Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

wickelt, und ich hatte in der That schlimme Aus¬
sichten, da meine Gegner verjährt zu haben
behaupteten.

Den Tag nach meiner Zurückkunft von Mai¬
berg erhielt ich eine Einladung zum Probst von
Kirchheim, der öfter musicalische Abendunterhal¬
tungen veranstaltete, und wo ich zuweilen ein Quar¬
tet mitgespielt. Mir war von dem ewigen Acten¬
lesen der Kopf zu wüst geworden, so daß ich mich
auf den Abend herzlich freute, und wohlgemuth
mit meiner Geige unterm Arme die weitläufigen
Gebäude des ehemaligen Benedictinerklosters auf¬
suchte, welche sich der Probst recht elegant hatte
einrichten lassen. Ich fand eine sehr große, aus¬
gesuchte Gesellschaft; der Neffe des Wirthes, ein
junger Wildfang, machte mich mit den meisten
der Anwesenden bekannt, und zischelte mir in das
Ohr, daß die Krone der Gesellschaft in wenigen
Minuten noch erscheinen werde. Ich wollte fragen,
wer dies sei, als die Thüren des Gesellschaft¬
saales aufrauschten, und an der Hand eines mit
Orden behangenen Mannes traten zwei Damen
herein. Die eine wurde von mir für die Mutter
gehalten, und ich hatte mich nicht geirrt, aber
die jüngere war leicht als die schöne Tochter der
Matrone zu erkennen. Es entstand eine allgemeine

wickelt, und ich hatte in der That ſchlimme Aus¬
ſichten, da meine Gegner verjaͤhrt zu haben
behaupteten.

Den Tag nach meiner Zuruͤckkunft von Mai¬
berg erhielt ich eine Einladung zum Probſt von
Kirchheim, der oͤfter muſicaliſche Abendunterhal¬
tungen veranſtaltete, und wo ich zuweilen ein Quar¬
tet mitgeſpielt. Mir war von dem ewigen Acten¬
leſen der Kopf zu wuͤſt geworden, ſo daß ich mich
auf den Abend herzlich freute, und wohlgemuth
mit meiner Geige unterm Arme die weitlaͤufigen
Gebaͤude des ehemaligen Benedictinerkloſters auf¬
ſuchte, welche ſich der Probſt recht elegant hatte
einrichten laſſen. Ich fand eine ſehr große, aus¬
geſuchte Geſellſchaft; der Neffe des Wirthes, ein
junger Wildfang, machte mich mit den meiſten
der Anweſenden bekannt, und ziſchelte mir in das
Ohr, daß die Krone der Geſellſchaft in wenigen
Minuten noch erſcheinen werde. Ich wollte fragen,
wer dies ſei, als die Thuͤren des Geſellſchaft¬
ſaales aufrauſchten, und an der Hand eines mit
Orden behangenen Mannes traten zwei Damen
herein. Die eine wurde von mir fuͤr die Mutter
gehalten, und ich hatte mich nicht geirrt, aber
die juͤngere war leicht als die ſchoͤne Tochter der
Matrone zu erkennen. Es entſtand eine allgemeine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0128" n="122"/>
wickelt, und ich hatte in der That &#x017F;chlimme Aus¬<lb/>
&#x017F;ichten, da meine Gegner verja&#x0364;hrt zu haben<lb/>
behaupteten.</p><lb/>
        <p>Den Tag nach meiner Zuru&#x0364;ckkunft von Mai¬<lb/>
berg erhielt ich eine Einladung zum Prob&#x017F;t von<lb/>
Kirchheim, der o&#x0364;fter mu&#x017F;icali&#x017F;che Abendunterhal¬<lb/>
tungen veran&#x017F;taltete, und wo ich zuweilen ein Quar¬<lb/>
tet mitge&#x017F;pielt. Mir war von dem ewigen Acten¬<lb/>
le&#x017F;en der Kopf zu wu&#x0364;&#x017F;t geworden, &#x017F;o daß ich mich<lb/>
auf den Abend herzlich freute, und wohlgemuth<lb/>
mit meiner Geige unterm Arme die weitla&#x0364;ufigen<lb/>
Geba&#x0364;ude des ehemaligen Benedictinerklo&#x017F;ters auf¬<lb/>
&#x017F;uchte, welche &#x017F;ich der Prob&#x017F;t recht elegant hatte<lb/>
einrichten la&#x017F;&#x017F;en. Ich fand eine &#x017F;ehr große, aus¬<lb/>
ge&#x017F;uchte Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft; der Neffe des Wirthes, ein<lb/>
junger Wildfang, machte mich mit den mei&#x017F;ten<lb/>
der Anwe&#x017F;enden bekannt, und zi&#x017F;chelte mir in das<lb/>
Ohr, daß die Krone der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft in wenigen<lb/>
Minuten noch er&#x017F;cheinen werde. Ich wollte fragen,<lb/>
wer dies &#x017F;ei, als die Thu&#x0364;ren des Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft¬<lb/>
&#x017F;aales aufrau&#x017F;chten, und an der Hand eines mit<lb/>
Orden behangenen Mannes traten zwei Damen<lb/>
herein. Die eine wurde von mir fu&#x0364;r die Mutter<lb/>
gehalten, und ich hatte mich nicht geirrt, aber<lb/>
die ju&#x0364;ngere war leicht als die &#x017F;cho&#x0364;ne Tochter der<lb/>
Matrone zu erkennen. Es ent&#x017F;tand eine allgemeine<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[122/0128] wickelt, und ich hatte in der That ſchlimme Aus¬ ſichten, da meine Gegner verjaͤhrt zu haben behaupteten. Den Tag nach meiner Zuruͤckkunft von Mai¬ berg erhielt ich eine Einladung zum Probſt von Kirchheim, der oͤfter muſicaliſche Abendunterhal¬ tungen veranſtaltete, und wo ich zuweilen ein Quar¬ tet mitgeſpielt. Mir war von dem ewigen Acten¬ leſen der Kopf zu wuͤſt geworden, ſo daß ich mich auf den Abend herzlich freute, und wohlgemuth mit meiner Geige unterm Arme die weitlaͤufigen Gebaͤude des ehemaligen Benedictinerkloſters auf¬ ſuchte, welche ſich der Probſt recht elegant hatte einrichten laſſen. Ich fand eine ſehr große, aus¬ geſuchte Geſellſchaft; der Neffe des Wirthes, ein junger Wildfang, machte mich mit den meiſten der Anweſenden bekannt, und ziſchelte mir in das Ohr, daß die Krone der Geſellſchaft in wenigen Minuten noch erſcheinen werde. Ich wollte fragen, wer dies ſei, als die Thuͤren des Geſellſchaft¬ ſaales aufrauſchten, und an der Hand eines mit Orden behangenen Mannes traten zwei Damen herein. Die eine wurde von mir fuͤr die Mutter gehalten, und ich hatte mich nicht geirrt, aber die juͤngere war leicht als die ſchoͤne Tochter der Matrone zu erkennen. Es entſtand eine allgemeine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/128
Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/128>, abgerufen am 18.05.2024.