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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

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Zwei Tage verschwanden mir auf das Ange¬
nehmste; Die beiden Knaben waren meine un¬
zertrennlichen Gefährten, und so bald der Abend
nahte, durfte ich von dem Flügel nicht wieder
fort. Eine Auswahl der trefflichsten Composi¬
tionen machte mir mein eignes Spiel zum Genuß,
und ich durfte den reizenden Landsitz meines
neuen Freundes nur mit dem festen Versprechen
verlassen, recht bald dahin zurückkehren zu wollen.

Meine erste Sorge nach meiner Ankunft in
der Residenz war, alle vorräthigen Acten des
quästionirten Prozesses aufzusuchen, und sie an
Maiberg zu schicken. Mein Großoncle hatte seine
sehr beträchtlichen Erbgüter an die Familie P.
verkauft; allein es war keine Zahlung erfolgt,
und jene Familie, bisher in einem Pachtverhält¬
nisse, gerirte sich als Eigenthümer. Mein Vater
hatte auf Zahlung als nächster Erbe geklagt,
nebenbei ein bedeutendes Capital gekündigt, welches
der Rath P. von ihm geliehn, und so standen die
Sachen, als der Krieg ausbrach. P. behauptete
seine Zahlung, die er als selbstständige Behauptung
zu beweisen hatte, und führte den Beweis auf
eine ränkevolle Art, indem er sich eines spitzfindigen
Anwaldes bediente. Eine Menge erschwerender
Umstände machten die Angelegenheit höchst ver¬

Zwei Tage verſchwanden mir auf das Ange¬
nehmſte; Die beiden Knaben waren meine un¬
zertrennlichen Gefaͤhrten, und ſo bald der Abend
nahte, durfte ich von dem Fluͤgel nicht wieder
fort. Eine Auswahl der trefflichſten Compoſi¬
tionen machte mir mein eignes Spiel zum Genuß,
und ich durfte den reizenden Landſitz meines
neuen Freundes nur mit dem feſten Verſprechen
verlaſſen, recht bald dahin zuruͤckkehren zu wollen.

Meine erſte Sorge nach meiner Ankunft in
der Reſidenz war, alle vorraͤthigen Acten des
quaͤſtionirten Prozeſſes aufzuſuchen, und ſie an
Maiberg zu ſchicken. Mein Großoncle hatte ſeine
ſehr betraͤchtlichen Erbguͤter an die Familie P.
verkauft; allein es war keine Zahlung erfolgt,
und jene Familie, bisher in einem Pachtverhaͤlt¬
niſſe, gerirte ſich als Eigenthuͤmer. Mein Vater
hatte auf Zahlung als naͤchſter Erbe geklagt,
nebenbei ein bedeutendes Capital gekuͤndigt, welches
der Rath P. von ihm geliehn, und ſo ſtanden die
Sachen, als der Krieg ausbrach. P. behauptete
ſeine Zahlung, die er als ſelbſtſtaͤndige Behauptung
zu beweiſen hatte, und fuͤhrte den Beweis auf
eine raͤnkevolle Art, indem er ſich eines ſpitzfindigen
Anwaldes bediente. Eine Menge erſchwerender
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[121/0127] Zwei Tage verſchwanden mir auf das Ange¬ nehmſte; Die beiden Knaben waren meine un¬ zertrennlichen Gefaͤhrten, und ſo bald der Abend nahte, durfte ich von dem Fluͤgel nicht wieder fort. Eine Auswahl der trefflichſten Compoſi¬ tionen machte mir mein eignes Spiel zum Genuß, und ich durfte den reizenden Landſitz meines neuen Freundes nur mit dem feſten Verſprechen verlaſſen, recht bald dahin zuruͤckkehren zu wollen. Meine erſte Sorge nach meiner Ankunft in der Reſidenz war, alle vorraͤthigen Acten des quaͤſtionirten Prozeſſes aufzuſuchen, und ſie an Maiberg zu ſchicken. Mein Großoncle hatte ſeine ſehr betraͤchtlichen Erbguͤter an die Familie P. verkauft; allein es war keine Zahlung erfolgt, und jene Familie, bisher in einem Pachtverhaͤlt¬ niſſe, gerirte ſich als Eigenthuͤmer. Mein Vater hatte auf Zahlung als naͤchſter Erbe geklagt, nebenbei ein bedeutendes Capital gekuͤndigt, welches der Rath P. von ihm geliehn, und ſo ſtanden die Sachen, als der Krieg ausbrach. P. behauptete ſeine Zahlung, die er als ſelbſtſtaͤndige Behauptung zu beweiſen hatte, und fuͤhrte den Beweis auf eine raͤnkevolle Art, indem er ſich eines ſpitzfindigen Anwaldes bediente. Eine Menge erſchwerender Umſtaͤnde machten die Angelegenheit hoͤchſt ver¬

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Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/127>, abgerufen am 18.05.2024.