Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

gezwungen, theils aus Instinkt, das, wovon
so wenig Schauspieler einen Begriff zu haben
scheinen: mit Organ und Gebährden ökono¬
misch zu seyn.

So wußte er selbst rohe und unfreundli¬
che Menschen zu bändigen, und für sich zu
interessiren, und da er überall mit Nahrung
und Obdach zufrieden war, jedes Geschenk
dankbar annahm, das man ihm reichte, ja
manchmal gar das Geld, wenn er dessen
nach seiner Meinung genug hatte, ausschlug;
so schickte man ihn mit Empfehlungsschreiben
einander zu, und so wanderte er eine ganze
Zeit von einem Edelhofe zum andern, wo er
manches Vergnügen erregte, manches genoß,
und nicht ohne die angenehmsten und artig¬
sten Abentheuer blieb.

Bey der innerlichen Kälte seines Gemü¬
thes liebte er eigentlich niemand; bey der
Klarheit seines Blicks konnte er niemand

gezwungen, theils aus Inſtinkt, das, wovon
ſo wenig Schauſpieler einen Begriff zu haben
ſcheinen: mit Organ und Gebährden ökono¬
miſch zu ſeyn.

So wußte er ſelbſt rohe und unfreundli¬
che Menſchen zu bändigen, und für ſich zu
intereſſiren, und da er überall mit Nahrung
und Obdach zufrieden war, jedes Geſchenk
dankbar annahm, das man ihm reichte, ja
manchmal gar das Geld, wenn er deſſen
nach ſeiner Meinung genug hatte, ausſchlug;
ſo ſchickte man ihn mit Empfehlungsſchreiben
einander zu, und ſo wanderte er eine ganze
Zeit von einem Edelhofe zum andern, wo er
manches Vergnügen erregte, manches genoß,
und nicht ohne die angenehmſten und artig¬
ſten Abentheuer blieb.

Bey der innerlichen Kälte ſeines Gemü¬
thes liebte er eigentlich niemand; bey der
Klarheit ſeines Blicks konnte er niemand

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0360" n="351"/>
gezwungen, theils aus In&#x017F;tinkt, das, wovon<lb/>
&#x017F;o wenig Schau&#x017F;pieler einen Begriff zu haben<lb/>
&#x017F;cheinen: mit Organ und Gebährden ökono¬<lb/>
mi&#x017F;ch zu &#x017F;eyn.</p><lb/>
            <p>So wußte er &#x017F;elb&#x017F;t rohe und unfreundli¬<lb/>
che Men&#x017F;chen zu bändigen, und für &#x017F;ich zu<lb/>
intere&#x017F;&#x017F;iren, und da er überall mit Nahrung<lb/>
und Obdach zufrieden war, jedes Ge&#x017F;chenk<lb/>
dankbar annahm, das man ihm reichte, ja<lb/>
manchmal gar das Geld, wenn er de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
nach &#x017F;einer Meinung genug hatte, aus&#x017F;chlug;<lb/>
&#x017F;o &#x017F;chickte man ihn mit Empfehlungs&#x017F;chreiben<lb/>
einander zu, und &#x017F;o wanderte er eine ganze<lb/>
Zeit von einem Edelhofe zum andern, wo er<lb/>
manches Vergnügen erregte, manches genoß,<lb/>
und nicht ohne die angenehm&#x017F;ten und artig¬<lb/>
&#x017F;ten Abentheuer blieb.</p><lb/>
            <p>Bey der innerlichen Kälte &#x017F;eines Gemü¬<lb/>
thes liebte er eigentlich niemand; bey der<lb/>
Klarheit &#x017F;eines Blicks konnte er niemand<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[351/0360] gezwungen, theils aus Inſtinkt, das, wovon ſo wenig Schauſpieler einen Begriff zu haben ſcheinen: mit Organ und Gebährden ökono¬ miſch zu ſeyn. So wußte er ſelbſt rohe und unfreundli¬ che Menſchen zu bändigen, und für ſich zu intereſſiren, und da er überall mit Nahrung und Obdach zufrieden war, jedes Geſchenk dankbar annahm, das man ihm reichte, ja manchmal gar das Geld, wenn er deſſen nach ſeiner Meinung genug hatte, ausſchlug; ſo ſchickte man ihn mit Empfehlungsſchreiben einander zu, und ſo wanderte er eine ganze Zeit von einem Edelhofe zum andern, wo er manches Vergnügen erregte, manches genoß, und nicht ohne die angenehmſten und artig¬ ſten Abentheuer blieb. Bey der innerlichen Kälte ſeines Gemü¬ thes liebte er eigentlich niemand; bey der Klarheit ſeines Blicks konnte er niemand

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/360
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/360>, abgerufen am 03.05.2024.