Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

mit bekannt zu werden. Was an einem
Orte Wirkung that, verfehlte er nicht am
andern zu wiederholen, und hatte die herz¬
lichste Schadenfreude, wenn er alle Men¬
schen, auf gleiche Weise, aus dem Stegreife,
zum besten haben konnte.

Bey seinem lebhaften, freyen und durch
nichts gehinderten Geiste verbesserte er sich,
indem er Rollen und Stücke oft wiederholte,
sehr geschwind. Bald rezitirte und spielte er
dem Sinne gemäßer, als die Muster, die er
Anfangs nur nachgeahmt hatte. Auf diesem
Wege kam er nach und nach dazu, natürlich
zu spielen und doch immer verstellt zu seyn.
Er schien hingerissen, und lauerte auf den
Effekt, und sein größter Stolz war: die
Menschen stufenweise in Bewegung zu setzen.
Selbst das tolle Handwerk, das er trieb,
nöthigte ihn bald mit einer gewissen Mäßi¬
gung zu verfahren, und so lernte er, theils

mit bekannt zu werden. Was an einem
Orte Wirkung that, verfehlte er nicht am
andern zu wiederholen, und hatte die herz¬
lichſte Schadenfreude, wenn er alle Men¬
ſchen, auf gleiche Weiſe, aus dem Stegreife,
zum beſten haben konnte.

Bey ſeinem lebhaften, freyen und durch
nichts gehinderten Geiſte verbeſſerte er ſich,
indem er Rollen und Stücke oft wiederholte,
ſehr geſchwind. Bald rezitirte und ſpielte er
dem Sinne gemäßer, als die Muſter, die er
Anfangs nur nachgeahmt hatte. Auf dieſem
Wege kam er nach und nach dazu, natürlich
zu ſpielen und doch immer verſtellt zu ſeyn.
Er ſchien hingeriſſen, und lauerte auf den
Effekt, und ſein größter Stolz war: die
Menſchen ſtufenweiſe in Bewegung zu ſetzen.
Selbſt das tolle Handwerk, das er trieb,
nöthigte ihn bald mit einer gewiſſen Mäßi¬
gung zu verfahren, und ſo lernte er, theils

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0359" n="350"/>
mit bekannt zu werden. Was an einem<lb/>
Orte Wirkung that, verfehlte er nicht am<lb/>
andern zu wiederholen, und hatte die herz¬<lb/>
lich&#x017F;te Schadenfreude, wenn er alle Men¬<lb/>
&#x017F;chen, auf gleiche Wei&#x017F;e, aus dem Stegreife,<lb/>
zum be&#x017F;ten haben konnte.</p><lb/>
            <p>Bey &#x017F;einem lebhaften, freyen und durch<lb/>
nichts gehinderten Gei&#x017F;te verbe&#x017F;&#x017F;erte er &#x017F;ich,<lb/>
indem er Rollen und Stücke oft wiederholte,<lb/>
&#x017F;ehr ge&#x017F;chwind. Bald rezitirte und &#x017F;pielte er<lb/>
dem Sinne gemäßer, als die Mu&#x017F;ter, die er<lb/>
Anfangs nur nachgeahmt hatte. Auf die&#x017F;em<lb/>
Wege kam er nach und nach dazu, natürlich<lb/>
zu &#x017F;pielen und doch immer ver&#x017F;tellt zu &#x017F;eyn.<lb/>
Er &#x017F;chien hingeri&#x017F;&#x017F;en, und lauerte auf den<lb/>
Effekt, und &#x017F;ein größter Stolz war: die<lb/>
Men&#x017F;chen &#x017F;tufenwei&#x017F;e in Bewegung zu &#x017F;etzen.<lb/>
Selb&#x017F;t das tolle Handwerk, das er trieb,<lb/>
nöthigte ihn bald mit einer gewi&#x017F;&#x017F;en Mäßi¬<lb/>
gung zu verfahren, und &#x017F;o lernte er, theils<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[350/0359] mit bekannt zu werden. Was an einem Orte Wirkung that, verfehlte er nicht am andern zu wiederholen, und hatte die herz¬ lichſte Schadenfreude, wenn er alle Men¬ ſchen, auf gleiche Weiſe, aus dem Stegreife, zum beſten haben konnte. Bey ſeinem lebhaften, freyen und durch nichts gehinderten Geiſte verbeſſerte er ſich, indem er Rollen und Stücke oft wiederholte, ſehr geſchwind. Bald rezitirte und ſpielte er dem Sinne gemäßer, als die Muſter, die er Anfangs nur nachgeahmt hatte. Auf dieſem Wege kam er nach und nach dazu, natürlich zu ſpielen und doch immer verſtellt zu ſeyn. Er ſchien hingeriſſen, und lauerte auf den Effekt, und ſein größter Stolz war: die Menſchen ſtufenweiſe in Bewegung zu ſetzen. Selbſt das tolle Handwerk, das er trieb, nöthigte ihn bald mit einer gewiſſen Mäßi¬ gung zu verfahren, und ſo lernte er, theils

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/359
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/359>, abgerufen am 03.05.2024.