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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. IV. Sect. II. Num. XXIV. Schwenckfelds fernere erklärung.
[Spaltenumbruch] standes ist/ alles in ihnen durch den H. Geist
würcket und erfüllet/ 1. Cor. XII. Eph. I. Da
weder beschneidung noch vorhaut etwas gilt/
sondern eine neue creatur/ und der glaube/ der
durch die liebe thätig ist. Gal. V. VI. Es ist
kürtzlich der geistliche stand (wenn man im
grund und mit der H. Schrifft will davon re-
den) nichts anders/ denn der geistliche leib/ der
[von] Christo/ dem haupte/ durch den H. Geist
[in] der fülle der zeit aus dem fleisch/ oder dem men-
schen erzeuget/ und erbauet wird zum lebendigen
tempel Gottes; es ist die heilige Christliche kirche/
die gemeine der erstgebornen/ die im himmel
seyn beschrieben/ die braut Christi/ welcher auch
ist der helffer und heiland seines leibes/ des glie-
der die edlen reben seynd/ so aus dem weinstock
Christo wachsen/ und in ihm gute früchte brin-
gen/ welches eigentlich allein der geistliche stand
ist/ als der durch den H. Geist bestehet/ auch
durch ihn in Christo wird regirt/ der auch aus
Christo sein gewächs/ nahrung und zunehmen
holet und empfähet. Col. II.

Dieweil aber der H. Geist (der geist des
Herrn Jesu Christi) ein geist der freyheit ist/
und wo der geist des Herrn/ spricht Paulus/ ist/
da ist freyheit/ 2. Cor. III. Deßhalben er auch ei-
nen ungezwungene freyen stand/ wesen und ord-
nung (wir meinen nicht die freyheit des flei-
sches/ sondern die freyheit des geistes und ge-
wissens) mit einem freyen selbstwilligen volck
und Gottesdienste muß handhaben/ führen
und auffrichten/ einen solchen stand/ der des
gewissens halben allein auff Christum/ Gottes
wort gegründet/ und damit weder an gesetz/
zwang/ ceremonien oder menschen-regel ist ge-
bunden/ so folgt unwiedersprechlich/ daß der
clöster/ ordens-personen/ Mönch und Priester-
stand/ wie es heut damit stehet/ darinnen man
die gewissen mit menschen-gesetzen verstrickt und
gefangen hält/ darein man auch vertrauet/ und
auff ceremonien ausser dem wort GOttes/ und
ohne zeugniß der H. Schrifft sich verpflicht/
oder gute tage darinnen suchet/ nicht vom Heil.
Geist/ noch vom geist der freyheit wird regirt/
viel minder von ihnen herkommen ist/ noch
kein wahrer geistlicher stand für GOtt seyn kan/
wie er auch keines weges der geistliche leib Chri-
sti mag genennet werden: Dann er wächst nicht
zur grösse GOttes/ hält sich auch nicht an das
haubt Christum/ aus welchem sonst der gantze
leib des geistlichen standes durch gelencke und
fugen handreichung empfähet/ Col. II. Er kan
sich auch nicht des freye geistes Christi/ noch sei-
ner gnaden zufluß/ wortes und Evangelii halten/
sondern er hält sich vielmehr an seine Prälaten/
Obern/ ihre Ordens-häupter/ gesetz und menschen-
regeln/ so nach eigener wahl der vernunfft einher-
gehen/ darum so möchte gedachter stand mehr
ein menschlicher und ordens-stand/ weder der
Göttliche geistliche stand/ ja weder der stand
GOttes und seines geistes genannt werden.

Worinn der wahre geistliche stand
stehe.

Sintemal nun der wahre geistliche stand/
oder desselbigen grund und wesen/ nicht in ge-
setzen/ kirchen-ordnung/ ceremonien oder ge-
boten stehet/ sondern im geistlichen wesen Got-
tes/ und unsers Herrn Jesu Christi/ das allhie
ergriffen wird durch den lebendigmachenden
glauben/ er stehet und gehet in einem freyen trieb/
[Spaltenumbruch] lehre/ übung/ krafft und einfluß des H. Geistes/
der da geistet wo er will/ er beweget das hertz/
ja auch mund und lippen/ wenn er will und wie
er will etc. So folget weiter/ daß solcher stand
keineswegs mit menschen-gesetzen kan auffge-
richtet/ erhalten/ gebessert und menschlicher wei-
se reformirt werden; ja so wenig/ als das hertz
durch solch äusserlich ding wird erneuert/ und
der fleischliche affect der sünden in geistlichen af-
fect
der tugend dadurch verwandelt kan wer-
den/ eben so wenig wird der geistliche stand für
Gott dadurch reformirt. Mit weltlichen stände/
die in äusserlichen leiblichen dingen stehen/ hats
eine andere gestalt oder meinung/ wie auch mit
dem gesetz Mosis/ das in buchstabe/ ceremonien
und äusserlichen satzungen stund/ dem konnte
man wol äusserlich helffen/ da es war verfallen/
wie auch der König Josias gethan hat/ davon
4. Reg. XXIII. aber im Christenthum und
geistlichem stande/ da nicht der buchstabe/ son-
dern der geist das fürnemste ist/ muß das Evan-
gelium frey verkündiget/ und das hertz innerlich
durch den H. Geist erneuert und begeistet wer-
den/ es läst sich da nicht mit den alten dingen
flicken oder bletzen/ sondern es muß alles neue
seyn/ Gottesdienst/ hertz und gewissen: Man fas-
set nicht neuen wein in alte schläuche/ spricht der
HErr/ davon auch 2. Cor. V. Paulus sagt: Jn
CHristo ist das alte vergangen/ siehe/ es ist alles
neu worden/ wie auch der rechte Gottesdienst
im N. Testamente im geist und in der wahrheit
gehet/ ja in freyer feiner Göttlicher ordnung der
selbstwilligen wiedergebornen hertzen stehet/ da-
von die Apostolischen schrifften weiter zeugen:
Wir seynd die beschneidung/ spricht Paulus/ die
wir GOtt im geiste dienen.

Darzu denn auch will gehören/ was er 2.
Cor. III. vom unterscheid des amts des geistes
und buchstabens hat geschrieben/ so wohl/ als
da er die Galater strafft/ daß sie im geiste an-
gefangen und im fleische wollen fortfahren und
beschliessen; Aber spricht doch Luc. XVII. Chri-
stus selbst: Das Reich GOttes (welches all-
hie nichts anders denn der geistliche stand ist)
kommt nicht mit aufmerckung/ oder äusserlichen
aufsätzen und gebärden/ sondern es ist inwen-
dig in euch/ spricht der HErr; da bedencke nun
ein jeder Gottsfürchtiger mensch/ ob es mit dem
gemeinen Closter-leben dieser zeit/ und mit dem
jetzigen Priesterstande dermassen gethan sey/
wie der HErr und Paulus anzeigt/ und ob solches
für den mehrerntheil nicht vielmehr eine gleiß-
nerey sey/ weder daß es der wahre geistliche
stand im grunde für Gott möge genennet wer-
den. Nicht daß ich drum/ ob ich gleich aus
der Heiligen Schrifft anzeige/ was der wah-
re geistliche stand sey/ jemand wolle verdam-
men oder verachten/ das sey fern; denn GOtt
kan die seinen auch mitten in Babylon/ ich
schweige/ in einem Closter/ Priester-oder Or-
dens-stande/ wohl erhalten; es prüfe sich aber
ein jeder selbst/ er sey gleich wo und wer er
wolle/ und befleißige sich mit ernst der wah-
ren geistlichkeit/ die für Gott gilt/ fürnemlich
daß er jetzt zur zeit der Offenbarung den HErrn
Christum JEsum und den willen Gottes in
allem recht lerne erkennen/ so er anders selig ver-
meint zu werden.

Wo der geistliche stand herkomme?

Drum so ist wohl zu mercken/ daß der wah-

re geist-

Th. IV. Sect. II. Num. XXIV. Schwenckfelds fernere erklaͤrung.
[Spaltenumbruch] ſtandes iſt/ alles in ihnen durch den H. Geiſt
wuͤrcket und erfuͤllet/ 1. Cor. XII. Eph. I. Da
weder beſchneidung noch vorhaut etwas gilt/
ſondern eine neue creatur/ und der glaube/ der
durch die liebe thaͤtig iſt. Gal. V. VI. Es iſt
kuͤrtzlich der geiſtliche ſtand (wenn man im
grund und mit der H. Schrifft will davon re-
den) nichts anders/ denn der geiſtliche leib/ der
[von] Chriſto/ dem haupte/ durch den H. Geiſt
[in] der fuͤlle der zeit aus dem fleiſch/ odeꝛ dem men-
ſchen erzeuget/ und erbauet wird zum lebendigen
tempel Gottes; es iſt die heilige Chꝛiſtliche kiꝛche/
die gemeine der erſtgebornen/ die im himmel
ſeyn beſchrieben/ die braut Chriſti/ welcher auch
iſt der helffer und heiland ſeines leibes/ des glie-
der die edlen reben ſeynd/ ſo aus dem weinſtock
Chriſto wachſen/ und in ihm gute fruͤchte brin-
gen/ welches eigentlich allein der geiſtliche ſtand
iſt/ als der durch den H. Geiſt beſtehet/ auch
durch ihn in Chriſto wird regirt/ der auch aus
Chriſto ſein gewaͤchs/ nahrung und zunehmen
holet und empfaͤhet. Col. II.

Dieweil aber der H. Geiſt (der geiſt des
Herrn Jeſu Chriſti) ein geiſt der freyheit iſt/
und wo der geiſt des Herrn/ ſpricht Paulus/ iſt/
da iſt freyheit/ 2. Cor. III. Deßhalben er auch ei-
nen ungezwungenē freyen ſtand/ weſen und ord-
nung (wir meinen nicht die freyheit des flei-
ſches/ ſondern die freyheit des geiſtes und ge-
wiſſens) mit einem freyen ſelbſtwilligen volck
und Gottesdienſte muß handhaben/ fuͤhren
und auffrichten/ einen ſolchen ſtand/ der des
gewiſſens halben allein auff Chriſtum/ Gottes
wort gegruͤndet/ und damit weder an geſetz/
zwang/ ceremonien oder menſchen-regel iſt ge-
bunden/ ſo folgt unwiederſprechlich/ daß der
cloͤſter/ ordens-perſonen/ Moͤnch und Prieſter-
ſtand/ wie es heut damit ſtehet/ darinnen man
die gewiſſen mit menſchen-geſetzen verſtrickt und
gefangen haͤlt/ darein man auch vertrauet/ und
auff ceremonien auſſer dem wort GOttes/ und
ohne zeugniß der H. Schrifft ſich verpflicht/
oder gute tage darinnen ſuchet/ nicht vom Heil.
Geiſt/ noch vom geiſt der freyheit wird regirt/
viel minder von ihnen herkommen iſt/ noch
kein wahrer geiſtlicher ſtand fuͤr GOtt ſeyn kan/
wie er auch keines weges der geiſtliche leib Chri-
ſti mag genennet werden: Dann er waͤchſt nicht
zur groͤſſe GOttes/ haͤlt ſich auch nicht an das
haubt Chriſtum/ aus welchem ſonſt der gantze
leib des geiſtlichen ſtandes durch gelencke und
fugen handreichung empfaͤhet/ Col. II. Er kan
ſich auch nicht des freyē geiſtes Chriſti/ noch ſei-
neꝛ gnaden zufluß/ woꝛtes und Evangelii halten/
ſondern er haͤlt ſich vielmehr an ſeine Praͤlaten/
Obeꝛn/ ihre Oꝛdens-haͤupteꝛ/ geſetz uñ menſchen-
regeln/ ſo nach eigener wahl der veꝛnunfft einher-
gehen/ darum ſo moͤchte gedachter ſtand mehr
ein menſchlicher und ordens-ſtand/ weder der
Goͤttliche geiſtliche ſtand/ ja weder der ſtand
GOttes und ſeines geiſtes genannt werden.

Worinn der wahre geiſtliche ſtand
ſtehe.

Sintemal nun der wahre geiſtliche ſtand/
oder deſſelbigen grund und weſen/ nicht in ge-
ſetzen/ kirchen-ordnung/ ceremonien oder ge-
boten ſtehet/ ſondern im geiſtlichen weſen Got-
tes/ und unſers Herrn Jeſu Chriſti/ das allhie
ergriffen wird durch den lebendigmachenden
glauben/ er ſtehet und gehet in einem freyen trieb/
[Spaltenumbruch] lehre/ uͤbung/ krafft und einfluß des H. Geiſtes/
der da geiſtet wo er will/ er beweget das hertz/
ja auch mund und lippen/ wenn er will und wie
er will ꝛc. So folget weiter/ daß ſolcher ſtand
keineswegs mit menſchen-geſetzen kan auffge-
richtet/ erhalten/ gebeſſert und menſchlicher wei-
ſe reformirt werden; ja ſo wenig/ als das hertz
durch ſolch aͤuſſerlich ding wird erneuert/ und
der fleiſchliche affect der ſuͤnden in geiſtlichen af-
fect
der tugend dadurch verwandelt kan wer-
den/ eben ſo wenig wird der geiſtliche ſtand fuͤr
Gott daduꝛch reformirt. Mit weltlichen ſtaͤndē/
die in aͤuſſerlichen leiblichen dingen ſtehen/ hats
eine andere geſtalt oder meinung/ wie auch mit
dem geſetz Moſis/ das in buchſtabē/ ceremonien
und aͤuſſerlichen ſatzungen ſtund/ dem konnte
man wol aͤuſſerlich helffen/ da es war verfallen/
wie auch der Koͤnig Joſias gethan hat/ davon
4. Reg. XXIII. aber im Chriſtenthum und
geiſtlichem ſtande/ da nicht der buchſtabe/ ſon-
dern der geiſt das fuͤrnemſte iſt/ muß das Evan-
gelium frey verkuͤndiget/ und das hertz innerlich
durch den H. Geiſt erneuert und begeiſtet wer-
den/ es laͤſt ſich da nicht mit den alten dingen
flicken oder bletzen/ ſondern es muß alles neue
ſeyn/ Gottesdienſt/ hertz und gewiſſen: Man faſ-
ſet nicht neuen wein in alte ſchlaͤuche/ ſpricht der
HErꝛ/ davon auch 2. Cor. V. Paulus ſagt: Jn
CHriſto iſt das alte vergangen/ ſiehe/ es iſt alles
neu worden/ wie auch der rechte Gottesdienſt
im N. Teſtamente im geiſt und in der wahrheit
gehet/ ja in freyer feiner Goͤttlicher ordnung der
ſelbſtwilligen wiedergebornen hertzen ſtehet/ da-
von die Apoſtoliſchen ſchrifften weiter zeugen:
Wir ſeynd die beſchneidung/ ſpricht Paulus/ die
wir GOtt im geiſte dienen.

Darzu denn auch will gehoͤren/ was er 2.
Cor. III. vom unterſcheid des amts des geiſtes
und buchſtabens hat geſchrieben/ ſo wohl/ als
da er die Galater ſtrafft/ daß ſie im geiſte an-
gefangen und im fleiſche wollen fortfahren und
beſchlieſſen; Aber ſpricht doch Luc. XVII. Chri-
ſtus ſelbſt: Das Reich GOttes (welches all-
hie nichts anders denn der geiſtliche ſtand iſt)
kom̃t nicht mit aufmerckung/ oder aͤuſſerlichen
aufſaͤtzen und gebaͤrden/ ſondern es iſt inwen-
dig in euch/ ſpricht der HErr; da bedencke nun
ein jeder Gottsfuͤrchtiger menſch/ ob es mit dem
gemeinen Cloſter-leben dieſer zeit/ und mit dem
jetzigen Prieſterſtande dermaſſen gethan ſey/
wie der HErr und Paulus anzeigt/ uñ ob ſolches
fuͤr den mehrerntheil nicht vielmehr eine gleiß-
nerey ſey/ weder daß es der wahre geiſtliche
ſtand im grunde fuͤr Gott moͤge genennet wer-
den. Nicht daß ich drum/ ob ich gleich aus
der Heiligen Schrifft anzeige/ was der wah-
re geiſtliche ſtand ſey/ jemand wolle verdam-
men oder verachten/ das ſey fern; denn GOtt
kan die ſeinen auch mitten in Babylon/ ich
ſchweige/ in einem Cloſter/ Prieſter-oder Or-
dens-ſtande/ wohl erhalten; es pruͤfe ſich aber
ein jeder ſelbſt/ er ſey gleich wo und wer er
wolle/ und befleißige ſich mit ernſt der wah-
ren geiſtlichkeit/ die fuͤr Gott gilt/ fuͤrnemlich
daß er jetzt zur zeit der Offenbarung den HErrn
Chriſtum JEſum und den willen Gottes in
allem recht lerne erkeñen/ ſo er anders ſelig ver-
meint zu werden.

Wo der geiſtliche ſtand herkomme?

Drum ſo iſt wohl zu mercken/ daß der wah-

re geiſt-
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[186/0482] Th. IV. Sect. II. Num. XXIV. Schwenckfelds fernere erklaͤrung. ſtandes iſt/ alles in ihnen durch den H. Geiſt wuͤrcket und erfuͤllet/ 1. Cor. XII. Eph. I. Da weder beſchneidung noch vorhaut etwas gilt/ ſondern eine neue creatur/ und der glaube/ der durch die liebe thaͤtig iſt. Gal. V. VI. Es iſt kuͤrtzlich der geiſtliche ſtand (wenn man im grund und mit der H. Schrifft will davon re- den) nichts anders/ denn der geiſtliche leib/ der von Chriſto/ dem haupte/ durch den H. Geiſt in der fuͤlle der zeit aus dem fleiſch/ odeꝛ dem men- ſchen erzeuget/ und erbauet wird zum lebendigen tempel Gottes; es iſt die heilige Chꝛiſtliche kiꝛche/ die gemeine der erſtgebornen/ die im himmel ſeyn beſchrieben/ die braut Chriſti/ welcher auch iſt der helffer und heiland ſeines leibes/ des glie- der die edlen reben ſeynd/ ſo aus dem weinſtock Chriſto wachſen/ und in ihm gute fruͤchte brin- gen/ welches eigentlich allein der geiſtliche ſtand iſt/ als der durch den H. Geiſt beſtehet/ auch durch ihn in Chriſto wird regirt/ der auch aus Chriſto ſein gewaͤchs/ nahrung und zunehmen holet und empfaͤhet. Col. II. Dieweil aber der H. Geiſt (der geiſt des Herrn Jeſu Chriſti) ein geiſt der freyheit iſt/ und wo der geiſt des Herrn/ ſpricht Paulus/ iſt/ da iſt freyheit/ 2. Cor. III. Deßhalben er auch ei- nen ungezwungenē freyen ſtand/ weſen und ord- nung (wir meinen nicht die freyheit des flei- ſches/ ſondern die freyheit des geiſtes und ge- wiſſens) mit einem freyen ſelbſtwilligen volck und Gottesdienſte muß handhaben/ fuͤhren und auffrichten/ einen ſolchen ſtand/ der des gewiſſens halben allein auff Chriſtum/ Gottes wort gegruͤndet/ und damit weder an geſetz/ zwang/ ceremonien oder menſchen-regel iſt ge- bunden/ ſo folgt unwiederſprechlich/ daß der cloͤſter/ ordens-perſonen/ Moͤnch und Prieſter- ſtand/ wie es heut damit ſtehet/ darinnen man die gewiſſen mit menſchen-geſetzen verſtrickt und gefangen haͤlt/ darein man auch vertrauet/ und auff ceremonien auſſer dem wort GOttes/ und ohne zeugniß der H. Schrifft ſich verpflicht/ oder gute tage darinnen ſuchet/ nicht vom Heil. Geiſt/ noch vom geiſt der freyheit wird regirt/ viel minder von ihnen herkommen iſt/ noch kein wahrer geiſtlicher ſtand fuͤr GOtt ſeyn kan/ wie er auch keines weges der geiſtliche leib Chri- ſti mag genennet werden: Dann er waͤchſt nicht zur groͤſſe GOttes/ haͤlt ſich auch nicht an das haubt Chriſtum/ aus welchem ſonſt der gantze leib des geiſtlichen ſtandes durch gelencke und fugen handreichung empfaͤhet/ Col. II. Er kan ſich auch nicht des freyē geiſtes Chriſti/ noch ſei- neꝛ gnaden zufluß/ woꝛtes und Evangelii halten/ ſondern er haͤlt ſich vielmehr an ſeine Praͤlaten/ Obeꝛn/ ihre Oꝛdens-haͤupteꝛ/ geſetz uñ menſchen- regeln/ ſo nach eigener wahl der veꝛnunfft einher- gehen/ darum ſo moͤchte gedachter ſtand mehr ein menſchlicher und ordens-ſtand/ weder der Goͤttliche geiſtliche ſtand/ ja weder der ſtand GOttes und ſeines geiſtes genannt werden. Worinn der wahre geiſtliche ſtand ſtehe. Sintemal nun der wahre geiſtliche ſtand/ oder deſſelbigen grund und weſen/ nicht in ge- ſetzen/ kirchen-ordnung/ ceremonien oder ge- boten ſtehet/ ſondern im geiſtlichen weſen Got- tes/ und unſers Herrn Jeſu Chriſti/ das allhie ergriffen wird durch den lebendigmachenden glauben/ er ſtehet und gehet in einem freyen trieb/ lehre/ uͤbung/ krafft und einfluß des H. Geiſtes/ der da geiſtet wo er will/ er beweget das hertz/ ja auch mund und lippen/ wenn er will und wie er will ꝛc. So folget weiter/ daß ſolcher ſtand keineswegs mit menſchen-geſetzen kan auffge- richtet/ erhalten/ gebeſſert und menſchlicher wei- ſe reformirt werden; ja ſo wenig/ als das hertz durch ſolch aͤuſſerlich ding wird erneuert/ und der fleiſchliche affect der ſuͤnden in geiſtlichen af- fect der tugend dadurch verwandelt kan wer- den/ eben ſo wenig wird der geiſtliche ſtand fuͤr Gott daduꝛch reformirt. Mit weltlichen ſtaͤndē/ die in aͤuſſerlichen leiblichen dingen ſtehen/ hats eine andere geſtalt oder meinung/ wie auch mit dem geſetz Moſis/ das in buchſtabē/ ceremonien und aͤuſſerlichen ſatzungen ſtund/ dem konnte man wol aͤuſſerlich helffen/ da es war verfallen/ wie auch der Koͤnig Joſias gethan hat/ davon 4. Reg. XXIII. aber im Chriſtenthum und geiſtlichem ſtande/ da nicht der buchſtabe/ ſon- dern der geiſt das fuͤrnemſte iſt/ muß das Evan- gelium frey verkuͤndiget/ und das hertz innerlich durch den H. Geiſt erneuert und begeiſtet wer- den/ es laͤſt ſich da nicht mit den alten dingen flicken oder bletzen/ ſondern es muß alles neue ſeyn/ Gottesdienſt/ hertz und gewiſſen: Man faſ- ſet nicht neuen wein in alte ſchlaͤuche/ ſpricht der HErꝛ/ davon auch 2. Cor. V. Paulus ſagt: Jn CHriſto iſt das alte vergangen/ ſiehe/ es iſt alles neu worden/ wie auch der rechte Gottesdienſt im N. Teſtamente im geiſt und in der wahrheit gehet/ ja in freyer feiner Goͤttlicher ordnung der ſelbſtwilligen wiedergebornen hertzen ſtehet/ da- von die Apoſtoliſchen ſchrifften weiter zeugen: Wir ſeynd die beſchneidung/ ſpricht Paulus/ die wir GOtt im geiſte dienen. Darzu denn auch will gehoͤren/ was er 2. Cor. III. vom unterſcheid des amts des geiſtes und buchſtabens hat geſchrieben/ ſo wohl/ als da er die Galater ſtrafft/ daß ſie im geiſte an- gefangen und im fleiſche wollen fortfahren und beſchlieſſen; Aber ſpricht doch Luc. XVII. Chri- ſtus ſelbſt: Das Reich GOttes (welches all- hie nichts anders denn der geiſtliche ſtand iſt) kom̃t nicht mit aufmerckung/ oder aͤuſſerlichen aufſaͤtzen und gebaͤrden/ ſondern es iſt inwen- dig in euch/ ſpricht der HErr; da bedencke nun ein jeder Gottsfuͤrchtiger menſch/ ob es mit dem gemeinen Cloſter-leben dieſer zeit/ und mit dem jetzigen Prieſterſtande dermaſſen gethan ſey/ wie der HErr und Paulus anzeigt/ uñ ob ſolches fuͤr den mehrerntheil nicht vielmehr eine gleiß- nerey ſey/ weder daß es der wahre geiſtliche ſtand im grunde fuͤr Gott moͤge genennet wer- den. Nicht daß ich drum/ ob ich gleich aus der Heiligen Schrifft anzeige/ was der wah- re geiſtliche ſtand ſey/ jemand wolle verdam- men oder verachten/ das ſey fern; denn GOtt kan die ſeinen auch mitten in Babylon/ ich ſchweige/ in einem Cloſter/ Prieſter-oder Or- dens-ſtande/ wohl erhalten; es pruͤfe ſich aber ein jeder ſelbſt/ er ſey gleich wo und wer er wolle/ und befleißige ſich mit ernſt der wah- ren geiſtlichkeit/ die fuͤr Gott gilt/ fuͤrnemlich daß er jetzt zur zeit der Offenbarung den HErrn Chriſtum JEſum und den willen Gottes in allem recht lerne erkeñen/ ſo er anders ſelig ver- meint zu werden. Wo der geiſtliche ſtand herkomme? Drum ſo iſt wohl zu mercken/ daß der wah- re geiſt-

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/482>, abgerufen am 28.11.2024.