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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. IV. Sect. II. Num. XLVII. Dav. Joris Lebens-Beschreibung.
[Spaltenumbruch] welt gehöret und über ihn gehen/ er weiß/ daß
sein angesichte keine bessere und schönere ge-
stalt mit seinem gantzen blosen leibe seinen
gemeine haben kan/ als sein HERR JE-
sus Christus in dem bilde äusserlich am creutz[e]
zu einem vorbilde siegel und auffsehen gehabt
hat und von dem knechte deß HErrn/ dem
prophet Jesaia Cap. 53. beschrieben ist/ er
verhärtete sein hertz gegen seine wieder-
sacher als einen kiesel-stein/ dann er wu-
ste/ daß er vor GOTT nicht könte zu-
schanden werden/ daß sein hertz lauterlich
Gott suchte/ und vor Gott auffgeweckt/ ja täg-
lich unterhalten/ aufferzogen und gespeist oder
gelehret ward mit dem worte des ewigen lebens;
Und wuste darneben/ daß er solches ohne das
gerichte der unwissenden und grossen är-
gernüsses nicht einnehmen oder nachkommen
könte/ denn es meldete es ihm die schrifft
allenthalben öffentlich/ (welche niemandt
kante und gantz wild und wüste überwach-
sen war) und redete es ihm freymüthig
ein.

Sehet/ als dis also geschehen/ ist das
gerüchte vor David kommen/ daß in der
stadt und anderßwo mehr seine brüder al-
le gefangen wären (riethen ihm derowe-
gen/ daß er doch nicht in einer stadt bleiben
solte und baten ihn (sonderlich einer von
Utrecht allda selbst wohnende) daß er doch
darkommen möchte/ er meinte/ daß sein
weib auch da wäre oder kommen werde/
und er nahm etwas zusammen (ich weiß eben
nicht was) obs etwan ein rock oder man-
tel war/ denn der David eilete eben
nicht sehr wegzuziehen/ denn er trug beden-
cken/ wo er wolte hinauß kommen. Und
da war ein jüngling/ der noch kein Jahr
unter ihnen gewest/ der hatte nach Delfft
ein bottschafft/ daß er da seyn muste/ der
hätte gern einige seiner kinder errettet und
mitbracht/ aber ihr vatter/ David wolte
es nicht haben/ die mutter aber hätte es
wol sehen mögen/ so es nicht gefährlich
vor ihm gewest wäre/ sonst wolte sie es
nicht/ aber David verbote es ernstlich mit
vielen feinen bescheidenen ursachen/ er
wolte warten/ biß es GOtt gäben. Die-
ser nun/ als er seine reise gethan und da-
seyende gehört und einem von dem rächter-
lichen (das am aller schlimsten/ daran
war) zugesprochen hatte/ welches ihn kan-
te/ lieff es ihm nach/ schrie und weinete
bitterlich und sprach: Ach Johann/ wo
ist mein müttergen/ ach wo werd ich sie
doch finden/ ich mag hier nicht bleiben/ dann
ich werde geschlagen und mit dem haaren
herum gezogen/ ach! ach! und derglei-
chen worte mehr. Dem jüngling hätte
sein hertz mögen zerbrechen/ wolte nicht da-
von scheiden und sprach: kind wilt du mit
mir gehen/ ich will dir zu deiner mutter
helffen? Sie rieff ach ja ich! und bat ihn
sehr/ und fiel ihm um den halß/ darauff
nahm er sie mit sich und ritte nach der
Gouwe/ von der Gouwe/ nach Amsterdam.
Aber es ritte ihm ein ertzschalck (der das kind
entwe der selbst oder durch einen andern kante
aus der stadt nach oder mit ihm/ der stellte
[Spaltenumbruch] sich/ als wenn er auch ein gut hertze zu ih-
rem vatter hätte und redet auch auff evan-
gelische weise; der andere gute mensch versa-
he sich dessen nicht/ und ließ sein hertz auch
hören. Als nun jener das wuste/ gab
er ihn zu Amsterdam an/ also daß er ge-
fangen wurde mit demselben kinde und führ-
ten das kind allein beym statt-meister und
sein weib gab ihm zuspinnen/ denn es kon-
te es sehr wol und fertig. Das kind haben
sie dann auff unterschiedene art gefragt und
so und so angeredet/ daß es sagen solte/
wo sein vatter wäre/ welches es aber nicht
wuste; sie troheten es zu geisseln/ und so
und so mit ihm umzugehen/ so rieff es ich
wils nicht mehr thun und schrie bitterlich/
denn es hatte einen recht unschuldigen
geist/ endlich beschlosse mann es in ein Clo-
ster zuthun.

Jnzwischen vernahm es die mutter/ die
sandte eine von des kindes neffen hin (welche
auch eine von der schwester Magdalenen
war) die bekam das kind aus ihren händen
und also kam das kind zu seiner mutter/ dar-
über zwischen beyden nicht eine kleine freude
gesehen ward/ ohne was im hertzen verbor-
gen wurde. Aber leider! der edle dapffere
feine jüngling ward sehr gepeinigt und ge-
martert/ allermeist um zusagen/ wo des kin-
des vatter wäre. Aber er wolte es ihnen
nicht sagen/ meinte/ solte er seinen bruder
um den hals bringen/ das wäre er nicht
sinnes noch willens und rieff GOTT in
seinem hertzen an/ daß sie es also von ihm
nicht erfahren konten. Sie troheten ihm
zwar/ wo ers nicht sagte/ so wolten sie
ihn so müthe machen/ daß ers schon sa-
gen müste; wie sie denn thäten und gien-
gen mit schwererer pein auff ihn loß und
meinten er solte es sagen/ er sprach ich weiß
wol wo er ist/ aber ich mags euch nicht sa-
gen/ ihr möget thun was ihr wollet/ so
solt ihrs doch von mir nicht erfahren/ denn
es war wieder sein gewissen und glauben
die liebe lies es ihm auch nicht zu und gezie-
mete sich auch nicht. Sie selber (die gleich-
wol das wissen wolten (würden ihn sehr
gepriessen haben/ wens über ihn oder die
seinen gegangen wäre/ aber nun war er ein
halstarriger oder hartneckigter bube/ viele
preiseten und lobten ihn/ die es hörten.
Aber wie sie es nur machten und an-
fingen/ als sie verderbten ihm seine glieder
schändlich und dergleichen/ so halffs doch
alles nichts.

Endlich verdammten sie ihn zum tode
und richteten ihn mit dem scharffen schwerdt/
und das so schändlich/ daß unter tausen-
den nicht einer war/ daß nicht ein aufflauff
geschahe/ welches wolgeschehen wäre wenns
ein ertzbösewicht oder missethäter gewest
wäre.

Aber nun geschichts nicht vor Christo
und die um des glaubens willen sterben/
denn da streckt niemand eine hand oder
kopff darum aus/ denn sie sind nicht von
dieser welt/ darum achtet oder liebet sie die
welt nicht.

Nach
H h h 3

Th. IV. Sect. II. Num. XLVII. Dav. Joris Lebens-Beſchreibung.
[Spaltenumbruch] welt gehoͤret und uͤber ihn gehen/ er weiß/ daß
ſein angeſichte keine beſſere und ſchoͤnere ge-
ſtalt mit ſeinem gantzen bloſen leibe ſeinen
gemeine haben kan/ als ſein HERR JE-
ſus Chriſtus in dem bilde aͤuſſerlich am creutz[e]
zu einem vorbilde ſiegel und auffſehen gehabt
hat und von dem knechte deß HErrn/ dem
prophet Jeſaia Cap. 53. beſchrieben iſt/ er
verhaͤrtete ſein hertz gegen ſeine wieder-
ſacher als einen kieſel-ſtein/ dann er wu-
ſte/ daß er vor GOTT nicht koͤnte zu-
ſchanden werden/ daß ſein hertz lauterlich
Gott ſuchte/ und vor Gott auffgeweckt/ ja taͤg-
lich unterhalten/ aufferzogen und geſpeiſt oder
gelehret ward mit dem worte des ewigẽ lebens;
Und wuſte darneben/ daß er ſolches ohne das
gerichte der unwiſſenden und groſſen aͤr-
gernuͤſſes nicht einnehmen oder nachkommen
koͤnte/ denn es meldete es ihm die ſchrifft
allenthalben oͤffentlich/ (welche niemandt
kante und gantz wild und wuͤſte uͤberwach-
ſen war) und redete es ihm freymuͤthig
ein.

Sehet/ als dis alſo geſchehen/ iſt das
geruͤchte vor David kommen/ daß in der
ſtadt und anderßwo mehr ſeine bruͤder al-
le gefangen waͤren (riethen ihm derowe-
gen/ daß er doch nicht in einer ſtadt bleiben
ſolte und baten ihn (ſonderlich einer von
Utrecht allda ſelbſt wohnende) daß er doch
darkommen moͤchte/ er meinte/ daß ſein
weib auch da waͤre oder kommen werde/
und er nahm etwas zuſammen (ich weiß eben
nicht was) obs etwan ein rock oder man-
tel war/ denn der David eilete eben
nicht ſehr wegzuziehen/ denn er trug beden-
cken/ wo er wolte hinauß kommen. Und
da war ein juͤngling/ der noch kein Jahr
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haͤtte gern einige ſeiner kinder errettet und
mitbracht/ aber ihr vatter/ David wolte
es nicht haben/ die mutter aber haͤtte es
wol ſehen moͤgen/ ſo es nicht gefaͤhrlich
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nicht/ aber David verbote es ernſtlich mit
vielen feinen beſcheidenen urſachen/ er
wolte warten/ biß es GOtt gaͤben. Die-
ſer nun/ als er ſeine reiſe gethan und da-
ſeyende gehoͤrt und einem von dem raͤchter-
lichen (das am aller ſchlimſten/ daran
war) zugeſprochen hatte/ welches ihn kan-
te/ lieff es ihm nach/ ſchrie und weinete
bitterlich und ſprach: Ach Johann/ wo
iſt mein muͤttergen/ ach wo werd ich ſie
doch finden/ ich mag hier nicht bleiben/ dann
ich werde geſchlagen und mit dem haaren
herum gezogen/ ach! ach! und derglei-
chen worte mehr. Dem juͤngling haͤtte
ſein hertz moͤgen zerbrechen/ wolte nicht da-
von ſcheiden und ſprach: kind wilt du mit
mir gehen/ ich will dir zu deiner mutter
helffen? Sie rieff ach ja ich! und bat ihn
ſehr/ und fiel ihm um den halß/ darauff
nahm er ſie mit ſich und ritte nach der
Gouwe/ von der Gouwe/ nach Amſterdam.
Aber es ritte ihm ein ertzſchalck (der das kind
entwe der ſelbſt oder durch einen andern kante
aus der ſtadt nach oder mit ihm/ der ſtellte
[Spaltenumbruch] ſich/ als wenn er auch ein gut hertze zu ih-
rem vatter haͤtte und redet auch auff evan-
geliſche weiſe; der andere gute menſch verſa-
he ſich deſſen nicht/ und ließ ſein hertz auch
hoͤren. Als nun jener das wuſte/ gab
er ihn zu Amſterdam an/ alſo daß er ge-
fangen wurde mit demſelben kinde und fuͤhr-
ten das kind allein beym ſtatt-meiſter und
ſein weib gab ihm zuſpinnen/ denn es kon-
te es ſehr wol und fertig. Das kind haben
ſie dann auff unterſchiedene art gefragt und
ſo und ſo angeredet/ daß es ſagen ſolte/
wo ſein vatter waͤre/ welches es aber nicht
wuſte; ſie troheten es zu geiſſeln/ und ſo
und ſo mit ihm umzugehen/ ſo rieff es ich
wils nicht mehr thun und ſchrie bitterlich/
denn es hatte einen recht unſchuldigen
geiſt/ endlich beſchloſſe mann es in ein Clo-
ſter zuthun.

Jnzwiſchen vernahm es die mutter/ die
ſandte eine von des kindes neffen hin (welche
auch eine von der ſchweſter Magdalenen
war) die bekam das kind aus ihren haͤnden
und alſo kam das kind zu ſeiner mutter/ dar-
uͤber zwiſchen beyden nicht eine kleine freude
geſehen ward/ ohne was im hertzen verbor-
gen wurde. Aber leider! der edle dapffere
feine juͤngling ward ſehr gepeinigt und ge-
martert/ allermeiſt um zuſagen/ wo des kin-
des vatter waͤre. Aber er wolte es ihnen
nicht ſagen/ meinte/ ſolte er ſeinen bruder
um den hals bringen/ das waͤre er nicht
ſinnes noch willens und rieff GOTT in
ſeinem hertzen an/ daß ſie es alſo von ihm
nicht erfahren konten. Sie troheten ihm
zwar/ wo ers nicht ſagte/ ſo wolten ſie
ihn ſo muͤthe machen/ daß ers ſchon ſa-
gen muͤſte; wie ſie denn thaͤten und gien-
gen mit ſchwererer pein auff ihn loß und
meinten er ſolte es ſagen/ er ſprach ich weiß
wol wo er iſt/ aber ich mags euch nicht ſa-
gen/ ihr moͤget thun was ihr wollet/ ſo
ſolt ihrs doch von mir nicht erfahren/ denn
es war wieder ſein gewiſſen und glauben
die liebe lies es ihm auch nicht zu und gezie-
mete ſich auch nicht. Sie ſelber (die gleich-
wol das wiſſen wolten (wuͤrden ihn ſehr
geprieſſen haben/ wens uͤber ihn oder die
ſeinen gegangen waͤre/ aber nun war er ein
halſtarriger oder hartneckigter bube/ viele
preiſeten und lobten ihn/ die es hoͤrten.
Aber wie ſie es nur machten und an-
fingen/ als ſie verderbten ihm ſeine glieder
ſchaͤndlich und dergleichen/ ſo halffs doch
alles nichts.

Endlich verdammten ſie ihn zum tode
und richteten ihn mit dem ſcharffen ſchwerdt/
und das ſo ſchaͤndlich/ daß unter tauſen-
den nicht einer war/ daß nicht ein aufflauff
geſchahe/ welches wolgeſchehen waͤre wenns
ein ertzboͤſewicht oder miſſethaͤter geweſt
waͤre.

Aber nun geſchichts nicht vor Chriſto
und die um des glaubens willen ſterben/
denn da ſtreckt niemand eine hand oder
kopff darum aus/ denn ſie ſind nicht von
dieſer welt/ darum achtet oder liebet ſie die
welt nicht.

Nach
H h h 3
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[229/0725] Th. IV. Sect. II. Num. XLVII. Dav. Joris Lebens-Beſchreibung. welt gehoͤret und uͤber ihn gehen/ er weiß/ daß ſein angeſichte keine beſſere und ſchoͤnere ge- ſtalt mit ſeinem gantzen bloſen leibe ſeinen gemeine haben kan/ als ſein HERR JE- ſus Chriſtus in dem bilde aͤuſſerlich am creutze zu einem vorbilde ſiegel und auffſehen gehabt hat und von dem knechte deß HErrn/ dem prophet Jeſaia Cap. 53. beſchrieben iſt/ er verhaͤrtete ſein hertz gegen ſeine wieder- ſacher als einen kieſel-ſtein/ dann er wu- ſte/ daß er vor GOTT nicht koͤnte zu- ſchanden werden/ daß ſein hertz lauterlich Gott ſuchte/ und vor Gott auffgeweckt/ ja taͤg- lich unterhalten/ aufferzogen und geſpeiſt oder gelehret ward mit dem worte des ewigẽ lebens; Und wuſte darneben/ daß er ſolches ohne das gerichte der unwiſſenden und groſſen aͤr- gernuͤſſes nicht einnehmen oder nachkommen koͤnte/ denn es meldete es ihm die ſchrifft allenthalben oͤffentlich/ (welche niemandt kante und gantz wild und wuͤſte uͤberwach- ſen war) und redete es ihm freymuͤthig ein. Sehet/ als dis alſo geſchehen/ iſt das geruͤchte vor David kommen/ daß in der ſtadt und anderßwo mehr ſeine bruͤder al- le gefangen waͤren (riethen ihm derowe- gen/ daß er doch nicht in einer ſtadt bleiben ſolte und baten ihn (ſonderlich einer von Utrecht allda ſelbſt wohnende) daß er doch darkommen moͤchte/ er meinte/ daß ſein weib auch da waͤre oder kommen werde/ und er nahm etwas zuſammen (ich weiß eben nicht was) obs etwan ein rock oder man- tel war/ denn der David eilete eben nicht ſehr wegzuziehen/ denn er trug beden- cken/ wo er wolte hinauß kommen. Und da war ein juͤngling/ der noch kein Jahr unter ihnen geweſt/ der hatte nach Delfft ein bottſchafft/ daß er da ſeyn muſte/ der haͤtte gern einige ſeiner kinder errettet und mitbracht/ aber ihr vatter/ David wolte es nicht haben/ die mutter aber haͤtte es wol ſehen moͤgen/ ſo es nicht gefaͤhrlich vor ihm geweſt waͤre/ ſonſt wolte ſie es nicht/ aber David verbote es ernſtlich mit vielen feinen beſcheidenen urſachen/ er wolte warten/ biß es GOtt gaͤben. Die- ſer nun/ als er ſeine reiſe gethan und da- ſeyende gehoͤrt und einem von dem raͤchter- lichen (das am aller ſchlimſten/ daran war) zugeſprochen hatte/ welches ihn kan- te/ lieff es ihm nach/ ſchrie und weinete bitterlich und ſprach: Ach Johann/ wo iſt mein muͤttergen/ ach wo werd ich ſie doch finden/ ich mag hier nicht bleiben/ dann ich werde geſchlagen und mit dem haaren herum gezogen/ ach! ach! und derglei- chen worte mehr. Dem juͤngling haͤtte ſein hertz moͤgen zerbrechen/ wolte nicht da- von ſcheiden und ſprach: kind wilt du mit mir gehen/ ich will dir zu deiner mutter helffen? Sie rieff ach ja ich! und bat ihn ſehr/ und fiel ihm um den halß/ darauff nahm er ſie mit ſich und ritte nach der Gouwe/ von der Gouwe/ nach Amſterdam. Aber es ritte ihm ein ertzſchalck (der das kind entwe der ſelbſt oder durch einen andern kante aus der ſtadt nach oder mit ihm/ der ſtellte ſich/ als wenn er auch ein gut hertze zu ih- rem vatter haͤtte und redet auch auff evan- geliſche weiſe; der andere gute menſch verſa- he ſich deſſen nicht/ und ließ ſein hertz auch hoͤren. Als nun jener das wuſte/ gab er ihn zu Amſterdam an/ alſo daß er ge- fangen wurde mit demſelben kinde und fuͤhr- ten das kind allein beym ſtatt-meiſter und ſein weib gab ihm zuſpinnen/ denn es kon- te es ſehr wol und fertig. Das kind haben ſie dann auff unterſchiedene art gefragt und ſo und ſo angeredet/ daß es ſagen ſolte/ wo ſein vatter waͤre/ welches es aber nicht wuſte; ſie troheten es zu geiſſeln/ und ſo und ſo mit ihm umzugehen/ ſo rieff es ich wils nicht mehr thun und ſchrie bitterlich/ denn es hatte einen recht unſchuldigen geiſt/ endlich beſchloſſe mann es in ein Clo- ſter zuthun. Jnzwiſchen vernahm es die mutter/ die ſandte eine von des kindes neffen hin (welche auch eine von der ſchweſter Magdalenen war) die bekam das kind aus ihren haͤnden und alſo kam das kind zu ſeiner mutter/ dar- uͤber zwiſchen beyden nicht eine kleine freude geſehen ward/ ohne was im hertzen verbor- gen wurde. Aber leider! der edle dapffere feine juͤngling ward ſehr gepeinigt und ge- martert/ allermeiſt um zuſagen/ wo des kin- des vatter waͤre. Aber er wolte es ihnen nicht ſagen/ meinte/ ſolte er ſeinen bruder um den hals bringen/ das waͤre er nicht ſinnes noch willens und rieff GOTT in ſeinem hertzen an/ daß ſie es alſo von ihm nicht erfahren konten. Sie troheten ihm zwar/ wo ers nicht ſagte/ ſo wolten ſie ihn ſo muͤthe machen/ daß ers ſchon ſa- gen muͤſte; wie ſie denn thaͤten und gien- gen mit ſchwererer pein auff ihn loß und meinten er ſolte es ſagen/ er ſprach ich weiß wol wo er iſt/ aber ich mags euch nicht ſa- gen/ ihr moͤget thun was ihr wollet/ ſo ſolt ihrs doch von mir nicht erfahren/ denn es war wieder ſein gewiſſen und glauben die liebe lies es ihm auch nicht zu und gezie- mete ſich auch nicht. Sie ſelber (die gleich- wol das wiſſen wolten (wuͤrden ihn ſehr geprieſſen haben/ wens uͤber ihn oder die ſeinen gegangen waͤre/ aber nun war er ein halſtarriger oder hartneckigter bube/ viele preiſeten und lobten ihn/ die es hoͤrten. Aber wie ſie es nur machten und an- fingen/ als ſie verderbten ihm ſeine glieder ſchaͤndlich und dergleichen/ ſo halffs doch alles nichts. Endlich verdammten ſie ihn zum tode und richteten ihn mit dem ſcharffen ſchwerdt/ und das ſo ſchaͤndlich/ daß unter tauſen- den nicht einer war/ daß nicht ein aufflauff geſchahe/ welches wolgeſchehen waͤre wenns ein ertzboͤſewicht oder miſſethaͤter geweſt waͤre. Aber nun geſchichts nicht vor Chriſto und die um des glaubens willen ſterben/ denn da ſtreckt niemand eine hand oder kopff darum aus/ denn ſie ſind nicht von dieſer welt/ darum achtet oder liebet ſie die welt nicht. Nach H h h 3

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/725>, abgerufen am 16.07.2024.