Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

er ist freundlichen Hoffnungen günstig und
der Liebe!"

"Freundlichen Hoffnungen?" fragte Blauen¬
stein, und sah Staunitz lächlend, aber wehmüthig
an. "Nun ja, der Hoffnungen sind verschiedene,
wer sie beloben darf, dem fehlt keine Sicherheit;
aber auf mich kann es keine Anwendung leiden;
meine Erwartungen vom Leben, vom Glück sind
nicht hoch gespannt. Und lieben kann man nur
einmal wahrhaft; nur einmal erschließt sich dem
Geweihten des Himmels Klarheit, und er empfängt
den Kranz, der seine Stirne zieren soll! Oft
tritt ein neidischer Zufall kalt und tückisch zwischen
das Glück und das liebende Herz!"

"Sie sprachen tief aus meinem Herzen, mein
Freund," erwiederte Staunitz, und drückte Blauen¬
steins Hand mit Feuer, "und ihre Gesinnungen
machen Ihnen Ehre. Aber die Zukunft ist für
unser kurzsichtiges Auge nicht geschaffen!"

Blauenstein nickte Beifall, sah dem Zersprin¬
gen der feinen Bläschen in seinem Glase zu und
sog das duftige Aroma des köstlichen Weines ein;
aber Tina schien unzufrieden über der jungen
Männer ernstes Gespräch, und fragte, ob es denn

er iſt freundlichen Hoffnungen guͤnſtig und
der Liebe!“

„Freundlichen Hoffnungen?“ fragte Blauen¬
ſtein, und ſah Staunitz laͤchlend, aber wehmuͤthig
an. „Nun ja, der Hoffnungen ſind verſchiedene,
wer ſie beloben darf, dem fehlt keine Sicherheit;
aber auf mich kann es keine Anwendung leiden;
meine Erwartungen vom Leben, vom Gluͤck ſind
nicht hoch geſpannt. Und lieben kann man nur
einmal wahrhaft; nur einmal erſchließt ſich dem
Geweihten des Himmels Klarheit, und er empfaͤngt
den Kranz, der ſeine Stirne zieren ſoll! Oft
tritt ein neidiſcher Zufall kalt und tuͤckiſch zwiſchen
das Gluͤck und das liebende Herz!“

„Sie ſprachen tief aus meinem Herzen, mein
Freund,“ erwiederte Staunitz, und druͤckte Blauen¬
ſteins Hand mit Feuer, „und ihre Geſinnungen
machen Ihnen Ehre. Aber die Zukunft iſt fuͤr
unſer kurzſichtiges Auge nicht geſchaffen!“

Blauenſtein nickte Beifall, ſah dem Zerſprin¬
gen der feinen Blaͤschen in ſeinem Glaſe zu und
ſog das duftige Aroma des koͤſtlichen Weines ein;
aber Tina ſchien unzufrieden uͤber der jungen
Maͤnner ernſtes Geſpraͤch, und fragte, ob es denn

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0076" n="70"/>
er i&#x017F;t freundlichen Hoffnungen gu&#x0364;n&#x017F;tig und<lb/>
der Liebe!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Freundlichen Hoffnungen?&#x201C; fragte Blauen¬<lb/>
&#x017F;tein, und &#x017F;ah Staunitz la&#x0364;chlend, aber wehmu&#x0364;thig<lb/>
an. &#x201E;Nun ja, der Hoffnungen &#x017F;ind ver&#x017F;chiedene,<lb/>
wer &#x017F;ie beloben darf, dem fehlt keine Sicherheit;<lb/>
aber auf mich kann es keine Anwendung leiden;<lb/>
meine Erwartungen vom Leben, vom Glu&#x0364;ck &#x017F;ind<lb/>
nicht hoch ge&#x017F;pannt. Und lieben kann man nur<lb/>
einmal wahrhaft; nur einmal er&#x017F;chließt &#x017F;ich dem<lb/>
Geweihten des Himmels Klarheit, und er empfa&#x0364;ngt<lb/>
den Kranz, der &#x017F;eine Stirne zieren &#x017F;oll! Oft<lb/>
tritt ein neidi&#x017F;cher Zufall kalt und tu&#x0364;cki&#x017F;ch zwi&#x017F;chen<lb/>
das Glu&#x0364;ck und das liebende Herz!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie &#x017F;prachen tief aus meinem Herzen, mein<lb/>
Freund,&#x201C; erwiederte Staunitz, und dru&#x0364;ckte Blauen¬<lb/>
&#x017F;teins Hand mit Feuer, &#x201E;und ihre Ge&#x017F;innungen<lb/>
machen Ihnen Ehre. Aber die Zukunft i&#x017F;t fu&#x0364;r<lb/>
un&#x017F;er kurz&#x017F;ichtiges Auge nicht ge&#x017F;chaffen!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Blauen&#x017F;tein nickte Beifall, &#x017F;ah dem Zer&#x017F;prin¬<lb/>
gen der feinen Bla&#x0364;schen in &#x017F;einem Gla&#x017F;e zu und<lb/>
&#x017F;og das duftige Aroma des ko&#x0364;&#x017F;tlichen Weines ein;<lb/>
aber Tina &#x017F;chien unzufrieden u&#x0364;ber der jungen<lb/>
Ma&#x0364;nner ern&#x017F;tes Ge&#x017F;pra&#x0364;ch, und fragte, ob es denn<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[70/0076] er iſt freundlichen Hoffnungen guͤnſtig und der Liebe!“ „Freundlichen Hoffnungen?“ fragte Blauen¬ ſtein, und ſah Staunitz laͤchlend, aber wehmuͤthig an. „Nun ja, der Hoffnungen ſind verſchiedene, wer ſie beloben darf, dem fehlt keine Sicherheit; aber auf mich kann es keine Anwendung leiden; meine Erwartungen vom Leben, vom Gluͤck ſind nicht hoch geſpannt. Und lieben kann man nur einmal wahrhaft; nur einmal erſchließt ſich dem Geweihten des Himmels Klarheit, und er empfaͤngt den Kranz, der ſeine Stirne zieren ſoll! Oft tritt ein neidiſcher Zufall kalt und tuͤckiſch zwiſchen das Gluͤck und das liebende Herz!“ „Sie ſprachen tief aus meinem Herzen, mein Freund,“ erwiederte Staunitz, und druͤckte Blauen¬ ſteins Hand mit Feuer, „und ihre Geſinnungen machen Ihnen Ehre. Aber die Zukunft iſt fuͤr unſer kurzſichtiges Auge nicht geſchaffen!“ Blauenſtein nickte Beifall, ſah dem Zerſprin¬ gen der feinen Blaͤschen in ſeinem Glaſe zu und ſog das duftige Aroma des koͤſtlichen Weines ein; aber Tina ſchien unzufrieden uͤber der jungen Maͤnner ernſtes Geſpraͤch, und fragte, ob es denn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/76
Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/76>, abgerufen am 18.05.2024.