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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.

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nährte zugleich die angenehme Hoffnung Dich auf
irgend eine Weise bald wieder zu sehen. Nächst
diesem reichhaltigen Stoffe, unterhielt er mich,
fleißig von einem Freunde, welcher um vier Jahre
älter war als er. Mucius war der Sohn sei-
nes väterlichen Lehrers. Beim Eintritt in das
Haus desselben fühlten sich beide schon sehr zu
einander hin gezogen, doch war damahls der Un-
terschied der Jahre, bei der früher fortgeschritte-
nen wissenschaftlichen Bildung des Freundes noch
sehr bemerklich; aber Emils schönes Gemüth
und seine schnell reifende Vernunft glichen den
Abstand nach und nach völlig aus. Von seinem
Freunde hatte mein Bruder mir unaufhörlich zu
erzählen, und es wurde mir bald Gewohnheit,
am Schlusse meiner Briefe ihm einen Gruß an
seinen Pilades aufzutragen. Mucius erwiederte
diese Aufmerksamkeit, durch einige sehr artige
Verse, welche er unter einen Brief meines Bru-
ders schrieb. Jch antwortete durch ein kleines
Gegengedicht, ebenfalls in einem Briefe an
Emil, und so entspann sich ein mittelbarer Brief-
wechsel, welcher mich, durch seine romantische
Natur, unendlich reizte. Die Artigkeit ging in

naͤhrte zugleich die angenehme Hoffnung Dich auf
irgend eine Weiſe bald wieder zu ſehen. Naͤchſt
dieſem reichhaltigen Stoffe, unterhielt er mich,
fleißig von einem Freunde, welcher um vier Jahre
aͤlter war als er. Mucius war der Sohn ſei-
nes vaͤterlichen Lehrers. Beim Eintritt in das
Haus deſſelben fuͤhlten ſich beide ſchon ſehr zu
einander hin gezogen, doch war damahls der Un-
terſchied der Jahre, bei der fruͤher fortgeſchritte-
nen wiſſenſchaftlichen Bildung des Freundes noch
ſehr bemerklich; aber Emils ſchoͤnes Gemuͤth
und ſeine ſchnell reifende Vernunft glichen den
Abſtand nach und nach voͤllig aus. Von ſeinem
Freunde hatte mein Bruder mir unaufhoͤrlich zu
erzaͤhlen, und es wurde mir bald Gewohnheit,
am Schluſſe meiner Briefe ihm einen Gruß an
ſeinen Pilades aufzutragen. Mucius erwiederte
dieſe Aufmerkſamkeit, durch einige ſehr artige
Verſe, welche er unter einen Brief meines Bru-
ders ſchrieb. Jch antwortete durch ein kleines
Gegengedicht, ebenfalls in einem Briefe an
Emil, und ſo entſpann ſich ein mittelbarer Brief-
wechſel, welcher mich, durch ſeine romantiſche
Natur, unendlich reizte. Die Artigkeit ging in

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[100/0110] naͤhrte zugleich die angenehme Hoffnung Dich auf irgend eine Weiſe bald wieder zu ſehen. Naͤchſt dieſem reichhaltigen Stoffe, unterhielt er mich, fleißig von einem Freunde, welcher um vier Jahre aͤlter war als er. Mucius war der Sohn ſei- nes vaͤterlichen Lehrers. Beim Eintritt in das Haus deſſelben fuͤhlten ſich beide ſchon ſehr zu einander hin gezogen, doch war damahls der Un- terſchied der Jahre, bei der fruͤher fortgeſchritte- nen wiſſenſchaftlichen Bildung des Freundes noch ſehr bemerklich; aber Emils ſchoͤnes Gemuͤth und ſeine ſchnell reifende Vernunft glichen den Abſtand nach und nach voͤllig aus. Von ſeinem Freunde hatte mein Bruder mir unaufhoͤrlich zu erzaͤhlen, und es wurde mir bald Gewohnheit, am Schluſſe meiner Briefe ihm einen Gruß an ſeinen Pilades aufzutragen. Mucius erwiederte dieſe Aufmerkſamkeit, durch einige ſehr artige Verſe, welche er unter einen Brief meines Bru- ders ſchrieb. Jch antwortete durch ein kleines Gegengedicht, ebenfalls in einem Briefe an Emil, und ſo entſpann ſich ein mittelbarer Brief- wechſel, welcher mich, durch ſeine romantiſche Natur, unendlich reizte. Die Artigkeit ging in

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Zitationshilfe: Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/110>, abgerufen am 25.11.2024.