des Vorsitzes augenblicklich . Und so wie der
Wortwechsel recht im Gange war , so stürzten jene Verborgenen aus ihrem Hinterhalte hervor , und prügelten mit den Fäusten und Knüppeln die Fuldaische Partei bald aus der Kirche .
Diese , aufs höchste gereizt , verschaffte sich schnell in der Stadt vielen Anhang , bewaffnete sich mit Gewehren , und stürmte nun haufenweis in den Dom , wo der Gottesdienst im Gange und von den Domherren eben der Chorgesang angestimmt war . Nicht mit Fäusten , sondern mit entblößten Schwertern , ging sie auf die Hildesheimische Partei los . Das Gemetzel war schrecklich . Der Altar war mit Leichen bedeckt , und das Blut floß über die steinerne Treppe bis auf die Straße .
Der Bischof von Hildesheim hatte die Kanzel gewonnen , von wo er die Seinigen zur Tapferkeit ermahnte , und sich anheischig machte , das Blutbad , trotz der Heiligkeit
des Orts , wo es vorfiele , bei demjenigen zu verantworten , dessen Gesandter und Hirt er wäre . Das wirkte . Die Hildesheimer fochten wie die Löwen . Der schwache Kaiser gab sich zwar alle Mühe , durch Zurufen und Aufbieten seines ganzen Ansehns dem Tumulte Einhalt zu thun , aber umsonst . Kein Mensch hörte darauf , und er war froh , als er sich mit heiler Haut durch das Volk gedrängt und in seinen Pallast geflüchtet hatte .
Die Hildesheimer blieben Sieger . Sie schlugen die Fuldaer zum Tempel hinaus , und verrammelten die Thüren .
Unter den Metzlern und Zuschauern – so lautet nun die Sage – befand sich auch der Teufel . Er schlug wacker mit drein , und als der Sieg entschieden war , schwang er sich sichtbar empor , fuhr durch ein Loch des Kirchengewölbes in die Höhe , und rief den Goslarern mit Hohngelächter zu :
„ Hunc diem bellicosum feci ! “
Das Loch , wodurch er fuhr , hat nie können zugemauert werden , so oft man es auch versuchte . Immer fielen Kalk und Steine wieder heraus , und viele Jahrhunderte hindurch blieb es offen ; denn alles Verstopfen half nichts . Endlich ließ es der Herzog Anton Ulrich von Braunschweig , um das ärgerliche Andenken an diese Begebenheit zu vertilgen , zumauern , und , da eine Bibel als Stein mit eingesetzt wurde , so stand das Gemauerte , und steht noch .
Daß diese blutige Scene wirklich so , wie sie hier erzählt ist , unter des schwachen Heinrichs Regierung im Dom zu Goslar vorfiel , ist außer Zweifel . Es blieben nicht nur eine große Menge auf der Stelle und um die Kirche her , sondern viele , die sich in die abgelegensten Winkel der Kirche bis unter das Dach flüchteten , mußten hier , da das Gemetzel
drei ganzer Tage dauerte , des schmählichsten Hungertodes sterben , indem es keiner hervorzukommen wagen durfte . Als man im Anfange des vorigen Jahrhunderts das bleierne Dach von dem Dome nahm , fand man drei Menschengerippe unter den Dachsparren in einer gekrümmten Stellung ; wahrscheinlich Unglückliche , welche sich in jenen Tagen hierher geflüchtet hatten . Die große Krone von Metall , welche noch jetzt im Goslar’schen Dom hängt , ist auch noch ein Andenken an diese schreckliche Scene . Der Kaiser verurtheilte nämlich den Abt von Fulda , sie zur Strafe hierher zu schenken . Dieser gestrafte Prälat scheint eigentlich der weniger Schuldige zu seyn , aber der Kaiser war noch ein Kind , den seine Umgebungen nach Willkür lenkten . Den Teufel bei der Sache thätig vorzustellen , hatte die Geistlichkeit wohl ihre Gründe . Sie mochte fühlen , welch’ ein Schandflecken es für sie sey , überhaupt einen
solchen Streit , und vorzüglich an einem Gott geweihten Orte , geführt zu haben , und da konnte sie sich denn freilich nicht besser von aller Schuld reinigen , als wenn sie erklärte : Der Böse war unter uns , hat uns durch seine teuflischen Künste verblendet , berückt , und wir mußten handeln , wie er es haben wollte . – Honemann , Alterthümer des Harzes , 1754 . 4.
Der Mäusethurm . Wer die reizenden Gegenden des Rheins von Mainz bis Koblenz durchwanderte , oder auf den klaren Fluthen des alten deutschen Stroms die großen Bilder einer großen Natur vor dem trunkenen Auge magisch vorüberziehen ließ , dem zaubert auch gewiß die Erinnerung das Bild des alten wankenden Thurms herbei , dessen Namen er hier als Ueberschrift liest ; sieht ihn wieder vor sich , wie er auf der kleinen Insel unter Bingen , nahe dem linken Ufer , dem Rhein entsteigt , und hört noch den geschwätzigen Schiffer , der ihm mit ernster Miene die seltsame Mähre des Thurms erzählte , und schaudernd , ob des schrecklichen Beispiels von bestrafter Pfaffengrausamkeit alter Zeiten , ein „ Gott sey bei uns ! “ ausrief .
Es war nämlich im Jahre nach Christi Geburt 968 , als Hatto II. , der Ostfranken Herzog , mit dem Beinamen Bonosus , Abt zu Fulda , ein Mann von großer Klugheit und überhaupt glänzenden Geistesgaben , zum Erzbischof von Mainz erwählt ward . Er war aber ein hartherziger Mann , und dem Geize sehr ergeben , häufte daher Schätze auf Schätze , und verwahrte sie sorgfältig .
Während seiner Regierung geschah es nun , daß zu Mainz und in der umliegenden Gegend eine so große Hungersnoth eintrat , daß die Armen , aus Mangel an Lebensmitteln ihr Leben nicht mehr zu fristen vermögend , dahin starben . Ein großer Haufe drang vor Hatto’s Schloß , und bestürmte ihn mit flehentlichen Bitten um Linderung ihrer Noth .
Der hartherzige Mann verweigerte es ihnen , und schalt sie , daß sie müßiges schlechtes Volk wären , und nicht arbeiten wollten . Die
Armen wurden ungestümer , und forderten mit furchtbarer Stimme Brot . Da ließ Hatto eine große Anzahl Hungriger , unter dem Scheine , als sollten Früchte und Lebensmittel unter sie ausgetheilt werden , in einige Kornhäuser sich sammeln , ließ sie dann zuschließen und in Brand stecken , so daß alle den elenden Tod in den Flammen starben ; und während der Unglücklichen Klagegeschrei aus dem Feuer himmelan stieg , rief er mit ruchloser Fühllosigkeit den Mithelfern des Verbrechens zu : „ Hört ihr , wie die Mäuse pfeifen ! “ –
Aber es schwieg nicht bei dieser Gräuelthat die Rache des Himmels , die einen wunderbaren und noch nie erhörten Tod über Hatto verhängte . Es entstand nämlich und stürzte aus der Asche der erbärmlich Verbrannten ein solches Heer Mäuse auf ihn zu , daß , wohin er sich auch wenden mochte , diese Thiere mit Bissen ihn verfolgten . Flüchtete er sich auf
die steilsten und höchsten Oerter , – an den Wänden hinauf kletterten sie ihm nach . Schloß er sich noch so eng ein , so drangen sie durch die kleinsten Ritzen , stürmten in überschwenglicher Menge auf ihn los , und bissen , zerfleischten und zernagten ihn . Und so groß war ihr Ungestüm , daß , je heftiger man sie abzutreiben suchte , mit desto stärkerer und erneuerter Wuth sie auf ihn los gingen , – ja , wo sie an Wänden und Tapeten seinen Namen fanden , den nagten sie weg .
Als sich nun der Bischof in dieser jämmerlichen Lage zu Lande nirgends sicher sahe , da suchte er im Wasser Hülfe . Er ließ deshalb schleunig einen Thurm in den Rhein bauen , und floh in einem Nachen dahin . Durch doppeltes Bollwerk sich sicher während , hoffte er , der reißende Strom werde den Mäusen den Zugang zu ihm verwehren , und er so vor ihrer Wuth gerettet seyn . Allein auch hier entging
er der göttlichen Rache nicht . Die Mäuse schwammen in so ungeheurer Anzahl über den Strom , daß sie , obgleich eine Menge ersoff , dennoch Tausende am Thurme anlangten . Nun kletterten sie an den Mauern hinauf , drangen überall ein , dem Bischofe nach , und zerfleischten ihn so , daß er endlich des jämmerlichsten Todes sterben mußte .
Schauerlich genug ist diese Sage , aber ohne allen historischen Grund . Hatto ’s Thurm , oder der Mäusethurm , ist eine Warte , wahrscheinlich errichtet , die Schiffenden vor der Gefahr das nahen Bingerlochs zu warnen , oder auch zur Erhebung des Rheinzolles . Hatto war der Freund und Rathgeber Kaiser Otto’s , und streng gegen die Mönche , die von der Zucht abwichen ; auch mochte er dem Müßiggange nicht hold seyn , und so ersann man das Mährchen seines Todes , welches
schon Trithenius in seiner Hirschauischen Chronik S. 35 widerlegt .
Merkwürdig ist es , daß es eine beinahe gleichzeitige polnische Sage giebt , die mit dieser große Aehnlichkeit hat . Als eine nicht deutsche bleibt sie von dieser Sammlung ausgeschlossen , man kann sie aber im 42sten Stück des Morgenblattes von 1812 nachlesen . – Schreiber’s Taschenbuch für Reisende am Rhein , 1812 . 8. S. 286. Morgenblatt , 1812 . 42s St. Denkwürdiger rheinischer Antiquarius , Frankfurt 1744. S. 587 . – Eine poetische Bearbeitung dieser Sage hat Langbein in seinen neuen Gedichten , Tübingen 1812 . 8. S. 21 , geliefert .
Herr Nickert und der Saaltanz bei Großwirschleben . Jeder Fluß wird von einem geistigen Wesen beherrscht . Dieß war für unsere Ahnherren eine ausgemachte Wahrheit , wovon sie sich täglich überzeugt fühlten ; denn sie empfanden ja den Einfluß eines solchen Wassergottes von guten und von bösen Seiten , sie sahen ihn auch wohl .
Der Flußgott der Saale ist Nickert . Bei Bernburg ist ein kleines Hölzchen , das jetzt der Prinzenwerder heißt , da hat er nicht weit davon in unergründlicher Tiefe seine Wohnung . Er ist zwar ein gutartiges Wesen , übt aber doch gern Schabernack aus . Fährt ein Kahn Strom auf oder ab , worin ein Leichtsinke mit sitzt , so dreht er den
Kahn im Kreise herum , und dann haben die Schiffer alle Mühe , ihn wieder in den Gang zu bringen . Bei ungewöhnlichen Gelegenheiten läßt er sich sehen , und badet sich sichtbar . In den Jahren 1805 und 1806 hat er sich sogar noch sehen lassen . Er steckte da den Kopf aus dem Wasser , und plätscherte mit den Händen .
Wenn ein Mensch in den Fluß gestürzt ist , so ist er sehr geschäftig , ihn zu retten , und wehe dem Fischer , der alsdann nicht gleich bei der Hand ist und Hülfe leistet . Der hat gewiß jedes Mal , wenn er angelt , statt eines Aals , einen Frosch an der Nachtschnur .
Dem Nickert zu Ehren , und zum Vergnügen , hält das junge Volk von Großwirschleben Ein Dorf bei Bernburg . jährlich einen Tanz , welchen man den Saaltanz nennt .
An der ersten Mittewoche nach Pfingsten ( die Knoblauchsmittewoche genannt ) werden nämlich die öffentlichen Brunnen gereinigt . Ist diese schmutzige Arbeit vollbracht , so zieht alles an die Saale , und reinigt und wäscht sich an einer seichten Stelle . Dabei geht es mitunter sehr lustig zu . Man treibt muthwillige Streiche , bespritzt sich , und kein Zuschauer kommt unbenetzt durch , wofür die losen Dirnen noch obendrein eine Belohnung verlangen . Wer sich nun in die Gewohnheit fügt , mit lustig ist und die Wasserweihe hinnimmt , der darf hinterdrein auch am Tanze Theil nehmen . Denn kaum ist die allgemeine Reinigung vollbracht , so erhebt sich die Dorfmusik . Alles kleidet sich trocken und reinlich an , und nun gehts Paarweise auf den Gemeineplatz . Hier wird von der Jugend getanzt und vom Alter zugeschaut bis zum Untergang der Sonne , wo das Fest ein Ende hat .
Vordem sangen die Mädchen , wenn sie zur Reinigung in die Saale gingen , folgende Worte nach der Melodie : Mein Jürge , mein Jürge , u. s. w .
Herr Nickert , Herr Nickert ! da sind wir nun hier ,
Und tanzen im Wasser ein Tänzchen vor dir .
Du bist in der Mitte , so tanze voran ;
Es folget dir gerne , wer Lust hat und kann .
Nach geendigter Wäsche folgte der zweite Vers :
Herr Nickert , Herr Nickert ! für dieß Mal gemacht
Ist nun unser Tänzchen , im Saalstrom vollbracht .
Wenn Knoblauchsmittwoche wieder erscheint ,
Dann tanzen wir wieder in Eintracht vereint .
Das hat sich aber jetzt verloren . Man wäscht sich ohne diesen Gesang .
Aus schriftlichen Mittheilungen .
Das Kloster Allerheiligen . Bei dem Waldstädtchen Oppenau , in der Ortenau , liegt das Kloster Allerheiligen . Von Bergen eingeengt , die ihre kahlen Häupter in die Wolken erheben , liegt es , wie von der übrigen Erde abgerissen , und nie blüht hier ein Frühling . Im Jahre 1196 wurde es von der Herzogin Uta von Schauenburg gestiftet . Der Sage nach ließ sie , um einen Platz zur Erbauung des Klosters zu finden , in ihrer Burg zu Gaisbach einen Esel mit Geld bepacken , und hingehen , wohin der liebe Gott ihn führen würde . Er ging . Auf der Höhe , wo jetzt noch der Eselsbrunnen mit dem Monument des Esels steht , schlug das gute Thier mit seinem Huf den Boden , und – eine frische Quelle rieselte hervor . Es löschte seinen
Durst daran , und schlich weiter bis zur Bergkuppe , auf welcher die Kapelle steht . Hier mochte ihm wohl der schwere Sack zu lästig werden , daher er ihn abwarf , aber er rollte in die jähe Tiefe bis an das Ufer des Nordbachs . Nun war der Ort gefunden , wo das Kloster erbaut werden mußte . Es stieg empor , wurde mit Prämonstratensern aus Erpiboldszell besetzt , und Gerungus , Uta ’s einziger Sohn , der erste Vorsteher desselben . Jetzt ist die alte Stiftung aufgehoben , und wenige Menschen bewohnen noch diese Wüste .
Schreiber , Taschenbuch für Reisende am Rhein .
Der Mummelsee . Drei Stunden von der Stadt Baden , im Großherzogthum gleiches Namens , erhebt sich gegen Mittag aus der hohen Bergkette des Schwarzwaldes der kahle Rücken des Herrnwieser Berges . An seiner Südseite versteckt sich in einem hoch liegenden Thale das Dörfchen Herrnwiese , und drei Viertelstunden von da breitet sich ein kleiner See aus , der den Namen des Dörfchens führt , vom Volke aber der Wundersee oder Mummelsee ( vielleicht wegen seiner vermummten , heimlichen Lage ) genannt wird . Das Klima ist hier rauh . Die Bäume in seiner Nähe haben ein verkümmertes Ansehn . Seine Ufer sind , wie die des Lethe , öde und abgeschieden . Kein Laut unterbricht die ewige hier
herrschende Stille . Immer unbewegt ist der schwarz beschattete Spiegel des Wassers , auf welchem die gelbe Seerose ( nymphaea lutea ) ihre breiten Blätter entfaltet . Kurz , es ist hier der Aufenthalt der Betrachtung , der Wehmuth und der Dichtung .
Von diesem stillen See leben in dem Munde der umwohnenden Landleute eine Menge Sagen .
Da , wo er jetzt sein schwarzes Wasser ausbreitet , stand sonst eine heilige , Gott geweihte Wohnung , wo , in tiefer Abgeschiedenheit von des Lebens stürmischen Trieben , kindlich fromme Seelen der Andacht lebten .
Durch langer Zeiten Räume herrschte hier heilige Ruhe , welche jetzt aber zum tiefen , schauerlichen Schweigen geworden ist . Denn plötzlich zernichtete des Himmels Zorn diese geweihte Stätte . Vergebens fragst du : warum ? Nur mit stillem , mit ehrfurchtsvollem Blicke weiset der fromme Landmann dich
hin auf die unergründlichen Wege der Vorsehung .
Als einst am frühen Morgen des Thales Bewohner den steilen Berg hinanklimmten , um an geheiligter Stätte der Andacht zu pflegen , und ihre frommen Gaben zu bringen , und sie nun des Berges Höhe erstiegen hatten , suchte vergebens ihr Blick das Kloster . Keine Spur war mehr davon übrig , an seiner Stelle aber ein See , in dessen schwarzem Spiegel sie umsonst die Trümmer des versunkenen Gebäudes zu erspähen sich mühten .
Mit geheimem Grauen wanderten sie zurück , und verkündeten ihren Brüdern dieses schauerliche Ereigniß . Einsam blieb seitdem diese Stätte , und selten betreten vom Fuße verirrter oder neugieriger Wanderer . Aber noch lange Jahre zeigten sich die wohlthätigen Geister des See ’s . In die nächsten Wohnungen des Thales kamen sie bei nächtlicher Weile . Oft , wenn die Hausfrau oder
ihre Mägde des Morgens zur Arbeit aufstanden , fanden sie schon die Küche gereinigt , das Geräthe blank gescheuert , das Brot gebacken , und dergleichen Arbeiten mehr verrichtet . Auch pflegten sie der Rinder und Schafe , und machten das Werk des Landmanns gedeihen . In den Thälern am Gebirge , und in der weiten Ebene des Rheingaues , weideten nirgends schönere Heerden , als in den Thälern von Seebach und Achern .
In der Gestalt einer Jungfrau traf einmal eine der geistigen Bewohnerinnen einen Hirtenknaben im Gebirge , und gewann sein Herz durch die Reize ihrer Gestalt . An einer Quelle kamen sie täglich zusammen , und koseten hier in traulichen Gesprächen , bis der Abendstern durch die Tannen flimmerte . Der Knabe spielte in ihren weichen langen Haaren , und sie lehrte ihn viele wunderschöne Lieder . So oft sie sich aber trennten , so warnte sie ihn auch , ihr nie zum See zu
folgen , und sie nie dort aufzusuchen , wenn sie auch mehrere Tage ausbleiben sollte .
Einst harrte ihrer der junge Hirt vergebens zwei lange Tage hindurch . Beim Frühroth des dritten konnte er ’s nicht länger ausdauern . Die Sehnsucht nach der Geliebten zog ihn zu dem See hin .
Alles um ihn her war still und öde . Er sah nichts . Traurig setzte er sich an’s Ufer , und rief laut ihren Namen . Da vernahm er ein Aechzen tief unten im Schooße des dunkelschwarzen Gewässers , und plötzlich färbte sich dieß blutroth .
Den Knaben ergriff ein kalter Schauder – „ sie ist todt ! “ – rief er aus , eilte weinend nach Hause , und – starb .
Auf Kinder und Kindeskinder pflanzte die Güte der wohlthätigen Geister des See ’s sich fort , bis einst die Enkel , ohne es zu wollen , sie verscheuchten . Oefter hatten nämlich schon die Bewohner des Thals die nächtlichen Gäste
belauscht und sie gesehen , wie sie in ärmlicher Kleidung , die kaum ihre Blöße bedeckte , einherwandelten . Da hielten sie Rath zusammen , und wurden eins , zum Danke den freundlichen Geistern neue Bedeckung zu schaffen , damit sie stattlicher ihre nächtliche Reise könnten beginnen , und zierliche Kleider hingen sie auf an dem Orte , welchen die nächtlichen Geister besuchten . Aber , zürnend über die Geschenke der beschränkten Thalbewohner , obgleich sie gutmüthig ihnen geboten waren , und zürnend , daß sie belauscht wurden in ihrem stillen Wirken , kehrten die Geister zurück , und keines Sterblichen Auge hat sie seitdem erblickt .
Erst nach langen Jahren , in unsern die Vergangenheit so oft verschmähenden Tagen , gaben sie wieder ihr Daseyn zu erkennen . Denn als einst die Mönche eines benachbarten Klosters in dieser wilden Gegend sich mit
der Jagd vergnügten , kamen sie auch an des See ’s Rand . Der kindlichen Sage spottend , beunruhigten sie die stille Behausung der Geister , und schossen in die Wellen . Aber eine zürnende Stimme , gleich dem Brausen des Waldstroms , erhob sich aus der Tiefe des See ’s , und es begannen die vorher ruhigen Wellen sich mächtig zu heben , und in furchtbarem Aufruhr schlugen sie an die sie begrenzenden Felsen , daß es wiederdröhnte weit umher in dem Walde .
Furchtsam flohen die Mönche aus dem Gebiete der zürnenden Geister , und suchten durch Messelesen und Gebet sie wieder zu versöhnen . Noch jetzt betet , auf ihre Verordnung , der Thalbewohner in nächtlicher Stille jedes Mal einen Rosenkranz , damit die beleidigten Geister wieder versöhnt werden , und aufs neue sich mit ihnen befreunden .
Ich bin sehr versucht , diese Sage in ihrem Ursprunge als eine symbolische Dichtung zu betrachten . Die Seerose , welche in dem Mummelsee wächst , schließt Abends ihren Kelch , senkt sich ins Wasser hinab , und erhebt und entfaltet sich wieder beim ersten Morgenstrahl . Das Kommen und Verschwinden dieser Blume bezeichnet sich sinnbildlich , schön und treffend im Erscheinen und Untertauchen einer Nymphe . Die Phantasie gab dem Schein das Leben , auch die höhere und gefälligere Form desselben ; und so entstand vielleicht die Sage von den Jungfrauen in den Seen der Gebirge . – Badensche Wochenschrift v. 1807 . Morgenblatt 1813 . 11s Stück .
Prinzessin Mathilde . Mathilde , die Tochter Kaiser Heinrichs des Dritten , welcher die Abtei Quedlinburg ihre Entstehung verdankt , war schön . Sie war so schön , daß sich ihr eigner Vater in sie verliebte . Kaum merkte die keusche Prinzessin diese unglückliche Leidenschaft , so betete sie zu Gott , er möchte sie so häßlich machen , oder durch irgend etwas so verunstalten , daß ihres Vaters sträfliche Neigung sich verlieren müsse .
Alsbald fand sich der Teufel bei Mathilden ein , und erbot sich , ihres Vaters Liebe in Haß zu verwandeln , wenn sie sich ihm ergeben wolle .
Mathilde kämpfte lange mit sich , was sie thun sollte . Endlich entschloß sie sich , aus Liebe zu Gott , doch lieber mit dem Teufel selbst im Bunde zu stehen , als ihres Vaters Beischläferin zu werden . Sie willigte daher in das Begehren des Teufels , machte jedoch die Bedingung , daß er sie zuvor unter drei Malen , wenn er sie besuche , ein Mal schlafend finden müsse .
Um nun allen Schlaf von sich abzuwehren , nahm die Prinzessin sich vor , eine große kostbare Stickerei zu arbeiten , die sie stets munter erhalten solle . Sie fing das Werk an . Oft überfiel sie aber doch dabei ein Schlummer , und nur ihr treues Hündchen , Quedl , der stets zu ihren Füßen lag , weckte sie dann wieder .
Der Teufel kam ein Mal , er kam zum zweiten , er kam zum dritten Male . Mathilde wachte , oder Quedl weckte sie .
Da er nun sah , daß er hier seinen Zweck nicht erreichen werde , ward er so böse , daß er der schönen Mathilde grimmig mit der Kralle über ’s weiche Gesicht fuhr , die gewölbte Nase platt drückte , den kleinen Mund bis an ’s Ohr aufriß , und eins der schönsten Augen ihr zerquetschte .
So that Mathilde mit Einem Steine zwei Würfe . Der Teufel mußte ihr Gebet zu Gott erhören und sie häßlich machen , und von ihres Vaters Nachstellungen blieb sie nun unangefochten .
Mathilde , so fromm als häßlich , gründete hierauf das Stift Quedlinburg , das sie zu Ehren ihres treuen Hündchens also nannte , und wovon sie die erste Aebtissin ward .
Mathilde war weise , fromm , wohlthätig , aber häßlich . Wie kann ein so edles Wesen
so häßlich seyn ? fragte man . Und aus der Achtung für sie ging allmählich dieß dem Homer nachgebildete Mährchen hervor , in welcher ihre Häßlichkeit selbst – ihr zur Zierde wird .
Honemann’s Alterthümer des Harzes . – v. Heß , Durchflüge durch Deutschland , 1r Bd. 1793 . 8.
Der Thomaspfennig , der Kuttenzins . Zwei Stunden von dem Anhaltischen Städtchen Harzgerode , auf dem Harze , liegt das Dorf Stangerode . Unter den 78 Häusern , aus denen es besteht , sind 13 , auf welchen seit undenklichen Zeiten eine seltsame Verbindlichkeit haftet . Ihre Eigenthümer müssen nämlich jährlich , in der Nacht vor dem Thomastage , nach dem zwei Stunden von ihnen entfernten Dorfe Endorf , dem Sitze ihrer Gerichtsstube , gehen , und hier eine Abgabe entrichten , die der Thomaspfennig oder der Kuttenzins heißt . Diese Entrichtung , die aus einer Prozession von Büßenden entstand , ist ein wildes , lärmendes und nächtliches Volksfest geworden , das an alte thracische
Bacchanale erinnert . Sie geschieht unter folgenden Gebräuchen :
Den 20sten December , als am Tage vor dem Thomastage , tritt des Abends um acht Uhr der Stangeröder Bauermeister Schulze , Richter , Vorsteher der Gemeine . , begleitet von zwei Ortsbewohnern , die alle Jahre wechseln , vor das erste der mit dem Kuttenzins belegten 13 Häuser , und ruft :
„ Gebt unserm Herrn den Thomaspfennig , den Kuttenzins ! “
Er wiederholt diese Worte vor jedem der 13 Häuser . Die Hausbesitzer stehen dann vor den Hausthüren , und geben dem Bauermeister einen silbernen kursächsischen Pfennig . Davon behält dieser , dem Herkommen gemäß , sieben für sich , und die übrigen sechs trägt er mit seinen Begleitern , an die sich nun viele Ortsbewohner anschließen , durch
das Dorf hindurch , wobei der ganze Haufe fortwährend ausruft :
„ Wir bringen unserm gnädigen Herrn den Thomaspfennig , den Kuttenzins , den Thomaspfennig ! “
So geht der Zug nach Endorf hin , wo er gewöhnlich Nachts zwischen 10 und 11 Uhr ankommt . Die Hauptpersonen treten in einem Hause am äußersten Ende des Dorfes ab , und während dem mehrt sich die Schaar der lärmsüchtigen und theilnehmenden Zuschauer um dasselbe . Gegen Mitternacht treten die Stangeröder Bauermeister und Begleiter aus diesem Hause , und nun schreiet der ganze Haufe aus voller Kehle :
„ Wir bringen unserm gnädigen Herrn den Thomaspfennig , den Thomaspfennig , den Kuttenzins ! “
Durch das ganze Dorf hindurch erschallt die Luft von diesen Worten , bis der Zug vor der Gerichtsstube ankommt . Diese ist nun
schon geöffnet , der Justizbeamte steht da , nimmt den Zins von sechs Pfennigen in Empfang , giebt dem Bauermeister eine Quittung darüber , und ein den Werth der Abgabe jetzt weit übersteigendes Trinkgeld . Der Volkshaufe hat sich indessen immer noch vergrößert , und hebt nun an zu rufen :
„ Wir haben gebracht – unserm gnädigen Herrn – den Thomaspfennig – den Thomaspfennig – den Kuttenzins ! “
Zahllose Stimmen schreien tausendfach diese Worte nach , von wildem Gelächter begleitet . Der Zug geht wieder durch’s Dorf durch , und die Stangeröder Abgeordneten kehren mit dem Empfangschein nach Hause .
Von dem Entstehen dieser sonderbaren und auffallenden Sitte , bei der für unsere Zeiten gar kein Zusammenhang mit irgend einer weltbürgerlichen oder auch nur provinziel wichtigen Idee , gar kein Vortheil weder auf Seiten der Gebenden , noch der Empfangenden ,
zu entdecken ist , finden sich keine schriftlichen Nachweisungen , wenigstens sind uns keine bekannt . Nur folgende steht in den Grund- und Lagerbüchern des Amts Endorf von 1688 und 1708 :
„ Von Stangerode aus wird berichtet , wie auch in dem Erbenzinsregister zu finden , daß der Thomaspfennig , oder Kuttenzins , in 6 einzelnen Pfennigen bestehend , am St. Thomastage , früh vor Sonnenaufgang überantwortet werden muß . Da aber solches nicht geschieht , so ist die Gemeinde daselbst , ihrem eignen hierüber gegebenen Berichte nach , schuldig , von jeder Minute , nach Aufgang der Sonne , eine Tonne Heringe zur Strafe zu erlegen . “
Uns bleibt daher zur Erklärung dieses Gebrauchs nichts übrig , als folgende Volkssage , die sich sehr ausführlich auf uns fortgepflanzt hat .
Nahe bei Endorf und bei dem Städtchen Ermsleben liegt Konradsburg , ehedem ein Benedictinerkloster , jetzt ein Vorwerk . Die Mönche waren hier , so wie überall , wohl genährte Tagediebe , unter denen der Böse freies Spiel hatte . Die Neuaufgenommenen wurden zwar streng gehalten , mußten in den ersten Jahren , nach abgelegtem Gelübde , ihre Begierden unter der Ordensregel gefangen nehmen , wenigstens wenn sie bemerkt wurden . Aber , wenn sie allmählich zu gebietenden Herren heraufstiegen , und auf die Regierung des Klosters Einfluß bekamen , dann entschädigten sie sich auch dafür hinreichend . Besonders befanden sich die , welche die sogenannten Außenhöfe In Endorf war unter andern auch ein solcher Außenhof von Konradsburg , aus welchem Umstande man die Entrichtung des Kuttenzinses daselbst erklärt . des Klosters
verwalteten , oder denen die Einhebung der Erbenzinsen und Lehnsgefälle übertragen war , in einer sehr behaglichen Lage . Sie lebten hier , nach ihrem Ausdruck , wie Freiherren , und versagten sich keinen Wunsch . Eins ihrer Hauptgeschäfte war , hübsche Weibleins zu berücken . Bei vorkommenden Zweifeln waren sie ja Gebieter über Kirchenbuße und Absolution .
Unter diesen Klosterherren Konradsburgs war auch Bruder Markus . Er hatte die Aufsicht über die weitläufigen Forste des Klosters , die sich mehrere Meilen weit in die Harzgebirge erstreckten . Eins dieser Gehölze lag dicht bei Stangerode , und heißt noch jetzt das Mönchsholz . Da es ihm aber wahrscheinlich mehr um menschliche Gesellschaft , als um der Forsten Wachsthum , zu thun war , so wußte er es bei einer Abtswahl dahin zu bringen , daß ihm auch die Einhebung der Zinsen in mehrern Ortschaften aufgetragen wurde ,
welches die Klausner als die bequemste Gelegenheit ansahen , sich Verbindungen mancherlei Art zu verschaffen . So trieb Bruder Markus sein Wesen bald in diesem , bald in jenem Orte , je nachdem ihn ein weibliches Geschöpf auf Wochen oder Monate anzog .
Unter seinen Liebschaften war auch das junge rasche Weib des Einwohners Hartung in Stangerode , dessen Haus dicht an das Mönchsholz gebaut war . Hartung fuhr alle Monate ein Mal nach Halle , um Salz zu holen , worüber immer einige Tage vergingen , welche das Liebespärchen aufs Beste zu benutzen wußte .
Hartung fand nach einiger Zeit seine Ilsabe ganz verändert . Sie , die sonst so arbeitsam und häuslich , und dabei immer vergnügt gewesen war , war jetzt bei der kleinsten Arbeit träge und verdrossen , reichte dem heimkehrenden Manne nicht mehr freundlich die Hand , trocknete ihm nicht den Schweiß von
der Stirn , sondern kehrte ihm oft den Rücken zu , und knurrte und brummte . Schon entfielen ihr Klagen über ihr elendes Schicksal , über grobe Arbeiten , zu denen ihre Hände nicht gemacht wären , über Nichtschätzung ihrer Verdienste , und dergleichen mehr . Hartung starrte sein Weib an , verstand selten , was sie sagte , und konnte nicht errathen , woher ihr solche Gelehrsamkeit kam .
Bald verleidete Ilsabe ihrem Manne das Haus so , daß er sich nicht mehr um Weib , Kind und Wirthschaft bekümmerte , und auf den Feldern voll Unmuth umherirrte . Hier trafen den Einsamen sein Schwager Hierscha und sein nächster Nachbar Probst . Anfangs wollte ihnen Hartung nicht zur Rede stehen . Aber sie , die längst schon , durch das Gerücht von einem blökenden Gespenste , das aus dem Mönchenholze nach Hartungs Hofe zu gehe , aufmerksam gemacht , das Gespenst selbst beim Hereinschlüpfen in das Haus belauert hatten ,
sagten ihm geradezu , der Hühneresser So nennt das Volk in mehrern Gegenden Deutschlands diejenigen , welche die Erbzinse , Rauchhühner u. s. w. einfordern . Markus sey Schuld an seinem Unglück .
Sie erzählten ihm dann , daß sie schon zwei Mal , während seiner Reise nach Halle , einen Mönch auf Händen und Füßen kriechend , hinter Hartungs Scheure gesehen hätten ; daß er hier , unter einem dick belaubten Nußbaume so lange wie ein Kalb blöke , bis ihm Ilsabe durch nachgemachtes Hundegebell das Zeichen gebe , oder ihm die Hinterpforte des Hauses öffne . Probst sagte dabei , er habe Markus den Tod geschworen , weil er seinen beiden unverheiratheten Töchtern nachgehe , und der jüngsten geradezu gesagt habe , daß er sie bald in seine Gewalt bekommen wolle . Lange wollte es Hartung nicht glauben , was seine Nachbarn gesehen und gehört
hatten . Aber endlich schwur auch er Markus den Tod .
Den 20sten November rüstete sich Hartung zu einer neuen Reise , und erfuhr noch am Abend dieses Tages , daß sich Markus schon in dem Mönchenholze habe sehen lassen . Bald nach Mitternacht fuhr er von seinem Hofe . Aber kaum war er eine Stunde gefahren , als er , in einer ihm wohlbekannten Tiefe des Waldes bei Walbeck , seine Pferde angebunden stehen ließ , und zu seinen Nachbarn zurückkehrte , die schon auf der Lauer standen .
Bald hörten sie ein immer näherkommendes Blöken , und dann das beantwortende Hundegebell ; und nicht lange nachher sahen sie , bei dem Dämmerlichte des Mondes , der durch das Gewölk blickte , eine braune Gestalt auf Händen und Füßen , immer fort blökend , in Hartungs Haus kriechen . Nun gruben die drei Nachbarn , unter dem in
einem Winkel des Hofes versteckten Nußbaume ein Grab , und dann schlichen sie , in weiße Betttücher gehüllt , durch die nur angelehnte Hinterthür ins Haus , und in die schwach vom Monde erleuchtete Stube . Ilsabe lag wachend in ihrem Ehebette , und in ihren Armen schlief – Markus . Erschreckt durch die Geistergestalten , sprang sie aus dem Bette , und versteckte sich unter demselben . Ein Schlag von Hartungs Axt tödtete den Mönch , und in der Kutte wurde er unter dem Nußbaume beigescharrt .
Hartung eilte zu seinem Wagen , fuhr nach Halle , kam mit der gewöhnlichen Ladung zur bestimmten Zeit zurück , und fand keinen Verdacht gegen sich .
Zwar war Markus vermißt , und man hatte an mehrern Orten nach ihm gefragt . Denn der ganze Convent zu Konradsburg sah auf ihn als das würdigste Subject zu der erledigten Würde eines Küchen- und Kellermeisters ,
welche die nächste Anwartschaft auf die des Abtes gab . Inzwischen beruhigte man sich dort , bei seinem Nichterscheinen , durch hundert laut belachte Geschichten von seinen nächtlichen Streifzügen .
Aber Stangerode war , seit dem dritten Tage nach Markus Ermordung , ein Ort des Schreckens und des Grausens . Nicht bloß im Mönchenholze ging das blökende Ungethüm um , sondern es kam auch in die Häuser , und setzte sich auf Männer und Weiber . Einige Ortsbewohner , und mit ihnen auch Hartung und Ilsabe , verließen vor Schrecken ihre Häuser ; andere liefen nach Konradsburg , um einen Geisterbanner zu holen .
Dieser kam , traf den bekutteten Geist um Mitternacht in dem Holze , und trieb ihn durch Weihwasser vor sich her . Aber aus dem vom Nußbaume beschatteten Winkel war er nicht zu vertreiben . Nun kam , auf den abgestatteten Bericht , am St. Thomastage
der ganze Konradsburger Convent in feierlicher Procession nach Stangerode . Man grub unter dem Nußbaum nach , und fand den erschlagenen Mönch , und neben ihm die blutige Axt . In aller Stille brachte man den Körper nach den Klostermauern zurück , wo er mit Sang und Klang begraben wurde .
Ganz Stangerode zitterte vor der Wuth der hochgebietenden Herren . Es fürchtete nicht ohne Grund , mit Feuer und Schwert verwüstet , oder doch ins Interdict gelegt zu werden . Aber , sey es , daß man in Konradsburg die genaue Untersuchung einer Geschichte scheute , die das tausendzüngige Gerücht schon zu weit ausgebreitet hatte , oder , daß der Thäter nicht zu entdecken war , oder , daß das Kloster auf die Ausfüllung eines leeren Plätzchens im Märtyrer- und Heiligen-Kalender nach Jahrhunderten speculirte ; kurz , das Urtheil der dieß Mal nicht ganz ungnädigen
Herren fiel dahin aus : „ Auf ewige Zeiten sollte Stangerode , für den dort , an einem Amtsgeschäften begriffnen Mönch , frevelhaft verübten Mord , einen Kuttenzins bezahlen , und zwar jedes der dreizehen Häuser ( aus so vielen bestand damals der Ort ) Einen silbernen Pfennig . Dieser Kuttenzins sollte alle Jahre , am Sanct-Thomastage , von der ganzen Stangeröder Gemeine , bei namhafter Pön einer Tonne Häringe für jede versäumte Minute nach Sonnenaufgang , in einer feierlichen Buß-Procession nach Konradsburg gebracht werden . “
Von diesem Thomastage an erschien der Geist des erschlagenen Markus nicht mehr in menschlicher Gestalt , sondern entweder als Hund , oder als Kalb . – Und noch jetzt läßt er sich zuweilen ( doch der glaublosen Zeiten wegen immer seltner ) , zwischen dem 20sten November und 20sten December , als Kalb oder Hund im Mönchenholze sehen . Doch nur
erleuchtete Geisterseher sehen ihn . Andere hören sein Blöken , mehrere aber fühlen seine zentnerschwere Last , wenn er sich auf ihre Schultern oder ihre Hüften setzt , oder , als Alp , sie des Nachts auf ihrem Lager niederdrückt , so daß sie kaum zu athmen vermögen .
Diese Volkssage , wahrscheinlich aus dem 15sten Jahrhundert , unterscheidet sich von den meisten der ältern Volkssagen , – welche die Namensbestimmungen selten ohne Veränderungen enthalten , was oft bedeutende Verschiedenheiten in den Erzählungen veranlaßt , – dadurch , daß das Volk die Namen : Hartung , Hiersche , Probst u. s. w. , noch jetzt bei ihrer Erzählung nennt . Auch möchte dieß ein Beweis seyn , daß hier ein wirkliches historisches Factum zum Grunde liegt , das sich , bis auf kleine Umstände , dem Gedächtniß fest eingedrückt hat .
Nur darin weichen die Erzähler von einander ab , daß sie den erschlagenen Mönch bald mit , bald ohne Kutte verscharren lassen . Der Ausdruck : Kuttenzins , der noch jetzt in den gerichtlichen Acten von dieser Abgabe der Stangeröder Gemeine gebraucht wird , hat übrigens von der Kutte , dem klösterlichen Obergewand , seinen Namen .
Noch behauptet das Volk , daß , wenn bei Abtragung des Kuttenzinses die Amtsstube nicht geöffnet sey , so müsse das Amt , zur Strafe , der Stangeröder Gemeine eine ganz weiße Henne mit zwölf weißen Küchlein geben .
Die Abgabe von 13 Pfennigen , die uns jetzt so unbedeutend scheint , war damals , als man für einige Pfennige ein Paar Schuhe , eine Tonne Bier , einen Sack voll Getreide kaufen konnte , und wo baares Geld überhaupt selten , in manchen Dörfern kaum zu finden war , keine so kleine Last ; zumal , wenn ,
wie die Sage will , ehedem nur die selten vorkommenden Thomaspfennige angenommen wurden , die vielleicht erst mühsam aufgesucht , und mit hohem Aufgelde eingewechselt werden mußten .
In unsern Tagen des Verschwindens alter Formen hat die Art der Entrichtung des Kuttenzinses auch aufgehört . Im Jahre 1803 geschah sie zum letzten Male auf obige Weise , und seitdem geschieht sie in aller Stille bei Tage , durch den Bauermeister in Stangerode .
Volkssagen von Otmar , S. 203. – Annalen der Grafschaft Mannsfeld von 1806 , 8s u. 9s St. – Anhalt-Bernburg . wöchentl . Anzeigen von 1806 , 32s Stück . – Halberstädter Neue gemeinnützige Beiträge , 1797 , 20s Stück .
Die Entstehung des Klosters zum Elende . Zur Zeit des Papstthums kam einmal ein Fuhrmann , der Wein geladen hatte , um ihn nach einem reichen Kloster zu fahren , durch die vormalige Grafschaft Hohnstein . Er hatte sehr schwer geladen , und da die Wege schlecht waren , so blieb er in der Gegend , wo jetzt ein Dorf steht , das „ Elend “ heißt , im Moraste stecken . Alles Fluchen und Toben , alles Prügeln auf die armen Pferde , wollte nicht helfen . Fest saß der Wagen und rührte sich nicht , fest blieb er sitzen ; keine Hülfe in der Nähe war zu haben , und der Fuhrmann in großer Angst , seine Rosse zu verlieren . Da weinte er bitterlich , und flehte Gott an , ihm aus diesem Elende zu helfen .
Kaum hatte er das gethan , so stand die heilige Jungfrau Maria vor ihm , und sprach :
„ Gieb mir von dem Wein zu kosten , den du geladen hast , so will ich dir bald aus deinem Elende helfen ! “
Der Fuhrmann war zwar sehr erstaunt ob dieser Erscheinung , aber die Freude , erlöst zu werden , gab ihm bald wieder Muth . Er antwortete mit vielen Verbeugungen , daß er recht gern geben wolle , was die schöne Jungfrau verlange , aber es fehle ihm an einem Trinkgeschirr .
Alsbald pflückte die Jungfrau Maria viel bunte Blumen , machte daraus ein kleines Gefäß , und reichte es dem Fuhrmann . Und der ließ Wein hinein , reichte ihn der Jungfrau zurück , und kein Tropfen lief heraus aus dem Becher , worüber er sehr erstaunte .
Als nun die Jungfrau getrunken hatte , verschwand sie plötzlich . Siehe , da stand der Wagen mit einem Male auf ebener Erde , und der Fuhrmann zog dankbar weiter seine Straße .
Natürlich erzählte der frohe Mann das wunderbare Ereigniß ; und wer mochte daran zweifeln , da er das seltene Trinkgefäß vorzeigen konnte . Der fromme Glaube stiftete darauf zum ewigen Andenken ein Nonnenkloster auf der Stelle , wo die Erscheinung vorgefallen war , das den Namen „ zum Elende “ erhielt . Es wurde viel dahin gewallfahrtet . Jetzt sind von diesem Kloster kaum noch wenige , unscheinbare Spuren zu sehen , aber es gab zur Entstehung des Dorfes gleiches Namens Anlaß , das noch da ist .
Vor ungefähr hundert Jahren noch zeigte man in der alten Kirche dieses Dorfs eine thönerne Kopie des aus Blumen geflochtenen
Trinkgeschirres der Jungfrau Maria . Das Original , hieß es , sey als eine große Seltenheit nach Rom geschickt worden .
v. Rohr , Merkwürdigkeiten des Oberharzes , Frankf. 1739 . 8. S. 140 .
Goldner . Es sind wohl zweitausend Jahre , oder noch länger , da hat in einem dichten Walde ein armer Hirt gelebt , der hatte sich ein breternes Haus mitten im Walde gebaut , darin wohnte er mit seinem Weibe und seinen sechs Kindern , die waren alle Knaben . An dem Hause war ein Ziehbrunnen und ein Gärtlein ; und wenn der Vater das Vieh hütete , so gingen die Kinder hinaus , und brachten ihm zu Mittag einen kühlen Trunk aus dem Brunnen , oder ein Gericht aus dem Gärtlein .
Den jüngsten der Knaben riefen die Eltern nur : Goldner ; denn seine Haare waren wie Gold , und , obgleich der jüngste , so
war er doch der stärkste von allen und der größte .
So oft die Kinder hinausgingen , so ging Goldner mit einem Baumzweige voran , anders wollte keins gehen , denn jedes fürchtete sich , zuerst auf ein Abenteuer zu stoßen ; ging aber Goldner voran , so folgten sie freudig eins hinter dem andern nach , durch das dunkelste Dickicht , und wenn auch schon der Mond über dem Gebirge stand .
Eines Abends ergötzten sich die Knaben , auf dem Rückwege vom Vater , mit Spielen im Walde , und da hatte sich Goldner vor allen so sehr im Spiele ereifert , daß er so hell aussah , wie das Abendroth . „ Laßt uns zurückgehen , “ sprach der älteste , „ es scheint dunkel zu werden . “ „ Seht da , der Mond ! “ sprach der zweite . Da kam es licht zwischen den dunkeln Tannen hervor , und eine Frauengestalt wie der Mond setzte sich auf einen der moosigen Steine , spann mit einer krystallenen
Spindel einen lichten Faden in die Nacht hinaus , nickte mit dem Haupte gegen Goldnern , und sang :
Der weiße Fink’ , die goldne Ros’ ,
Die Königskron’ im Meeresschooß .
Sie hätte wohl noch weiter gesungen , aber ihr Faden riß , und sie erlosch wie ein Licht . Nun war es ganz Nacht ; die Kinder faßte ein Grausen , sie sprangen mit kläglichem Geschrei das eine dahin , das andere dorthin , über Felsen und Klüfte , und verlor eins das andere .
Wohl viele Tage und Nächte irrte Goldner in dem dicken Walde umher , fand auch weder einen seiner Brüder , noch die Hütte seines Vaters , noch sonst die Spur eines Menschen ; denn es war der Wald gar dicht verwachsen , ein Berg über den andern gestellt , und eine Kluft unter die andere . Die Brombeeren , welche überall herum rankten , stillten seinen Hunger und löschten seinen
Durst , sonst wäre er gar jämmerlich gestorben . Endlich am dritten Tage , andere sagen gar , erst am sechsten , wurde der Wald hell und immer heller , und da kam er zuletzt hinaus und auf eine schöne grüne Wiese .
Da war es ihm so leicht um das Herz , und er athmete mit vollen Zügen die freie Luft ein . Auf der Wiese waren Garne ausgelegt ; denn da wohnte ein Vogelsteller , der fing die Vögel , die aus dem Walde flogen , und trug sie in die Stadt zum Verkauf .
Solch ein Bursche ist mir gerade von Nöthen , dachte der Vogelsteller , als er Goldnern erblickte , der auf der grünen Wiese nahe an den Garnen stand , und in den weiten blauen Himmel hineinsah , und sich nicht satt sehen konnte .
Der Vogelsteller wollte sich einen Spaß machen : er zog seine Garne , und – husch ! war Goldner gefangen , und lag unter dem
Garne gar erstaunt ; denn er wußte nicht wie das geschehen war .
„ So fängt man die Vögel , die aus dem Walde kommen – sprach der Vogelsteller , laut lachend – deine rothen Federn sind mir eben recht . Du bist wohl ein verschlagener Fuchs , bleibe bei mir , ich lehre dich auch die Vögel fangen ! “
Goldner war gleich dabei . Ihm däuchte unter den Vögeln ein gar lustig Leben , zumal er ganz die Hoffnung aufgegeben hatte , die Hütte seines Vaters wieder zu finden .
„ Laß erproben , was du gelernt hast , “ sprach der Vogelsteller nach einigen Tagen zu ihm . Goldner zog die Garne , und bei dem ersten Zuge fing er einen schneeweißen Finken .
„ Packe dich mit diesem weißen Finken ! “ schrie der Vogelsteller ; „ du hast es mit dem Bösen zu thun ! “ und so stieß er ihn gar unsanft von der Wiese , indem er den weißen Finken , den ihm Goldner gereicht hatte , unter
vielen Verwünschungen mit den Füßen zertrat .
Goldner konnte die Worte des Vogelstellers nicht begreifen , er ging getrost wieder in den Wald zurück , und nahm sich noch ein Mal vor , die Hütte seines Vaters zu suchen . Er lief Tag und Nacht über Felsensteine und alte gefallene Baumstämme , fiel auch gar oft über die schwarzen Wurzeln , die aus dem Boden überall hervorragten . Am dritten Tage wurde der Wald immer heller und heller , und da kam er endlich hinaus und in einen schönen lichten Garten , der war voll der lieblichsten Blumen , und weil Goldner so was noch nie gesehen , blieb er voll Verwunderung stehen . Der Gärtner im Garten bemerkte ihn nicht so bald , denn Goldner stand unter den Sonnenblumen , und seine Haare glänzten im Sonnenschein nicht anders , wie so eine Blume , als er auch zu ihm sprach :
„ Solch einen Burschen hab’ ich gerade von Nöthen ! “ und schloß das Thor des Gartens . Goldner ließ es sich gefallen , denn ihm däuchte unter den Blumen ein gar buntes Leben , zumal er ganz die Hoffnung aufgegeben hatte , die Hütte seines Vaters wieder zu finden .
„ Fort , in den Wald ! “ sprach der Gärtner eines Morgens zu Goldnern , „ hol ’ mir einen wilden Rosenstock , da ich zahme Rosen darauf pflanze ! “ Goldner ging , und kam mit einem Stock der schönsten goldfarbenen Rosen zurück , die waren auch nicht anders , als hätte sie der geschickteste Goldschmied für die Tafel eines Königes geschmiedet .
„ Packe dich mit diesen goldenen Rosen ! “ schrie der Gärtner , „ du hast es mit dem Bösen zu thun ! “ und so stieß er ihn gar unsanft aus dem Garten , indem er die goldenen Rosen unter vielen Verwünschungen in die Erde trat .
Goldner konnte die Worte des Gärtners nicht begreifen , er ging getrost wieder in den Wald zurück , und nahm sich nochmals vor , die Hütte seines Vaters zu suchen . Er lief Tag und Nacht von Baum zu Baum , von Fels zu Fels . Am dritten Tag endlich wurde der Wald hell und immer heller , und da kam Goldner hinaus und an das blaue Meer , das lag in einer unermeßlichen Weite vor ihm . Die Sonne spiegelte sich eben in der krystallhellen Fläche , da war es wie fließendes Gold , darauf schwammen schön geschmückte Schiffe mit langen fliegenden Wimpeln . Eine zierliche Fischerbarke stand am Ufer , in die trat Goldner und sah mit Erstaunen in die Helle hinaus .
„ Ein solcher Bursch’ ist uns gerade von Nöthen ! “ sprachen die Fischer , und – husch ! stießen sie vom Lande . Goldner ließ es sich gefallen , denn ihm däuchte bei den Wellen ein goldenes Leben , zumal er ganz die Hoffnung
aufgegeben hatte , seines Vaters Hütte wieder zu finden . Die Fischer warfen ihre Netze aus , und fingen nichts .
„ Laß sehen , ob du glücklicher bist ! “ sprach ein alter Fischer mit silbernen Haaren zu Goldner . Mit ungeschickten Händen senkte Goldner das Netz in die Tiefe , zog , und fischte – eine Krone von hellem Golde .
„ Triumph ! – rief der alte Fischer , und fiel Goldnern zu Füßen – ich begrüße dich als unsern König ! Vor hundert Jahren versenkte der alte König , welcher keinen Erben hatte , sterbend seine Krone im Meer , und so lange , bis irgend einen Glücklichen das Schicksal bestimmt hätte , die Krone aus der Tiefe zu ziehen , sollte der Thron ohne Nachfolger in Trauer gehüllt bleiben . “
„ Heil unserm König ! “ riefen die Schiffer , und setzten Goldnern die Krone auf . Die Kunde von Goldner und der wieder gefundenen Königskrone erscholl bald von Schiff
zu Schiff , und über das Meer weit in das Land hinein . Da war die goldene Fläche bald mit bunten Nachen bedeckt und mit Schiffen , die mit Blumen und Laubwerk geziert waren ; diese begrüßten alle mit lautem Jubel das Schiff , auf welchem König Goldner stand . Er stand , die helle Krone auf dem Haupte , am Vordertheile des Schiffes , und sah ruhig der Sonne zu , wie sie im Meer erlosch .
Aus : „ Deutscher Dichterwald , Tübingen 1813 . 8. “ von Körner erzählt .
Die kluge Prinzessin . Bei Marburg liegt am Rande des Burgwaldes ein Berg , der heißt : Christenberg .
Auf diesem Berge hatte einmal vor Alters ein König sein Schloß . Die Königin , seine Gemahlin , war todt , und keines Erben seines Stammes hatte er sich zu erfreuen . Nur eine Tochter war die Frucht der vieljährigen Ehe , welche viele wunderbare Gaben besaß , daher der König auch große Stücke auf sie hielt .
Nun kam einmal sein Feind und Nachbar , der König Grünewald , der das Land gern haben wollte , und belagerte ihn in seinem Schlosse . Die Belagerung dauerte lange , aber die Tochter verlor den Muth nicht , und sprach ihrem Vater , der sich schon
ergeben wollte , immer Trost zu . Das dauerte bis zum Maientag . Da sah die Tochter ganz früh und mit Tages Anbruch das feindliche Heer mit grünen Bäumen herangezogen kommen , daß es von weitem aussah , als bewege sich ein ganzer Wald fort . Da wurde ihr bange ; denn sie wußte , daß nun alles verloren sey . Sie sprach daher zu ihrem Vater die Worte :
Vater , gebt Euch gefangen ,
Der grüne Wald kommt gegangen .
Der König , der ihrer Klugheit mehr als seiner eigenen zutraute , schickte die Prinzessin in das feindliche Lager , und diese brachte es auch dahin , daß ihr der König Grünewald für ihre Person freien Abzug zugestand , und obendrein noch erlaubte , so viel mitzunehmen , als ein Esel tragen könne .
Und was packte die gute Tochter auf den Esel ? – Den Vater selbst nebst ihren sonstigen Kostbarkeiten , und so zog sie ungehindert
ab . Da sie nun eine gute Strecke in einem fort so gewandert waren , sprach sie :
„ Hier wolle mer ruhen ! “
Daher hat dort das Dorf Wollmar , eine Stunde von Christenberg , den Namen .
Nachdem sie ausgeruht hatten , zogen sie weiter durch wilde gebirgige Gegenden , und trafen auf einen freien Platz . Da sagte die Prinzessin :
„ Hier hats Feld ! “
und da blieben sie , bauten ein Schloß , und nannten es Hatsfeld .
Bis auf den heutigen Tag sieht man noch Ueberbleibsel vom Schlosse , und nahe dabei liegt das Städtchen Hatsfeld an der Eder , vier Stunden westlich vom Christenberge .
Eine auffallende Aehnlichkeit hat diese Sage mit der in Shakespeare’s Macbeth ,
und wer weiß , ob der genialische Kopf sie nicht adoptirte . Ganz unbezweifelt haben auch hier , wie einst in der griechischen Welt , als die Geschichte entstand , die Denkmäler , und besonders die auffallenden Namen der Orte , Veranlassung zu dieser Mythe gegeben . – Justi’s Hessische Denkwürdigkeiten .
Die Bläsjungfer . In einem einsamen Hölzchen bei Bernburg verwittern , vom Dunkel belaubter Bäume verhüllt , die öden Mauern des Klosters Sanct Blasii . Still und heimlich ist ’s umher , und selten betritt ein menschlicher Fuß die einsame , sonst stiller Andacht geweihte Stätte , denn – die böse Bläsjungfer treibt hier ihr Wesen .
Als noch nicht des Ortes Unheimlichkeit bekannt war , kamen einmal ein Paar alte arme Weiber aus Bernburg in dieß Hölzchen , um abgefallene dürre Aeste zur Winterfeuerung zu sammeln . Sie waren bis zu den öden Klostermauern vorgegangen , als plötzlich die weiß gekleidete Bläsjungfer hinter den Ruinen vortrat . Entsetzen ergriff die alten
Mütterchen , das mühsam gelesene Holz entfiel ihren zitternden Händen , und bestürzt eilten sie nach Hause . Die Kunde von dem Gesichte breitete sich schnell aus , es mied nun jeder den unheimlichen Ort , und weit umher trieben die Hirten ihre Heerden , der weißen Jungfrau nicht zu begegnen .
Wer die Bläsjungfer ist ? – Eine Nonne des Klosters Sanct Blasii , wegen schwerer Sünden verdammt , auf Erden zu wandeln , und bis der Tag ihrer Erlösung heranbricht , die Klosterstätte zu bewachen , wo noch viele Töpfe voll Gold und Silber vergraben liegen . Wem sie erscheint , der mag sich vorsehen ; denn , wie mancher Schäfer erzählt hat , der sie , mit einem Bündel Schlüssel an der Seite , selbst gesehen , so sucht sie Unkundige mit Zauberworten heran zu schmeicheln , und hat sie sie gefaßt , so schleppt sie unerbittlich die Beute bis zum tiefen
Graben , den das Kloster umgiebt , und stürzt sie hinab .
Daß unter den Klosterruinen viele Schätze noch ruhen , leidet keinen Zweifel ; denn es ging einmal ein armer Schuhflicker von Bernburg zum Markt nach Nienburg , und ruhte auf einer Anhöhe , der Klobenhoch genannt , aus . Er hatte sich auf einen Stein gesetzt , und wie er sich nun ein Mal zufällig umsah , da lagen auf frisch aufgeworfener Erde neben ihm viel Silberstücke , wohl an die drei Thaler , und doch wurde zur Zeit der Zerstörung des Klosters nur ein Theil der Schätze zum Klobenhoch gebracht .
Nach den Gold- und Silbertöpfen war nun wohl mancher lüstern ; doch keiner wagte es , sich in ihren Besitz setzen zu wollen , aus Furcht vor der weißen Jungfrau . Als diese aber seltner erschien , kühne Jäger in den Busch drangen , ungestört ihr Wild verfolgten , und unbeschädigt zurückkamen , wagten
sich mehrere hin . Sie wühlten die verfallnen Mauern um , und fanden – Steine . Sie gingen auf den Klobenhoch , gruben den Hügel um , und – gruben leere Aschenkrüge heraus . Seitdem hat sich die Furcht vor der Bläsjungfer verloren , die nun erlöst und ihres Wandels auf Erden quitt zu seyn scheint .
Aus mündlicher Mittheilung .
Die Teufelsmühle . Im Bernburgischen Antheile des Harzes giebt es einen hohen Berg , der „ Ramberg “ heißt , und drei Stunden von Ballenstedt entfernt ist . Auf seiner abgerundeten Oberfläche liegen Granit-Felsstücken von ungeheurer Größe in sonderbaren Gruppen auf einander gethürmt , und rings umher , auf tausend Schritte weit hinab , ist der Berg mit großen und kleinern Granitstücken übersäet . Wahrscheinlich bildeten sie vormals alle eine hohe Felsenpyramide , die bei einer Erschütterung , oder bei einer andern revoltirenden Begebenheit auf der Erde , einstürzte , und wodurch ihre Bestandtheile in solche unzählige Bruchstücke umhergeschleudert wurden . Jene Gruppe von Felsen führt den Namen : Teufelsmühle ,
zu dessen Erklärung das Volk sich folgendes Mährchen erzählt .
Am Fuße des Rambergs hatte ein Müller eine Windmühle . Lange schon stand sie da , war seit Jahrhunderten bei seiner Familie gewesen , immer vom Vater auf den Sohn fortgeerbt , hatte stets ihren Mann genährt , und ruhige genügsame Bewohner gehabt . Kaum aber war unser Müller Besitzer davon , als er hier und da Mängel und Fehler an ihr bemerkte . Besonders klagte er über den wenigen Wind , den er habe , und verfiel daher auf die Idee , auf die höchste Spitze des Rambergs eine neue Mühle zu erbauen . Aber wie dieß bewerkstelligen ? – wie selbige gegen die heftigen Windstürme auf dieser Höhe sichern ? wo den Baumeister dazu hernehmen ?
Diese Hindernisse und die daraus fließende Folge , daß seine Idee nie ausgeführt werden könne , machten ihn äußerst verdrießlich .
Ungeduldig wälzte er sich oft des Nachts auf seinem Lager herum , that jede Arbeit mit Mißvergnügen , und war Thor genug , nicht einzusehen , daß er nach der Erreichung seines Wunsches nicht zufriedener , als zuvor seyn werde .
Der gehörnte Schwarze , der sich damals weit mehr um alle Kleinigkeiten der Menschen bekümmerte , gegenwärtig aber dieses undankbare Geschäft den Menschen selbst überlassen hat , witterte nicht so bald die Wünsche des Windmüllers , als er ihm einst des Nachts erschien , und seine gehorsamen Dienste anbot .
Dem Müller kam das nun zwar ganz gelegen , allein die Bedingungen , welche der Böse ihm machte , seine Seele ihm dafür zu verschreiben , stand ihm gar nicht an . So gern er auch seinen Wunsch ausgeführt gesehen , so konnte er sich doch nicht gleich entschließen , den Accord einzugehen , und bat sich daher einige Tage Bedenkzeit aus .
Hatte der Müller vorher keine Ruhe gehabt , so hatte er sie nun noch weniger . Gedankenvoll ging er die Tage der Bedenkzeit um seine Wohnung herum , betrachtete sie überall genau , um zu untersuchen , ob er es nicht lieber beim Alten lassen solle , und war schon im Begriff , es zu thun , als eine zweitägige Windstille eintrat , die ihn außer Stand setzte , ein Korn zu mahlen . Dieser Umstand bestimmte ihn , dem Teufel den Bau zu einer neuen Mühle zu überlassen , und sich ihm dafür mit Leib und Seele zu verschreiben . Der Böse kam zur bestimmten Zeit wieder . Der Müller verschrieb sich ihm mit seinem Blute zum Eigenthum , und erhielt dagegen die Versicherung , daß er noch dreißig Jahre leben solle , und daß er ihm eine ganz tadellose Mühle von sechs Gängen auf die Spitze des Rambergs , und zwar in der darauf folgenden Nacht schon , noch vor dem ersten Hahnengeschrei , erbauen wolle .
Kaum senkten sich die Schatten nieder , als der höllische Baumeister sein Werk begann . Er thürmte Felsen auf Felsen , die ihm seine Helfershelfer vom Brocken herüber warfen , und siehe – die Mühle stand in wenigen Viertelstunden da . Groß und dauerhaft war das Werk , für eine Ewigkeit fest genug . Da ging er zum Müller hinab , um ihn hinzuführen , das Werk zu zeigen , und es seiner Prüfung zu unterwerfen . Zitternd und von Angst erfüllt , folgte ihm dieser . Es war eine finstere Sommernacht ; die Winde sausten in den Wipfeln der hohen Eichen und Tannen , den Himmel überzogen schwarze Regenwolken , Blitze durchleuchteten die dunkeln Wassermassen , doppelt und dreifach krachte der Donner in den tiefen Thälern , die Erde bebte , und unserm Müller das Herz . Gern wäre er umgekehrt , gern mit dem väterlichen Erbe jetzt zufrieden gewesen , allein zu spät war seine Reue . Nur die Hoffnung stärkte ihn , irgend
einen Fehler an dem Bau zu entdecken . Aber wie erstarrte er , als eine vollkommen eingerichtete Windmühle vor ihm stand , deren mächtige Flügel sich langsam herumwälzten .
Mit selbstzufriednem Hohngelächter fragte ihn der Teufel : „ ob er etwas daran auszusetzen habe ? “
„ Nichts , gar nichts ! “ stotterte der bebende Müller , und wollte schon das Werk unter den versprochenen Bedingungen annehmen , als er plötzlich : „ Halt ! “ schrie , und seinen Bauherrn auf einen noch fehlenden unentbehrlichen Stein aufmerksam machte .
Zwar läugnete der Geschwänzte die große Nothwendigkeit des Steines lange ; da aber der Müller darauf beharrte , daß er noch eingesetzt werde , so verstand sich endlich jener dazu .
Schon schwebte er in der Luft mit dem fehlenden Steine , siehe , da krähte unten auf der Mühle der Hahn .
„ Halt ! “ schrie der Müller nochmals , „ wir sind quitt ! “ und fort lief er , seiner alten Wohnung zu .
Wüthend über den verfehlten Zweck , faßte der Teufel das Gebäude , riß Flügel , Räder und Wellen aus einander , schmiß sie in die Luft , schleuderte die hoch in die Wolken aufgethürmten Felsen umher , daß sie den ganzen Ramberg bedeckten , und nur der kleine noch vorhandene Theil der Grundlage blieb zum ewigen Andenken stehn . Doch war dieß nicht die einzige Rache , die er nahm ; denn kaum daß der Müller mit leichterm Herzen seine alte Wohnung wieder erreicht hatte , so warf der Unhold ein Felsstück hinab , auf die morsche Hütte , und zertrümmerte sie mit allen ihren Bewohnern im Nu .
Aus mündlicher Ueberlieferung . In Otmars Volkssagen , Bremen 1800 . 8. , steht sie auch S. 187 .
Der Hautsee . Zwischen Marksuhl und Vach , an der Leipziger Straße nach Frankfurt , giebt es bei dem hessischen Dorfe Dönges einen kleinen See , den man „ Hautsee “ nennt , weil ein kleines Insekt , gleich einer Haut , auf seiner Oberfläche in großer Menge wie ausgespannt liegt . Dieser See ist wegen einer schwimmenden Insel merkwürdig , die er trägt . Sie gleicht einem Wäldchen , das mit Birken und Buschwerk bestanden ist , zwischen welchem hohes Gras wächst , und wird vom Winde hin und her getrieben . Die Zeit und die Art ihres Ursprungs ist unbekannt , aber sie soll schon sehr alt seyn .
Wenn der Vorüberziehende mit Vergnügen beim Anblicke dieser seltnen Naturerscheinung
weilt , so wird er sich in eine Wunderwelt versetzt glauben , wenn ihm ein treuherziger Anwohner erzählt , was sich hier einst zugetragen hat , und noch zuträgt .
Der See färbt sich nämlich jährlich an einem Tage blutroth , zum Zeugniß , daß vor undenklichen Jahren eine Jungfrau in seinen Fluthen ihre bleibende Wohnung erhielt , aus der sie niemand befreien noch lösen konnte .
Theodiska , so hieß sie , wurde von einem edlen Jünglinge geliebt , liebte ihn wieder , sollte ihn aber nicht lieben . Ihre Mutter war reich und geizig , wollte nur einen reichen und begüterten Eidam , und das war Wilibald nicht , daher ihr Widerwille gegen die reine Liebe der unglücklichen Theodiska . Alle Versuche , sich wechselseitig auf andere Gesinnungen zu bringen , waren umsonst . Die Alte fluchte der Neigung ihrer Tochter , die Tochter weinte über die grausame Unbiegsamkeit der Mutter , und als jene ihr einmal mit
aller Heftigkeit zusetzte , dem Wilibald zu entsagen , da blickte Theodiska weinend zum Himmel , und schwur im Angesicht der Mutter , daß sie nie , nie dem trauten Jünglinge untreu werden würde , und nur der Tod ihr Versprechen lösen solle .
Da brach die Unglückliche selbst den Stab über sich . Die geizige Alte schnob nach Rache . Alles Muttergefühl verläugnend , brütete sie einen Plan zur Vernichtung der Tochter , der einzigen , die sie hatte . Bekannt mit den schwarzen Künsten des Unterreichs , vertraut und einig mit der Nixe des Hautsee’s , beredete sie sich im Dämmerlicht mit dieser , ihr zu helfen , daß Theodiska Magd im Dienst der Wassergöttin werden müsse , wenn sie ihrer Liebe nicht entsage . Die Nixe , lüsternd nach Beute , schürte das Feuer noch recht an , erstickte auch den letzten Funken mütterlichen Gefühls durch große Versprechungen
von Reichthümern , so daß die Alte es einging , das Kind mit dem ersten Mondwechsel ihr zuzuführen .
„ Komm ! “ sprach sie einst an einem schwülen Sommerabend zu Theodiska , die still vor sich hinsehend vor der Thür des Hauses saß , „ komm , laß uns nach der schwimmenden Insel hinwandeln , dort ist ’s kühl und erquickend . Ich will dir mein Mutterherz öffnen , denn ich fühle , daß mich bald das Grab umschließen wird . “
Theodiska hatte lange nicht die Mutter so herzlich sie anreden hören . Sie folgte ihr daher unbefangen und voll Hoffnung , vielleicht eine frohe Kunde zu hören . Aber die Mutter ging in sich gekehrt voran , sprach wenig , und war düster im Blick , bis sie am Ufer des See ’s ankamen , in dessen klarer Fläche das halb verhüllte Mondlicht sich spiegelte , und rings umher eine schauerliche Stille herrschte .
„ Komm , “ sprach sie , „ da laß uns setzen , dicht an’s Ufer , daß wir der Kühlung genießen ! “ und Theodiska thats . Aber kaum saß sie auf dem üppigen Rasen , so berührte sie aus den Fluthen der Zauberstab der Nixe , und die Unglückliche schwindelte hinab in die Tiefe . Ihr Angstgeschrei verhallte bald , die Nacht deckte das grausende Gemälde , und gesättigt von Rache kehrte die Rabenmutter zurück .
Im Innern der Wohnung der Nixe erwachte Theodiska aus ihrer Betäubung . Sie klagte , sie jammerte , und flehte um Erbarmen . Da sprach jene :
„ Du sollst nicht ganz von der Erde losgerissen seyn . Bis du selbst deinen neuen Aufenthalt lieb gewinnen wirst , sende ich dich jährlich ein Mal zurück auf die Oberwelt , wo du dich in den Erntetanz mischen , und dem Jünglinge dein reines , durch keinen Unfrieden getrübtes Auge zeigen kannst . “
Aber welcher Trost war das für Theodiska , nur Einen Tag im langen Jahre ihn zu sehen !
Wilibalds Entsetzen und Zorn war ohne Grenzen . Kaum hatte er die furchtbare Nachricht vernommen , die Krokodilthränen der Mutter gesehen , und gehört , daß der verrätherische Hautsee das Grab seiner Liebe geworden , als er mit unaufhaltsamem Ungestüm dahin rannte , sich in die Fluth stürzte , und so mit seiner Theodiska sich zu vermählen glaubte . Aber auch diesen schönen Traum vergönnte ihm die See-Nixe nicht . Denn als Wilibald an ihrem Pallast anschlug , seine Theodiska verlangte , hob ihn eine unsichtbare Macht wieder empor und an’s Ufer . Umsonst versuchte er es wieder , und immer umsonst . Da erkrankte der gute Jüngling , schlich umher , härmte sich ab , und grämte sich , suchte Ruhe , und fand sie endlich da , wo wir alle sie finden . Aber jährlich an dem
Tage , wo Theodiska verschwand , färbt sich noch jetzt zum Andenken an diese traurige Begebenheit der See blutroth . Noch sind es keine hundert Jahre , daß Theodiska jährlich im Spätherbst in ihrem Geburtsorte erschien , sich unter die Jugend mischte , und dann um Mitternacht still und feierlich nach ihrer unterirdischen Wohnung zurückging . Seitdem aber kommt sie nicht mehr , und wohl scheint es , als habe ihr die Nixe des See ’s die ewige Ruhe gegönnt , und die Vereinigung mit Wilibald da , wo sich alles vereint , nicht länger gehindert .
A. Slevogt erzählt dieß Mährchen im 104ten Stück der Erholungen 1813 .
Die Goldgruben im Fichtelgebirge . Schon einige Male haben wir das Fichtelgebirge in Franken als ein höchst goldreiches kennen lernen , haben gehört , welche Schätze darin verborgen liegen , wie Geister darüber schalten und walten , nach einem glücklichen Zusammentreffen der Umstände damit beschenken ; aber , wie der Schlüssel zum Eingang in die nie versiegenden Goldgruben dieses Gebirges zu erhalten ist , das wußten wir noch nicht . Ueber diesen wichtigen Punkt wird uns nun folgende Erzählung nähere Aufschlüsse geben .
Jüngst war ich Mein Referent . bei einem Familienfeste in einem Dörfchen auf dem Fichtelgebirge .
Da lernte ich einen Officier kennen , der den letzten amerikanischen Krieg mitgemacht hatte . Ich fand bald an ihm einen sehr unterrichteten Mann , der mich angenehmer unterhielt , als es Spiel und Tanz , womit die Gesellschaft beschäftigt war , gethan haben würden . Unter andern theilte er mir folgende Erzählung mit :
„ Im Anfange des amerikanischen Krieges stand ich als Sergeant bei den Feldjägern der Anspach-Bayreuthischen Hülfstruppen , welche damals der Markgraf Alexander in engländischen Sold gegeben hatte . Auf unserm Heimwege nach Deutschland wurden wir in die Nordsee verschlagen . Entblößt von allen Lebensmitteln , waren wir in einer traurigen Lage . Bei Bremerlehe erhielt ich Ordre , mich nach Lebensmitteln umzusehen . Da aber hier kein bedeutender Vorrath zu haben war , so sah ich mich genöthigt , nach Bremen zu gehen . “
„ Ich wurde bei einem Kaufmann einquartiert , der ein ungefähr siebzehn Jahr altes Mädchen bei sich hatte , welche von der Gicht ganz gelähmt , gekrümmt und entsetzlich gequält ward . Es war seines Bruders Tochter , die sich , der ärztlichen Hülfe halber , nach der Stadt begeben hatte . Bisher waren alle Versuche vergebens gewesen , und die junge Leidende war immerfort an ihr Lager gefesselt . Dieß traurige Schicksal störte die Zufriedenheit der Familie sehr , welche außerdem alle Ansprüche auf Lebensgenuß hatte . Sie war sehr wohlhabend , ja , sehr reich zu nennen . Dieser ihr Reichthum schrieb sich von der Mutter , einer gebornen Venetianerin , her ; ursprünglich aber stammte er vom Fichtelgebirge ab , von wo er nach Venedig gekommen war . “
„ Durch einen sonderbaren Zufall befinde ich mich nun schon seit geraumer Zeit im Besitze eines Mittels gegen die Gicht , das , so
oft ich es auch anwendete , nicht ein Mal ohne die besten Wirkungen war . Ich äußerte darüber einige Worte gegen meinen Hauswirth , und erbot mich zugleich , es bei seiner Nichte anzuwenden , wenn er Zutrauen , nicht zu mir , sondern zu meinem Mittel haben könne . Er ging sogleich darauf ein , und zeigte mir dabei besonders deshalb ein ganz seltenes Zutrauen , weil ich vom Fichtelgebirge gebürtig war , welche Gegend im ganzen Hause deshalb geliebt , ich möchte sagen , geachtet wurde , weil da die Quelle ihres Reichthums geflossen hatte . Ich wendete also mein Mittel an , und hatte binnen acht Tagen die Freude , das liebe Mädchen so wohl zu sehen , als es , nach der Versicherung der Verwandten , seit drei Jahren nicht gewesen war . “
„ Durch Zufall verlängerte sich mein Aufenthalt in Bremen , und ich sah nun meine Patientin mit jedem Tage sich bessern . Sie ging wieder allein , die Schmerzen peinigten
sie nur noch selten , und die Farbe der Jugend vertrieb schon die Todesblässe auf ihren abgezehrten Wangen . Welch wohlwollendes Gefühl mir die ganz unbeschreibliche Freude dieser achtungswerthen Familie war , können Sie sich leicht denken . Dem Vater des Mädchens war sogleich Nachricht gegeben worden , und seine Freude war grenzenlos . “
„ Als einmal wieder ein Brief von ihm anlangte , kam mein Wirth damit auf mein Zimmer , las mir Stellen daraus vor , und legte zugleich ein versiegeltes Päckchen mit Geld auf meinen Schreibtisch , was sein Bruder ihm aufgetragen hatte , mir einzuhändigen . Meiner Weigerung , es anzunehmen , mußte er endlich nachgeben . Er steckte es wieder ein . Aber nun zog er einige Papiere hervor , und sagte mir dabei :
„ „ Wollen Sie jenes Geschenk nicht annehmen , so werden Sie doch hoffentlich diese Papiere nicht zurückweisen . Ich habe meinem
Bruder geschrieben , daß Sie vom Fichtelgebirge gebürtig sind . Da hat er mir diese , vom Fichtelgebirge handelnden , Papiere geschickt , um sie Ihnen zu übereignen . Sie rühren von den Vorfahren seiner Gattin her . Lange hatte er den Vorsatz , selbst eine Reise auf dieses in unserer Familie sehr hochgeschätzte Gebirge zu machen , allein jetzt hat er ihn aufgegeben . So wunderbar Ihnen auch der Inhalt dieser Papiere vorkommen wird , so brauchen Sie doch nicht an seiner Richtigkeit zu zweifeln . Auf diesem Wege holten die Vorfahren der Gattin meines Bruders ihren Reichthum vom Fichtelgebirge . So wahr – sagte er mit einem Blicke empor zum Himmel – so wahr Sonne , Mond und Sterne am Firmamente glänzen , so wahr sind alle darin angeführte Thatsachen ! “ “
„ Ich besitze diese Papiere noch , und halte sie hoch . “
Der Officier theilte mir hierauf das Wesentliche davon mit . Er that dieß nicht etwa scherzweise , sondern im ernstesten Tone eines Zeugen der Wahrheit . Folgendes ist es :
Wer die im Innern des weitläufigen Fichtelgebirges verborgenen Schätze heben will , muß zuerst den rechten Eingang in das Gebirge wissen . Diesen findet man aber auf der südwestlichen Seite am Goldberge , oberhalb dem Städtchen Goldkronach . Da ist eine vom Wasser gerissene tiefe Bergschluft . In dieser geht man entlang bis an das erste Gebüsch . Da hebt man drei Steinchen auf , wie sie sich ungesucht darbieten , und steckt sie zu sich . Nun geht man in gerader Linie weiter , und trifft auf eine Buche , welche die Dicke eines Kopfes neun Mal im Umfange hat , und dabei ein Zeichen enthält , das auf einen alten großen Baumstamm hindeutet , der einen unterirdischen Gang bedeckt . Wenn man nun auf dieser Stelle die mitgenommenen
drei Steinchen auf die Erde wirft , so kommt aus dem alten Baumstamme ein Wesen hervor , das wie ein großer Affe aussieht . In der Hand hält es ein Bund alter verrosteter Schlüssel , öffnet damit die Thür zu dem unterirdischen Gange , und geht voraus . Man kann ihm getrost folgen , denn es ist ein ganz unschädliches Wesen , und leitet sicher .
Nach einer ziemlichen Strecke Weges gelangt man zu einer großen , mit starken Schlössern verwahrten , Thür . Die öffnet der Affe . Sie ist der Eingang in ein geräumiges Gewölbe . Von der Decke herab hängt eine brennende Lampe , die den Ort mit einem matten Schimmer erhellt . Rings umher liegen geharnischte Männer im tiefsten Schlafe . Zur rechten Seite dieses Gemachs öffnet der Affe wieder eine eiserne Pforte . Diese führt in die Fortsetzung des verborgenen Ganges , durch den man nach einer ziemlichen Weile in
einen großen Saal gelangt . Hier steht in der Mitte ein runder Tisch mit drei Wachskerzen , wovon aber gewöhnlich die mittlere nur brennt . Man naht sich dem Tische , rupft sich einige Haare vom Kopfe aus , hält sie an die nicht brennenden Kerzen , und augenblicklich brennen sie und geben den hellsten Schein von sich .
Zwischen den Wachskerzen erblickt man ein aufgeschlagenes Buch , dabei eine Schreibfeder und ein feines Federmesser . Mit letzterm muß man sich an einer beliebigen Stelle seines Körpers verwunden , in das hervorkommende Blut die Feder tauchen , und damit seinen Namen in das Buch einschreiben .
Der Affe , der mit einer Kerze in der Hand dieses Geschäft ruhig abwarten wird , führt sodann aus diesem Saale in ein neues Gewölbe . Von dessen Mitte herab hängt an einer Kette ein Beil , das durch ein Schloß
festgehalten wird . Er öffnet mit einem Schlüssel seines Bundes dieses Schloß , nimmt das Beil heraus , und öffnet nun abermals ein neues Gewölbe . Dieß besteht aus gediegenem Golde . Decke , Wände , Boden , alles ist Gold , und allerlei Formen und Figuren haben sich durch zusammengeflossenes Gold gebildet .
Der Affe stellt jetzt die Kerze hin , legt sein Bund Schlüssel dabei , und überläßt nun den erstaunten Fremdling seiner eignen Thätigkeit . Dieser kann sich nun mit dem Beile so viel Gold abschlagen und abhauen , als er glaubt mit sich nehmen zu können . Mehr nehme er aber nicht , denn das bleibt kein Gold . Hat er sich nun hinreichend versehen , so trete er den Rückweg an . Er vergesse aber Folgendes nicht . Er nehme die Kerze und die Schlüssel zu sich , schließe jede Thür sorgfältig wieder zu , lösche die beiden vorhin
angezündeten Kerzen im Vorsaale wieder aus , und lege alles an seinen gehörigen Ort und Stelle . Versäumt er hiervon nichts , so wird er unversehrt und wohlbehalten wieder herauskommen an das Tageslicht .
Wer nicht Muth genug haben sollte , diese Probe zu bestehen und bis in den Goldsaal zu gehen , der nehme wenigstens vor der Höhle des Berggeistes so viel Sand zu sich , als er fortbringen kann . Er ist auch gut und goldhaltig , nur hat man dabei noch die Mühe des Schmelzens . Mit verdicktem Drachenblute wird das Erz am leichtesten geschieden . Man dreht Kugeln davon und wirft sie in den Goldsand . Diese Kugeln ziehen das edle Metall heraus , und verwandeln sich dadurch in gediegene Goldkugeln .
Wie oft man einen solchen Gang in diese nie versiegenden , immer wieder zunehmenden ,
Goldkammern wagen darf , davon enthielt jener schriftliche Aufsatz nichts . Ein einziger Gang macht aber schon so reich , daß man , auch für die längste Lebenszeit , genug haben kann .
Von einem Anwohner des Fichtelgebirges mitgetheilt erhalten .
Der Liebesring . Petrarka erzählt in einem seiner vertrauten Briefe , er habe bei seinem Aufenthalt in Aachen das Grab Karls des Großen besucht , und dort von den Priestern eine sonderbare , fabelhafte Sage vom Kaiser vernommen , die sie irgendwo gelesen zu haben versicherten . Sie lautet folgender Maßen :
Karl hatte sich in ein gewisses Frauenzimmer so über alle Maßen verliebt , daß er aller Staatsgeschäfte und alles Heldenruhms darüber vergaß , und gleichsam sich selbst nicht angehörte ; all’ sein Dichten und Trachten war allein auf die Geliebte gerichtet , die jedoch bald nachher starb . Jedermann war über den Tod erfreuet , nur der Kaiser wollte verzweifeln ; nichts war im Stande , ihn zu
trösten , und – was höchst sonderbar war , er konnte sich von dem Gegenstande seiner Leidenschaft schlechterdings nicht trennen ; er schien an seine todte Geliebte gebannt zu seyn , und verließ sie selbst dann nicht , als ihr Körper schon in Verwesung überzugehen anfing . Diese an Raserei grenzende Leidenschaft setzte den ganzen Hof in Entsetzen . Der Erzbischof von Kölln , ein Vertrauter des Kaisers , bot alle Trostgründe auf , aber vergebens . Endlich wandte er sich betend zu Gott , der ihm offenbarte , was den Monarchen in dieser unseligen Liebeswuth gefangen halte . Er näherte sich demnach dem Leichnam , öffnete den Mund , und fand darinnen den Zauberring . Sobald er ihn zu sich genommen , war der Kaiser geheilt ; der Leichnam wird beerdigt , und von nun an besaß der Erzbischof mittelst desselben Ringes die ausschließliche Zuneigung des Kaisers , der sich keinen Augenblick von ihm trennen konnte .
Aus Furcht , daß der bezauberte Ring , dessen Wirkung er nun an sich selbst erfahren , nicht in andere Hände gerathen möchte , warf er ihn in einen bei Aachen gelegenen See . Dadurch aber verlor der Ring seine Kraft nicht . Karl faßte nunmehr für den See , in welchem das Kleinod lag , eine so heftige Neigung , daß es seine höchste Lust war , an den Ufern desselben sich zu ergehn . Und um sich nie von demselben zu trennen , schlug der Kaiser dort seine Residenz auf , und befahl , daß der Pallast , den er da erbauen ließ , der Sitz des Reichs und die Stätte seyn solle , wo seine Nachfolger die Krone empfingen .
Zeitung für die elegante Welt , 1811 .
Die Tanzenden . Wie unschuldige Vergnügungen , die man sich zur Unzeit erlaubte , vordem bestraft wurden , mögen uns folgende Sagen erzählen .
Zwischen Halberstadt und Wernigerode liegt das preußische Dorf Dannstedt , ehedem Tanzstedt genannt . Hier tanzten einmal einige betrunkene Männer und Weiber am Weihnachtstage , während des Gottesdienstes , rings um die Kirche . Der Prediger , den ihr ungebührliches Lärmen störte , that sie , nach vergeblicher Warnung , in den Bann . Und , auf sein Gebet , mußten sie ein ganzes Jahr lang unausgesetzt hier forttanzen . Ihre Kleider veralteten nicht , sie aßen , sie
tranken , sie schliefen nicht in der ganzen Zeit , tanzten aber um die Kirche herum einen solchen tiefen Graben in die Erde , daß er noch jetzt zu sehen ist .
Eine gleiche Begebenheit ereignete sich zu Kölbick bei Bernburg im Jahre 1021 . Der Bericht davon war lange Zeit auf zwei Tafeln in lateinischer und deutscher Sprache in der Kirche des Klosters zu lesen , das sonst hier war . Der deutsche lautet so :
„ Nach Christi Gebuhrt im Jahr 1021 bei des Kaisers Heinrichs Zeiten , im andern Jahre Seines Regiments , hat sich begeben , diß Miracul , daß sich hie in dieser Kirchen , die geweihet ist worden in den Ehren Gottes und S. Magnus , etliche Bauers-Leute zusammen gethan , auf das Fest der Heil . Christ-Nacht , und allda gesungen und gesprungen
auf dem Kirch-Hofe zu Kolbig , dermaßen , daß der Priester sein Amt nicht vor ihnen hat verbringen können , hat sie aber höchlichen vermahnet , umb Gottes-Willen , von solch Fürnehmen abzustehen , jedoch hat alles nicht seyn wollen , der Bauern aber seind gewesen Funfzehen , zwo Frauen und eine Jungfrau , ist gewesen des Kirchners Schwester . Als nun des Priesters Vermahnen an ihnen nichts verfährt , hat er gesaget , ey , nun gebe Gott und S. Magnus , daß ihr ein gantz Jahr also singen und tantzen müßt . Also hat obgedachter Kirchner seine Schwester vom Tantze wollen reißen bei einem Arm , hat ihm der Arm erschröcklicher Weise von ihrem Leibe gefolget , so haben sie darnach ein gantz Jahr all umbgetantzet , und biß unter ihre Gürtel Kulen in die Erden getantzet , und ihre Kleider seind nicht veraltet , ihre Schuhe nicht zerrißen , Haar und Bart unversehret blieben , auch weder Regen noch Schnee auf sie
gefallen . Als das Jahr verschließen , seind kommen hieher gen Cölbig , die heiligen zweene Bischoffe , der von Cölln und Hildesheim , mit andern andächtigen Vätern , und haben Gott mit Ernst angerufen und gebehten , daß Gott der Allmächtige diß Miracul von diesen geplagten armen Menschen wollt gnädig abwenden . Also hat sie Gott durch dieser heiligen Väter Gebeht entlediget von solcher Strafe und erschrecklicher Plage , darnach nach ihrer Entledigung seind sie kommen vor den Hohen Altar , haben nieder gekniet , und alle entschlafen Drey Tage und Drey Nächte , und seind ihrer 4 von ihnen gestorben , die andern sind aufgestanden , und Gott den Allmächtigen gepreiset , und Dancksagung gethan , dem sei Lob Preiß und Ehr in Ewigkeit , Amen . “
Otmar , S. 29. Becmann , Anhalt’sche Chronik , 3r Th. 4r Bd. 4s Kapitel .
Büsching erzählt sie S. 383 vom Dorfe Kolbeck bei Magdeburg . Wahrscheinlich soll dieß das ehemalige Kloster und jetzige Anhalt-Köthensche Vorwerk Kölbick , eine Stunde von Bernburg , seyn ; denn bei Magdeburg giebt es kein Dorf Kolbeck .
Der Ring der ehelichen Treue . Vor Zeiten hauste einmal , in einer schauerlichen Gegend des Schwarzwaldes , Ritter Kuno von Falkenstein . Auf einem unzugänglichen Felsgipfel hatte er sich eine Burg erbaut , fest und gewaltig , wie die damalige Zeit , die hieß er den Falkensteig . Drinnen lebte er in glücklicher Ehe mit seiner Hausfrau viele Jahre lang , denn sie hatten alles , was ihr Herz wünschte , und kannten nicht Mangel , nicht Noth . Aber eins fehlte ihnen , eins , das sich nicht mit Gold und Gelde erkaufen läßt , und mehr dem Armen als dem Reichen zugetheilt ist , Kinder . Von Jahr zu Jahr hatte die Hoffnung sie hingehalten , ihren sehnlichsten Wunsch doch endlich erfüllt zu sehen , aber umsonst . Zehn Jahre
waren schon so verflossen , und Ritter Kuno sah mit Schmerz , daß sein alter Stamm mit ihm erlöschen werde .
Schwermüthiger Gedanken voll , ging er einst im einsamen Forste , klagte und jammerte bei sich über das harte Schicksal , das ihm alles gab , nur kein Kind , und warf sich endlich unter einer Eiche nieder , seinem Kummer recht nachzuhängen . Siehe , da stand plötzlich ein unbekannter Jäger vor ihm , von seltner Gestalt und Geberde , und sprach :
„ Ritter Kuno , seyd fröhlich und guter Dinge ! Ihr sollt eine zahlreiche Nachkommenschaft haben , wenn ihr euch mir zum Eigenthum verschreiben wollt ! “
Dem Ritter fuhr ’s eiskalt über die Haut . Er stand auf , betrachtete den Jäger genauer , und da sah er erst den Pferdefuß , und erkannte den „ Gott sey bei uns “ . Flugs schlug er andächtig ein Kreuz , und der tückische Satan verschwand ; aber Kuno’s Gemüth ward
düsterer und schwermüthiger , als je . Langsam ging er nach seiner Burg zurück . Auf seiner Stirn lag Trübsinn und Kummer und kein freundlicher Blick mehr . Da beschloß er endlich , nach dem heiligen Lande zu pilgern , und im blutigen Saracenenkampf und im heißen Gebet an des Erlösers Grabe , seines Kummers Linderung zu suchen .
Schon standen die Rosse für ihn und seine drei Knappen im Vorhofe , als Kuno sein trauerndes Weib noch ein Mal umarmte , und ihr , nach damaliger Sitte , die Hälfte seines entzwei gebrochenen Eheringes darreichte .
„ Nimm ! “ so sprach er ernst , „ nimm hin die Hälfte unseres Ringes ehelicher Treue , den des Priesters Hand weihte , er möge der wieder vereinigenden Liebe Probe seyn . Sieben Jahre harre meiner , kehre ich auch dann noch nicht heim , so denke – ich sey gefallen , und dann – sey unser Eheband gelöst . “
Eine Thräne der Trennung entschlüpfte ihm , noch eine herzliche stumme Umarmung , und dann schwang er sich auf sein Roß . Fort ging es nun durch Feld und Wald , durch Gebirge , über Flüsse und Meere .
Schon hatte sein Schwert der Ungläubigen Blut , schon hatte die heilige Stätte seine frommen Thränen getrunken , und noch immer kehrte kein Friede in seine Brust zurück . Oft war ihm der Böse in mancherlei Gestalten erschienen , und hatte sein Anerbieten erneuert ; aber Kuno blieb standhaft , und wies jeden Antrag von sich .
So verflossen einige Jahre unter blutigen Kämpfen und grausamem Gemetzel im Heere der Ungläubigen , als Kuno eines Tags gefangen ward und in des Sultans Hände fiel . Er erwartete einen schmählichen Tod , allein man warf ihn in einen finstern Kerker , wo er , getrennt von seinen treuen Knappen , tief unter der Erde , schreckliche Tage der Einsamkeit
verleben mußte . Ach ! wie oft seufzte er da auf seinem Lager von Stroh nach dem lieben Vaterlande , nach seiner lieben Hausfrau ! wie oft betete er da zu Gott um Erlösung oder Tod ! Aber noch hatte die Stunde der Befreiung nicht geschlagen , noch sollte er erst große Prüfungen ausstehen . Denn einst , als er auch im tiefen Jammer sein feuchtes Lager mit Thränen netzte , ward es plötzlich lichter Tag um ihn her , und vor ihm stand Satanas , und sprach :
„ Ritter Kuno , ich befreie dich aus diesem Kerker , gebe dir des Sultans Tochter zum Weibe und eine Krone zur Mitgift , wenn du dich und deine Seele mir verschreibst ! “
Kuno schwieg in sich gekehrt .
„ Oeffne dir eine Ader , “ fuhr der Böse fort , „ hier ist Papier , schreibe flugs mit deinem eigenen warmen Blute , und im Hui bist du frei ! “
Da sprang Kuno voll Zorn auf von dem Lager , und sprach :
„ Hebe dich von mir , du böser Geist ! Ehe soll das Gewürm hier meinen Leichnam fressen , als daß ich mich dir ergebe . Fort ! “
Und es verschwand der Böse aus dem Kerker , und versuchte nicht wieder den Kuno .
Nach zwei schrecklichen Jahren endlich öffnete der Sultan seinen Kerker . Kuno wurde entlassen , erhielt seine Freiheit , und durfte wieder heimziehen in das Land , wo seine Väter ruhten . Allein , und ohne einen Gefährten , trat er die lange Reise an . Sein Körper war siech , sein Geist schwach . Mit Mühe schleppte er sich durch große Steppen und wüste Felder einem weiten , unabsehbaren Walde zu . Ohne Steg , ohne Weg , irrte er darin herum , hoffend , er werde doch endlich seinen Ausgang erreichen ; aber ein ganzer heißer Tag verging , und noch nahm das Dickicht kein Ende . Am dritten Tage hatte
er am frühen Morgen kaum seinen Weg fortzusetzen begonnen , als er auf einer freien Stelle drei Menschen in der Kleidung seines Landes vor sich sah . Er erreichte sie bald , und fand zu seinem größten Erstaunen und Freude in ihnen seine drei Knappen wieder . Wie umarmte er sie brüderlich und herzinnig , wie wohl ward ihm , seine alten treuen Diener nun wieder bei sich zu haben , und mit ihnen den weiten Gang zur Heimath vollbringen zu können . Gestärkt fühlte er sich an Kraft , und zum ersten Male wieder heitern Sinnes zog er mit ihnen vorwärts . Aber sie zogen viele Tage und viele Nächte und immer im Walde umher . Da war nirgends ein Pfad , nirgends eine Hütte , nirgends Lebensmittel , und nur mit Kräutern und Wurzeln konnten sie sich erhalten . Mit einem Male standen sie vor einer hohen , hohen Mauer , die war links und rechts von unabsehbarer Länge , und hatte nirgends , so ämsig
sie auch darnach suchten , eine Oeffnung , wo man hätte durchgehen können . Kuno setzte sich nieder , und befahl den Knappen , daß einer die Mauer hinan kletterte , und hinüber schaute , wie es da aussähe . Sofort stieg einer auf den Schultern der andern hinan , klimmte bis auf die Höhe der Mauer , und als er nun oben saß , blickte er lächelnd zurück auf den Ritter , und verschwand auf der andern Seite . Da klimmte der zweite hinan , und als er oben saß , und Kuno gespannt seiner Botschaft harrte , da nickte er seinem Herrn freundlich zu , und , weg war er .
„ Nun habe ich noch dich , “ sprach Kuno zum dritten , „ wenn auch du mich verlässest , so bin ich in wegloser Wüste allein , und ein Raub wilder Thiere ! “
„ Ich bleibe euch treu bis in den Tod , “ sprach der Knappe , „ helft mir nur auf die Mauer , und ich entdecke euch redlich , was ich sehe . “
Der Ritter that’s . Auf seinen Schultern stieg er den gefährlichen Weg hinan . Und als er oben war , und Kuno voll Angst zu ihm aufschaute , und der Kunde des ihm noch einzigen Gefährten harrte , siehe , da blickt auch dieser treulos auf den Herrn zurück , nickt ihm zu , und fort ist er , gleich den andern .
Kuno schauderte , und sein sich sträubendes Haar ließ ihn hier die unsichtbare Nähe seines tückischen Feindes vermuthen . Er zitterte an allen Gliedern , sank auf seine Kniee , und sprach andächtig ein Gebet , das ihn ein frommer Priester gelehrt hatte . Drei Mal rief er dabei den Namen des heiligen Gottes mit lauter Stimme aus , da wich die Verblendung . Die Mauer verschwand , und der Ritter erkannte , daß Satan ihn durch die drei falschen Knechte irre geführt habe , und daß jenseits der Mauer das verwünschte Paradies
oder Satans Reich gewesen sey , in das er ihn locken wollen .
Mit angestrengter Kraft floh Kuno von der unheimlichen Stelle , ging raschen Schrittes vorwärts , aber ob er wirklich nach seiner Heimath hin ging , das wußte er nicht . Hunger und Ermattung warfen ihn endlich nieder . Er glaubte , sein Ende nahe sich , aber ein wohlthätiger Schlummer war es , der ihn überfiel . Kaum hatten sich seine Augen geschlossen , da sah er im Traume seine Ehefrau , wie sie so eben mit einem andern Ritter zum Traualtare ging . Am ganzen Körper zitternd , erwachte er plötzlich , tröstete sich zwar , daß es ein Traum sey ; als er aber nachdachte und zählte , da fand er , daß das siebente Jahr sich jetzt gerade ende . Schnell raffte er sich auf , lief fort , stand still , rang weinend die Hände , blickte mit Verzweiflung auf den ungeheuren Weg , der ihn noch von seiner Heimath trennte , und – – schau !
da stand wieder derselbe Jäger vor ihm , der ihm schon daheim im Walde , und auch nachmals noch bei jeder Noth und Gefahr , versuchend erschienen war .
„ Morgen , “ grinste Satan , „ ist dein Weib das Weib eines Andern . Du hast noch tausend Meilen bis heim . Verschreibst du dich mir aber mit deinem Blute , sieh , so bringe ich dich morgen zur rechten Stunde auf deine Burg . “
Kuno war in der schrecklichsten Angst und Verzweiflung . Er liebte sein Weib so herzlich , und liebte doch auch Gott und seine Lehre so von ganzer Seele . Was sollte er beginnen ! Fürchterlich war der Kampf in seinem Innern . Er weinte und jammerte , und hob die Hände ringend zum Himmel . Das sah der Satan , und sprach :
„ Noch eins will ich dir gewähren : Du bist deines Versprechens wieder ledig , schläfst du auf der weiten Reise nicht ein ! “
Zwar war Kuno vom langen Wachen , von der weiten Reise erschöpft und matt , und fürchterlich schien sich ein tiefer Abgrund vor ihm zu öffnen , wenn er , auch unter dieser Bedingung , den Vertrag einginge ; aber die Liebe zu seinem Weibe und Vertrauen auf Gott , der seine Augen ihm offen erhalten werde , ließen ihn endlich den kühnen Bund schließen . Mit seinem warmen Blute schrieb er die schrecklichen Worte nieder , die ihn zu Satans Eigenthum machten . Kaum war das unglückliche Blatt in des Teufels Klauen , und kaum hatte er grinsend und mit feurigen Augen die blutige Schrift überlesen , als die Hülle des Jägers von ihm abfiel , und er nun in der Gestalt eines gewaltigen Löwen vor dem bleichen Kuno stand .
„ Setze dich auf ! “ schnaubte das Thier , „ ich trage dich sicher . “ Und Kuno setzte sich mit christlichem Muthe und Vertrauen in Gott auf den Löwen . Nun ging ’s in sausendem
Gallop über Berg und Thal , über Land und Meer . Schneidend pfiff die Luft in Kuno’s Locken , so schnell durchflog er sie , und oft schwindelte ihn ob des raschen Laufs . Aber er blieb dabei immer wach . Sein fester Glaube , und die mit seiner Reise verknüpfte Gefahr , verscheuchte jeden Schlaf , und ängstlich hielt er sich in der rauhen Mähne des Löwen fest , um nicht herab zu taumeln , und im raschen Fluge an Felsen zu zerschellen .
Doch , als der Abend herandunkelte , da begannen ihm die Augenlieder zu sinken . Mit der höchsten Anstrengung suchte er sie offen zu erhalten , aber umsonst ! Sie sanken und sanken . Da ergriff ihn plötzlich der höchste Grad der Angst und Verzweiflung , und laut schrie er Gott um Hülfe und Rettung an . Die kam auch . Zwei muntere Falken schwebten hernieder , flatterten erst um den höllischen Renner in Kreisen herum , dann setzte sich der eine auf das Haupt des Ritters ,
der andere auf seinen Fuß , und wenn nun Kuno’s Augen sich schließen wollten , dann flatterten sie ängstlich um ihn her , pickten ihn mit ihren Schnäbeln , schlugen ihn mit ihren Fittigen , und erhielten so den armen Geängstigten wach . Satan ergrimmte darob gewaltig , doch konnte er ’s nicht hindern , und da er einmal an den Vertrag gebunden war , so mußte er die Reise auch enden . Glücklich und ohne eingeschlafen zu seyn , langte der Ritter in seinem Dorfe Kirchzarten beim Gasthofe an . Wie hoch schlug ihm das Herz vor Freude und Wonne , als er die Zinnen seiner Stammburg wieder sah , worin er nun seine traute Hausfrau finden sollte . Aber , wie ward ihm , als in dem Augenblick ein stattlicher Brautzug aus der Kirche daher kam , von Trompeten und Pfeifen begleitet , und sein Weib , im brautlichen Kleide , züchtiglich an der Seite des Bräutigams vor ihm vorüberging . In die Erde hätte er sinken mögen vor Scham
und Schmerz , vor Wehmuth und Gram . Doch ermannte er sich , folgte unbekannt dem festlichen Zuge nach in seine Burg , und mischte sich mit unter die Gäste in dem weiten Prunksaal . Da ging nun der gastfreundschaftliche Becher herum bei allen Anwesenden , und auch Kuno wurde er gereicht . Er trank ihn halb aus , ließ während dem unvermerkt die wohlverwahrte Hälfte des ehelichen Trauringes hineinfallen , und reichte den Becher der Braut . Ohne den Fremdling zu erkennen , – denn wie hatten diesen Gram und Kummer verstellt , – führte sie den Pokal zum Munde , blickte zufällig hinein , erschrak , warf einen zweifelhaften und prüfenden Blick bald auf Kuno , bald auf des Ringes Hälfte , griff in ihren Busen , zog die andere Hälfte des Ringes hervor , warf sie auch in den Wein , und da – seht das schöne , das erfreuliche Wunder ! – vereinigten sich die beiden Hälften zum festen nun nicht mehr zu
zerbrechenden Ringe . Mit einem Schrei des Entsetzens und der Freude warf sie sich zum Erstaunen der Hochzeitsgäste in Kuno’s Arme , und sprach :
„ O ! verzeih mein Gemahl ! den Gott mir wiedergab ; verzeih meinen Irrthum , und nimm als liebendes Weib von neuem mich an ! “
„ Du bist , entgegnete Kuno , durch sieben Jahre treu mir geblieben . Der Herr hat uns nach vielen Gefahren , nach großer Prüfung wieder vereint , nun soll uns nur der Tod trennen ! “
Es war indessen der Freier , es waren die Hochzeitsgäste still fortgegangen , und als Kuno und sein Weib von ihrem ersten freudigen Entzücken sich erholt hatten , sahen sie sich allein im weiten Prunksaale . Man ließ alle
ihrer Straße ziehen , rief keinen zurück . Aber Kuno führte fortan ein stilles und gottesfürchtiges Leben mit seiner treuen Hausfrau bis in ein hohes Alter . Den Kirchen und den Armen gab er viel und reichlich . Vor allen aber nahm er sich der dürftigen Wanderer an , die speiste und tränkte er , die warnte er aus eigner Erfahrung , vor den Verblendungen des Satans , die ermahnte er , ihr Vertrauen nur auf Gott zu setzen , so würden sie stets den Versuchungen des Bösen widerstehen können . Darum ward er aber auch nach seinem Tode selig gesprochen . Aber auch in den himmlischen Wohnungen blieb er den Reisenden Freund . Oft schon erschien er dem zagenden Wanderer , der auf wüster Heide oder in des Waldes unwegsamen Dickicht des Weges Spur verloren hatte , als ein freundlicher Alter , reichte ihm labende Speise und Trank , und führte ihn sicher auf den rechten Pfad . Oder , wenn bei nächtlicher Weile , am verrufenen
Kreuzweg , dem schauernden Pilger ein zusammengeschrumpftes Mütterchen begegnet , wenn ihn ein täuschendes Irrlicht auf Abwege führt , oder gar ein Kobold beim Schopf ihn faßt , dann darf er nur vertrauend den heiligen Kuno um Hülfe anrufen , und er eilt herbei , scheucht die Gestalten , und leitet den Verirrten , den Geblendeten auf rechten Weg .
In der Kirche des Dorfes Kirchzarten , unter den Ruinen der Burg Falkensteig , sieht man noch jetzt das dem Grafen Kuno von Falkenstein errichtete Monument . Auf einem Löwen steht da ein Ritter im Panzerhemde mit Schild , Schwert und Dolch ; das Haupt ist an einen Helm gelehnt , auf dem Helme sind zwei Köpfe von Vögeln , im bedeutenden Schilde zeigt sich ein Falke , und um die Figur
geht in alten Karakteren die Inschrift : Anno domini 1343 4to idus maji obiit dominus cuno de Valkenstein miles .
Iris , ein Taschenbuch für 1805 , herausgegeben von J. G. Jacobi . Zürch , 12. S. 210 .