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Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868.

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richtet waren, halfen den nicht weniger blutdürstigen Menschenjägern die feindlichen Lager ausfindig machen. Die Offiziere wetteiferten, wer die besten Indianerhunde besitze, und ein gewisser Lieutenant Antonio Pereira liess die seinigen nur Indianerfleisch geniessen, um sie stets bei guter Nase zu erhalten. Als durch die Einführung der weit arbeitsfähigeren Neger die Indianer fast ganz entwerthet wurden, so handelte es sich bei solchen Expeditionen nicht mehr darum, Menschen zu fangen, sondern nur eine möglichst grosse Zahl zu morden. Um diesen Zweck, die Vernichtung der Indianer, in ausgedehntem Massstabe zu erreichen, griffen die Portugiesen zu den niederträchtigsten Mitteln. Sie legten Kleider von Personen, die an Blattern oder Scharlach verstorben waren, in der Absicht in die Wälder, dass Indianer sich diese aneignen und infolge dessen Epidemien unter ihnen ausbrechen und grässliche Verheerungen unter ihnen anrichten sollten." Also ganz wie es die Engländer in Nordamerika machten! -- Nachdem nun Tschudi gesagt hat, dass die Spanier zu solchen schändlichen Mitteln nie gegriffen hätten, fährt er fort: "trotz der schönen aber leider so mangelhaft ausgeführten Constitution Brasiliens hat der Vernichtungskrieg gegen die Indianer der Provinz Minas bis auf die neueste Zeit noch fortgedauert. Heute noch (1860) leben dort Individuen, denen eine Indianerjagd der höchste Genuss ist und die noch sorgfältig Schweiss- und Spürhunde zu diesem Zwecke pflegen. Nur eine kurze Zeit ist verflossen, seit ein kaiserlich brasilianischer Militärcommandant als Repressalien für einen von den Indianern begangenen Mord ein Indianeraldea (Dorf) überfiel und als Siegestrophäe dreihundert Ohren von grausam abgeschlachteten Indianern in den Flecken St. Matheus, südlich vom Mukury brachte! Selbst der kaiserliche Commissionär ... neigt sich mehr zu den Vertilgungsmitteln hin, als auf rein menschliche Weise die Indianer der Civilisation unterthan zu machen....

Ottoni führt einige Beispiele an, wie der Vernichtungskrieg gegen die Indianer auch in neuerer Zeit geführt wurde. Der Schauplatz dieser elenden Thaten war das Quellgebiet des Mukury und ein Theil von dem des Jaquitinhonha. Die Hauptleiter der Mörderexpeditionen waren zwei indianische Soldaten Cre und Crahy, denen sich als dritter würdiger Genosse ein gewisser Tidoro zugesellte. Sie handelten aber nur auf höheren Militärbefehl. "Eine Aldea umbringen" war ihr Losungswort, der Zauber, der sie für ihr Henkerhandwerk fanatisirte. Mit Hülfe kaiserlich brasilianischer Soldaten und "Liebhaber" (oft den besten Ständen angehörend) umringten sie während der Nacht die dem Untergang geweihte Aldea und stürmten sie mit dem ersten Tagesgrauen, so dass die aufgehende Sonne nur noch blutrauchende grässlich verstümmelte Leichname beschien. Die arglosen Indianer hatten gewöhnlich keine Idee von dem ihnen drohenden Verhängniss: sie wurden meistens im tiefen Schlaf überrascht.

richtet waren, halfen den nicht weniger blutdürstigen Menschenjägern die feindlichen Lager ausfindig machen. Die Offiziere wetteiferten, wer die besten Indianerhunde besitze, und ein gewisser Lieutenant Antonio Pereira liess die seinigen nur Indianerfleisch geniessen, um sie stets bei guter Nase zu erhalten. Als durch die Einführung der weit arbeitsfähigeren Neger die Indianer fast ganz entwerthet wurden, so handelte es sich bei solchen Expeditionen nicht mehr darum, Menschen zu fangen, sondern nur eine möglichst grosse Zahl zu morden. Um diesen Zweck, die Vernichtung der Indianer, in ausgedehntem Massstabe zu erreichen, griffen die Portugiesen zu den niederträchtigsten Mitteln. Sie legten Kleider von Personen, die an Blattern oder Scharlach verstorben waren, in der Absicht in die Wälder, dass Indianer sich diese aneignen und infolge dessen Epidemien unter ihnen ausbrechen und grässliche Verheerungen unter ihnen anrichten sollten.« Also ganz wie es die Engländer in Nordamerika machten! — Nachdem nun Tschudi gesagt hat, dass die Spanier zu solchen schändlichen Mitteln nie gegriffen hätten, fährt er fort: »trotz der schönen aber leider so mangelhaft ausgeführten Constitution Brasiliens hat der Vernichtungskrieg gegen die Indianer der Provinz Minas bis auf die neueste Zeit noch fortgedauert. Heute noch (1860) leben dort Individuen, denen eine Indianerjagd der höchste Genuss ist und die noch sorgfältig Schweiss- und Spürhunde zu diesem Zwecke pflegen. Nur eine kurze Zeit ist verflossen, seit ein kaiserlich brasilianischer Militärcommandant als Repressalien für einen von den Indianern begangenen Mord ein Indianeraldea (Dorf) überfiel und als Siegestrophäe dreihundert Ohren von grausam abgeschlachteten Indianern in den Flecken St. Matheus, südlich vom Mukury brachte! Selbst der kaiserliche Commissionär ... neigt sich mehr zu den Vertilgungsmitteln hin, als auf rein menschliche Weise die Indianer der Civilisation unterthan zu machen....

Ottoni führt einige Beispiele an, wie der Vernichtungskrieg gegen die Indianer auch in neuerer Zeit geführt wurde. Der Schauplatz dieser elenden Thaten war das Quellgebiet des Mukury und ein Theil von dem des Jaquitinhonha. Die Hauptleiter der Mörderexpeditionen waren zwei indianische Soldaten Cré und Crahy, denen sich als dritter würdiger Genosse ein gewisser Tidoro zugesellte. Sie handelten aber nur auf höheren Militärbefehl. »Eine Aldea umbringen« war ihr Losungswort, der Zauber, der sie für ihr Henkerhandwerk fanatisirte. Mit Hülfe kaiserlich brasilianischer Soldaten und »Liebhaber« (oft den besten Ständen angehörend) umringten sie während der Nacht die dem Untergang geweihte Aldea und stürmten sie mit dem ersten Tagesgrauen, so dass die aufgehende Sonne nur noch blutrauchende grässlich verstümmelte Leichname beschien. Die arglosen Indianer hatten gewöhnlich keine Idee von dem ihnen drohenden Verhängniss: sie wurden meistens im tiefen Schlaf überrascht.

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 Menschenjägern die feindlichen Lager ausfindig machen. Die
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 ein gewisser Lieutenant Antonio Pereira liess die seinigen nur
 Indianerfleisch geniessen, um sie stets bei guter Nase zu erhalten.
 Als durch die Einführung der weit arbeitsfähigeren Neger
 die Indianer fast ganz entwerthet wurden, so handelte es sich bei
 solchen Expeditionen nicht mehr darum, Menschen zu fangen, sondern
 nur eine möglichst grosse Zahl zu morden. Um diesen Zweck, die
 Vernichtung der Indianer, in ausgedehntem Massstabe zu erreichen,
 griffen die Portugiesen zu den niederträchtigsten Mitteln. Sie
 legten Kleider von Personen, die an Blattern oder Scharlach
 verstorben waren, in der Absicht in die Wälder, dass Indianer
 sich diese aneignen und infolge dessen Epidemien unter ihnen
 ausbrechen und grässliche Verheerungen unter ihnen anrichten
 sollten.« Also ganz wie es die Engländer in Nordamerika
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 Vernichtungskrieg gegen die Indianer der Provinz Minas bis auf die
 neueste Zeit noch fortgedauert. Heute noch (1860) leben dort
 Individuen, denen eine Indianerjagd der höchste Genuss ist und
 die noch sorgfältig Schweiss- und Spürhunde zu diesem
 Zwecke pflegen. Nur eine kurze Zeit ist verflossen, seit ein
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 gegen die Indianer auch in neuerer Zeit geführt wurde. Der
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 Mörderexpeditionen waren zwei indianische Soldaten Cré
 und Crahy, denen sich als dritter würdiger Genosse ein
 gewisser Tidoro zugesellte. Sie handelten aber nur auf höheren
 Militärbefehl. »Eine Aldea umbringen« war ihr
 Losungswort, der Zauber, der sie für ihr Henkerhandwerk
 fanatisirte. Mit Hülfe kaiserlich brasilianischer Soldaten und
 »Liebhaber« (oft den besten Ständen
 angehörend) umringten sie während der Nacht die dem
 Untergang geweihte Aldea und stürmten sie mit dem ersten
 Tagesgrauen, so dass die aufgehende Sonne nur noch blutrauchende
 grässlich verstümmelte Leichname beschien. Die arglosen
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[0115] richtet waren, halfen den nicht weniger blutdürstigen Menschenjägern die feindlichen Lager ausfindig machen. Die Offiziere wetteiferten, wer die besten Indianerhunde besitze, und ein gewisser Lieutenant Antonio Pereira liess die seinigen nur Indianerfleisch geniessen, um sie stets bei guter Nase zu erhalten. Als durch die Einführung der weit arbeitsfähigeren Neger die Indianer fast ganz entwerthet wurden, so handelte es sich bei solchen Expeditionen nicht mehr darum, Menschen zu fangen, sondern nur eine möglichst grosse Zahl zu morden. Um diesen Zweck, die Vernichtung der Indianer, in ausgedehntem Massstabe zu erreichen, griffen die Portugiesen zu den niederträchtigsten Mitteln. Sie legten Kleider von Personen, die an Blattern oder Scharlach verstorben waren, in der Absicht in die Wälder, dass Indianer sich diese aneignen und infolge dessen Epidemien unter ihnen ausbrechen und grässliche Verheerungen unter ihnen anrichten sollten.« Also ganz wie es die Engländer in Nordamerika machten! — Nachdem nun Tschudi gesagt hat, dass die Spanier zu solchen schändlichen Mitteln nie gegriffen hätten, fährt er fort: »trotz der schönen aber leider so mangelhaft ausgeführten Constitution Brasiliens hat der Vernichtungskrieg gegen die Indianer der Provinz Minas bis auf die neueste Zeit noch fortgedauert. Heute noch (1860) leben dort Individuen, denen eine Indianerjagd der höchste Genuss ist und die noch sorgfältig Schweiss- und Spürhunde zu diesem Zwecke pflegen. Nur eine kurze Zeit ist verflossen, seit ein kaiserlich brasilianischer Militärcommandant als Repressalien für einen von den Indianern begangenen Mord ein Indianeraldea (Dorf) überfiel und als Siegestrophäe dreihundert Ohren von grausam abgeschlachteten Indianern in den Flecken St. Matheus, südlich vom Mukury brachte! Selbst der kaiserliche Commissionär ... neigt sich mehr zu den Vertilgungsmitteln hin, als auf rein menschliche Weise die Indianer der Civilisation unterthan zu machen.... Ottoni führt einige Beispiele an, wie der Vernichtungskrieg gegen die Indianer auch in neuerer Zeit geführt wurde. Der Schauplatz dieser elenden Thaten war das Quellgebiet des Mukury und ein Theil von dem des Jaquitinhonha. Die Hauptleiter der Mörderexpeditionen waren zwei indianische Soldaten Cré und Crahy, denen sich als dritter würdiger Genosse ein gewisser Tidoro zugesellte. Sie handelten aber nur auf höheren Militärbefehl. »Eine Aldea umbringen« war ihr Losungswort, der Zauber, der sie für ihr Henkerhandwerk fanatisirte. Mit Hülfe kaiserlich brasilianischer Soldaten und »Liebhaber« (oft den besten Ständen angehörend) umringten sie während der Nacht die dem Untergang geweihte Aldea und stürmten sie mit dem ersten Tagesgrauen, so dass die aufgehende Sonne nur noch blutrauchende grässlich verstümmelte Leichname beschien. Die arglosen Indianer hatten gewöhnlich keine Idee von dem ihnen drohenden Verhängniss: sie wurden meistens im tiefen Schlaf überrascht.

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Zitationshilfe: Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerland_naturvoelker_1868/115>, abgerufen am 13.05.2024.