Tina schlug erröthend das schöne Auge nieder, und Blauenstein wollte sich ein wenig über sich selbst ärgern, daß er, genau genommen, nichts besseres, als eine fade Schmeichelei gesagt. Er legte sich in einem kurzen Schweigen eine Art von Buße auf, und schaute in die ihn umgebende reiche Landschaft. Welche Üppigkeit der Natur in jedem einzelnen Landstriche, welche Verschöne¬ rungen und Anlagen! Das muß ein tüchtiger Mann sein, der Graf, dachte der junge Büßende bei sich, und ergötzte sich an dem Anblicke einer Quaderbrücke mit eisernem Geländer, an deren Ende sich ein ganz im antiken Styl gearbeiteter Obelisk erhob. Er dachte an den colossalen *) Bruder in Rom, den er noch vor wenigen Mo¬ naten gesehen, und sah von hier über eine reiche Lindenallee hinaus nach dem reizenden Blumenau, das mit seinen schönen Gebäuden, wunderbar in dem benachbarten Landsee schimmernd und glän¬ zend, sich im Strahl der Abendsonne aus grünem Gebüsch wie aus einem Feenlande erhob.
*) Dieser 113 Palmen hohe Colloß wurde bekannt¬ lich unter Syrtus V. im Jahre 1586 von dem berühmten Baukünstler Fontana mit ungeheuren Schwierigkeiten auf den schönen Platz vor der Peterskirche gebracht, wo er noch jetzt die Be¬ wunderung aller Reisenden erregt.
Tina ſchlug erroͤthend das ſchoͤne Auge nieder, und Blauenſtein wollte ſich ein wenig uͤber ſich ſelbſt aͤrgern, daß er, genau genommen, nichts beſſeres, als eine fade Schmeichelei geſagt. Er legte ſich in einem kurzen Schweigen eine Art von Buße auf, und ſchaute in die ihn umgebende reiche Landſchaft. Welche Üppigkeit der Natur in jedem einzelnen Landſtriche, welche Verſchoͤne¬ rungen und Anlagen! Das muß ein tuͤchtiger Mann ſein, der Graf, dachte der junge Buͤßende bei ſich, und ergoͤtzte ſich an dem Anblicke einer Quaderbruͤcke mit eiſernem Gelaͤnder, an deren Ende ſich ein ganz im antiken Styl gearbeiteter Obelisk erhob. Er dachte an den coloſſalen *) Bruder in Rom, den er noch vor wenigen Mo¬ naten geſehen, und ſah von hier uͤber eine reiche Lindenallee hinaus nach dem reizenden Blumenau, das mit ſeinen ſchoͤnen Gebaͤuden, wunderbar in dem benachbarten Landſee ſchimmernd und glaͤn¬ zend, ſich im Strahl der Abendſonne aus gruͤnem Gebuͤſch wie aus einem Feenlande erhob.
*) Dieſer 113 Palmen hohe Colloß wurde bekannt¬ lich unter Syrtus V. im Jahre 1586 von dem beruͤhmten Baukuͤnſtler Fontana mit ungeheuren Schwierigkeiten auf den ſchoͤnen Platz vor der Peterskirche gebracht, wo er noch jetzt die Be¬ wunderung aller Reiſenden erregt.
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Tina ſchlug erroͤthend das ſchoͤne Auge nieder,
und Blauenſtein wollte ſich ein wenig uͤber ſich
ſelbſt aͤrgern, daß er, genau genommen, nichts
beſſeres, als eine fade Schmeichelei geſagt. Er
legte ſich in einem kurzen Schweigen eine Art
von Buße auf, und ſchaute in die ihn umgebende
reiche Landſchaft. Welche Üppigkeit der Natur
in jedem einzelnen Landſtriche, welche Verſchoͤne¬
rungen und Anlagen! Das muß ein tuͤchtiger
Mann ſein, der Graf, dachte der junge Buͤßende
bei ſich, und ergoͤtzte ſich an dem Anblicke einer
Quaderbruͤcke mit eiſernem Gelaͤnder, an deren
Ende ſich ein ganz im antiken Styl gearbeiteter
Obelisk erhob. Er dachte an den coloſſalen *)
Bruder in Rom, den er noch vor wenigen Mo¬
naten geſehen, und ſah von hier uͤber eine reiche
Lindenallee hinaus nach dem reizenden Blumenau,
das mit ſeinen ſchoͤnen Gebaͤuden, wunderbar
in dem benachbarten Landſee ſchimmernd und glaͤn¬
zend, ſich im Strahl der Abendſonne aus gruͤnem
Gebuͤſch wie aus einem Feenlande erhob.
*) Dieſer 113 Palmen hohe Colloß wurde bekannt¬
lich unter Syrtus V. im Jahre 1586 von dem
beruͤhmten Baukuͤnſtler Fontana mit ungeheuren
Schwierigkeiten auf den ſchoͤnen Platz vor der
Peterskirche gebracht, wo er noch jetzt die Be¬
wunderung aller Reiſenden erregt.
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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/22>, abgerufen am 27.07.2024.
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