Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.worinn uns der weg der seligkeit geoffenbahrt wird/ etc. [Spaltenumbruch]
solten gemeynet seyn) überein/ daß er nochunter die sünde verkaufft/ und noch fleisch- lich solte gewest seyn/ und doch auch einen wohlgefallen an GOTTES gesetz haben/ nur daß das gesetz der sünden (das in seinen gliedern ware) das gesetz des Geistes unter- druckte und verhinderte/ daß er demselben nicht dienen konte/ als nur mit dem verstan- de in einem guten willen/ mit den wercken a- ber dem gesetz der sünden: Pfuy! Ey hö- ret doch den handel/ was man hat dem heiligen Paulo nachgesaget! Also ist der sinn dieser worte/ wie ich erzehlet und klär- lich bezeuget habe/ allhier kurtz umb geist- lich/ das ist/ mit CHristo vereiniget seyn/ nemlich/ daß Paulus in der person der wiedergebohrnen/ gutwilligen/ verlangen- den hertzen redet und bezeuget/ daß das ge- setz an sich selbst heilig und gut wäre/ aber es könte niemand fromm machen/ weil es durch das fleisch gekräncket oder geschwä- chet würde. Darum wäre es ihme un- möglich/ durch das böse oder umb das bö- se/ das in Adams hertze durch den teuffel gesäet ware/ den menschen vollkommen o- der fromm zu machen. Dann wiewohl das gesetz forderte/ daß sie geistlich seyn solten/ wie geschrieben stehet/ so wäre es doch in des menschen macht nicht/ weil er fleischlich und schalckhafftig wäre. Dahero Röm VII. 7.kommts/ daß das gesetz saget: Du solt nicht begehren oder gelüsten. Sehet/ so wurde nun der elende und krancke mensch noch desto mehr lüsterend/ und durch das heilige gebott/ in seiner kranckheit gefangen genommen und von der sünden überwun- den/ und brachte also durch das gesetz der sünden/ dem tode viel früchte. Aber/ wie wohl dem menschen ein guter wille (durch die klarheit des gesetzes) zum guten gegeben ward/ so fande er doch in sich die wieder- spenstigkeit deß alten menschen/ der durch das gesetz nur desto mehr erreget und gestär- cket wird/ und alle begierden deß fleisches in dem menschen auffrühret/ dem tode frucht zu bringen. Dann sie ware mächtig in un- sern gliedern/ die durch die sünden zum dienst der unreinigkeit begeben wurden; dar- aus der mensch wohl eine reue fande/ nach deine es geschehen war/ aber darinn nur durch die erkäntnis aus dem gesetz willigte/ daß das gesetz gut seye und mit dem verstande ihme allein dienete/ hingegen aber mit seinem fleische dem gesetz der sünden. Damit nun der Apostel Paulus das gesetz Hieraus höret ihr nun allerdings klar und Darum lasset euch niemand verführen/ und sondern U u 3
worinn uns der weg der ſeligkeit geoffenbahrt wird/ ꝛc. [Spaltenumbruch]
ſolten gemeynet ſeyn) uͤberein/ daß er nochunter die ſuͤnde verkaufft/ und noch fleiſch- lich ſolte geweſt ſeyn/ und doch auch einen wohlgefallen an GOTTES geſetz haben/ nur daß das geſetz der ſuͤnden (das in ſeinen gliedern ware) das geſetz des Geiſtes unter- druckte und verhinderte/ daß er demſelben nicht dienen konte/ als nur mit dem verſtan- de in einem guten willen/ mit den wercken a- ber dem geſetz der ſuͤnden: Pfuy! Ey hoͤ- ret doch den handel/ was man hat dem heiligen Paulo nachgeſaget! Alſo iſt der ſinn dieſer worte/ wie ich erzehlet und klaͤr- lich bezeuget habe/ allhier kurtz umb geiſt- lich/ das iſt/ mit CHriſto vereiniget ſeyn/ nemlich/ daß Paulus in der perſon der wiedergebohrnen/ gutwilligen/ verlangen- den hertzen redet und bezeuget/ daß das ge- ſetz an ſich ſelbſt heilig und gut waͤre/ aber es koͤnte niemand fromm machen/ weil es durch das fleiſch gekraͤncket oder geſchwaͤ- chet wuͤrde. Darum waͤre es ihme un- moͤglich/ durch das boͤſe oder umb das boͤ- ſe/ das in Adams hertze durch den teuffel geſaͤet ware/ den menſchen vollkommen o- der fromm zu machen. Dann wiewohl das geſetz forderte/ daß ſie geiſtlich ſeyn ſolten/ wie geſchrieben ſtehet/ ſo waͤre es doch in des menſchen macht nicht/ weil er fleiſchlich und ſchalckhafftig waͤre. Dahero Roͤm VII. 7.kommts/ daß das geſetz ſaget: Du ſolt nicht begehren oder geluͤſten. Sehet/ ſo wurde nun der elende und krancke menſch noch deſto mehr luͤſterend/ und durch das heilige gebott/ in ſeiner kranckheit gefangen genommen und von der ſuͤnden uͤberwun- den/ und brachte alſo durch das geſetz der ſuͤnden/ dem tode viel fruͤchte. Aber/ wie wohl dem menſchen ein guter wille (durch die klarheit des geſetzes) zum guten gegeben ward/ ſo fande er doch in ſich die wieder- ſpenſtigkeit deß alten menſchen/ der durch das geſetz nur deſto mehr erreget und geſtaͤr- cket wird/ und alle begierden deß fleiſches in dem menſchen auffruͤhret/ dem tode frucht zu bringen. Dann ſie ware maͤchtig in un- ſern gliedern/ die durch die ſuͤnden zum dienſt der unreinigkeit begeben wurden; dar- aus der menſch wohl eine reue fande/ nach deine es geſchehen war/ aber darinn nur durch die erkaͤntnis aus dem geſetz willigte/ daß das geſetz gut ſeye und mit dem verſtande ihme allein dienete/ hingegen aber mit ſeinem fleiſche dem geſetz der ſuͤnden. Damit nun der Apoſtel Paulus das geſetz Hieraus hoͤret ihr nun allerdings klar und Darum laſſet euch niemand verfuͤhren/ und ſondern U u 3
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worinn uns der weg der ſeligkeit geoffenbahrt wird/ ꝛc.
ſolten gemeynet ſeyn) uͤberein/ daß er noch
unter die ſuͤnde verkaufft/ und noch fleiſch-
lich ſolte geweſt ſeyn/ und doch auch einen
wohlgefallen an GOTTES geſetz haben/
nur daß das geſetz der ſuͤnden (das in ſeinen
gliedern ware) das geſetz des Geiſtes unter-
druckte und verhinderte/ daß er demſelben
nicht dienen konte/ als nur mit dem verſtan-
de in einem guten willen/ mit den wercken a-
ber dem geſetz der ſuͤnden: Pfuy! Ey hoͤ-
ret doch den handel/ was man hat dem
heiligen Paulo nachgeſaget! Alſo iſt der
ſinn dieſer worte/ wie ich erzehlet und klaͤr-
lich bezeuget habe/ allhier kurtz umb geiſt-
lich/ das iſt/ mit CHriſto vereiniget ſeyn/
nemlich/ daß Paulus in der perſon der
wiedergebohrnen/ gutwilligen/ verlangen-
den hertzen redet und bezeuget/ daß das ge-
ſetz an ſich ſelbſt heilig und gut waͤre/ aber
es koͤnte niemand fromm machen/ weil es
durch das fleiſch gekraͤncket oder geſchwaͤ-
chet wuͤrde. Darum waͤre es ihme un-
moͤglich/ durch das boͤſe oder umb das boͤ-
ſe/ das in Adams hertze durch den teuffel
geſaͤet ware/ den menſchen vollkommen o-
der fromm zu machen. Dann wiewohl
das geſetz forderte/ daß ſie geiſtlich ſeyn
ſolten/ wie geſchrieben ſtehet/ ſo waͤre es
doch in des menſchen macht nicht/ weil er
fleiſchlich und ſchalckhafftig waͤre. Dahero
kommts/ daß das geſetz ſaget: Du ſolt
nicht begehren oder geluͤſten. Sehet/
ſo wurde nun der elende und krancke menſch
noch deſto mehr luͤſterend/ und durch das
heilige gebott/ in ſeiner kranckheit gefangen
genommen und von der ſuͤnden uͤberwun-
den/ und brachte alſo durch das geſetz der
ſuͤnden/ dem tode viel fruͤchte. Aber/
wie wohl dem menſchen ein guter wille (durch
die klarheit des geſetzes) zum guten gegeben
ward/ ſo fande er doch in ſich die wieder-
ſpenſtigkeit deß alten menſchen/ der durch
das geſetz nur deſto mehr erreget und geſtaͤr-
cket wird/ und alle begierden deß fleiſches
in dem menſchen auffruͤhret/ dem tode frucht
zu bringen. Dann ſie ware maͤchtig in un-
ſern gliedern/ die durch die ſuͤnden zum
dienſt der unreinigkeit begeben wurden; dar-
aus der menſch wohl eine reue fande/ nach
deine es geſchehen war/ aber darinn nur
durch die erkaͤntnis aus dem geſetz willigte/
daß das geſetz gut ſeye und mit dem verſtande
ihme allein dienete/ hingegen aber mit ſeinem
fleiſche dem geſetz der ſuͤnden.
Roͤm VII.
7.
Damit nun der Apoſtel Paulus das geſetz
deß glaubens groß mache/ ſo bringet er hier
das unvermoͤgen deß erſten geſetzes recht fuͤg-
lich hervor/ damit es zuſammt dem fleiſche
untergehen moͤchte/ zu lobe der herrlichen
gnade GOTTES in CHriſto JESU/
damit wir/ die wir ihm beygefuͤget und
eingeleibet ſind/ leben und dem geſetz ſter-
ben ſolten; Angeſehen in demſelben keine
verdammung iſt/ weil ſie durch CHri-
ſtum gantz verneuret und von den ſchulden
des geſetzes befreyet ſind; als welche auch
nicht nach dem fleiſche wandeln oder leben/
ſondern nach dem Geiſte/ der ſie treibet/
und dieſelbe ſind GOTTES kinder/
ſpricht Paulus. Sehet/ von ſothanigen
rede ich: Dann das geſetz des Get-
ſtes/ das da lebendig machet/ und
ſolches in CHriſto JESU/ hat mich/
ſagt Paulus/ frey gemacht vom ge-
ſetz der ſuͤnden und des todes. Wie?
ſolte er ihr nun noch dienen? Was vor re-
den ſind das? ſo muͤſte er allerdings ein
knecht der ſuͤnden und des fleiſches ſeyn?
Worinnen konte er dann der gerechtigkeit
dienen/ ja womit oder worinn? So hoͤ-
re ich wohl/ der teuffel ſolte die ſchaaffe
ſcheeren/ und unſer HERR GOTT die
ſchweine: ſolte er wohl? Jſt er ſtaͤrcker dann
der HERR? Hat nicht CHriſtus ſeinen
kopff zertreten? dem tode ſeine macht ge-
nommen? das leben an das licht bracht?
dem geſetze ein gnuͤgen gethan und geendiget?
das gefaͤngnis gefangen genommen/ und
ſich als einen Siegs-Held oder Triumphierer
gezeiget/ als der da iſt der HERR und
das haupt aller herrſchafften uͤberall? Mer-
cket darauff!
Roͤm. IIX.
1.
Roͤm IIX.
2.
Hieraus hoͤret ihr nun allerdings klar und
deutlich/ wie ferne die worte gemeinet/ o-
der auff was art ſie geſprochen ſind/ daß ſie
Paulus in der perſon ſein ſelbſt und anderer/
die unter dem geſetze GOTTES ſtunden/
geſprochen und gemeinet hat. Und ob ihr es/
die ihr es meynet/ noch beſſer wiſſen wollet
und ſaget: Hierinn hat er gleichwohl die
vollkommenheit und uͤberwindung oder ſieg
nicht gehabt: Sehet/ alle ſolche reden
ſcheinen wohl/ als wann ſie was beytruͤgen/
aber gantz nichts. Dann was will man doch
ſagen/ hier hat er die uͤberwindung nicht
gehabt/ als er noch unter die ſuͤnde verkauf-
fet ware/ und mit ſeinem fleiſche dem geſetz
der ſuͤnden dienete/ das iſt ferne von der uͤ-
berwindung. Aber das ſchicket ſich alſo
gantz nicht auff dieſe reden. Dann wolt ihr
wiſſen/ wie weit er zu der zeit durchgekaͤmpf-
fet hatte/ als er diß ſchriebe/ ſo mercket nur
auff das achte Capitel/ weſſen er gewiß wa-
re/ nemlich: Jch bin gewiß und ver-
ſichert/ daß weder tod noch leben/ we-
der Engel noch Fuͤrſtenthum/ weder
Obrigkeit noch Machten/ weder ge-
genwaͤrtiges noch zukuͤnfftiges/ we-
der hoͤhe noch tieffe/ noch keine ande-
re creatur uns wird ſcheiden koͤnnen
von der liebe GOttes/ die in CHri-
ſto JESU iſt unſerm HERRN.
Was iſt das geſagt? Wie ſolte das accor-
diren oder uͤbereinſtimmen mit den vorbeſag-
ten worten und aller meiſt mit denen worten:
Jch elender menſch/ wer wird mich er-
loͤſen von dem leibe dieſes todes/ u. ſ. f.
Mercket darauff.
NB.
Roͤm.
IIX. 38.
Roͤm. VII.
24.
Darum laſſet euch niemand verfuͤhren/ und
mit einem thoͤrichten ſinn bezaubern oder zum
unverſtand einleiten. Boͤſe geſchwaͤtz ver-
derben gute ſitten. Es lehren etliche ande-
re/ aber ſie beduͤrffen ſelbſt/ daß ſie noch beſſer
zu ſolchem amt oder dienſt der Engel gelehret
wuͤrden/ ja alle. Darum laſſet uns nicht ſtoltz
ſeyn/ noch unſerm eigenem geiſte nach folgen/
ſondern
1. Cor.
XV. 33.
U u 3
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Zitationshilfe: | Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/637>, abgerufen am 16.07.2024. |