nun an nicht mehr seyn. Der kleine Kreis welcher mich umgab, vermochte nur untergeord- nete Ansichten zu fassen, man berechnete ob die Lebensmittel theurer werden würden; dar- über hinaus, sehnte ich mich auch nicht, denn das leichtsinnige Rennen und Fahren, das Drän- gen zu Theatern und andern Schauspielen, be- leidigte mich für den Augenblick in tiefster Seele. Eben so empörend war es mir, wie die vor- nehme und reiche Welt, schaarenweise davon eilte und, die Sache ihres Landes feig verloren gebend, nur darauf dachte, sich und ihre Schätze in Sicherheit zu bringen. Die Zeichen der Zeit sind böse, dachte ich mit Kummer.
Meine häufigsten, liebsten Spaziergänge wa- ren die Boulewards aux Italiens; hier war ich dem Montmartre näher, ja ich wagte mich zur weilen, von Antoine und meinen Gesellschafterin- nen begleitet, bis an die Barrieren. Nach weni- gen Tagen vernahm ich Kanonendonner, erst fern dann näher; bald erfüllten kriegerischen Sce- nen die Vorstadt Montmartre während die ei- gentliche Stadt ziemlich ruhig war. Dieser Kontrast war mir auffallend, wenn wir gingen
nun an nicht mehr ſeyn. Der kleine Kreis welcher mich umgab, vermochte nur untergeord- nete Anſichten zu faſſen, man berechnete ob die Lebensmittel theurer werden wuͤrden; dar- uͤber hinaus, ſehnte ich mich auch nicht, denn das leichtſinnige Rennen und Fahren, das Draͤn- gen zu Theatern und andern Schauſpielen, be- leidigte mich fuͤr den Augenblick in tiefſter Seele. Eben ſo empoͤrend war es mir, wie die vor- nehme und reiche Welt, ſchaarenweiſe davon eilte und, die Sache ihres Landes feig verloren gebend, nur darauf dachte, ſich und ihre Schaͤtze in Sicherheit zu bringen. Die Zeichen der Zeit ſind boͤſe, dachte ich mit Kummer.
Meine haͤufigſten, liebſten Spaziergaͤnge wa- ren die Boulewards aux Italiens; hier war ich dem Montmartre naͤher, ja ich wagte mich zur weilen, von Antoine und meinen Geſellſchafterin- nen begleitet, bis an die Barrieren. Nach weni- gen Tagen vernahm ich Kanonendonner, erſt fern dann naͤher; bald erfuͤllten kriegeriſchen Sce- nen die Vorſtadt Montmartre waͤhrend die ei- gentliche Stadt ziemlich ruhig war. Dieſer Kontraſt war mir auffallend, wenn wir gingen
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nun an nicht mehr ſeyn. Der kleine Kreis
welcher mich umgab, vermochte nur untergeord-
nete Anſichten zu faſſen, man berechnete ob
die Lebensmittel theurer werden wuͤrden; dar-
uͤber hinaus, ſehnte ich mich auch nicht, denn
das leichtſinnige Rennen und Fahren, das Draͤn-
gen zu Theatern und andern Schauſpielen, be-
leidigte mich fuͤr den Augenblick in tiefſter Seele.
Eben ſo empoͤrend war es mir, wie die vor-
nehme und reiche Welt, ſchaarenweiſe davon
eilte und, die Sache ihres Landes feig verloren
gebend, nur darauf dachte, ſich und ihre Schaͤtze
in Sicherheit zu bringen. Die Zeichen der
Zeit ſind boͤſe, dachte ich mit Kummer.
Meine haͤufigſten, liebſten Spaziergaͤnge wa-
ren die Boulewards aux Italiens; hier war ich
dem Montmartre naͤher, ja ich wagte mich zur
weilen, von Antoine und meinen Geſellſchafterin-
nen begleitet, bis an die Barrieren. Nach weni-
gen Tagen vernahm ich Kanonendonner, erſt fern
dann naͤher; bald erfuͤllten kriegeriſchen Sce-
nen die Vorſtadt Montmartre waͤhrend die ei-
gentliche Stadt ziemlich ruhig war. Dieſer
Kontraſt war mir auffallend, wenn wir gingen
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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/181>, abgerufen am 16.02.2025.
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