Die Sonne taucht freundlich aus den Fluthen herauf. Sie beleuchtet meinen Blicken zum letzten Mahle das dämmernde Europa. Thränen benetzen meine Wangen, unwillkührlich strecke ich meine Arme nach dem heimischen Gestade aus! ach, es schwindet von Minute zu Minute weiter zurück. Jch weine, ja, Adele, ich weine! Die Weiblichkeit behauptet ihre vollen Rechte, und drängt den männlichen Muth in den Hinter- grund. -- Jch habe mich auf einige Augenblicke in die Kajüte geflüchtet, um mich in der Ein- samkeit recht aus zu weinen. Große Schmerzen beruhigt der Mensch nur durch sich selbst, er erhebt sich nur durch eigne Kraft. Die mitlei- digen Tröster, welche sich auf dem Verdeck um mich her versammelten, thaten mir nur weher. Wie kann man so in's allgemeine hin zuspre- chen, wo man die feinsten Ursachen der Rüh- rung nicht kennt, wohl selbst ausgesprochen nicht kennen würde! Wie will man den verwandten Ton treffen, um diesen Mißklang in Einklang
Dieſelbe an dieſelbe.
Auf der Höhe von Gibraltar.
Die Sonne taucht freundlich aus den Fluthen herauf. Sie beleuchtet meinen Blicken zum letzten Mahle das daͤmmernde Europa. Thraͤnen benetzen meine Wangen, unwillkuͤhrlich ſtrecke ich meine Arme nach dem heimiſchen Geſtade aus! ach, es ſchwindet von Minute zu Minute weiter zuruͤck. Jch weine, ja, Adele, ich weine! Die Weiblichkeit behauptet ihre vollen Rechte, und draͤngt den maͤnnlichen Muth in den Hinter- grund. — Jch habe mich auf einige Augenblicke in die Kajuͤte gefluͤchtet, um mich in der Ein- ſamkeit recht aus zu weinen. Große Schmerzen beruhigt der Menſch nur durch ſich ſelbſt, er erhebt ſich nur durch eigne Kraft. Die mitlei- digen Troͤſter, welche ſich auf dem Verdeck um mich her verſammelten, thaten mir nur weher. Wie kann man ſo in’s allgemeine hin zuſpre- chen, wo man die feinſten Urſachen der Ruͤh- rung nicht kennt, wohl ſelbſt ausgeſprochen nicht kennen wuͤrde! Wie will man den verwandten Ton treffen, um dieſen Mißklang in Einklang
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Dieſelbe an dieſelbe.
Auf der Höhe von Gibraltar.
Die Sonne taucht freundlich aus den Fluthen
herauf. Sie beleuchtet meinen Blicken zum
letzten Mahle das daͤmmernde Europa. Thraͤnen
benetzen meine Wangen, unwillkuͤhrlich ſtrecke
ich meine Arme nach dem heimiſchen Geſtade
aus! ach, es ſchwindet von Minute zu Minute
weiter zuruͤck. Jch weine, ja, Adele, ich weine!
Die Weiblichkeit behauptet ihre vollen Rechte,
und draͤngt den maͤnnlichen Muth in den Hinter-
grund. — Jch habe mich auf einige Augenblicke
in die Kajuͤte gefluͤchtet, um mich in der Ein-
ſamkeit recht aus zu weinen. Große Schmerzen
beruhigt der Menſch nur durch ſich ſelbſt, er
erhebt ſich nur durch eigne Kraft. Die mitlei-
digen Troͤſter, welche ſich auf dem Verdeck um
mich her verſammelten, thaten mir nur weher.
Wie kann man ſo in’s allgemeine hin zuſpre-
chen, wo man die feinſten Urſachen der Ruͤh-
rung nicht kennt, wohl ſelbſt ausgeſprochen nicht
kennen wuͤrde! Wie will man den verwandten
Ton treffen, um dieſen Mißklang in Einklang
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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/21>, abgerufen am 27.07.2024.
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