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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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und Ezechiel Methen.
[Spaltenumbruch] Jahr
MDC.
biß
MDCC.
Franckfurt 1676. und endlich Jacob Böh-
me.

57. Was aber endlich nach der Göttl. warheit
von denen erzehlten expressionen und händeln
dieser leute unpartheyisch zu halten sey/ will ich
Urtheile
über dessen
lehre
der Wit-
tenbergi-
schen
Theolo-
gen/
lieber mit anderer verständigen ihren worten
beybringen. Und zwar erstlich ist das sehr be-
scheidene urtheil/ das im namen der Witten-
bergischen Theologischen Facultät D. Baltha-
sar
Meißner gefället/ und oben angeführet ist/
sehr wol zu mercken/ weil solche moderate und
unpartheyische responsa, (dergleichen doch
von D. Meißnern mehr vorhanden sind) in die-
und ande-
rer Scri-
bent
en.
sen sachen sehr rar zu seyn pflegen. Mit diesem
aber stimmet meistens des Herrn Thomasu aus-
schlag ein/ den er bey dieser sachen gegeben/
welchen ich aus gedachtem buche p. 193. u. f.
hier beyfügen werde/ jedoch daß ich die ange-
hengten observationes über die fauren/ so von
Stiefels richtern begangen worden/ so lange
aussetze.

58. Er schreibet aber also: Es weiset der
augenschein/ daß er gantz handgreiff lich

viam purgationis und viam unionis (nach der
Theologia Mystica) untereinander ge-
worffen/ und daß er durch dieses
primum
falsum
in den gefährlichen und höchst-
schädlichen irrthum immer von einer
staffel auff die andere gerathen. Man
siehet aus allen umständen/ daß Stiefel
ein burgerlich erbar leben geführet/ und
wird ihm in denen gantzen
actis kein gro-
bes laster schuld gegeben. Bey dieser
bewandnis nun ist es sehr wahrschein-
lich/ daß Stiefel das rohe leben/ wel-
ches bey allen dreyen ständen unter den
Thristen häuffig im schwange gehet/ an-
gemercket/ und da er von der erneurung
des innern menschen was gelesen haben
mag/ mehr auff andere als sich selbst
achtung gegeben/ und in wahrer de-
muth undliebe sich untersuchet/ vielwe-
niger natur und gnade in sich zu unter-
scheiden bemühet gewesen/ sondern als-
bald zugefahren/ und da er die groben
laster/ die er bey andern offenbar gespü-
ret/ bey sich nicht angetroffen/ gleich
gemeinet/ CHristus habe sich schon mit
seiner seele wircklich vereiniget/ darü-
ber er denn bald in einen andern irrthum
gerathen/ daß er dafür gehalten/
CHRISTUS sey wesentlich nicht
nur in seiner seele/ sondern auch in
seinem fleisch. Und ob wol ein wahrer
Christ durch das leiden recht geläutert
wird/ auch dieses die beste probe ist/ wie
weit man in seinem Christenthum kom-
men/ wenn man bey instehendem leiden
auff sich achtung giebt/ und sich prüfet/
ob man in demselben die gedult CHristi
an sich habe/ auch Stiefel/ da er ins ge-
fängnis gestecket worden/ und solches
gar nicht vertragen können/ gar leichte
hätte spüren sollen/ daß er zu der verei-
nigung mit CHristo noch nicht gelanget
sey/ und daß noch wenig der geist der
sanfftmuth CHristi in ihm wohne: So
hatte doch das einmal gefaste vorur-
theil bey ihmschon allzugrosse wurtzeln
gefasset/ daß er nicht empfunden/ daß
[Spaltenumbruch] sein geist in der ruhe CHristi nicht wäre/
Jahr
MDC.
biß
MDCC.

sondern sich durch äusserliche widerwär-
tigkeit in eine/ einem Christen unan-
ständige unruhe setzte. Wannenhero
es kein wunder/ daß er auff diesem ab-
wege immer weiter und weiter verfüh-
ret worden/ auff heuchlerische weise sich
aus dem gefängnis zu entledigen ge-
trachtet/ eine ungeschickte
distinction
zwischen CHristo und seinem fleische er-
sonnen/ diese beyde einander entgegen
gesetzet/ und doch vorgegeben/ als wenn
das wesen CHristi in ihm und seinem flei-
sche wäre/ und endlich gar in das aller-
gröste elend gerathen/ daß er vermit-
telst dieser kahlen entschuldigung sein
gewissen eingeschläffert/ einen m[e]ineid
begangen/ und denselben auff mehr als
heidnische weise mit entsetzung aller
wahren Christen zu entschuldigen ge-
trachtet. Weswegen alle und jede/ die
sich aus der
bestialität her auszureissen/
und auff den Weg des Christenthums
zu treten bemühet sind/ ein beyspiel an
diesem des Stiefels exempel zu nehmen/
und mit desto grösserer behutsamkeit
auff ihre selbst-prüfung achtung zu ge-
ben haben.

59. Hiezu wird hoffentlich vergönnet seyn
aus Jacob Böhmens bedencken über Esaiä
Stiefels büchlein nur einige worte noch beyzu-
fügen/ wie selbige unter dessen Apologien zufin-
den. Allda setzet er §. 84. p. 20. von Stie-
fels meinung und worten dieses: Wenn
der
auctor von sich selbst sagt: Jch das le-
bendige wort GOttes sage oder thue diß
und das in diesem meinem heiligen fleisch
und beine/ so wird der theure name GOt-
tes gemißbraucht. Dann wann der geist
des menschen ist zum propheten und
munde GOttes erkohren/ so sprach er nur:
so spricht der HErr. Wie denn alle Pro-
pheten also geredet haben. Er thuts
nicht aus ihm selber aus seinem fleisch und
blut/ sondern der HErr offenbaret seinen
willen durch ihn/ er ist nur ein werckzeug
dazu. Er ist nicht im fleisch und blut der
HErr/ sondern im leben CHristi ein frucht-
bares demüthiges zweiglein/ das selber
nichts will noch thut etc.
Und ferner: p. 29.
§. 146. Der auctor schreibet aus der braut
CHristigar recht vom geist CHristi/ aus
dem neuen menschen: Aber den alten
sterblichen/ vom geiste dieser verderbten
und verfluchten welt soll er vom neuen
unterscheiden/ und nicht das sterbliche
verderbte fleisch und bein für CHristi
fleisch achten. Auch nicht CHristi fleisch
in den 4. elementen und im geiste der äus-
sern welt suchen/ sondern in derselben
wurtzel/ alsim heiligenelement ein
prin-
cipium
tieffer als diese welt ist/ nicht abwe-
sende vom äusseren leibe. Auch nicht den
alten in den neuen
transmutiret/ sondern
wie das gold im groben steine aus dem
stein wächst etc.
Und §. 151. wenn der
auctor schreibt: Es falle der alte mensch
in der busse gantz hin weg/ und ersterbe
gar im tode CHristi/ so irret er/ denn

CHri-
A. K. H. Dritter Theil. G

und Ezechiel Methen.
[Spaltenumbruch] Jahr
MDC.
biß
MDCC.
Franckfurt 1676. und endlich Jacob Boͤh-
me.

57. Was aber endlich nach der Goͤttl. warheit
von denen erzehlten expreſſionen und haͤndeln
dieſer leute unpartheyiſch zu halten ſey/ will ich
Urtheile
uͤber deſſen
lehre
der Wit-
tenbergi-
ſchen
Theolo-
gen/
lieber mit anderer verſtaͤndigen ihren worten
beybringen. Und zwar erſtlich iſt das ſehr be-
ſcheidene urtheil/ das im namen der Witten-
bergiſchen Theologiſchen Facultaͤt D. Baltha-
ſar
Meißner gefaͤllet/ und oben angefuͤhret iſt/
ſehr wol zu mercken/ weil ſolche moderate und
unpartheyiſche reſponſa, (dergleichen doch
von D. Meißnern mehr vorhanden ſind) in die-
und ande-
rer Scri-
bent
en.
ſen ſachen ſehr rar zu ſeyn pflegen. Mit dieſem
aber ſtimmet meiſtens des Herꝛn Thomaſu aus-
ſchlag ein/ den er bey dieſer ſachen gegeben/
welchen ich aus gedachtem buche p. 193. u. f.
hier beyfuͤgen werde/ jedoch daß ich die ange-
hengten obſervationes uͤber die fauꝛen/ ſo von
Stiefels richtern begangen worden/ ſo lange
ausſetze.

58. Er ſchreibet aber alſo: Es weiſet der
augenſchein/ daß er gantz handgreiff lich

viam purgationis und viam unionis (nach der
Theologia Myſtica) untereinander ge-
worffen/ und daß er durch dieſes
primum
falſum
in den gefaͤhrlichen und hoͤchſt-
ſchaͤdlichen irrthum immer von einer
ſtaffel auff die andere gerathen. Man
ſiehet aus allen umſtaͤnden/ daß Stiefel
ein burgerlich erbar leben gefuͤhret/ und
wird ihm in denen gantzen
actis kein gro-
bes laſter ſchuld gegeben. Bey dieſer
bewandnis nun iſt es ſehr wahrſchein-
lich/ daß Stiefel das rohe leben/ wel-
ches bey allen dreyen ſtaͤnden unter den
Thꝛiſten haͤuffig im ſchwange gehet/ an-
gemercket/ und da er von der erneurung
des innern menſchen was geleſen haben
mag/ mehr auff andere als ſich ſelbſt
achtung gegeben/ und in wahrer de-
muth undliebe ſich unterſuchet/ vielwe-
niger natur und gnade in ſich zu unter-
ſcheiden bemuͤhet geweſen/ ſondern als-
bald zugefahren/ und da er die groben
laſter/ die er bey andern offenbar geſpuͤ-
ret/ bey ſich nicht angetroffen/ gleich
gemeinet/ CHriſtus habe ſich ſchon mit
ſeiner ſeele wircklich vereiniget/ daruͤ-
ber er denn bald in einen andern irrthum
gerathen/ daß er dafuͤr gehalten/
CHRISTUS ſey weſentlich nicht
nur in ſeiner ſeele/ ſondern auch in
ſeinem fleiſch. Und ob wol ein wahrer
Chriſt durch das leiden recht gelaͤutert
wird/ auch dieſes die beſte probe iſt/ wie
weit man in ſeinem Chriſtenthum kom-
men/ wenn man bey inſtehendem leiden
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ob man in demſelben die gedult CHriſti
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ſey/ und daß noch wenig der geiſt der
ſanfftmuth CHriſti in ihm wohne: So
hatte doch das einmal gefaſte vorur-
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gefaſſet/ daß er nicht empfunden/ daß
[Spaltenumbruch] ſein geiſt in der ruhe CHriſti nicht waͤre/
Jahr
MDC.
biß
MDCC.

ſondern ſich durch aͤuſſerliche widerwaͤr-
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ſtaͤndige unruhe ſetzte. Wannenhero
es kein wunder/ daß er auff dieſem ab-
wege immer weiter und weiter verfuͤh-
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aus dem gefaͤngnis zu entledigen ge-
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zwiſchen CHriſto und ſeinem fleiſche er-
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trachtet. Weswegen alle und jede/ die
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beſtialitaͤt her auszureiſſen/
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dieſem des Stiefels exempel zu nehmen/
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auff ihre ſelbſt-pruͤfung achtung zu ge-
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59. Hiezu wird hoffentlich vergoͤnnet ſeyn
aus Jacob Boͤhmens bedencken uͤber Eſaiaͤ
Stiefels buͤchlein nur einige worte noch beyzu-
fuͤgen/ wie ſelbige unter deſſen Apologien zufin-
den. Allda ſetzet er §. 84. p. 20. von Stie-
fels meinung und worten dieſes: Wenn
der
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und das in dieſem meinem heiligen fleiſch
und beine/ ſo wird der theure name GOt-
tes gemißbraucht. Dann wann der geiſt
des menſchen iſt zum propheten und
munde GOttes erkohren/ ſo ſprach er nur:
ſo ſpricht der HErr. Wie denn alle Pro-
pheten alſo geredet haben. Er thuts
nicht aus ihm ſelber aus ſeinem fleiſch uñ
blut/ ſondern der HErr offenbaret ſeinen
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HErꝛ/ ſondeꝛn im leben CHriſti ein frucht-
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nichts will noch thut ꝛc.
Und ferner: p. 29.
§. 146. Der auctor ſchreibet aus der braut
CHriſtigar recht vom geiſt CHriſti/ aus
dem neuen menſchen: Aber den alten
ſterblichen/ vom geiſte dieſer verderbten
und verfluchten welt ſoll er vom neuen
unterſcheiden/ und nicht das ſterbliche
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fleiſch achten. Auch nicht CHriſti fleiſch
in den 4. elementen und im geiſte der aͤuſ-
ſern welt ſuchen/ ſondern in derſelben
wurtzel/ alsim heiligenelement ein
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wie das gold im groben ſteine aus dem
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Und §. 151. wenn der
auctor ſchreibt: Es falle der alte menſch
in der buſſe gantz hin weg/ und erſterbe
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CHri-
A. K. H. Dritter Theil. G
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[49/0061] und Ezechiel Methen. Franckfurt 1676. und endlich Jacob Boͤh- me. Jahr MDC. biß MDCC. 57. Was aber endlich nach der Goͤttl. warheit von denen erzehlten expreſſionen und haͤndeln dieſer leute unpartheyiſch zu halten ſey/ will ich lieber mit anderer verſtaͤndigen ihren worten beybringen. Und zwar erſtlich iſt das ſehr be- ſcheidene urtheil/ das im namen der Witten- bergiſchen Theologiſchen Facultaͤt D. Baltha- ſar Meißner gefaͤllet/ und oben angefuͤhret iſt/ ſehr wol zu mercken/ weil ſolche moderate und unpartheyiſche reſponſa, (dergleichen doch von D. Meißnern mehr vorhanden ſind) in die- ſen ſachen ſehr rar zu ſeyn pflegen. Mit dieſem aber ſtimmet meiſtens des Herꝛn Thomaſu aus- ſchlag ein/ den er bey dieſer ſachen gegeben/ welchen ich aus gedachtem buche p. 193. u. f. hier beyfuͤgen werde/ jedoch daß ich die ange- hengten obſervationes uͤber die fauꝛen/ ſo von Stiefels richtern begangen worden/ ſo lange ausſetze. Urtheile uͤber deſſen lehre der Wit- tenbergi- ſchen Theolo- gen/ und ande- rer Scri- benten. 58. Er ſchreibet aber alſo: Es weiſet der augenſchein/ daß er gantz handgreiff lich viam purgationis und viam unionis (nach der Theologia Myſtica) untereinander ge- worffen/ und daß er durch dieſes primum falſum in den gefaͤhrlichen und hoͤchſt- ſchaͤdlichen irrthum immer von einer ſtaffel auff die andere gerathen. Man ſiehet aus allen umſtaͤnden/ daß Stiefel ein burgerlich erbar leben gefuͤhret/ und wird ihm in denen gantzen actis kein gro- bes laſter ſchuld gegeben. Bey dieſer bewandnis nun iſt es ſehr wahrſchein- lich/ daß Stiefel das rohe leben/ wel- ches bey allen dreyen ſtaͤnden unter den Thꝛiſten haͤuffig im ſchwange gehet/ an- gemercket/ und da er von der erneurung des innern menſchen was geleſen haben mag/ mehr auff andere als ſich ſelbſt achtung gegeben/ und in wahrer de- muth undliebe ſich unterſuchet/ vielwe- niger natur und gnade in ſich zu unter- ſcheiden bemuͤhet geweſen/ ſondern als- bald zugefahren/ und da er die groben laſter/ die er bey andern offenbar geſpuͤ- ret/ bey ſich nicht angetroffen/ gleich gemeinet/ CHriſtus habe ſich ſchon mit ſeiner ſeele wircklich vereiniget/ daruͤ- ber er denn bald in einen andern irrthum gerathen/ daß er dafuͤr gehalten/ CHRISTUS ſey weſentlich nicht nur in ſeiner ſeele/ ſondern auch in ſeinem fleiſch. Und ob wol ein wahrer Chriſt durch das leiden recht gelaͤutert wird/ auch dieſes die beſte probe iſt/ wie weit man in ſeinem Chriſtenthum kom- men/ wenn man bey inſtehendem leiden auff ſich achtung giebt/ und ſich pruͤfet/ ob man in demſelben die gedult CHriſti an ſich habe/ auch Stiefel/ da er ins ge- faͤngnis geſtecket worden/ und ſolches gar nicht vertragen koͤnnen/ gar leichte haͤtte ſpuͤren ſollen/ daß er zu der verei- nigung mit CHriſto noch nicht gelanget ſey/ und daß noch wenig der geiſt der ſanfftmuth CHriſti in ihm wohne: So hatte doch das einmal gefaſte vorur- theil bey ihmſchon allzugroſſe wurtzeln gefaſſet/ daß er nicht empfunden/ daß ſein geiſt in der ruhe CHriſti nicht waͤre/ ſondern ſich durch aͤuſſerliche widerwaͤr- tigkeit in eine/ einem Chriſten unan- ſtaͤndige unruhe ſetzte. Wannenhero es kein wunder/ daß er auff dieſem ab- wege immer weiter und weiter verfuͤh- ret worden/ auff heuchleriſche weiſe ſich aus dem gefaͤngnis zu entledigen ge- trachtet/ eine ungeſchickte diſtinction zwiſchen CHriſto und ſeinem fleiſche er- ſonnen/ dieſe beyde einander entgegen geſetzet/ und doch vorgegeben/ als wenn das weſen CHriſti in ihm und ſeinem flei- ſche waͤre/ und endlich gar in das aller- groͤſte elend gerathen/ daß er vermit- telſt dieſer kahlen entſchuldigung ſein gewiſſen eingeſchlaͤffert/ einen meineid begangen/ und denſelben auff mehr als heidniſche weiſe mit entſetzung aller wahren Chriſten zu entſchuldigen ge- trachtet. Weswegen alle und jede/ die ſich aus der beſtialitaͤt her auszureiſſen/ und auff den Weg des Chriſtenthums zu treten bemuͤhet ſind/ ein beyſpiel an dieſem des Stiefels exempel zu nehmen/ und mit deſto groͤſſerer behutſamkeit auff ihre ſelbſt-pruͤfung achtung zu ge- ben haben. Jahr MDC. biß MDCC. 59. Hiezu wird hoffentlich vergoͤnnet ſeyn aus Jacob Boͤhmens bedencken uͤber Eſaiaͤ Stiefels buͤchlein nur einige worte noch beyzu- fuͤgen/ wie ſelbige unter deſſen Apologien zufin- den. Allda ſetzet er §. 84. p. 20. von Stie- fels meinung und worten dieſes: Wenn der auctor von ſich ſelbſt ſagt: Jch das le- bendige wort GOttes ſage oder thue diß und das in dieſem meinem heiligen fleiſch und beine/ ſo wird der theure name GOt- tes gemißbraucht. Dann wann der geiſt des menſchen iſt zum propheten und munde GOttes erkohren/ ſo ſprach er nur: ſo ſpricht der HErr. Wie denn alle Pro- pheten alſo geredet haben. Er thuts nicht aus ihm ſelber aus ſeinem fleiſch uñ blut/ ſondern der HErr offenbaret ſeinen willen durch ihn/ er iſt nur ein werckzeug dazu. Er iſt nicht im fleiſch und blut der HErꝛ/ ſondeꝛn im leben CHriſti ein frucht- bares demuͤthiges zweiglein/ das ſelber nichts will noch thut ꝛc. Und ferner: p. 29. §. 146. Der auctor ſchreibet aus der braut CHriſtigar recht vom geiſt CHriſti/ aus dem neuen menſchen: Aber den alten ſterblichen/ vom geiſte dieſer verderbten und verfluchten welt ſoll er vom neuen unterſcheiden/ und nicht das ſterbliche verderbte fleiſch und bein fuͤr CHriſti fleiſch achten. Auch nicht CHriſti fleiſch in den 4. elementen und im geiſte der aͤuſ- ſern welt ſuchen/ ſondern in derſelben wurtzel/ alsim heiligenelement ein prin- cipium tieffer als dieſe welt iſt/ nicht abwe- ſende vom aͤuſſeren leibe. Auch nicht den alten in den neuen tranſmutiret/ ſondern wie das gold im groben ſteine aus dem ſtein waͤchſt ꝛc. Und §. 151. wenn der auctor ſchreibt: Es falle der alte menſch in der buſſe gantz hin weg/ und erſterbe gar im tode CHriſti/ ſo irret er/ denn CHri- A. K. H. Dritter Theil. G

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/61>, abgerufen am 22.12.2024.