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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.

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Familie gebracht, bei welcher meine Mutter wohnte,
als sie mich gebahr. Die Wirthinn war seitdem
verwitwet, und lebte mit ihren beiden Töchtern,
meines Alters, still und eingezogen. Sie erkannte
meinen Vater nach einigen Erläuterungen, und
konnte sich nicht genug freuen, das kleine Mäd-
chen wieder zu sehen, welches sie bei dessen Ge-
burt zuerst auf ihrem Schoße gewiegt. Sie
sind an einem merkwürdigen Tage gebohren lie-
bes Kind, sagte sie; noch immer höre ich den
Donner des Geschützes, und das Vivatrufen
im Augenblick ihrer Geburt. Wahrlich, so wird
keine Prinzessinn begrüßt! Wir andern Weiber
schreckten immer zusammen bei dem Lärmen;
und als nun Jhr Vater ins Zimmer stürzte,
und frei war -- ach, du mein Gott! wir weinten
alle wie die Kinder. Aber wir liebten auch die
schöne blasse, unglückliche Frau von ganzem Her-
zen. Nun, wo ist sie denn, die gute Mutter?
Uns traten Thränen in die Augen bei dieser
zuversichtlichen Frage. Die darauf folgenden
Erzählungen dämpften die Frende der ehrlichen
Frau gar sehr, und unsre vernarbten Wunden
brannten von neuen. Mein Vater empfahl mich

Familie gebracht, bei welcher meine Mutter wohnte,
als ſie mich gebahr. Die Wirthinn war ſeitdem
verwitwet, und lebte mit ihren beiden Toͤchtern,
meines Alters, ſtill und eingezogen. Sie erkannte
meinen Vater nach einigen Erlaͤuterungen, und
konnte ſich nicht genug freuen, das kleine Maͤd-
chen wieder zu ſehen, welches ſie bei deſſen Ge-
burt zuerſt auf ihrem Schoße gewiegt. Sie
ſind an einem merkwuͤrdigen Tage gebohren lie-
bes Kind, ſagte ſie; noch immer hoͤre ich den
Donner des Geſchuͤtzes, und das Vivatrufen
im Augenblick ihrer Geburt. Wahrlich, ſo wird
keine Prinzeſſinn begruͤßt! Wir andern Weiber
ſchreckten immer zuſammen bei dem Laͤrmen;
und als nun Jhr Vater ins Zimmer ſtuͤrzte,
und frei war — ach, du mein Gott! wir weinten
alle wie die Kinder. Aber wir liebten auch die
ſchoͤne blaſſe, ungluͤckliche Frau von ganzem Her-
zen. Nun, wo iſt ſie denn, die gute Mutter?
Uns traten Thraͤnen in die Augen bei dieſer
zuverſichtlichen Frage. Die darauf folgenden
Erzaͤhlungen daͤmpften die Frende der ehrlichen
Frau gar ſehr, und unſre vernarbten Wunden
brannten von neuen. Mein Vater empfahl mich

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[164/0174] Familie gebracht, bei welcher meine Mutter wohnte, als ſie mich gebahr. Die Wirthinn war ſeitdem verwitwet, und lebte mit ihren beiden Toͤchtern, meines Alters, ſtill und eingezogen. Sie erkannte meinen Vater nach einigen Erlaͤuterungen, und konnte ſich nicht genug freuen, das kleine Maͤd- chen wieder zu ſehen, welches ſie bei deſſen Ge- burt zuerſt auf ihrem Schoße gewiegt. Sie ſind an einem merkwuͤrdigen Tage gebohren lie- bes Kind, ſagte ſie; noch immer hoͤre ich den Donner des Geſchuͤtzes, und das Vivatrufen im Augenblick ihrer Geburt. Wahrlich, ſo wird keine Prinzeſſinn begruͤßt! Wir andern Weiber ſchreckten immer zuſammen bei dem Laͤrmen; und als nun Jhr Vater ins Zimmer ſtuͤrzte, und frei war — ach, du mein Gott! wir weinten alle wie die Kinder. Aber wir liebten auch die ſchoͤne blaſſe, ungluͤckliche Frau von ganzem Her- zen. Nun, wo iſt ſie denn, die gute Mutter? Uns traten Thraͤnen in die Augen bei dieſer zuverſichtlichen Frage. Die darauf folgenden Erzaͤhlungen daͤmpften die Frende der ehrlichen Frau gar ſehr, und unſre vernarbten Wunden brannten von neuen. Mein Vater empfahl mich

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Zitationshilfe: Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/174>, abgerufen am 25.11.2024.