hatte ich mich hierher gewünscht! Jetzt war ich da, und märchenhaft schien mir die rauhe Wirklichkeit. Hier hatte die furchtbare Bastille gestanden; dort war aber auch wieder die schreck- liche Guillottine permanent thätig gewesen. Die- sen alterthümlichen Dom hatte man damahls zum Tempel der Vernunft geweiht; dort erhob sich im großen reinen Styl das majestätische Pantheon. Welche Gegenstände den Geist zu beschäftigen! Mich wunderte aber nichts so sehr, als daß die Pariser zwischen diesen Denkmählern so leicht- sinnig umher laufen konnten, haschend nach Tand und leeren Zerstreuungen, nach dem Ge- nuß des Augenblicks. Mein Erstaunen wuchs, als ich sie, in diesen ernsten Tagen der Bedräng- niß, scherzen und witzeln hörte. Es that mir wehe, mein Herz blutete.
Persönliche Bekanntschaft veranlaßte meinen Vater, sich mit seinen Untergebenen dem Corps des Marschalls Marmont an zu schließen, mehr noch die Sage, daß der Marschall beauftragt sey, Paris zu decken. Mich hatte er zu der rechtschaffe-
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hatte ich mich hierher gewuͤnſcht! Jetzt war ich da, und maͤrchenhaft ſchien mir die rauhe Wirklichkeit. Hier hatte die furchtbare Baſtille geſtanden; dort war aber auch wieder die ſchreck- liche Guillottine permanent thaͤtig geweſen. Die- ſen alterthuͤmlichen Dom hatte man damahls zum Tempel der Vernunft geweiht; dort erhob ſich im großen reinen Styl das majeſtaͤtiſche Pantheon. Welche Gegenſtaͤnde den Geiſt zu beſchaͤftigen! Mich wunderte aber nichts ſo ſehr, als daß die Pariſer zwiſchen dieſen Denkmaͤhlern ſo leicht- ſinnig umher laufen konnten, haſchend nach Tand und leeren Zerſtreuungen, nach dem Ge- nuß des Augenblicks. Mein Erſtaunen wuchs, als ich ſie, in dieſen ernſten Tagen der Bedraͤng- niß, ſcherzen und witzeln hoͤrte. Es that mir wehe, mein Herz blutete.
Perſoͤnliche Bekanntſchaft veranlaßte meinen Vater, ſich mit ſeinen Untergebenen dem Corps des Marſchalls Marmont an zu ſchließen, mehr noch die Sage, daß der Marſchall beauftragt ſey, Paris zu decken. Mich hatte er zu der rechtſchaffe-
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hatte ich mich hierher gewuͤnſcht! Jetzt war
ich da, und maͤrchenhaft ſchien mir die rauhe
Wirklichkeit. Hier hatte die furchtbare Baſtille
geſtanden; dort war aber auch wieder die ſchreck-
liche Guillottine permanent thaͤtig geweſen. Die-
ſen alterthuͤmlichen Dom hatte man damahls zum
Tempel der Vernunft geweiht; dort erhob ſich
im großen reinen Styl das majeſtaͤtiſche Pantheon.
Welche Gegenſtaͤnde den Geiſt zu beſchaͤftigen!
Mich wunderte aber nichts ſo ſehr, als daß die
Pariſer zwiſchen dieſen Denkmaͤhlern ſo leicht-
ſinnig umher laufen konnten, haſchend nach
Tand und leeren Zerſtreuungen, nach dem Ge-
nuß des Augenblicks. Mein Erſtaunen wuchs,
als ich ſie, in dieſen ernſten Tagen der Bedraͤng-
niß, ſcherzen und witzeln hoͤrte. Es that mir
wehe, mein Herz blutete.
Perſoͤnliche Bekanntſchaft veranlaßte meinen
Vater, ſich mit ſeinen Untergebenen dem Corps
des Marſchalls Marmont an zu ſchließen, mehr
noch die Sage, daß der Marſchall beauftragt ſey,
Paris zu decken. Mich hatte er zu der rechtſchaffe-
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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/173>, abgerufen am 27.07.2024.
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