Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

"Aber Kinder," hob Antonie darauf mit em¬
porgehobenem Finger an, und machte ein zum
Todtlachen ernsthaftes Gesichtchen, "Ihr steht
hier und raspelt Süßholz, ohne Eurer Lage und
des eigentlichen Zwecks Eures heutigen Zusammen¬
seins zu gedenken. Auch zugegeben, Mariens
Eltern sind dieser Verbindung nicht entgegen, so
wäre es doch wohl rathsam und ersprießlich, wenn
man sich gegenseitig etwas mehr zu ergründen
suchte; denn diese Raschheit will mir nicht ganz
gefallen!"

Aber ich lachte ihr in die ernsthafte Miene,
erzählte ihr in einem Athem zehn Beispiele, wie
sich treue Herzen in wenig Augenblicken erkannt,
und in süßer schneller Vereinigung ihr ganzes
Glück gefunden. "Meinen Sie denn, fuhr ich
fort, und schlang meinen Arm um Mariens
schlanken Sylphenleib, "meinen Sie denn, daß
eine langgedehnte Bekanntschaft zu etwas Großem
hilft? Im Gegentheil; die Beobachtete giebt
sich immer anders, als sie ist; und nur das
überraschte Herz wird in seinem Werth oder
Unwerth erkannt!"

Antonie murmelte so etwas von einer sonder¬
baren Theorie, der sie keinen Geschmack abge¬

10 *

„Aber Kinder,“ hob Antonie darauf mit em¬
porgehobenem Finger an, und machte ein zum
Todtlachen ernſthaftes Geſichtchen, „Ihr ſteht
hier und raſpelt Suͤßholz, ohne Eurer Lage und
des eigentlichen Zwecks Eures heutigen Zuſammen¬
ſeins zu gedenken. Auch zugegeben, Mariens
Eltern ſind dieſer Verbindung nicht entgegen, ſo
waͤre es doch wohl rathſam und erſprießlich, wenn
man ſich gegenſeitig etwas mehr zu ergruͤnden
ſuchte; denn dieſe Raſchheit will mir nicht ganz
gefallen!“

Aber ich lachte ihr in die ernſthafte Miene,
erzaͤhlte ihr in einem Athem zehn Beiſpiele, wie
ſich treue Herzen in wenig Augenblicken erkannt,
und in ſuͤßer ſchneller Vereinigung ihr ganzes
Gluͤck gefunden. „Meinen Sie denn, fuhr ich
fort, und ſchlang meinen Arm um Mariens
ſchlanken Sylphenleib, „meinen Sie denn, daß
eine langgedehnte Bekanntſchaft zu etwas Großem
hilft? Im Gegentheil; die Beobachtete giebt
ſich immer anders, als ſie iſt; und nur das
uͤberraſchte Herz wird in ſeinem Werth oder
Unwerth erkannt!“

Antonie murmelte ſo etwas von einer ſonder¬
baren Theorie, der ſie keinen Geſchmack abge¬

10 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0153" n="147"/>
        <p>&#x201E;Aber Kinder,&#x201C; hob Antonie darauf mit em¬<lb/>
porgehobenem Finger an, und machte ein zum<lb/>
Todtlachen ern&#x017F;thaftes Ge&#x017F;ichtchen, &#x201E;Ihr &#x017F;teht<lb/>
hier und ra&#x017F;pelt Su&#x0364;ßholz, ohne Eurer Lage und<lb/>
des eigentlichen Zwecks Eures heutigen Zu&#x017F;ammen¬<lb/>
&#x017F;eins zu gedenken. Auch zugegeben, Mariens<lb/>
Eltern &#x017F;ind die&#x017F;er Verbindung nicht entgegen, &#x017F;o<lb/>
wa&#x0364;re es doch wohl rath&#x017F;am und er&#x017F;prießlich, wenn<lb/>
man &#x017F;ich gegen&#x017F;eitig etwas mehr zu ergru&#x0364;nden<lb/>
&#x017F;uchte; denn die&#x017F;e Ra&#x017F;chheit will mir nicht ganz<lb/>
gefallen!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Aber ich lachte ihr in die ern&#x017F;thafte Miene,<lb/>
erza&#x0364;hlte ihr in einem Athem zehn Bei&#x017F;piele, wie<lb/>
&#x017F;ich treue Herzen in wenig Augenblicken erkannt,<lb/>
und in &#x017F;u&#x0364;ßer &#x017F;chneller Vereinigung ihr ganzes<lb/>
Glu&#x0364;ck gefunden. &#x201E;Meinen Sie denn, fuhr ich<lb/>
fort, und &#x017F;chlang meinen Arm um Mariens<lb/>
&#x017F;chlanken Sylphenleib, &#x201E;meinen Sie denn, daß<lb/>
eine langgedehnte Bekannt&#x017F;chaft zu etwas Großem<lb/>
hilft? Im Gegentheil; die Beobachtete giebt<lb/>
&#x017F;ich immer anders, als &#x017F;ie i&#x017F;t; und nur das<lb/>
u&#x0364;berra&#x017F;chte Herz wird in &#x017F;einem Werth oder<lb/>
Unwerth erkannt!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Antonie murmelte &#x017F;o etwas von einer &#x017F;onder¬<lb/>
baren Theorie, der &#x017F;ie keinen Ge&#x017F;chmack abge¬<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">10 *<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[147/0153] „Aber Kinder,“ hob Antonie darauf mit em¬ porgehobenem Finger an, und machte ein zum Todtlachen ernſthaftes Geſichtchen, „Ihr ſteht hier und raſpelt Suͤßholz, ohne Eurer Lage und des eigentlichen Zwecks Eures heutigen Zuſammen¬ ſeins zu gedenken. Auch zugegeben, Mariens Eltern ſind dieſer Verbindung nicht entgegen, ſo waͤre es doch wohl rathſam und erſprießlich, wenn man ſich gegenſeitig etwas mehr zu ergruͤnden ſuchte; denn dieſe Raſchheit will mir nicht ganz gefallen!“ Aber ich lachte ihr in die ernſthafte Miene, erzaͤhlte ihr in einem Athem zehn Beiſpiele, wie ſich treue Herzen in wenig Augenblicken erkannt, und in ſuͤßer ſchneller Vereinigung ihr ganzes Gluͤck gefunden. „Meinen Sie denn, fuhr ich fort, und ſchlang meinen Arm um Mariens ſchlanken Sylphenleib, „meinen Sie denn, daß eine langgedehnte Bekanntſchaft zu etwas Großem hilft? Im Gegentheil; die Beobachtete giebt ſich immer anders, als ſie iſt; und nur das uͤberraſchte Herz wird in ſeinem Werth oder Unwerth erkannt!“ Antonie murmelte ſo etwas von einer ſonder¬ baren Theorie, der ſie keinen Geſchmack abge¬ 10 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/153
Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/153>, abgerufen am 18.12.2024.