Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

seine Fassung zuerst wieder gewonnen, ihre zarte
Hand, führte sie Staunitz lächelnd entgegen,
und sagte: "Sein Sie glücklich mit ihm! Ich
hatte gehofft, er werde in wenigen Wochen meines
Kindes Gatte sein, aber die Mächte dort oben,
wo unser Schicksal bestimmt wird, wollten es
anders. Jetzt ist sie Braut eines jungen Mannes
geworden, dessen Schuldner ich mich nennen muß,
und ich habe den schönen Glauben, daß er meine
Tina glücklich machen wird. Die Wege der
Vorsehung sind nicht die unsern; das heitere
Liebesglück, auf das meine Marie an der Seite
eines wider ihren Willen gewählten Mannes ver¬
zichten mußte, mag der Himmel den Verlobten
geben. Sie haben, ein Spiel des freundlichen
Zufalls, in die Nähe dieses Engels gerathen
müssen, lieber Vetter," fuhr der Graf fort, sich
an Staunitz wendend, "um in seinen Armen für
ein Gut entschädigt zu werden, daß Blauenstein
Ihnen nahm, ehe er es selbst sich bewußt war.
Der Geist meiner verklärten Marie spende Euch,
meine Theuren, seinen Seegen!" -- --

Der Graf vermogte nicht weiter zu reden,
die Erinnerung an die zu früh Verlorne war zu
stark, als daß er sich in seiner lebhaften Rührung
hätte ermannen können, und er beurlaubte sich

ſeine Faſſung zuerſt wieder gewonnen, ihre zarte
Hand, fuͤhrte ſie Staunitz laͤchelnd entgegen,
und ſagte: „Sein Sie gluͤcklich mit ihm! Ich
hatte gehofft, er werde in wenigen Wochen meines
Kindes Gatte ſein, aber die Maͤchte dort oben,
wo unſer Schickſal beſtimmt wird, wollten es
anders. Jetzt iſt ſie Braut eines jungen Mannes
geworden, deſſen Schuldner ich mich nennen muß,
und ich habe den ſchoͤnen Glauben, daß er meine
Tina gluͤcklich machen wird. Die Wege der
Vorſehung ſind nicht die unſern; das heitere
Liebesgluͤck, auf das meine Marie an der Seite
eines wider ihren Willen gewaͤhlten Mannes ver¬
zichten mußte, mag der Himmel den Verlobten
geben. Sie haben, ein Spiel des freundlichen
Zufalls, in die Naͤhe dieſes Engels gerathen
muͤſſen, lieber Vetter,“ fuhr der Graf fort, ſich
an Staunitz wendend, „um in ſeinen Armen fuͤr
ein Gut entſchaͤdigt zu werden, daß Blauenſtein
Ihnen nahm, ehe er es ſelbſt ſich bewußt war.
Der Geiſt meiner verklaͤrten Marie ſpende Euch,
meine Theuren, ſeinen Seegen!“ — —

Der Graf vermogte nicht weiter zu reden,
die Erinnerung an die zu fruͤh Verlorne war zu
ſtark, als daß er ſich in ſeiner lebhaften Ruͤhrung
haͤtte ermannen koͤnnen, und er beurlaubte ſich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0262" n="256"/>
&#x017F;eine Fa&#x017F;&#x017F;ung zuer&#x017F;t wieder gewonnen, ihre zarte<lb/>
Hand, fu&#x0364;hrte &#x017F;ie Staunitz la&#x0364;chelnd entgegen,<lb/>
und &#x017F;agte: &#x201E;Sein Sie glu&#x0364;cklich mit ihm! Ich<lb/>
hatte gehofft, er werde in wenigen Wochen meines<lb/>
Kindes Gatte &#x017F;ein, aber die Ma&#x0364;chte dort oben,<lb/>
wo un&#x017F;er Schick&#x017F;al be&#x017F;timmt wird, wollten es<lb/>
anders. Jetzt i&#x017F;t &#x017F;ie Braut eines jungen Mannes<lb/>
geworden, de&#x017F;&#x017F;en Schuldner ich mich nennen muß,<lb/>
und ich habe den &#x017F;cho&#x0364;nen Glauben, daß er meine<lb/>
Tina glu&#x0364;cklich machen wird. Die Wege der<lb/>
Vor&#x017F;ehung &#x017F;ind nicht die un&#x017F;ern; das heitere<lb/>
Liebesglu&#x0364;ck, auf das meine Marie an der Seite<lb/>
eines wider ihren Willen gewa&#x0364;hlten Mannes ver¬<lb/>
zichten mußte, mag der Himmel den Verlobten<lb/>
geben. Sie haben, ein Spiel des freundlichen<lb/>
Zufalls, in die Na&#x0364;he die&#x017F;es Engels gerathen<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, lieber Vetter,&#x201C; fuhr der Graf fort, &#x017F;ich<lb/>
an Staunitz wendend, &#x201E;um in &#x017F;einen Armen fu&#x0364;r<lb/>
ein Gut ent&#x017F;cha&#x0364;digt zu werden, daß Blauen&#x017F;tein<lb/>
Ihnen nahm, ehe er es &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ich bewußt war.<lb/>
Der Gei&#x017F;t meiner verkla&#x0364;rten Marie &#x017F;pende Euch,<lb/>
meine Theuren, &#x017F;einen Seegen!&#x201C; &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
        <p>Der Graf vermogte nicht weiter zu reden,<lb/>
die Erinnerung an die zu fru&#x0364;h Verlorne war zu<lb/>
&#x017F;tark, als daß er &#x017F;ich in &#x017F;einer lebhaften Ru&#x0364;hrung<lb/>
ha&#x0364;tte ermannen ko&#x0364;nnen, und er beurlaubte &#x017F;ich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[256/0262] ſeine Faſſung zuerſt wieder gewonnen, ihre zarte Hand, fuͤhrte ſie Staunitz laͤchelnd entgegen, und ſagte: „Sein Sie gluͤcklich mit ihm! Ich hatte gehofft, er werde in wenigen Wochen meines Kindes Gatte ſein, aber die Maͤchte dort oben, wo unſer Schickſal beſtimmt wird, wollten es anders. Jetzt iſt ſie Braut eines jungen Mannes geworden, deſſen Schuldner ich mich nennen muß, und ich habe den ſchoͤnen Glauben, daß er meine Tina gluͤcklich machen wird. Die Wege der Vorſehung ſind nicht die unſern; das heitere Liebesgluͤck, auf das meine Marie an der Seite eines wider ihren Willen gewaͤhlten Mannes ver¬ zichten mußte, mag der Himmel den Verlobten geben. Sie haben, ein Spiel des freundlichen Zufalls, in die Naͤhe dieſes Engels gerathen muͤſſen, lieber Vetter,“ fuhr der Graf fort, ſich an Staunitz wendend, „um in ſeinen Armen fuͤr ein Gut entſchaͤdigt zu werden, daß Blauenſtein Ihnen nahm, ehe er es ſelbſt ſich bewußt war. Der Geiſt meiner verklaͤrten Marie ſpende Euch, meine Theuren, ſeinen Seegen!“ — — Der Graf vermogte nicht weiter zu reden, die Erinnerung an die zu fruͤh Verlorne war zu ſtark, als daß er ſich in ſeiner lebhaften Ruͤhrung haͤtte ermannen koͤnnen, und er beurlaubte ſich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/262
Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/262>, abgerufen am 18.05.2024.