Aber die Räthin erwiederte nichts; mit einem geheimen Ärger auf sich selbst dachte sie eben daran, daß der Kammerherr zwischen des Grafen Sohn und seiner kugelrunden Tochter eine Ver¬ bindung beabsichtigte; der Graf, wie die verehr¬ ten Leser wissen, war keineswegs abgeneigt, und der Hofmann wollte sich seine Aussichten nicht verderben. Sein wohleingerichteter Appetit hielt ihn auch für jede Unterhaltung schadlos, und mit einem ungewöhnlichen Wohlbehagen überrechnete er bereits seiner Tochter künftiges Glück, sah im Voraus die höchst zufriedenen Mienen seiner Gläu¬ biger, und sich in einer glänzenden Wohlhabenheit schon als Oberkammerherr. -- Anders sah es bei Blauenstein aus; es war ein plötzlicher Ernst über ihn gekommen, und alle fröhlichen Scherze seines Nachbars Staunitz vermogten ihn nicht zu bannen. Er hatte an seinen Vater geschrieben, wo er sich aufhalte, und was eigentlich der Grund seines Verweilens in Blumenau sei. Mit einer gewissen Ängstlichkeit gedachte er seines Vaters, und gab sich selbst das Versprechen, seinen Aufent¬ halt, möge er auch noch mehr Reize darbieten, wo möglich abzukürzen. Tina war die Ausge¬ lassenheit, die frohe, heitere Laune selbst; Blauen¬ steins Ernst schien ihr wahrhaft Spaß zu machen, und sie unterließ nicht, ihn auf alle und jede
Aber die Raͤthin erwiederte nichts; mit einem geheimen Ärger auf ſich ſelbſt dachte ſie eben daran, daß der Kammerherr zwiſchen des Grafen Sohn und ſeiner kugelrunden Tochter eine Ver¬ bindung beabſichtigte; der Graf, wie die verehr¬ ten Leſer wiſſen, war keineswegs abgeneigt, und der Hofmann wollte ſich ſeine Ausſichten nicht verderben. Sein wohleingerichteter Appetit hielt ihn auch fuͤr jede Unterhaltung ſchadlos, und mit einem ungewoͤhnlichen Wohlbehagen uͤberrechnete er bereits ſeiner Tochter kuͤnftiges Gluͤck, ſah im Voraus die hoͤchſt zufriedenen Mienen ſeiner Glaͤu¬ biger, und ſich in einer glaͤnzenden Wohlhabenheit ſchon als Oberkammerherr. — Anders ſah es bei Blauenſtein aus; es war ein ploͤtzlicher Ernſt uͤber ihn gekommen, und alle froͤhlichen Scherze ſeines Nachbars Staunitz vermogten ihn nicht zu bannen. Er hatte an ſeinen Vater geſchrieben, wo er ſich aufhalte, und was eigentlich der Grund ſeines Verweilens in Blumenau ſei. Mit einer gewiſſen Ängſtlichkeit gedachte er ſeines Vaters, und gab ſich ſelbſt das Verſprechen, ſeinen Aufent¬ halt, moͤge er auch noch mehr Reize darbieten, wo moͤglich abzukuͤrzen. Tina war die Ausge¬ laſſenheit, die frohe, heitere Laune ſelbſt; Blauen¬ ſteins Ernſt ſchien ihr wahrhaft Spaß zu machen, und ſie unterließ nicht, ihn auf alle und jede
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Aber die Raͤthin erwiederte nichts; mit einem
geheimen Ärger auf ſich ſelbſt dachte ſie eben
daran, daß der Kammerherr zwiſchen des Grafen
Sohn und ſeiner kugelrunden Tochter eine Ver¬
bindung beabſichtigte; der Graf, wie die verehr¬
ten Leſer wiſſen, war keineswegs abgeneigt, und
der Hofmann wollte ſich ſeine Ausſichten nicht
verderben. Sein wohleingerichteter Appetit hielt
ihn auch fuͤr jede Unterhaltung ſchadlos, und mit
einem ungewoͤhnlichen Wohlbehagen uͤberrechnete
er bereits ſeiner Tochter kuͤnftiges Gluͤck, ſah im
Voraus die hoͤchſt zufriedenen Mienen ſeiner Glaͤu¬
biger, und ſich in einer glaͤnzenden Wohlhabenheit
ſchon als Oberkammerherr. — Anders ſah es bei
Blauenſtein aus; es war ein ploͤtzlicher Ernſt
uͤber ihn gekommen, und alle froͤhlichen Scherze
ſeines Nachbars Staunitz vermogten ihn nicht zu
bannen. Er hatte an ſeinen Vater geſchrieben,
wo er ſich aufhalte, und was eigentlich der Grund
ſeines Verweilens in Blumenau ſei. Mit einer
gewiſſen Ängſtlichkeit gedachte er ſeines Vaters,
und gab ſich ſelbſt das Verſprechen, ſeinen Aufent¬
halt, moͤge er auch noch mehr Reize darbieten,
wo moͤglich abzukuͤrzen. Tina war die Ausge¬
laſſenheit, die frohe, heitere Laune ſelbſt; Blauen¬
ſteins Ernſt ſchien ihr wahrhaft Spaß zu machen,
und ſie unterließ nicht, ihn auf alle und jede
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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/74>, abgerufen am 18.05.2024.
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