treibt mich ein unwiederstehlicher Drang, Dir mein ganzes Jnnerstes zu zeigen. Jch folge ihm; die Einsamkeit einer Seereise gibt mir volle Muße.
Ja, eine Seereise. Und weit, sehr weit. Jn das Land der Freiheit schiffe ich hinüber. Wo mein Vater als Jüngling kämpfte unter dem Panier der Freiheit, wo mein hochherziger Oheim, für sie blutend, starb, da ist mein zweites Vaterland. Amerika! Amerika! Schon erhebt sich ein frischer Ostwind, Alles eilt an Bord. So lebe denn wohl Adele! Dieser Brief muß ans Land. Ach, zum letzten Mahle sehe ich den mütterlichen Boden, der mich gebar; seine freundlichen Rebenhügel, das frohe Treiben im Hafen von Marseille. Zum letzten Mahle schallen die muntern Lieder der Fischer zu mir herüber. O, es ist schwer von der Heimath zu scheiden! Schwer, wie das Sterben! Sterben ist ja auch nur eine Reise nach unbekannter Küste, ohne Wiederkehr. Lebe wohl, Adele! Lebe wohl, mein Frankreich!
treibt mich ein unwiederſtehlicher Drang, Dir mein ganzes Jnnerſtes zu zeigen. Jch folge ihm; die Einſamkeit einer Seereiſe gibt mir volle Muße.
Ja, eine Seereiſe. Und weit, ſehr weit. Jn das Land der Freiheit ſchiffe ich hinuͤber. Wo mein Vater als Juͤngling kaͤmpfte unter dem Panier der Freiheit, wo mein hochherziger Oheim, fuͤr ſie blutend, ſtarb, da iſt mein zweites Vaterland. Amerika! Amerika! Schon erhebt ſich ein friſcher Oſtwind, Alles eilt an Bord. So lebe denn wohl Adele! Dieſer Brief muß ans Land. Ach, zum letzten Mahle ſehe ich den muͤtterlichen Boden, der mich gebar; ſeine freundlichen Rebenhuͤgel, das frohe Treiben im Hafen von Marſeille. Zum letzten Mahle ſchallen die muntern Lieder der Fiſcher zu mir heruͤber. O, es iſt ſchwer von der Heimath zu ſcheiden! Schwer, wie das Sterben! Sterben iſt ja auch nur eine Reiſe nach unbekannter Kuͤſte, ohne Wiederkehr. Lebe wohl, Adele! Lebe wohl, mein Frankreich!
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treibt mich ein unwiederſtehlicher Drang, Dir
mein ganzes Jnnerſtes zu zeigen. Jch folge
ihm; die Einſamkeit einer Seereiſe gibt mir
volle Muße.
Ja, eine Seereiſe. Und weit, ſehr weit.
Jn das Land der Freiheit ſchiffe ich hinuͤber.
Wo mein Vater als Juͤngling kaͤmpfte unter
dem Panier der Freiheit, wo mein hochherziger
Oheim, fuͤr ſie blutend, ſtarb, da iſt mein
zweites Vaterland. Amerika! Amerika! Schon
erhebt ſich ein friſcher Oſtwind, Alles eilt an
Bord. So lebe denn wohl Adele! Dieſer Brief
muß ans Land. Ach, zum letzten Mahle ſehe ich
den muͤtterlichen Boden, der mich gebar; ſeine
freundlichen Rebenhuͤgel, das frohe Treiben im
Hafen von Marſeille. Zum letzten Mahle ſchallen
die muntern Lieder der Fiſcher zu mir heruͤber.
O, es iſt ſchwer von der Heimath zu ſcheiden!
Schwer, wie das Sterben! Sterben iſt ja auch
nur eine Reiſe nach unbekannter Kuͤſte, ohne
Wiederkehr. Lebe wohl, Adele! Lebe wohl, mein
Frankreich!
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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/20>, abgerufen am 27.07.2024.
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