namenlos unglücklich. Sie schaute aus diesem Tartarus zurück in ihr Blumenleben mit dem edlen Hingeschiedenen, und ehe zwei Jahre dahin¬ geeilt waren, folgte sie ihm dahin nach, wo kein Kummer mehr ist. Die Äbtissin hatte kurze Zeit vorher den Schleier genommen, und auf diese Weise ihr Herz wie in einer Feuerassecuranz gesichert; sie wurde, durch ihren alten Adel unter¬ stützt, Vorsteherin des Ursulinerklosters in B., wo der Commercienrath, ihr alter Jugendfreund, der armen Adeline Thränen des bittersten Kummers auspreßte. Das Mädchen ist ihm im Wege, ein geckenhafter Graf, der durch ihr Vermögen ange¬ zogen wird, wie ein Magnet das Eisen zieht, macht vergeblicher Weise Bewerbungen, und der schändliche Stiefvater, da sich Adeline zu des erstern Gunsten nicht äußern kann, die niedrigsten Anstalten, das liebenswürdige Geschöpf an den Narren zu verkuppeln, indem er gleichfalls ihr Vermögen zu erangeln Lust hat. Daß beide sich betrügen wollten, war nur der im innern Schmerz vergehenden Adeline klar. Es kömmt zu heftigen, unangenehmen Auftritten, sie endigen mit einer tiefen, betäubenden Ohnmacht Adelinens, und als sie endlich zum unfreundlichen, trüben Leben er¬ wacht, sieht sie sich, statt im traulichen, einsamen Stübchen, im benachbarten Ursulinerkloster. Der
namenlos ungluͤcklich. Sie ſchaute aus dieſem Tartarus zuruͤck in ihr Blumenleben mit dem edlen Hingeſchiedenen, und ehe zwei Jahre dahin¬ geeilt waren, folgte ſie ihm dahin nach, wo kein Kummer mehr iſt. Die Äbtiſſin hatte kurze Zeit vorher den Schleier genommen, und auf dieſe Weiſe ihr Herz wie in einer Feueraſſecuranz geſichert; ſie wurde, durch ihren alten Adel unter¬ ſtuͤtzt, Vorſteherin des Urſulinerkloſters in B., wo der Commercienrath, ihr alter Jugendfreund, der armen Adeline Thraͤnen des bitterſten Kummers auspreßte. Das Maͤdchen iſt ihm im Wege, ein geckenhafter Graf, der durch ihr Vermoͤgen ange¬ zogen wird, wie ein Magnet das Eiſen zieht, macht vergeblicher Weiſe Bewerbungen, und der ſchaͤndliche Stiefvater, da ſich Adeline zu des erſtern Gunſten nicht aͤußern kann, die niedrigſten Anſtalten, das liebenswuͤrdige Geſchoͤpf an den Narren zu verkuppeln, indem er gleichfalls ihr Vermoͤgen zu erangeln Luſt hat. Daß beide ſich betruͤgen wollten, war nur der im innern Schmerz vergehenden Adeline klar. Es koͤmmt zu heftigen, unangenehmen Auftritten, ſie endigen mit einer tiefen, betaͤubenden Ohnmacht Adelinens, und als ſie endlich zum unfreundlichen, truͤben Leben er¬ wacht, ſieht ſie ſich, ſtatt im traulichen, einſamen Stuͤbchen, im benachbarten Urſulinerkloſter. Der
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0222"n="216"/>
namenlos ungluͤcklich. Sie ſchaute aus dieſem<lb/>
Tartarus zuruͤck in ihr Blumenleben mit dem<lb/>
edlen Hingeſchiedenen, und ehe zwei Jahre dahin¬<lb/>
geeilt waren, folgte ſie ihm dahin nach, wo kein<lb/>
Kummer mehr iſt. Die Äbtiſſin hatte kurze<lb/>
Zeit vorher den Schleier genommen, und auf<lb/>
dieſe Weiſe ihr Herz wie in einer Feueraſſecuranz<lb/>
geſichert; ſie wurde, durch ihren alten Adel unter¬<lb/>ſtuͤtzt, Vorſteherin des Urſulinerkloſters in <hirendition="#aq">B.,</hi> wo<lb/>
der Commercienrath, ihr alter Jugendfreund, der<lb/>
armen Adeline Thraͤnen des bitterſten Kummers<lb/>
auspreßte. Das Maͤdchen iſt ihm im Wege, ein<lb/>
geckenhafter Graf, der durch ihr Vermoͤgen ange¬<lb/>
zogen wird, wie ein Magnet das Eiſen zieht,<lb/>
macht vergeblicher Weiſe Bewerbungen, und der<lb/>ſchaͤndliche Stiefvater, da ſich Adeline zu des<lb/>
erſtern Gunſten nicht aͤußern kann, die niedrigſten<lb/>
Anſtalten, das liebenswuͤrdige Geſchoͤpf an den<lb/>
Narren zu verkuppeln, indem er gleichfalls ihr<lb/>
Vermoͤgen zu erangeln Luſt hat. Daß beide ſich<lb/>
betruͤgen wollten, war nur der im innern Schmerz<lb/>
vergehenden Adeline klar. Es koͤmmt zu heftigen,<lb/>
unangenehmen Auftritten, ſie endigen mit einer<lb/>
tiefen, betaͤubenden Ohnmacht Adelinens, und als<lb/>ſie endlich zum unfreundlichen, truͤben Leben er¬<lb/>
wacht, ſieht ſie ſich, ſtatt im traulichen, einſamen<lb/>
Stuͤbchen, im benachbarten Urſulinerkloſter. Der<lb/></p></div></body></text></TEI>
[216/0222]
namenlos ungluͤcklich. Sie ſchaute aus dieſem
Tartarus zuruͤck in ihr Blumenleben mit dem
edlen Hingeſchiedenen, und ehe zwei Jahre dahin¬
geeilt waren, folgte ſie ihm dahin nach, wo kein
Kummer mehr iſt. Die Äbtiſſin hatte kurze
Zeit vorher den Schleier genommen, und auf
dieſe Weiſe ihr Herz wie in einer Feueraſſecuranz
geſichert; ſie wurde, durch ihren alten Adel unter¬
ſtuͤtzt, Vorſteherin des Urſulinerkloſters in B., wo
der Commercienrath, ihr alter Jugendfreund, der
armen Adeline Thraͤnen des bitterſten Kummers
auspreßte. Das Maͤdchen iſt ihm im Wege, ein
geckenhafter Graf, der durch ihr Vermoͤgen ange¬
zogen wird, wie ein Magnet das Eiſen zieht,
macht vergeblicher Weiſe Bewerbungen, und der
ſchaͤndliche Stiefvater, da ſich Adeline zu des
erſtern Gunſten nicht aͤußern kann, die niedrigſten
Anſtalten, das liebenswuͤrdige Geſchoͤpf an den
Narren zu verkuppeln, indem er gleichfalls ihr
Vermoͤgen zu erangeln Luſt hat. Daß beide ſich
betruͤgen wollten, war nur der im innern Schmerz
vergehenden Adeline klar. Es koͤmmt zu heftigen,
unangenehmen Auftritten, ſie endigen mit einer
tiefen, betaͤubenden Ohnmacht Adelinens, und als
ſie endlich zum unfreundlichen, truͤben Leben er¬
wacht, ſieht ſie ſich, ſtatt im traulichen, einſamen
Stuͤbchen, im benachbarten Urſulinerkloſter. Der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/222>, abgerufen am 18.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.