eine gute Sache, und von allen seinen Kamera- den beweint! rief mein Vater, kann das längste Leben einen so schönen Tod aufwiegen? Auch ein Leben voll Liebe nicht? fragte meine Mut- ter, und drückte zärtlich seine Hand. Das Leben ist schön, erwiederte er, und umarmte sie, aber der Heldentod des Jünglings ist es nicht minder. Wohl ist er zu beneiden, sagte Mucius, wenn ein schönes Auge um ihn weint; er lebt dann in diesen köstlichen Thränen ein seliges Leben! Eine dunckle Wolke flog bei diesen Wor- ten durch meine Seele, aber muthig scheuchte ich sie hinweg. Glückliches Geschlecht, sagte ich, das handelnd eingreifen kann in die gro- ßen Weltbegebenheiten! Preise das deine glück- lich, antwortete mein Vater, dem ein kleinerer Kreis bezeichnet wurde; es hat keine schmerz- liche Wahl, kann nicht schwanken zwischen den Pflichten für sein Haus, und für sein Land. Jch erkenne es mein Vater, sagte ich, seine Hand küssend. Jch verstand recht gut, was an seinem Geiste vorüber ging.
Wir trafen in Chaumerive fast zugleich mit dem theuern Emil ein. Meine Mutter schloß
eine gute Sache, und von allen ſeinen Kamera- den beweint! rief mein Vater, kann das laͤngſte Leben einen ſo ſchoͤnen Tod aufwiegen? Auch ein Leben voll Liebe nicht? fragte meine Mut- ter, und druͤckte zaͤrtlich ſeine Hand. Das Leben iſt ſchoͤn, erwiederte er, und umarmte ſie, aber der Heldentod des Juͤnglings iſt es nicht minder. Wohl iſt er zu beneiden, ſagte Mucius, wenn ein ſchoͤnes Auge um ihn weint; er lebt dann in dieſen koͤſtlichen Thraͤnen ein ſeliges Leben! Eine dunckle Wolke flog bei dieſen Wor- ten durch meine Seele, aber muthig ſcheuchte ich ſie hinweg. Gluͤckliches Geſchlecht, ſagte ich, das handelnd eingreifen kann in die gro- ßen Weltbegebenheiten! Preiſe das deine gluͤck- lich, antwortete mein Vater, dem ein kleinerer Kreis bezeichnet wurde; es hat keine ſchmerz- liche Wahl, kann nicht ſchwanken zwiſchen den Pflichten fuͤr ſein Haus, und fuͤr ſein Land. Jch erkenne es mein Vater, ſagte ich, ſeine Hand kuͤſſend. Jch verſtand recht gut, was an ſeinem Geiſte voruͤber ging.
Wir trafen in Chaumerive faſt zugleich mit dem theuern Emil ein. Meine Mutter ſchloß
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eine gute Sache, und von allen ſeinen Kamera-
den beweint! rief mein Vater, kann das laͤngſte
Leben einen ſo ſchoͤnen Tod aufwiegen? Auch
ein Leben voll Liebe nicht? fragte meine Mut-
ter, und druͤckte zaͤrtlich ſeine Hand. Das
Leben iſt ſchoͤn, erwiederte er, und umarmte ſie,
aber der Heldentod des Juͤnglings iſt es nicht
minder. Wohl iſt er zu beneiden, ſagte Mucius,
wenn ein ſchoͤnes Auge um ihn weint; er lebt
dann in dieſen koͤſtlichen Thraͤnen ein ſeliges
Leben! Eine dunckle Wolke flog bei dieſen Wor-
ten durch meine Seele, aber muthig ſcheuchte
ich ſie hinweg. Gluͤckliches Geſchlecht, ſagte
ich, das handelnd eingreifen kann in die gro-
ßen Weltbegebenheiten! Preiſe das deine gluͤck-
lich, antwortete mein Vater, dem ein kleinerer
Kreis bezeichnet wurde; es hat keine ſchmerz-
liche Wahl, kann nicht ſchwanken zwiſchen den
Pflichten fuͤr ſein Haus, und fuͤr ſein Land.
Jch erkenne es mein Vater, ſagte ich, ſeine
Hand kuͤſſend. Jch verſtand recht gut, was an
ſeinem Geiſte voruͤber ging.
Wir trafen in Chaumerive faſt zugleich mit
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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/126>, abgerufen am 27.07.2024.
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