Dilthey, Wilhelm: Einleitung in die Geisteswissenschaften. Versuch einer Grundlegung für das Studium der Gesellschaft und der Geschichte. Bd. 1. Leipzig, 1883.Zweites Buch. Vierter Abschnitt. eliminiren bemüht war. Auch hier war es wiederum die Zer-legung der vordem als ein lebendiges, von Einem Psychischen aus entwickeltes Ganzes betrachteten forma naturae, was die alte Metaphysik stürzte. -- So drang das analytische Verfahren, nicht die bloße Zerlegung in Gedanken, sondern die thatsäch- lich eingreifende, den ersten Naturursachen entgegen und löste psychische Wesenheiten sowie substantiale Formen auf. Hatte die monotheistische Lehre den Mittelpunkt der bis- Noch Kepler war durch seine Entdeckungen nur dahin ge- Alsdann fiel auch noch für Newton nur Ein Erklärungs- 1) Kepler Mysterium cosmographicum c. 20.
Zweites Buch. Vierter Abſchnitt. eliminiren bemüht war. Auch hier war es wiederum die Zer-legung der vordem als ein lebendiges, von Einem Pſychiſchen aus entwickeltes Ganzes betrachteten forma naturae, was die alte Metaphyſik ſtürzte. — So drang das analytiſche Verfahren, nicht die bloße Zerlegung in Gedanken, ſondern die thatſäch- lich eingreifende, den erſten Natururſachen entgegen und löſte pſychiſche Weſenheiten ſowie ſubſtantiale Formen auf. Hatte die monotheiſtiſche Lehre den Mittelpunkt der biſ- Noch Kepler war durch ſeine Entdeckungen nur dahin ge- Alsdann fiel auch noch für Newton nur Ein Erklärungs- 1) Kepler Mysterium cosmographicum c. 20.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0485" n="462"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Vierter Abſchnitt.</fw><lb/> eliminiren bemüht war. Auch hier war es wiederum die Zer-<lb/> legung der vordem als ein lebendiges, von Einem Pſychiſchen<lb/> aus entwickeltes Ganzes betrachteten <hi rendition="#aq">forma naturae,</hi> was die alte<lb/> Metaphyſik ſtürzte. — So drang das <hi rendition="#g">analytiſche Verfahren</hi>,<lb/> nicht die bloße Zerlegung in Gedanken, ſondern die <hi rendition="#g">thatſäch-<lb/> lich eingreifende</hi>, den erſten Natururſachen entgegen und löſte<lb/> pſychiſche Weſenheiten ſowie ſubſtantiale Formen auf.</p><lb/> <p>Hatte die <hi rendition="#g">monotheiſtiſche Lehre</hi> den Mittelpunkt der biſ-<lb/> herigen Metaphyſik gebildet und beſaß ſie innerhalb der ſtrengen<lb/> Wiſſenſchaft ihren Hauptſtützpunkt an dem <hi rendition="#g">Schluß aus den<lb/> Thatſachen der Aſtronomie</hi>, ſo wurde nun auch die Strin-<lb/> genz dieſes Schluſſes <hi rendition="#g">zerſetzt</hi>.</p><lb/> <p>Noch <hi rendition="#g">Kepler</hi> war durch ſeine Entdeckungen nur dahin ge-<lb/> führt worden, die göttliche Kraft, welche die Bewegungen der Pla-<lb/> neten hervorbringt, in die Sonne als den Mittelpunkt aller ihrer<lb/> Bahnen zu verlegen und ſo bereits eine Centralkraft in der Sonne<lb/> anzunehmen. „Wir müſſen eins von beiden vorausſetzen: entweder,<lb/> daß die bewegenden Geiſter, je weiter ſie von der Sonne entfernt<lb/> ſind, um ſo ſchwächer werden, oder daß es Einen bewegenden<lb/> Geiſt in dem Mittelpunkte aller dieſer Bahnen, nämlich in der<lb/> Sonne, gebe, der jeden Himmelskörper in eine um ſo ſchnellere<lb/> Bewegung verſetzt, je näher ihm dieſer iſt, bei den entfernteren<lb/> aber wegen der Erſtreckung und Herabminderung der Kraft gleich-<lb/> ſam ermattet <note place="foot" n="1)">Kepler <hi rendition="#aq">Mysterium cosmographicum c.</hi> 20.</note>.“</p><lb/> <p>Alsdann fiel auch noch für <hi rendition="#g">Newton</hi> nur Ein Erklärungs-<lb/> grund der Form der Planetenbewegungen in den Bereich der<lb/> Materie; er bedurfte neben ihm der Annahme, daß der Planet<lb/> durch einen Stoß in eine gewiſſe Richtung mit einer gewiſſen Ge-<lb/> ſchwindigkeit geworfen ſei. So war der erſte Beweger, wenn<lb/> auch zu einem untergeordneten Geſchäft, immer noch erforderlich.<lb/> Ja mehr, Newton erklärt, daß Planeten und Kometen zwar<lb/> nach den Geſetzen der Schwere in ihren Bahnen verharren, aber<lb/> die urſprüngliche und regelmäßige Lage derſelben nicht durch dieſe<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [462/0485]
Zweites Buch. Vierter Abſchnitt.
eliminiren bemüht war. Auch hier war es wiederum die Zer-
legung der vordem als ein lebendiges, von Einem Pſychiſchen
aus entwickeltes Ganzes betrachteten forma naturae, was die alte
Metaphyſik ſtürzte. — So drang das analytiſche Verfahren,
nicht die bloße Zerlegung in Gedanken, ſondern die thatſäch-
lich eingreifende, den erſten Natururſachen entgegen und löſte
pſychiſche Weſenheiten ſowie ſubſtantiale Formen auf.
Hatte die monotheiſtiſche Lehre den Mittelpunkt der biſ-
herigen Metaphyſik gebildet und beſaß ſie innerhalb der ſtrengen
Wiſſenſchaft ihren Hauptſtützpunkt an dem Schluß aus den
Thatſachen der Aſtronomie, ſo wurde nun auch die Strin-
genz dieſes Schluſſes zerſetzt.
Noch Kepler war durch ſeine Entdeckungen nur dahin ge-
führt worden, die göttliche Kraft, welche die Bewegungen der Pla-
neten hervorbringt, in die Sonne als den Mittelpunkt aller ihrer
Bahnen zu verlegen und ſo bereits eine Centralkraft in der Sonne
anzunehmen. „Wir müſſen eins von beiden vorausſetzen: entweder,
daß die bewegenden Geiſter, je weiter ſie von der Sonne entfernt
ſind, um ſo ſchwächer werden, oder daß es Einen bewegenden
Geiſt in dem Mittelpunkte aller dieſer Bahnen, nämlich in der
Sonne, gebe, der jeden Himmelskörper in eine um ſo ſchnellere
Bewegung verſetzt, je näher ihm dieſer iſt, bei den entfernteren
aber wegen der Erſtreckung und Herabminderung der Kraft gleich-
ſam ermattet 1).“
Alsdann fiel auch noch für Newton nur Ein Erklärungs-
grund der Form der Planetenbewegungen in den Bereich der
Materie; er bedurfte neben ihm der Annahme, daß der Planet
durch einen Stoß in eine gewiſſe Richtung mit einer gewiſſen Ge-
ſchwindigkeit geworfen ſei. So war der erſte Beweger, wenn
auch zu einem untergeordneten Geſchäft, immer noch erforderlich.
Ja mehr, Newton erklärt, daß Planeten und Kometen zwar
nach den Geſetzen der Schwere in ihren Bahnen verharren, aber
die urſprüngliche und regelmäßige Lage derſelben nicht durch dieſe
1) Kepler Mysterium cosmographicum c. 20.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDarüber hinaus sind keine weiteren Bände erschien… [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |