sagte Mucius, und trocknete mir sanft die Augen. Er ist ihr Liebling, fuhr ich fort, und verdient es zu seyn. Beide verdienen es! Beide! rief Mucius, indem er meine Hand mit Heftigkeit an seine Lippen drückte. Glücklicher Emil! setzte er hinzu, und eine Thräne glänzte in seinen dunkelbraunen Augen: glücklicher Emil, Engel weinen um dich! ich Unglücklicher habe keine Schwester! Jch will auch die ihrige seyn, sagte ich, und meine Thränen flossen stärker. Vir- ginia! rief er im Ausruf des Entzückens, und schlang den Arm mich, ich sank im Uebermaß des Gefühls an seine Brust. Unsre Lippen be- gegneten sich unwillkührlich; wir hielten uns lange in sprachloser Seligkeit umarmt. O, das Leben ist schön! rief endlich Mucius: es will mich halten mit all seinem Zauber; gerade da ich es aufs Spiel setzen will, entfaltet es mir seine schönsten Blüthen. Aber nicht dem Feigen würde dieses holde Auge lächeln, nein, ich muß käm- pfen um so schönen Preis! Wird Virginia den Sieger lieben? fragte er mit Schmeicheltönen. Ewig! entgegnete ich. Mein? Dein riefen wir
Erster Theil. [8]
ſagte Mucius, und trocknete mir ſanft die Augen. Er iſt ihr Liebling, fuhr ich fort, und verdient es zu ſeyn. Beide verdienen es! Beide! rief Mucius, indem er meine Hand mit Heftigkeit an ſeine Lippen druͤckte. Gluͤcklicher Emil! ſetzte er hinzu, und eine Thraͤne glaͤnzte in ſeinen dunkelbraunen Augen: gluͤcklicher Emil, Engel weinen um dich! ich Ungluͤcklicher habe keine Schweſter! Jch will auch die ihrige ſeyn, ſagte ich, und meine Thraͤnen floſſen ſtaͤrker. Vir- ginia! rief er im Ausruf des Entzuͤckens, und ſchlang den Arm mich, ich ſank im Uebermaß des Gefuͤhls an ſeine Bruſt. Unſre Lippen be- gegneten ſich unwillkuͤhrlich; wir hielten uns lange in ſprachloſer Seligkeit umarmt. O, das Leben iſt ſchoͤn! rief endlich Mucius: es will mich halten mit all ſeinem Zauber; gerade da ich es aufs Spiel ſetzen will, entfaltet es mir ſeine ſchoͤnſten Bluͤthen. Aber nicht dem Feigen wuͤrde dieſes holde Auge laͤcheln, nein, ich muß kaͤm- pfen um ſo ſchoͤnen Preis! Wird Virginia den Sieger lieben? fragte er mit Schmeicheltoͤnen. Ewig! entgegnete ich. Mein? Dein riefen wir
Erſter Theil. [8]
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ſagte Mucius, und trocknete mir ſanft die Augen.
Er iſt ihr Liebling, fuhr ich fort, und verdient
es zu ſeyn. Beide verdienen es! Beide! rief
Mucius, indem er meine Hand mit Heftigkeit
an ſeine Lippen druͤckte. Gluͤcklicher Emil! ſetzte
er hinzu, und eine Thraͤne glaͤnzte in ſeinen
dunkelbraunen Augen: gluͤcklicher Emil, Engel
weinen um dich! ich Ungluͤcklicher habe keine
Schweſter! Jch will auch die ihrige ſeyn, ſagte
ich, und meine Thraͤnen floſſen ſtaͤrker. Vir-
ginia! rief er im Ausruf des Entzuͤckens, und
ſchlang den Arm mich, ich ſank im Uebermaß
des Gefuͤhls an ſeine Bruſt. Unſre Lippen be-
gegneten ſich unwillkuͤhrlich; wir hielten uns
lange in ſprachloſer Seligkeit umarmt. O, das
Leben iſt ſchoͤn! rief endlich Mucius: es will
mich halten mit all ſeinem Zauber; gerade da ich
es aufs Spiel ſetzen will, entfaltet es mir ſeine
ſchoͤnſten Bluͤthen. Aber nicht dem Feigen wuͤrde
dieſes holde Auge laͤcheln, nein, ich muß kaͤm-
pfen um ſo ſchoͤnen Preis! Wird Virginia den
Sieger lieben? fragte er mit Schmeicheltoͤnen.
Ewig! entgegnete ich. Mein? Dein riefen wir
Erſter Theil. [8]
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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/123>, abgerufen am 27.07.2024.
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