Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

trag nicht ohne Unruhe, und nur um etwas
zu sagen, versetzte er, nachdem er tief Athem
geholt hatte: Sie sprechen auf eine sehr
freundliche Weise nur von dem Guten, was
Sie an uns finden und von uns hoffen;
wie sieht es denn aber mit den schwachen
Seiten aus, die Ihrem Scharfsinne gewiß
nicht entgangen sind?

Die wollen wir bald durch Fleiß, Übung
und Nachdenken zu starken Seiten machen,
versetzte Serlo. Es ist unter euch allen, die
ihr denn doch nur Naturalisten und Pfuscher
seyd, keiner, der nicht mehr oder weniger
Hoffnung von sich gäbe; denn so viel ich
alle beurtheilen kann, so ist kein einziger
Stock darunter, und Stöcke allein sind die
Unverbesserlichen, sie mögen nun aus Eigen¬
dünkel, Dummheit oder Hypochondrie unge¬
lenk und unbiegsam seyn.

Serlo legte darauf mit wenigen Worten

trag nicht ohne Unruhe, und nur um etwas
zu ſagen, verſetzte er, nachdem er tief Athem
geholt hatte: Sie ſprechen auf eine ſehr
freundliche Weiſe nur von dem Guten, was
Sie an uns finden und von uns hoffen;
wie ſieht es denn aber mit den ſchwachen
Seiten aus, die Ihrem Scharfſinne gewiß
nicht entgangen ſind?

Die wollen wir bald durch Fleiß, Übung
und Nachdenken zu ſtarken Seiten machen,
verſetzte Serlo. Es iſt unter euch allen, die
ihr denn doch nur Naturaliſten und Pfuſcher
ſeyd, keiner, der nicht mehr oder weniger
Hoffnung von ſich gäbe; denn ſo viel ich
alle beurtheilen kann, ſo iſt kein einziger
Stock darunter, und Stöcke allein ſind die
Unverbeſſerlichen, ſie mögen nun aus Eigen¬
dünkel, Dummheit oder Hypochondrie unge¬
lenk und unbiegſam ſeyn.

Serlo legte darauf mit wenigen Worten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0368" n="359"/>
trag nicht ohne Unruhe, und nur um etwas<lb/>
zu &#x017F;agen, ver&#x017F;etzte er, nachdem er tief Athem<lb/>
geholt hatte: Sie &#x017F;prechen auf eine &#x017F;ehr<lb/>
freundliche Wei&#x017F;e nur von dem Guten, was<lb/>
Sie an uns finden und von uns hoffen;<lb/>
wie &#x017F;ieht es denn aber mit den &#x017F;chwachen<lb/>
Seiten aus, die Ihrem Scharf&#x017F;inne gewiß<lb/>
nicht entgangen &#x017F;ind?</p><lb/>
            <p>Die wollen wir bald durch Fleiß, Übung<lb/>
und Nachdenken zu &#x017F;tarken Seiten machen,<lb/>
ver&#x017F;etzte Serlo. Es i&#x017F;t unter euch allen, die<lb/>
ihr denn doch nur Naturali&#x017F;ten und Pfu&#x017F;cher<lb/>
&#x017F;eyd, keiner, der nicht mehr oder weniger<lb/>
Hoffnung von &#x017F;ich gäbe; denn &#x017F;o viel ich<lb/>
alle beurtheilen kann, &#x017F;o i&#x017F;t kein einziger<lb/>
Stock darunter, und Stöcke allein &#x017F;ind die<lb/>
Unverbe&#x017F;&#x017F;erlichen, &#x017F;ie mögen nun aus Eigen¬<lb/>
dünkel, Dummheit oder Hypochondrie unge¬<lb/>
lenk und unbieg&#x017F;am &#x017F;eyn.</p><lb/>
            <p>Serlo legte darauf mit wenigen Worten<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[359/0368] trag nicht ohne Unruhe, und nur um etwas zu ſagen, verſetzte er, nachdem er tief Athem geholt hatte: Sie ſprechen auf eine ſehr freundliche Weiſe nur von dem Guten, was Sie an uns finden und von uns hoffen; wie ſieht es denn aber mit den ſchwachen Seiten aus, die Ihrem Scharfſinne gewiß nicht entgangen ſind? Die wollen wir bald durch Fleiß, Übung und Nachdenken zu ſtarken Seiten machen, verſetzte Serlo. Es iſt unter euch allen, die ihr denn doch nur Naturaliſten und Pfuſcher ſeyd, keiner, der nicht mehr oder weniger Hoffnung von ſich gäbe; denn ſo viel ich alle beurtheilen kann, ſo iſt kein einziger Stock darunter, und Stöcke allein ſind die Unverbeſſerlichen, ſie mögen nun aus Eigen¬ dünkel, Dummheit oder Hypochondrie unge¬ lenk und unbiegſam ſeyn. Serlo legte darauf mit wenigen Worten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/368
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/368>, abgerufen am 04.05.2024.