und kamen. Hier eine geputzte Welt welche nach den Tullierien, nach den Champs-ellisees lustwandelte; dort Truppen-Abtheilungen aller Art, Proviantwagen, Geschütz, bewaffnete Bür- ger, kommend und gehend, Marketender zu Fuß und zu Pferde, alles eilend, lärmend, und zwischen all diesem Geräusch Artilleriesalven, von deren Gewalt die Erde zu beben schien. Mir war diese Scene so neu, und ich wurde so sonderbar davon ergriffen daß ich fast meine persönliche Lage darüber vergaß. Die Töchter meiner Wirthinn beschworen mich, bei allen Hei- ligen, mit ihnen nach Hause zu gehen, sie wa- ren voll Furcht und Schrecken, ich aber, wie gefesselt an diesen Schauplatz, hätte ihn gern noch weiter hinaus verlegt. Ja, wenn ich nach- gab, um die Forderungen der erschöpften Natur zu befriedigen, so fand ich in der sicheren Woh- nung durchaus keine Ruhe, es zog mich unwi- derstehlich zurück nach jener Gegend. Dachte ich einen Augenblick nach, so war ich mir selbst unerklärlich. Krieg und Schlachten hatten sonst nur einen geschichtlichen Reiz für mich, niemals konnte ich die ausführliche Erzählung ei-
und kamen. Hier eine geputzte Welt welche nach den Tullierien, nach den Champs-ellisées luſtwandelte; dort Truppen-Abtheilungen aller Art, Proviantwagen, Geſchuͤtz, bewaffnete Buͤr- ger, kommend und gehend, Marketender zu Fuß und zu Pferde, alles eilend, laͤrmend, und zwiſchen all dieſem Geraͤuſch Artillerieſalven, von deren Gewalt die Erde zu beben ſchien. Mir war dieſe Scene ſo neu, und ich wurde ſo ſonderbar davon ergriffen daß ich faſt meine perſoͤnliche Lage daruͤber vergaß. Die Toͤchter meiner Wirthinn beſchworen mich, bei allen Hei- ligen, mit ihnen nach Hauſe zu gehen, ſie wa- ren voll Furcht und Schrecken, ich aber, wie gefeſſelt an dieſen Schauplatz, haͤtte ihn gern noch weiter hinaus verlegt. Ja, wenn ich nach- gab, um die Forderungen der erſchoͤpften Natur zu befriedigen, ſo fand ich in der ſicheren Woh- nung durchaus keine Ruhe, es zog mich unwi- derſtehlich zuruͤck nach jener Gegend. Dachte ich einen Augenblick nach, ſo war ich mir ſelbſt unerklaͤrlich. Krieg und Schlachten hatten ſonſt nur einen geſchichtlichen Reiz fuͤr mich, niemals konnte ich die ausfuͤhrliche Erzaͤhlung ei-
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und kamen. Hier eine geputzte Welt welche
nach den Tullierien, nach den Champs-ellisées
luſtwandelte; dort Truppen-Abtheilungen aller
Art, Proviantwagen, Geſchuͤtz, bewaffnete Buͤr-
ger, kommend und gehend, Marketender zu
Fuß und zu Pferde, alles eilend, laͤrmend, und
zwiſchen all dieſem Geraͤuſch Artillerieſalven,
von deren Gewalt die Erde zu beben ſchien.
Mir war dieſe Scene ſo neu, und ich wurde
ſo ſonderbar davon ergriffen daß ich faſt meine
perſoͤnliche Lage daruͤber vergaß. Die Toͤchter
meiner Wirthinn beſchworen mich, bei allen Hei-
ligen, mit ihnen nach Hauſe zu gehen, ſie wa-
ren voll Furcht und Schrecken, ich aber, wie
gefeſſelt an dieſen Schauplatz, haͤtte ihn gern
noch weiter hinaus verlegt. Ja, wenn ich nach-
gab, um die Forderungen der erſchoͤpften Natur
zu befriedigen, ſo fand ich in der ſicheren Woh-
nung durchaus keine Ruhe, es zog mich unwi-
derſtehlich zuruͤck nach jener Gegend. Dachte
ich einen Augenblick nach, ſo war ich mir
ſelbſt unerklaͤrlich. Krieg und Schlachten hatten
ſonſt nur einen geſchichtlichen Reiz fuͤr mich,
niemals konnte ich die ausfuͤhrliche Erzaͤhlung ei-
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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/182>, abgerufen am 16.02.2025.
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