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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. IV. Sect. II. Num. XXIV. Schwenckfelds fernere erklärung.
[Spaltenumbruch] re geistliche stand nicht vom Mose noch vom
Pabst/ noch auch von irgend einem heiligen
menschen/ er sey so geistlich als er wolle/ her-
kommt/ sondern er kommt von JEsu Chri-
sto/ dem Sohn Gottes her/ von seinem wah-
ren Evangelio/ Geiste und erkäntnis: denn
Christus hat dem fleische durch sein leiden/
sterben und blutvergiessen den Heiligen Geist
erworben/ durch welchen er aus den sündern
kinder Gottes macht/ und ihm aus dem flei-
sche/ das er heiliget/ eine herrliche geistliche ge-
meinde versammlet an allen orten der welt/ wel-
che er auch in einen leib oder stand zusammen
fügt/ in einen solchen stand/ der nach Christo
und dem Heiligen Geist geartet oder geformet/
der für GOTT heilig/ gerecht und unsträff-
lich sey/ und in der liebe immer wachse/ zum
lebendigen tempel/ und zu einer behausung
GOttes/ in welcher hertzen Christus wohnet
und regieret/ daß die glieder solches standes
nicht allein äusserlich eines sinnes und einer
Religion oder Gottesdienstes/ sondern auch
innerlich eines lebendigen glaubens seynd/ ei-
nen geist/ ein hertz und seel haben/ Act. IV. Die-
sem geistlichen stand hat GOTT der HErr
durch Christum seinen Sohn das himmelreich und
das ewige leben zugesagt/ und sonst keinem an-
dern/ von welchem stand auch 1. Petr. II. stehet
geschrieben: Jhr aber seyd das auserwehlte ge-
schlecht/ das königliche Priesterthum/ das hei-
lige volck/ das volck des eigenthums/ daß ihr
verkündigen solt die tugend deß/ der euch be-
ruffen hat vom finsternis zu seinem wunder-
baren licht/ die ihr weiland nicht ein volck wa-
ret/ nun aber Gottes volck seyd. Und Paulus
Tit. III. Daß sich unser Heiland Jesus Chri-
stus selbst für uns gegeben hat/ auf daß er uns
erlösete von aller ungerechtigkeit/ und reinigte
ihm selbst ein volck zum eigenthum/ das eifrig
wäre zu guten wercken.

Solcher geistlicher Christlicher stand ist im
Alten Testament durch das Jüdische Gesetz-
Volck/ durch den Jsrael nach dem fleisch, figu-
ri
ret/ und von Gott dem allmächtigen verheis-
sen/ daß er durch den Messiam unsern HErrn
Jesum Christum in der fülle der zeit solte auf-
gericht/ in eins versamlet/ herfür gebracht und
dargestellet werden/ welchen Paulus Gal. VI.
den Jsrael GOttes nennet/ des lob nicht aus
den menschen/ sondern aus Gott ist. Rom. II.
Von diesem stande wird viel in Propheten
und sonst in Heiliger Schrifft gesagt/ als auch
Zachar. XI. da also geschrieben stehet: So sagt
der HErr/ ich werde euch versammlen aus den
völckern/ und werde euch zusammen fügen aus
den Ländern dahin ihr verstreuet seyd/ und
werde euch das land Jsrael geben/ da sol-
len sie kommen/ und alle ärgernis/ scheuel und
greuel daraus wegthun/ und ich werde ihnen
ein einträchtig hertz geben/ und einen neuen
geist in ihren sinn geben/ und werde das
steinerne hertz nehmen aus ihrem leibe/ und
werde ihnen ein fleischern hertz geben/ auf daß
sie in meinen sitten wandeln/ und meine Rech-
te halten und darnach thun/ daß sie mein volck
seyn/ und ich ihr GOTT sey. Sehet/ das ist
die ankunfft des rechten geistlichen stands/ den
GOtt der allmächtige Vater durch Christum
seinen geliebten Sohn in einigkeit des glau-
bens zu versamlen und aufzurichten hat ver-
heissen/ welchem er das reich der himmel gnä-
[Spaltenumbruch] diglich hat zugesagt; davon denn auch der Ev-
angelist Johannes schreibt/ da er spricht: Denn
JEsus solte sterben für das volck/ und nicht
für das volck allein/ sondern daß er die kinder
Gottes/ so zerstreuet waren (welches die glie-
der des geistlichen standes seynd) zusammen
brächte. Es ist dieser stand die wahre geistliche
erbauung des leibes Christi/ da man einträch-
tig in der liebe einher wandelt/ da ein glied
fürs andere sorgt/ eins mit dem andern leidet/
eins sich mit dem andern freuet/ und in sum-
ma,
da keine spaltung/ sondern wahre Göttli-
che einigkeit/ glauben/ liebe und hoffnung ist/
davon 1. Cor. XII. Eph. I. II. IV. V. 1. Petr. II. E-
phes. IV.
stehet vom geistlichen stand also ge-
schrieben: Last uns aber rechtschaffen seyn/
spricht Paulus/ in der liebe/ und wachsen in
allen stücken/ an dem/ welcher das haupt (nem-
lich dieses standes ist) das ist Christus/ aus
welchem der gantze leib (des geistlichen stan-
des) zusammen gefüget/ und ein glied am an-
dern hanget/ durch alle gelencke/ dadurch eins
dem andern handreichung thut/ nach dem
werck eines jeglichen gliedes in seiner maß/ und
macht/ daß der leib wächst/ zu sein selbst erbau-
ung/ und das alles in der liebe. Wo nun nicht
das wahre erkäntnis Christi mit einem neuen
geistlichen wandel und erbauung durchs wort
Gottes ist/ wo auch nicht die wahre ungefälschte
bruder-liebe ist; wo ein glied nicht fürs andere
sorgt/ eins sich nicht mit dem andern freuet
und leid trägt; ja wo nicht ein hertz/ ein geist
und eine seel in Christo ist/ da kan in der wahr-
heit kein geistlicher stand noch leib Christi ver-
samlet seyn/ das äusserliche thut nichts zum
grunde der sachen/ es müste sonst die gantze
Heilige Schrifft falsch seyn: ob denn solches
alles/ wie jetzt vermeldet/ beym Closter-und
Priester-stand in gemein heut werde befun-
den/ laß ich einen ieden selbst/ den es angehet/
ausrechnen und bedencken.

Es müssen ja alle geistliche Personen/ so zu
diesem stande gehören/ und ein hertz und eine
seel sollen haben/ aus einem einigen lebendigen
wort Gottes von oben herab aufs neue gebohren
werden; werden sie aufs neue gebohren und sind
neue menschen/ seynd sie frey von den Elementen
dieser welt/ Col. III. Sie sind mit dem gewissen
nicht an menschen gebunden/ wie der HErr
im Evangelio sagt: Wenn euch der Sohn
frey macht/ so seyd ihr recht frey. Und Paulus
ermahnet und spricht: Last euch nicht fangen
mit Gesetzen &c. welches alles vom geistlichen
Christlichen stande/ den ihnen Christus mit
seinem blut erworben/ gefreyet/ erlöst und aus-
gekaufft hat/ eigentlich muß verstanden wer-
den: Drum sintemahl das Closter-und Prie-
ster-leben/ wo sichs gleich am allerbesten jetzt
herfür thut/ mehr ein Gesetz-leben/ weder ein
Geist-und Hertz-leben ist/ und aber weder
der Heilige Geist/ noch die wahre frömmigkeit
durchs Gesetz nicht kommet/ sondern allein durch
den glauben Jesu Christi/ Gal. III. so folgt/ daß
das Closter-und Priester-leben/ wie es heute
stehet/ für GOTT der wahre geistliche stand
nicht seyn möge/ ohnangesehen/ was die welt re-
det/ und wie das fleisch davon richtet und ur-
theilet. Kürtzlich/ wo zwang/ gesetz und men-
schenlehre ist/ wo im N. Testament ein äusser-
lich treiben und gedrängnis beym Gottesdienst
ist/ wo auch ein vertrauen auf Ceremonien o-

der
A. K. H. Vierter Theil. A a 2

Th. IV. Sect. II. Num. XXIV. Schwenckfelds fernere erklaͤrung.
[Spaltenumbruch] re geiſtliche ſtand nicht vom Moſe noch vom
Pabſt/ noch auch von irgend einem heiligen
menſchen/ er ſey ſo geiſtlich als er wolle/ her-
kommt/ ſondern er kommt von JEſu Chri-
ſto/ dem Sohn Gottes her/ von ſeinem wah-
ren Evangelio/ Geiſte und erkaͤntnis: denn
Chriſtus hat dem fleiſche durch ſein leiden/
ſterben und blutvergieſſen den Heiligen Geiſt
erworben/ durch welchen er aus den ſuͤndern
kinder Gottes macht/ und ihm aus dem flei-
ſche/ das er heiliget/ eine herrliche geiſtliche ge-
meinde verſam̃let an allen orten der welt/ wel-
che er auch in einen leib oder ſtand zuſammen
fuͤgt/ in einen ſolchen ſtand/ der nach Chriſto
und dem Heiligen Geiſt geartet oder geformet/
der fuͤr GOTT heilig/ gerecht und unſtraͤff-
lich ſey/ und in der liebe immer wachſe/ zum
lebendigen tempel/ und zu einer behauſung
GOttes/ in welcher hertzen Chriſtus wohnet
und regieret/ daß die glieder ſolches ſtandes
nicht allein aͤuſſerlich eines ſinnes und einer
Religion oder Gottesdienſtes/ ſondern auch
innerlich eines lebendigen glaubens ſeynd/ ei-
nen geiſt/ ein hertz und ſeel haben/ Act. IV. Die-
ſem geiſtlichen ſtand hat GOTT der HErr
durch Chriſtum ſeinen Sohn das him̃elreich und
das ewige leben zugeſagt/ und ſonſt keinem an-
dern/ von welchem ſtand auch 1. Petr. II. ſtehet
geſchrieben: Jhr aber ſeyd das auserwehlte ge-
ſchlecht/ das koͤnigliche Prieſterthum/ das hei-
lige volck/ das volck des eigenthums/ daß ihr
verkuͤndigen ſolt die tugend deß/ der euch be-
ruffen hat vom finſternis zu ſeinem wunder-
baren licht/ die ihr weiland nicht ein volck wa-
ret/ nun aber Gottes volck ſeyd. Und Paulus
Tit. III. Daß ſich unſer Heiland Jeſus Chri-
ſtus ſelbſt fuͤr uns gegeben hat/ auf daß er uns
erloͤſete von aller ungerechtigkeit/ und reinigte
ihm ſelbſt ein volck zum eigenthum/ das eifrig
waͤre zu guten wercken.

Solcher geiſtlicher Chriſtlicher ſtand iſt im
Alten Teſtament durch das Juͤdiſche Geſetz-
Volck/ durch den Jſrael nach dem fleiſch, figu-
ri
ret/ und von Gott dem allmaͤchtigen verheiſ-
ſen/ daß er durch den Mesſiam unſern HErrn
Jeſum Chriſtum in der fuͤlle der zeit ſolte auf-
gericht/ in eins verſamlet/ herfuͤr gebracht und
dargeſtellet werden/ welchen Paulus Gal. VI.
den Jſrael GOttes nennet/ des lob nicht aus
den menſchen/ ſondern aus Gott iſt. Rom. II.
Von dieſem ſtande wird viel in Propheten
und ſonſt in Heiliger Schrifft geſagt/ als auch
Zachar. XI. da alſo geſchrieben ſtehet: So ſagt
der HErr/ ich werde euch verſam̃len aus den
voͤlckern/ und werde euch zuſammen fuͤgen aus
den Laͤndern dahin ihr verſtreuet ſeyd/ und
werde euch das land Jſrael geben/ da ſol-
len ſie kommen/ und alle aͤrgernis/ ſcheuel und
greuel daraus wegthun/ und ich werde ihnen
ein eintraͤchtig hertz geben/ und einen neuen
geiſt in ihren ſinn geben/ und werde das
ſteinerne hertz nehmen aus ihrem leibe/ und
werde ihnen ein fleiſchern hertz geben/ auf daß
ſie in meinen ſitten wandeln/ und meine Rech-
te halten und darnach thun/ daß ſie mein volck
ſeyn/ und ich ihr GOTT ſey. Sehet/ das iſt
die ankunfft des rechten geiſtlichen ſtands/ den
GOtt der allmaͤchtige Vater durch Chriſtum
ſeinen geliebten Sohn in einigkeit des glau-
bens zu verſamlen und aufzurichten hat ver-
heiſſen/ welchem er das reich der himmel gnaͤ-
[Spaltenumbruch] diglich hat zugeſagt; davon denn auch der Ev-
angeliſt Johannes ſchreibt/ da er ſpricht: Denn
JEſus ſolte ſterben fuͤr das volck/ und nicht
fuͤr das volck allein/ ſondern daß er die kinder
Gottes/ ſo zerſtreuet waren (welches die glie-
der des geiſtlichen ſtandes ſeynd) zuſammen
braͤchte. Es iſt dieſer ſtand die wahre geiſtliche
erbauung des leibes Chriſti/ da man eintraͤch-
tig in der liebe einher wandelt/ da ein glied
fuͤrs andere ſorgt/ eins mit dem andern leidet/
eins ſich mit dem andern freuet/ und in ſum-
ma,
da keine ſpaltung/ ſondern wahre Goͤttli-
che einigkeit/ glauben/ liebe und hoffnung iſt/
davon 1. Cor. XII. Eph. I. II. IV. V. 1. Petr. II. E-
pheſ. IV.
ſtehet vom geiſtlichen ſtand alſo ge-
ſchrieben: Laſt uns aber rechtſchaffen ſeyn/
ſpricht Paulus/ in der liebe/ und wachſen in
allen ſtuͤcken/ an dem/ welcher das haupt (nem-
lich dieſes ſtandes iſt) das iſt Chriſtus/ aus
welchem der gantze leib (des geiſtlichen ſtan-
des) zuſammen gefuͤget/ und ein glied am an-
dern hanget/ durch alle gelencke/ dadurch eins
dem andern handreichung thut/ nach dem
werck eines jeglichen gliedes in ſeiner maß/ und
macht/ daß der leib waͤchſt/ zu ſein ſelbſt erbau-
ung/ und das alles in der liebe. Wo nun nicht
das wahre erkaͤntnis Chriſti mit einem neuen
geiſtlichen wandel und erbauung durchs wort
Gottes iſt/ wo auch nicht die wahre ungefaͤlſchte
bruder-liebe iſt; wo ein glied nicht fuͤrs andere
ſorgt/ eins ſich nicht mit dem andern freuet
und leid traͤgt; ja wo nicht ein hertz/ ein geiſt
und eine ſeel in Chriſto iſt/ da kan in der wahr-
heit kein geiſtlicher ſtand noch leib Chriſti ver-
ſamlet ſeyn/ das aͤuſſerliche thut nichts zum
grunde der ſachen/ es muͤſte ſonſt die gantze
Heilige Schrifft falſch ſeyn: ob denn ſolches
alles/ wie jetzt vermeldet/ beym Cloſter-und
Prieſter-ſtand in gemein heut werde befun-
den/ laß ich einen ieden ſelbſt/ den es angehet/
ausrechnen und bedencken.

Es muͤſſen ja alle geiſtliche Perſonen/ ſo zu
dieſem ſtande gehoͤren/ und ein hertz und eine
ſeel ſollen haben/ aus einem einigen lebendigen
wort Gottes von oben herab aufs neue gebohren
werden; werden ſie aufs neue gebohren und ſind
neue menſchen/ ſeynd ſie frey von den Elementen
dieſer welt/ Col. III. Sie ſind mit dem gewiſſen
nicht an menſchen gebunden/ wie der HErr
im Evangelio ſagt: Wenn euch der Sohn
frey macht/ ſo ſeyd ihr recht frey. Und Paulus
ermahnet und ſpricht: Laſt euch nicht fangen
mit Geſetzen &c. welches alles vom geiſtlichen
Chriſtlichen ſtande/ den ihnen Chriſtus mit
ſeinem blut erworben/ gefreyet/ erloͤſt und aus-
gekaufft hat/ eigentlich muß verſtanden wer-
den: Drum ſintemahl das Cloſter-und Prie-
ſter-leben/ wo ſichs gleich am allerbeſten jetzt
herfuͤr thut/ mehr ein Geſetz-leben/ weder ein
Geiſt-und Hertz-leben iſt/ und aber weder
der Heilige Geiſt/ noch die wahre froͤmmigkeit
durchs Geſetz nicht kom̃et/ ſondern allein durch
den glauben Jeſu Chriſti/ Gal. III. ſo folgt/ daß
das Cloſter-und Prieſter-leben/ wie es heute
ſtehet/ fuͤr GOTT der wahre geiſtliche ſtand
nicht ſeyn moͤge/ ohnangeſehen/ was die welt re-
det/ und wie das fleiſch davon richtet und ur-
theilet. Kuͤrtzlich/ wo zwang/ geſetz und men-
ſchenlehre iſt/ wo im N. Teſtament ein aͤuſſer-
lich treiben und gedraͤngnis beym Gottesdienſt
iſt/ wo auch ein vertrauen auf Ceremonien o-

der
A. K. H. Vierter Theil. A a 2
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[187/0483] Th. IV. Sect. II. Num. XXIV. Schwenckfelds fernere erklaͤrung. re geiſtliche ſtand nicht vom Moſe noch vom Pabſt/ noch auch von irgend einem heiligen menſchen/ er ſey ſo geiſtlich als er wolle/ her- kommt/ ſondern er kommt von JEſu Chri- ſto/ dem Sohn Gottes her/ von ſeinem wah- ren Evangelio/ Geiſte und erkaͤntnis: denn Chriſtus hat dem fleiſche durch ſein leiden/ ſterben und blutvergieſſen den Heiligen Geiſt erworben/ durch welchen er aus den ſuͤndern kinder Gottes macht/ und ihm aus dem flei- ſche/ das er heiliget/ eine herrliche geiſtliche ge- meinde verſam̃let an allen orten der welt/ wel- che er auch in einen leib oder ſtand zuſammen fuͤgt/ in einen ſolchen ſtand/ der nach Chriſto und dem Heiligen Geiſt geartet oder geformet/ der fuͤr GOTT heilig/ gerecht und unſtraͤff- lich ſey/ und in der liebe immer wachſe/ zum lebendigen tempel/ und zu einer behauſung GOttes/ in welcher hertzen Chriſtus wohnet und regieret/ daß die glieder ſolches ſtandes nicht allein aͤuſſerlich eines ſinnes und einer Religion oder Gottesdienſtes/ ſondern auch innerlich eines lebendigen glaubens ſeynd/ ei- nen geiſt/ ein hertz und ſeel haben/ Act. IV. Die- ſem geiſtlichen ſtand hat GOTT der HErr durch Chriſtum ſeinen Sohn das him̃elreich und das ewige leben zugeſagt/ und ſonſt keinem an- dern/ von welchem ſtand auch 1. Petr. II. ſtehet geſchrieben: Jhr aber ſeyd das auserwehlte ge- ſchlecht/ das koͤnigliche Prieſterthum/ das hei- lige volck/ das volck des eigenthums/ daß ihr verkuͤndigen ſolt die tugend deß/ der euch be- ruffen hat vom finſternis zu ſeinem wunder- baren licht/ die ihr weiland nicht ein volck wa- ret/ nun aber Gottes volck ſeyd. Und Paulus Tit. III. Daß ſich unſer Heiland Jeſus Chri- ſtus ſelbſt fuͤr uns gegeben hat/ auf daß er uns erloͤſete von aller ungerechtigkeit/ und reinigte ihm ſelbſt ein volck zum eigenthum/ das eifrig waͤre zu guten wercken. Solcher geiſtlicher Chriſtlicher ſtand iſt im Alten Teſtament durch das Juͤdiſche Geſetz- Volck/ durch den Jſrael nach dem fleiſch, figu- riret/ und von Gott dem allmaͤchtigen verheiſ- ſen/ daß er durch den Mesſiam unſern HErrn Jeſum Chriſtum in der fuͤlle der zeit ſolte auf- gericht/ in eins verſamlet/ herfuͤr gebracht und dargeſtellet werden/ welchen Paulus Gal. VI. den Jſrael GOttes nennet/ des lob nicht aus den menſchen/ ſondern aus Gott iſt. Rom. II. Von dieſem ſtande wird viel in Propheten und ſonſt in Heiliger Schrifft geſagt/ als auch Zachar. XI. da alſo geſchrieben ſtehet: So ſagt der HErr/ ich werde euch verſam̃len aus den voͤlckern/ und werde euch zuſammen fuͤgen aus den Laͤndern dahin ihr verſtreuet ſeyd/ und werde euch das land Jſrael geben/ da ſol- len ſie kommen/ und alle aͤrgernis/ ſcheuel und greuel daraus wegthun/ und ich werde ihnen ein eintraͤchtig hertz geben/ und einen neuen geiſt in ihren ſinn geben/ und werde das ſteinerne hertz nehmen aus ihrem leibe/ und werde ihnen ein fleiſchern hertz geben/ auf daß ſie in meinen ſitten wandeln/ und meine Rech- te halten und darnach thun/ daß ſie mein volck ſeyn/ und ich ihr GOTT ſey. Sehet/ das iſt die ankunfft des rechten geiſtlichen ſtands/ den GOtt der allmaͤchtige Vater durch Chriſtum ſeinen geliebten Sohn in einigkeit des glau- bens zu verſamlen und aufzurichten hat ver- heiſſen/ welchem er das reich der himmel gnaͤ- diglich hat zugeſagt; davon denn auch der Ev- angeliſt Johannes ſchreibt/ da er ſpricht: Denn JEſus ſolte ſterben fuͤr das volck/ und nicht fuͤr das volck allein/ ſondern daß er die kinder Gottes/ ſo zerſtreuet waren (welches die glie- der des geiſtlichen ſtandes ſeynd) zuſammen braͤchte. Es iſt dieſer ſtand die wahre geiſtliche erbauung des leibes Chriſti/ da man eintraͤch- tig in der liebe einher wandelt/ da ein glied fuͤrs andere ſorgt/ eins mit dem andern leidet/ eins ſich mit dem andern freuet/ und in ſum- ma, da keine ſpaltung/ ſondern wahre Goͤttli- che einigkeit/ glauben/ liebe und hoffnung iſt/ davon 1. Cor. XII. Eph. I. II. IV. V. 1. Petr. II. E- pheſ. IV. ſtehet vom geiſtlichen ſtand alſo ge- ſchrieben: Laſt uns aber rechtſchaffen ſeyn/ ſpricht Paulus/ in der liebe/ und wachſen in allen ſtuͤcken/ an dem/ welcher das haupt (nem- lich dieſes ſtandes iſt) das iſt Chriſtus/ aus welchem der gantze leib (des geiſtlichen ſtan- des) zuſammen gefuͤget/ und ein glied am an- dern hanget/ durch alle gelencke/ dadurch eins dem andern handreichung thut/ nach dem werck eines jeglichen gliedes in ſeiner maß/ und macht/ daß der leib waͤchſt/ zu ſein ſelbſt erbau- ung/ und das alles in der liebe. Wo nun nicht das wahre erkaͤntnis Chriſti mit einem neuen geiſtlichen wandel und erbauung durchs wort Gottes iſt/ wo auch nicht die wahre ungefaͤlſchte bruder-liebe iſt; wo ein glied nicht fuͤrs andere ſorgt/ eins ſich nicht mit dem andern freuet und leid traͤgt; ja wo nicht ein hertz/ ein geiſt und eine ſeel in Chriſto iſt/ da kan in der wahr- heit kein geiſtlicher ſtand noch leib Chriſti ver- ſamlet ſeyn/ das aͤuſſerliche thut nichts zum grunde der ſachen/ es muͤſte ſonſt die gantze Heilige Schrifft falſch ſeyn: ob denn ſolches alles/ wie jetzt vermeldet/ beym Cloſter-und Prieſter-ſtand in gemein heut werde befun- den/ laß ich einen ieden ſelbſt/ den es angehet/ ausrechnen und bedencken. Es muͤſſen ja alle geiſtliche Perſonen/ ſo zu dieſem ſtande gehoͤren/ und ein hertz und eine ſeel ſollen haben/ aus einem einigen lebendigen wort Gottes von oben herab aufs neue gebohren werden; werden ſie aufs neue gebohren und ſind neue menſchen/ ſeynd ſie frey von den Elementen dieſer welt/ Col. III. Sie ſind mit dem gewiſſen nicht an menſchen gebunden/ wie der HErr im Evangelio ſagt: Wenn euch der Sohn frey macht/ ſo ſeyd ihr recht frey. Und Paulus ermahnet und ſpricht: Laſt euch nicht fangen mit Geſetzen &c. welches alles vom geiſtlichen Chriſtlichen ſtande/ den ihnen Chriſtus mit ſeinem blut erworben/ gefreyet/ erloͤſt und aus- gekaufft hat/ eigentlich muß verſtanden wer- den: Drum ſintemahl das Cloſter-und Prie- ſter-leben/ wo ſichs gleich am allerbeſten jetzt herfuͤr thut/ mehr ein Geſetz-leben/ weder ein Geiſt-und Hertz-leben iſt/ und aber weder der Heilige Geiſt/ noch die wahre froͤmmigkeit durchs Geſetz nicht kom̃et/ ſondern allein durch den glauben Jeſu Chriſti/ Gal. III. ſo folgt/ daß das Cloſter-und Prieſter-leben/ wie es heute ſtehet/ fuͤr GOTT der wahre geiſtliche ſtand nicht ſeyn moͤge/ ohnangeſehen/ was die welt re- det/ und wie das fleiſch davon richtet und ur- theilet. Kuͤrtzlich/ wo zwang/ geſetz und men- ſchenlehre iſt/ wo im N. Teſtament ein aͤuſſer- lich treiben und gedraͤngnis beym Gottesdienſt iſt/ wo auch ein vertrauen auf Ceremonien o- der A. K. H. Vierter Theil. A a 2

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/483>, abgerufen am 28.11.2024.