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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

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kleinem Heiligthum befinde. Das erschrockene
Mädchen war ihm gefolgt, und seinen Mißgriff
gewahrend, erhob er sich eben so schnell von dem
Sessel, auf den er sich niedergelassen, und zog
Tinas Hand an seine fieberisch brennenden Lippen.
"Entschuldigen Sie mich, Comtesse," hob er an,
"haben Sie Nachsicht mit mir. Ich liebe meinen
Vater über Alles, aber ich sehe auch noch andern
Verlusten entgegen, die mich tief schmerzen! Um
Ihre Liebe zu werben, ist mir nicht vergönnt;
aber ich habe vielleicht einen kleinen Anspruch
auf Ihre Freundschaft. Jetzt leben Sie wohl,
entschuldigen Sie mich bei Ihrem Herrn Vater
und den übrigen Verwandten, und wenn ich noch
um etwas bitten darf, so ist es das, mir zuwei¬
len einen Augenblick freundlicher Erinnerung
zu schenken!"

Tina war zu sehr überrascht von dem plötz¬
lichen Ereignisse, als daß sie einer ruhigen Er¬
wiederung fähig gewesen wäre. Sie ließ ihre
Hand in der ihres Freundes ruhn, sie war es
sich kaum selbst bewußt, daß er sie an seine Brust
zog und ihre Stirn mit einem leisen Kusse be¬
rührte. Ist es denn ein böser Traum, daß er
wirklich fort will, ist es Wirklichkeit? diese Fragen
durchkreuzten sich in ihrem Köpfchen, und erst als

kleinem Heiligthum befinde. Das erſchrockene
Maͤdchen war ihm gefolgt, und ſeinen Mißgriff
gewahrend, erhob er ſich eben ſo ſchnell von dem
Seſſel, auf den er ſich niedergelaſſen, und zog
Tinas Hand an ſeine fieberiſch brennenden Lippen.
„Entſchuldigen Sie mich, Comteſſe,“ hob er an,
„haben Sie Nachſicht mit mir. Ich liebe meinen
Vater uͤber Alles, aber ich ſehe auch noch andern
Verluſten entgegen, die mich tief ſchmerzen! Um
Ihre Liebe zu werben, iſt mir nicht vergoͤnnt;
aber ich habe vielleicht einen kleinen Anſpruch
auf Ihre Freundſchaft. Jetzt leben Sie wohl,
entſchuldigen Sie mich bei Ihrem Herrn Vater
und den uͤbrigen Verwandten, und wenn ich noch
um etwas bitten darf, ſo iſt es das, mir zuwei¬
len einen Augenblick freundlicher Erinnerung
zu ſchenken!“

Tina war zu ſehr uͤberraſcht von dem ploͤtz¬
lichen Ereigniſſe, als daß ſie einer ruhigen Er¬
wiederung faͤhig geweſen waͤre. Sie ließ ihre
Hand in der ihres Freundes ruhn, ſie war es
ſich kaum ſelbſt bewußt, daß er ſie an ſeine Bruſt
zog und ihre Stirn mit einem leiſen Kuſſe be¬
ruͤhrte. Iſt es denn ein boͤſer Traum, daß er
wirklich fort will, iſt es Wirklichkeit? dieſe Fragen
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[79/0085] kleinem Heiligthum befinde. Das erſchrockene Maͤdchen war ihm gefolgt, und ſeinen Mißgriff gewahrend, erhob er ſich eben ſo ſchnell von dem Seſſel, auf den er ſich niedergelaſſen, und zog Tinas Hand an ſeine fieberiſch brennenden Lippen. „Entſchuldigen Sie mich, Comteſſe,“ hob er an, „haben Sie Nachſicht mit mir. Ich liebe meinen Vater uͤber Alles, aber ich ſehe auch noch andern Verluſten entgegen, die mich tief ſchmerzen! Um Ihre Liebe zu werben, iſt mir nicht vergoͤnnt; aber ich habe vielleicht einen kleinen Anſpruch auf Ihre Freundſchaft. Jetzt leben Sie wohl, entſchuldigen Sie mich bei Ihrem Herrn Vater und den uͤbrigen Verwandten, und wenn ich noch um etwas bitten darf, ſo iſt es das, mir zuwei¬ len einen Augenblick freundlicher Erinnerung zu ſchenken!“ Tina war zu ſehr uͤberraſcht von dem ploͤtz¬ lichen Ereigniſſe, als daß ſie einer ruhigen Er¬ wiederung faͤhig geweſen waͤre. Sie ließ ihre Hand in der ihres Freundes ruhn, ſie war es ſich kaum ſelbſt bewußt, daß er ſie an ſeine Bruſt zog und ihre Stirn mit einem leiſen Kuſſe be¬ ruͤhrte. Iſt es denn ein boͤſer Traum, daß er wirklich fort will, iſt es Wirklichkeit? dieſe Fragen durchkreuzten ſich in ihrem Koͤpfchen, und erſt als

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Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/85>, abgerufen am 21.11.2024.