Gefühl über, und ein dunkles Sehnen bemäch- tigte sich unsrer Herzen. --
Schon als Du noch bei uns warest, freutest Du Dich der Gewohnheit meines Vaters, beim An- fange jedes Frühlings eine kleine Reise mit uns zu machen; nach Deiner Abreise wurden diese Ausflüge in jedem Jahre wiederholt und erwei- tert. Wir hatten Marseille und Hieres, dann Genf und seine schönen Umgebungen besucht. Die Gesundheit meiner Mutter hatte eben so viel Antheil an diesen Reisen, als das Vergnü- gen. Sie hatte besonders im Winter des Jah- res 1808 sehr an Nervenzufällen gelitten, weß- halb wir uns früher als gewöhnlich auf den Weg machten, um nach dem Rathe der Aerzte, nach Montpellier zu gehen. Wir nahmen un- seren Weg über Beaucaire und durchschnitten dann die Bergkette gerade auf Bellegarde, wo mein Vater ein Geschäft abzuthun hatte. Es war in den ersten Tagen des Februars, die Nordseite der Berge war noch hin und wieder mit Schnee bedeckt, aber in den Thälern sproßte schon das üppigste Grün, Veilchen und wilde
Gefuͤhl uͤber, und ein dunkles Sehnen bemaͤch- tigte ſich unſrer Herzen. —
Schon als Du noch bei uns wareſt, freuteſt Du Dich der Gewohnheit meines Vaters, beim An- fange jedes Fruͤhlings eine kleine Reiſe mit uns zu machen; nach Deiner Abreiſe wurden dieſe Ausfluͤge in jedem Jahre wiederholt und erwei- tert. Wir hatten Marſeille und Hieres, dann Genf und ſeine ſchoͤnen Umgebungen beſucht. Die Geſundheit meiner Mutter hatte eben ſo viel Antheil an dieſen Reiſen, als das Vergnuͤ- gen. Sie hatte beſonders im Winter des Jah- res 1808 ſehr an Nervenzufaͤllen gelitten, weß- halb wir uns fruͤher als gewoͤhnlich auf den Weg machten, um nach dem Rathe der Aerzte, nach Montpellier zu gehen. Wir nahmen un- ſeren Weg uͤber Beaucaire und durchſchnitten dann die Bergkette gerade auf Bellegarde, wo mein Vater ein Geſchaͤft abzuthun hatte. Es war in den erſten Tagen des Februars, die Nordſeite der Berge war noch hin und wieder mit Schnee bedeckt, aber in den Thaͤlern ſproßte ſchon das uͤppigſte Gruͤn, Veilchen und wilde
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Gefuͤhl uͤber, und ein dunkles Sehnen bemaͤch-
tigte ſich unſrer Herzen. —
Schon als Du noch bei uns wareſt, freuteſt Du
Dich der Gewohnheit meines Vaters, beim An-
fange jedes Fruͤhlings eine kleine Reiſe mit uns
zu machen; nach Deiner Abreiſe wurden dieſe
Ausfluͤge in jedem Jahre wiederholt und erwei-
tert. Wir hatten Marſeille und Hieres, dann
Genf und ſeine ſchoͤnen Umgebungen beſucht.
Die Geſundheit meiner Mutter hatte eben ſo
viel Antheil an dieſen Reiſen, als das Vergnuͤ-
gen. Sie hatte beſonders im Winter des Jah-
res 1808 ſehr an Nervenzufaͤllen gelitten, weß-
halb wir uns fruͤher als gewoͤhnlich auf den
Weg machten, um nach dem Rathe der Aerzte,
nach Montpellier zu gehen. Wir nahmen un-
ſeren Weg uͤber Beaucaire und durchſchnitten
dann die Bergkette gerade auf Bellegarde, wo
mein Vater ein Geſchaͤft abzuthun hatte. Es
war in den erſten Tagen des Februars, die
Nordſeite der Berge war noch hin und wieder
mit Schnee bedeckt, aber in den Thaͤlern ſproßte
ſchon das uͤppigſte Gruͤn, Veilchen und wilde
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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/111>, abgerufen am 27.07.2024.
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