Die Liebe, diese Blüthenzeit des Lebens, dieser Silberblick auf seines Stromes Wellen ist nirgend mächtiger, als unter dem schönen proven- zalischen Himmel, dem Vaterlande der Lieder. Hier nur vereinigt sie Feuer und Zartheit in gleichem Maße, hier nur ist sie die einzige große Angelegenheit des Lebens. Auch meine Aeltern fühlten sie, vom ersten Augenblick, als solche. Leo athmete nur für seine Klara, und Klara dachte nur ihn. Victor war hoch erfreut über das Bündniß zweier ihm so theuren Wesen, und seine siegende Beredtsamkeit riß den Vater mit sich fort, der wohl anfangs etwas von Standesunterschied bemerkte. Der Zeitgeist ent- faltete schon seine Schwingen, und fand beson- ders in den beiden Freunden begeisterte Herolde. Sie hatten früher nur in der idealen Welt der Alten gelebt, und sich von je Abkömmlinge alt- griechischer Kolonien geträumt. Leo hatte in Amerika den Standesunterschied, welcher sei- nem sanften Herzen niemahls zugesagt, als un- bedeutend ansehen lernen, und Victors stolzes Selbstgefühl wurde davon beleidigt. So stand der Verlobung der beiden Liebenden kein Hin-
derniß
Die Liebe, dieſe Bluͤthenzeit des Lebens, dieſer Silberblick auf ſeines Stromes Wellen iſt nirgend maͤchtiger, als unter dem ſchoͤnen proven- zaliſchen Himmel, dem Vaterlande der Lieder. Hier nur vereinigt ſie Feuer und Zartheit in gleichem Maße, hier nur iſt ſie die einzige große Angelegenheit des Lebens. Auch meine Aeltern fuͤhlten ſie, vom erſten Augenblick, als ſolche. Leo athmete nur fuͤr ſeine Klara, und Klara dachte nur ihn. Victor war hoch erfreut uͤber das Buͤndniß zweier ihm ſo theuren Weſen, und ſeine ſiegende Beredtſamkeit riß den Vater mit ſich fort, der wohl anfangs etwas von Standesunterſchied bemerkte. Der Zeitgeiſt ent- faltete ſchon ſeine Schwingen, und fand beſon- ders in den beiden Freunden begeiſterte Herolde. Sie hatten fruͤher nur in der idealen Welt der Alten gelebt, und ſich von je Abkoͤmmlinge alt- griechiſcher Kolonien getraͤumt. Leo hatte in Amerika den Standesunterſchied, welcher ſei- nem ſanften Herzen niemahls zugeſagt, als un- bedeutend anſehen lernen, und Victors ſtolzes Selbſtgefuͤhl wurde davon beleidigt. So ſtand der Verlobung der beiden Liebenden kein Hin-
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Die Liebe, dieſe Bluͤthenzeit des Lebens,
dieſer Silberblick auf ſeines Stromes Wellen iſt
nirgend maͤchtiger, als unter dem ſchoͤnen proven-
zaliſchen Himmel, dem Vaterlande der Lieder.
Hier nur vereinigt ſie Feuer und Zartheit in
gleichem Maße, hier nur iſt ſie die einzige große
Angelegenheit des Lebens. Auch meine Aeltern
fuͤhlten ſie, vom erſten Augenblick, als ſolche.
Leo athmete nur fuͤr ſeine Klara, und Klara
dachte nur ihn. Victor war hoch erfreut uͤber
das Buͤndniß zweier ihm ſo theuren Weſen,
und ſeine ſiegende Beredtſamkeit riß den Vater
mit ſich fort, der wohl anfangs etwas von
Standesunterſchied bemerkte. Der Zeitgeiſt ent-
faltete ſchon ſeine Schwingen, und fand beſon-
ders in den beiden Freunden begeiſterte Herolde.
Sie hatten fruͤher nur in der idealen Welt der
Alten gelebt, und ſich von je Abkoͤmmlinge alt-
griechiſcher Kolonien getraͤumt. Leo hatte in
Amerika den Standesunterſchied, welcher ſei-
nem ſanften Herzen niemahls zugeſagt, als un-
bedeutend anſehen lernen, und Victors ſtolzes
Selbſtgefuͤhl wurde davon beleidigt. So ſtand
der Verlobung der beiden Liebenden kein Hin-
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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/40>, abgerufen am 16.02.2025.
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