sie ein Mann, sie würde bleiben und kämpfen; vielleicht könnte sie dir noch etwas nützen, und wärs auch nur mit ihrem Blute. Aber ein Weib, ein unterjochtes Weib? qualvolles, nutz- loses Leben; da zu stehen im Kampf der Parteien, beobachtet in jeder Miene, gemiß- handelt um jeder unfreiwilligen Thräne, bearg- wohnt um jedes Wort, am meisten beim dul- denden Schweigen! Nein, Vaterland, ich muß dich verlassen! Schweigen könnte ich. Aber nein, ich soll reden, reden in ihrem Sinne. Nicht genug. Eine Bekehrungsgeschichte mei- nes Jnnern müßte ich erlügen, verdammend anklagen meine angebohrnen Gefühle, abschwö- rend darthun die ererbten Ansichten meines trefflichen Vaters. Unglückliches Weib! Der Mann kämpft für seine Meinung und macht sich Bahn; das Weib soll keine Meinung ha- ben. -- Wie oft, fröhliche Adele, habe ich Dich beneidet, daß Deine Gedanken nur den en- gen Raum zwischen der letzten Oper und dem nächsten Ball durchliefen; und doch strafte mich sogleich ein (wie mir schien) besseres Selbst- gefühl. Du begriffst mich nicht, wenn Du meine
ſie ein Mann, ſie wuͤrde bleiben und kaͤmpfen; vielleicht koͤnnte ſie dir noch etwas nuͤtzen, und waͤrs auch nur mit ihrem Blute. Aber ein Weib, ein unterjochtes Weib? qualvolles, nutz- loſes Leben; da zu ſtehen im Kampf der Parteien, beobachtet in jeder Miene, gemiß- handelt um jeder unfreiwilligen Thraͤne, bearg- wohnt um jedes Wort, am meiſten beim dul- denden Schweigen! Nein, Vaterland, ich muß dich verlaſſen! Schweigen koͤnnte ich. Aber nein, ich ſoll reden, reden in ihrem Sinne. Nicht genug. Eine Bekehrungsgeſchichte mei- nes Jnnern muͤßte ich erluͤgen, verdammend anklagen meine angebohrnen Gefuͤhle, abſchwoͤ- rend darthun die ererbten Anſichten meines trefflichen Vaters. Ungluͤckliches Weib! Der Mann kaͤmpft fuͤr ſeine Meinung und macht ſich Bahn; das Weib ſoll keine Meinung ha- ben. — Wie oft, froͤhliche Adele, habe ich Dich beneidet, daß Deine Gedanken nur den en- gen Raum zwiſchen der letzten Oper und dem naͤchſten Ball durchliefen; und doch ſtrafte mich ſogleich ein (wie mir ſchien) beſſeres Selbſt- gefuͤhl. Du begriffſt mich nicht, wenn Du meine
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ſie ein Mann, ſie wuͤrde bleiben und kaͤmpfen;
vielleicht koͤnnte ſie dir noch etwas nuͤtzen, und
waͤrs auch nur mit ihrem Blute. Aber ein
Weib, ein unterjochtes Weib? qualvolles, nutz-
loſes Leben; da zu ſtehen im Kampf der
Parteien, beobachtet in jeder Miene, gemiß-
handelt um jeder unfreiwilligen Thraͤne, bearg-
wohnt um jedes Wort, am meiſten beim dul-
denden Schweigen! Nein, Vaterland, ich muß
dich verlaſſen! Schweigen koͤnnte ich. Aber
nein, ich ſoll reden, reden in ihrem Sinne.
Nicht genug. Eine Bekehrungsgeſchichte mei-
nes Jnnern muͤßte ich erluͤgen, verdammend
anklagen meine angebohrnen Gefuͤhle, abſchwoͤ-
rend darthun die ererbten Anſichten meines
trefflichen Vaters. Ungluͤckliches Weib! Der
Mann kaͤmpft fuͤr ſeine Meinung und macht
ſich Bahn; das Weib ſoll keine Meinung ha-
ben. — Wie oft, froͤhliche Adele, habe ich Dich
beneidet, daß Deine Gedanken nur den en-
gen Raum zwiſchen der letzten Oper und dem
naͤchſten Ball durchliefen; und doch ſtrafte mich
ſogleich ein (wie mir ſchien) beſſeres Selbſt-
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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/18>, abgerufen am 27.07.2024.
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