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Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868.

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ner decimiren mussten. In Brasilien wars um nichts besser. Obwohl man anfangs den Eingeborenen die Freiheit zugesprochen hatte, kam man doch sehr bald dahin, dass man Menschenjagden erst duldete und dann (seit 1611) allgemein gestattete und diese entwickelten sich gar bald zu einer solchen Höhe, dass in den 3 Jahren 1628-1630 in Rio de Janeiro allein 60,000 Indianer, meist aus Paraguay, in die Sklaverei verkauft wurden, wobei es natürlich auch wieder zu den scheusslichsten Kriegen kam, in welchen Europäer und Indianer gleichmässig verwilderten (Waitz 3, 450-51). Allerdings setzten sich die Missionäre (Jesuiten) hiergegen, allein nur, um die Arbeitskraft der Indianer ihrem Orden zukommen zu lassen, und meist mit so geringem Erfolg, dass ihr Widerstand gar nichts bedeutete. Uebrigens ist auch jetzt noch das Loos der unter brasilianischer, also portugiesischer Herrschaft stehenden Indianer kaum besser (ebd. 453), wie die Portugiesen wohl diejenigen Europäer sind, welche am unmenschlichsten mit den Amerikanern umgingen. Das beweist auch, wie sie mit den Indianern der Pampas verfuhren. Wir wollen hören, was hierüber v. Tschudi 2, 261-64 von vergangenen Zeiten und von der Gegenwart sagt: "Das Verhältniss zwischen den erobernden Portugiesen und den Indianern war seit dem 16. Jahrhundert im allgemeinen ein getrübtes. Bekanntlich trachteten die Ansiedler so viel als nur möglich, die Eingeborenen für die Feldbestellung und für den Bergbau zu benutzen. Diese aber fanden im ganzen wenig Freude an solchen ihren natürlichen Neigungen mehr oder weniger widerstrebenden Verrichtungen und wollten ebenso wenig in ein Dienstverhältniss zu den Eindringlingen treten. Die gebieterische Nothwendigkeit, Arbeitskräfte zu besitzen, führte die Portugiesen allmählich dahin, sich der Indianer mit Gewalt zu bemächtigen und sie zu unentgeltlichen Dienstleistungen zu zwingen. Binnen kurzem bildete sich eine Indianersklaverei und ein schwunghafter Menschenhandel aus. Banden kühner Abenteurer zogen nach den Urwäldern auf Menschenjagd und verkauften nach der Rückkehr ihre Beute an Grossgrundbesitzer, in denen sie stets willige Abnehmer fanden. Königliche Verordnungen autorisirten gewissermassen dieses empörende Verfahren und nur an der Gesellschaft Jesu fanden die hartbedrängten Urbewohner Vertheidiger und Beschützer. Durch massenhafte Einfuhr von Sklaven von der afrikanischen Küste, verbunden mit einer etwas humaneren Gesetzgebung, verminderte sich, besonders im 18. Jahrhundert, die Indianersklaverei, dagegen aber entwickelte sich an vielen Grenzpunkten der Civilisation ein förmlicher Vernichtungskrieg zwischen Portugiesen und Indianern. Ueberlegenheit der Angriffs- und Verteidigungswaffen sicherten den ersten den Erfolg ..... deren weite mit gehacktem Blei geladene Trabucos oft schreckliche Verwüstungen unter den Gegnern anrichteten.

Wilde Bluthunde, die ausschliesslich auf Indianerfährten abge-

ner decimiren mussten. In Brasilien wars um nichts besser. Obwohl man anfangs den Eingeborenen die Freiheit zugesprochen hatte, kam man doch sehr bald dahin, dass man Menschenjagden erst duldete und dann (seit 1611) allgemein gestattete und diese entwickelten sich gar bald zu einer solchen Höhe, dass in den 3 Jahren 1628-1630 in Rio de Janeiro allein 60,000 Indianer, meist aus Paraguay, in die Sklaverei verkauft wurden, wobei es natürlich auch wieder zu den scheusslichsten Kriegen kam, in welchen Europäer und Indianer gleichmässig verwilderten (Waitz 3, 450-51). Allerdings setzten sich die Missionäre (Jesuiten) hiergegen, allein nur, um die Arbeitskraft der Indianer ihrem Orden zukommen zu lassen, und meist mit so geringem Erfolg, dass ihr Widerstand gar nichts bedeutete. Uebrigens ist auch jetzt noch das Loos der unter brasilianischer, also portugiesischer Herrschaft stehenden Indianer kaum besser (ebd. 453), wie die Portugiesen wohl diejenigen Europäer sind, welche am unmenschlichsten mit den Amerikanern umgingen. Das beweist auch, wie sie mit den Indianern der Pampas verfuhren. Wir wollen hören, was hierüber v. Tschudi 2, 261-64 von vergangenen Zeiten und von der Gegenwart sagt: »Das Verhältniss zwischen den erobernden Portugiesen und den Indianern war seit dem 16. Jahrhundert im allgemeinen ein getrübtes. Bekanntlich trachteten die Ansiedler so viel als nur möglich, die Eingeborenen für die Feldbestellung und für den Bergbau zu benutzen. Diese aber fanden im ganzen wenig Freude an solchen ihren natürlichen Neigungen mehr oder weniger widerstrebenden Verrichtungen und wollten ebenso wenig in ein Dienstverhältniss zu den Eindringlingen treten. Die gebieterische Nothwendigkeit, Arbeitskräfte zu besitzen, führte die Portugiesen allmählich dahin, sich der Indianer mit Gewalt zu bemächtigen und sie zu unentgeltlichen Dienstleistungen zu zwingen. Binnen kurzem bildete sich eine Indianersklaverei und ein schwunghafter Menschenhandel aus. Banden kühner Abenteurer zogen nach den Urwäldern auf Menschenjagd und verkauften nach der Rückkehr ihre Beute an Grossgrundbesitzer, in denen sie stets willige Abnehmer fanden. Königliche Verordnungen autorisirten gewissermassen dieses empörende Verfahren und nur an der Gesellschaft Jesu fanden die hartbedrängten Urbewohner Vertheidiger und Beschützer. Durch massenhafte Einfuhr von Sklaven von der afrikanischen Küste, verbunden mit einer etwas humaneren Gesetzgebung, verminderte sich, besonders im 18. Jahrhundert, die Indianersklaverei, dagegen aber entwickelte sich an vielen Grenzpunkten der Civilisation ein förmlicher Vernichtungskrieg zwischen Portugiesen und Indianern. Ueberlegenheit der Angriffs- und Verteidigungswaffen sicherten den ersten den Erfolg ..... deren weite mit gehacktem Blei geladene Trabucos oft schreckliche Verwüstungen unter den Gegnern anrichteten.

Wilde Bluthunde, die ausschliesslich auf Indianerfährten abge-

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 decimiren mussten. In Brasilien wars um nichts besser. Obwohl man
 anfangs den Eingeborenen die Freiheit zugesprochen hatte, kam man
 doch sehr bald dahin, dass man Menschenjagden erst duldete und dann
 (seit 1611) allgemein gestattete und diese entwickelten sich gar
 bald zu einer solchen Höhe, dass in den 3 Jahren 1628-1630 in
 Rio de Janeiro allein 60,000 Indianer, meist aus Paraguay, in die
 Sklaverei verkauft wurden, wobei es natürlich auch wieder zu
 den scheusslichsten Kriegen kam, in welchen Europäer und
 Indianer gleichmässig verwilderten (Waitz 3, 450-51).
 Allerdings setzten sich die Missionäre (Jesuiten) hiergegen,
 allein nur, um die Arbeitskraft der Indianer ihrem Orden zukommen
 zu lassen, und meist mit so geringem Erfolg, dass ihr Widerstand
 gar nichts bedeutete. Uebrigens ist auch jetzt noch das Loos der
 unter brasilianischer, also portugiesischer Herrschaft stehenden
 Indianer kaum besser (ebd. 453), wie die Portugiesen wohl
 diejenigen Europäer sind, welche am unmenschlichsten mit den
 Amerikanern umgingen. Das beweist auch, wie sie mit den Indianern
 der Pampas verfuhren. Wir wollen hören, was hierüber v.
 Tschudi 2, 261-64 von vergangenen Zeiten und von der Gegenwart
 sagt: »Das Verhältniss zwischen den erobernden
 Portugiesen und den Indianern war seit dem 16. Jahrhundert im
 allgemeinen ein getrübtes. Bekanntlich trachteten die
 Ansiedler so viel als nur möglich, die Eingeborenen für
 die Feldbestellung und für den Bergbau zu benutzen. Diese aber
 fanden im ganzen wenig Freude an solchen ihren natürlichen
 Neigungen mehr oder weniger widerstrebenden Verrichtungen und
 wollten ebenso wenig in ein Dienstverhältniss zu den
 Eindringlingen treten. Die gebieterische Nothwendigkeit,
 Arbeitskräfte zu besitzen, führte die Portugiesen
 allmählich dahin, sich der Indianer mit Gewalt zu
 bemächtigen und sie zu unentgeltlichen Dienstleistungen zu
 zwingen. Binnen kurzem bildete sich eine Indianersklaverei und ein
 schwunghafter Menschenhandel aus. Banden kühner Abenteurer
 zogen nach den Urwäldern auf Menschenjagd und verkauften nach
 der Rückkehr ihre Beute an Grossgrundbesitzer, in denen sie
 stets willige Abnehmer fanden. Königliche Verordnungen
 autorisirten gewissermassen dieses empörende Verfahren und nur
 an der Gesellschaft Jesu fanden die hartbedrängten Urbewohner
 Vertheidiger und Beschützer. Durch massenhafte Einfuhr von
 Sklaven von der afrikanischen Küste, verbunden mit einer etwas
 humaneren Gesetzgebung, verminderte sich, besonders im 18.
 Jahrhundert, die Indianersklaverei, dagegen aber entwickelte sich
 an vielen Grenzpunkten der Civilisation ein förmlicher
 Vernichtungskrieg zwischen Portugiesen und Indianern.
 Ueberlegenheit der Angriffs- und Verteidigungswaffen sicherten den
 ersten den Erfolg ..... deren weite mit gehacktem Blei geladene
 Trabucos oft schreckliche Verwüstungen unter den Gegnern
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[0114] ner decimiren mussten. In Brasilien wars um nichts besser. Obwohl man anfangs den Eingeborenen die Freiheit zugesprochen hatte, kam man doch sehr bald dahin, dass man Menschenjagden erst duldete und dann (seit 1611) allgemein gestattete und diese entwickelten sich gar bald zu einer solchen Höhe, dass in den 3 Jahren 1628-1630 in Rio de Janeiro allein 60,000 Indianer, meist aus Paraguay, in die Sklaverei verkauft wurden, wobei es natürlich auch wieder zu den scheusslichsten Kriegen kam, in welchen Europäer und Indianer gleichmässig verwilderten (Waitz 3, 450-51). Allerdings setzten sich die Missionäre (Jesuiten) hiergegen, allein nur, um die Arbeitskraft der Indianer ihrem Orden zukommen zu lassen, und meist mit so geringem Erfolg, dass ihr Widerstand gar nichts bedeutete. Uebrigens ist auch jetzt noch das Loos der unter brasilianischer, also portugiesischer Herrschaft stehenden Indianer kaum besser (ebd. 453), wie die Portugiesen wohl diejenigen Europäer sind, welche am unmenschlichsten mit den Amerikanern umgingen. Das beweist auch, wie sie mit den Indianern der Pampas verfuhren. Wir wollen hören, was hierüber v. Tschudi 2, 261-64 von vergangenen Zeiten und von der Gegenwart sagt: »Das Verhältniss zwischen den erobernden Portugiesen und den Indianern war seit dem 16. Jahrhundert im allgemeinen ein getrübtes. Bekanntlich trachteten die Ansiedler so viel als nur möglich, die Eingeborenen für die Feldbestellung und für den Bergbau zu benutzen. Diese aber fanden im ganzen wenig Freude an solchen ihren natürlichen Neigungen mehr oder weniger widerstrebenden Verrichtungen und wollten ebenso wenig in ein Dienstverhältniss zu den Eindringlingen treten. Die gebieterische Nothwendigkeit, Arbeitskräfte zu besitzen, führte die Portugiesen allmählich dahin, sich der Indianer mit Gewalt zu bemächtigen und sie zu unentgeltlichen Dienstleistungen zu zwingen. Binnen kurzem bildete sich eine Indianersklaverei und ein schwunghafter Menschenhandel aus. Banden kühner Abenteurer zogen nach den Urwäldern auf Menschenjagd und verkauften nach der Rückkehr ihre Beute an Grossgrundbesitzer, in denen sie stets willige Abnehmer fanden. Königliche Verordnungen autorisirten gewissermassen dieses empörende Verfahren und nur an der Gesellschaft Jesu fanden die hartbedrängten Urbewohner Vertheidiger und Beschützer. Durch massenhafte Einfuhr von Sklaven von der afrikanischen Küste, verbunden mit einer etwas humaneren Gesetzgebung, verminderte sich, besonders im 18. Jahrhundert, die Indianersklaverei, dagegen aber entwickelte sich an vielen Grenzpunkten der Civilisation ein förmlicher Vernichtungskrieg zwischen Portugiesen und Indianern. Ueberlegenheit der Angriffs- und Verteidigungswaffen sicherten den ersten den Erfolg ..... deren weite mit gehacktem Blei geladene Trabucos oft schreckliche Verwüstungen unter den Gegnern anrichteten. Wilde Bluthunde, die ausschliesslich auf Indianerfährten abge-

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Zitationshilfe: Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerland_naturvoelker_1868/114>, abgerufen am 22.11.2024.