schen Kleidung, welche so schön steht. Das kurze Unterkleid war aus blasrother Seide, und das Drolet oder Oberkleid aus dunkelgrünem Sam- met, um die dunklen Locken wand sich ein Tuch in gleicher Farbe mit Gold durchwirkt. Schuh- schnallen und Armspangen waren mit den schön- sten Edelsteinen besetzt, und um den blendend wei- ßen Hals hingen blaßrothe Korallen. So erschien diese Nymphengestalt zum ersten Male den ent- zückten Augen meines Vaters. Sie ward meine Mutter! Du verzeihst mir gewiß, daß ich bei dieser Veranlassung etwas umständlicher er- zähle, als es wohl nöthig ist. Dieser Moment entschied ja über das Leben zweier mir so un- endlich theuern Personen, und über mein Da- seyn. Mein Vater war als Troubadour geklei- det, und Victor stellte ihm seiner Schwester vor. Der Eindruck, den beide auf einander machten, war überraschend, und als man sich in der Morgenfrühe trennte, waren beide von dem Gefühl durchdrungen, daß Leben ohne einander Tod sey!
ſchen Kleidung, welche ſo ſchoͤn ſteht. Das kurze Unterkleid war aus blasrother Seide, und das Drolet oder Oberkleid aus dunkelgruͤnem Sam- met, um die dunklen Locken wand ſich ein Tuch in gleicher Farbe mit Gold durchwirkt. Schuh- ſchnallen und Armſpangen waren mit den ſchoͤn- ſten Edelſteinen beſetzt, und um den blendend wei- ßen Hals hingen blaßrothe Korallen. So erſchien dieſe Nymphengeſtalt zum erſten Male den ent- zuͤckten Augen meines Vaters. Sie ward meine Mutter! Du verzeihſt mir gewiß, daß ich bei dieſer Veranlaſſung etwas umſtaͤndlicher er- zaͤhle, als es wohl noͤthig iſt. Dieſer Moment entſchied ja uͤber das Leben zweier mir ſo un- endlich theuern Perſonen, und uͤber mein Da- ſeyn. Mein Vater war als Troubadour geklei- det, und Victor ſtellte ihm ſeiner Schweſter vor. Der Eindruck, den beide auf einander machten, war uͤberraſchend, und als man ſich in der Morgenfruͤhe trennte, waren beide von dem Gefuͤhl durchdrungen, daß Leben ohne einander Tod ſey!
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ſchen Kleidung, welche ſo ſchoͤn ſteht. Das kurze
Unterkleid war aus blasrother Seide, und das
Drolet oder Oberkleid aus dunkelgruͤnem Sam-
met, um die dunklen Locken wand ſich ein Tuch
in gleicher Farbe mit Gold durchwirkt. Schuh-
ſchnallen und Armſpangen waren mit den ſchoͤn-
ſten Edelſteinen beſetzt, und um den blendend wei-
ßen Hals hingen blaßrothe Korallen. So erſchien
dieſe Nymphengeſtalt zum erſten Male den ent-
zuͤckten Augen meines Vaters. Sie ward meine
Mutter! Du verzeihſt mir gewiß, daß ich
bei dieſer Veranlaſſung etwas umſtaͤndlicher er-
zaͤhle, als es wohl noͤthig iſt. Dieſer Moment
entſchied ja uͤber das Leben zweier mir ſo un-
endlich theuern Perſonen, und uͤber mein Da-
ſeyn. Mein Vater war als Troubadour geklei-
det, und Victor ſtellte ihm ſeiner Schweſter vor.
Der Eindruck, den beide auf einander machten,
war uͤberraſchend, und als man ſich in der
Morgenfruͤhe trennte, waren beide von dem
Gefuͤhl durchdrungen, daß Leben ohne einander
Tod ſey!
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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/39>, abgerufen am 27.07.2024.
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