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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. IV. Sect. II. Num. XXIV. Schwenckfelds fernere erklärung.
[Spaltenumbruch] buchstaben/ damit er auch Christum selbst etwan
wolte betriegen/ und bildet uns dagegen für ei-
nen gedichteten wahnglauben von der barm-
hertzigkeit GOttes/ von seiner gnädigen zusage
und verheissung/ als daß uns CHristus erlöst
und alles ausgerichtet habe/ nur daß wir an ihn
also fest und starck glauben/ im alten wesen blei-
ben/ und daneben auch der welt und unserm
fleisch zugefallen im sause leben etc. O wehe die-
ser grossen tücke des satans/ dadurch nun beym
erkäntnis der vorigen irrsal/ unzehlich viel men-
schen von der lincken seiten zur rechten abgefüh-
ret werden/ und der rechten Königlichen mittel-
strassen/ die Christus ist/ beym glauben gantz
verfehlen. Sie schöpffen aus dem buchstaben der
Schrifft einen fleischlichen trost und hoffnung/
eben wie zuvor aus den menschen-gesetzen/ ohne
allem ernst/ ohne alle busse und tödtung des
fleisches und ohne allen anfang des neuen lebens!
Jn summa, wie das bekäntniß der sünden ist/ so
ist auch bey ihnen der glaube/ buchstabe und
menschen-lehre ist es allesamt überall/ und nichts
anders. Wehe aber eins allen denen/ die zu sol-
chem irgend eine ursach geben/ die die menschen
nicht allein auff Christum Jesum weisen/ son-
dern das werck des Herrn betrieglich handeln/
Jer. XVII. Herwiederum selig seynd diese/ die
da hungert und durstet nach der gerechtigkeit
GOttes/ die sich selbst verleugnen/ und einge-
gehen durch die enge pforte/ auff daß sie dem
ebenbilde des Sohnes GOttes gleichförmig
werden/ und seinen fußstapffen nachfolgen
mögen/ durch einen wahren glauben/ der die
welt überwindet Rom. IIX. Joh. V. und führet
zum ewigen leben; denn wider die ist nicht das ge-
setz mit seiner vermaledeyung; die im geist wan-
deln/ und die Christi seynd/ haben das fleisch
gecreutziget mit den lüsten und begierden. Gal. V.

Wiewol nun obgedachte exempel von denen
seynd/ die auch das wort äusserlich recht nach
dem buchstaben verstanden haben/ oder noch
verstehen möchten/ daß sie doch gleichwol noch
damit allein keinen wahren rechten glauben ha-
ben/ wie vielmehr wird denn ein solcher glaube
für falsch und unrecht geachtet/ da nichts denn
ein falscher eingebildeter wahn/ irrsal und unver-
stand/ auch beymäusserlichen Göttlichen buch-
staben für augen ist/ wie wir etwan gegläubet/
und noch heute viel aus unverstand dieses
spruchs: Tues Petrus (du bist ein felß/ und auff
diesen felsen werde ich bauen meine kirche) gläu-
ben/ daß Petrus/ ja auch nach ihm der Pabst zu
Rom nicht allein ein diener/ sondern auch das
haupt der rechten wahren Christlichen kirchen
sey. Also hat man auch den Päbstlichen ablaß/
indulgentz und bann geglaubet/ und nach unver-
stande der schlüssel und der sprüche: Alles was
du auff erden binden wirst/ soll auch im himmel
gebunden seyn/ und alles was du auff erden lösen
wirst/ soll auch im himmel loß seyn/ hat man ge-
meinet/ daß der Römische Ablaß nicht allein den
lebendigen/ sondern auch dentodten nützlich und
gut sey/ dagegen aber des Pabsts bann jedermann
verdammlich sey/ und es seynd ja auch helle klare
worte/ ihres bedünckens/ (dabey denn auch etliche
der Väter etwan gestrauchelt haben) darauf fast
das gantze Pabstthum/ eben als wol auf den un-
verstand dieser worte: Hoc est corpus meum, hoc
facite &c.
auff den mißbrauch des Herrn Nacht-
mals ist gewiedmet und gegründet worden. Item,
[Spaltenumbruch] also glaubte auch der ketzer Arius und seinenachfol-
ger/ daß nach inhalt des buchstabens/ ja auch sei-
nem unverstande dieses spruchs im Johanne: Der
Vater ist grösser denn ich/ Christus Jesus nicht
wahrer Gott wäre/ er wolte auf den dürren hellen
worten bleiben; denn Christus hätte sie geredt/
und wolte keine andere schrift zu erklärung dieses
spruches zulassen/ eben wie etliche bey den worten
des Nachtmals zu thun sich unterstanden/ und
ihren mißglauben auff derselbigen unverstand
gerichtet haben.

Und daß ich von diesem gedichtem vernunfft-
glauben noch mehr exempel gebe/ so glauben alle
diejenigen aus unverstande des spruchs Pauli
1. sim. IV. da er sagt: daß (den gläubigen)
alle creatur sey geheiliget durchs wort GOttes
und gebet/ vermeinen sie/ daß das wasser/ saltz/
licht/ kräuter/ glocken/ speise und tranck durchs
äusserliche gesprochene wort an ihnen selbst ge-
weihet/ geheiliget und mit Göttlicher krafft an-
gezogen werden/ so es doch nur als dienstliche
zeiche von den Vätern gebraucht seynd/ dadurch
das heiligthum und mancherley geistliche gna-
den in Christo den gläubigen seynd etwan ange-
zeigt worden. Ja es glauben auch dermassen die
heren/ und sonst viel gottlose menschen/ die des
buchstabens der schrifft/ oder der heiligen worte/
wie sie es nennen/ bey ihren bösen unchristlichen
händeln mißbrauchen/ starck und fest halten/ daß
es ihnen wiederfahre dermassen/ wie sie glau-
ben; wo aber ihre conjuration nicht fortgang
gewinnet/ sagen sie/ es sey diß schuld/ daß mans
nicht geglaubet habe. Eben also möchte man
auch sagen von etlicher mensche falschem gedich-
tem vernunft-glauben/ damit man bey dem edlen
theuren geheimnis des H. Sacraments heute
umgehet/ und die menschen will überreden/ sie sol-
len den leib Christi leiblich im brod glauben/ wel-
ches doch auch noch vor zehen jahren kein mensch
nie weder geglaubt noch gedacht hat; solcher fal-
scher wahnglaube/ der sich aus unverstande des
buchstabens verursachet/ und im geistlichen
schein mit GOttes wort bedecket/ mißbraucht
eben als wol/ als die andern der worte des Herrn/
da er von der geistlichen art des glaubens redet
und spricht: Dir geschehe/ wie du glaubest/ denen
glaubigen sind alle dinge möglich etc. davon wir
bald weiter hören werden. Und das heist denn
auch freylich ein blinder finsterer glaube/ für wel-
chem man billich/ wie sie sagen/ augen und ohren
solte zuschliessen; es ist das geheimnis des kräffti-
gen irrsals und verführung über alle die/ die den
glauben der warheit nicht wolle annehmen/ son-
dern haben lust an der ungerechtigkeit 2. Thess.
II.
dafür der Herralle guthertzige menschen gnä-
diglich erretten wolle/ durch seinen H. Geist.
Amen.

Und so viel hab ich vom äusserlichen hiftori-
schenglauben/ ja auch vom falschen gedichten
wahnglauben zuvor wollen anzeigen/ darum
daß wir doch einmal die trunckenheit unsers her-
tzens bedächte/ unsere vermeßliche sicherheit fah-
ren liessen/ daß wir aus gnaden unsern grossen
unglauben/ unsere blindheit und unwissenheit
lernten erkennen/ nicht diß für glauben hielten/
was für Gott kein glaube ist/ sondern vielmehr
bedächten/ was der Herr Christus für einen glau-
ben meinet/ dem er so viel zugibt/ und auch mit
des kindes Vater Marc. IX. im ernst schrey-
en möchten: O HERR/ ich glaube/ komm zu

hülff
A. K. H. Vierter Theil. Z 2

Th. IV. Sect. II. Num. XXIV. Schwenckfelds fernere erklaͤrung.
[Spaltenumbruch] buchſtaben/ damit er auch Chriſtum ſelbſt etwan
wolte betriegen/ und bildet uns dagegen fuͤr ei-
nen gedichteten wahnglauben von der barm-
hertzigkeit GOttes/ von ſeiner gnaͤdigen zuſage
und verheiſſung/ als daß uns CHriſtus erloͤſt
und alles ausgerichtet habe/ nur daß wir an ihn
alſo feſt und ſtarck glauben/ im alten weſen blei-
ben/ und daneben auch der welt und unſerm
fleiſch zugefallen im ſauſe leben ꝛc. O wehe die-
ſer groſſen tuͤcke des ſatans/ dadurch nun beym
erkaͤntnis der vorigen irꝛſal/ unzehlich viel men-
ſchen von der lincken ſeiten zur rechten abgefuͤh-
ret werden/ und der rechten Koͤniglichen mittel-
ſtraſſen/ die Chriſtus iſt/ beym glauben gantz
verfehlen. Sie ſchoͤpffen aus dem buchſtaben der
Schrifft einen fleiſchlichen troſt und hoffnung/
eben wie zuvor aus den menſchen-geſetzen/ ohne
allem ernſt/ ohne alle buſſe und toͤdtung des
fleiſches uñ ohne allen anfang des neuen lebens!
Jn ſumma, wie das bekaͤntniß der ſuͤnden iſt/ ſo
iſt auch bey ihnen der glaube/ buchſtabe und
menſchen-lehre iſt es alleſamt uͤberall/ und nichts
anders. Wehe aber eins allen denen/ die zu ſol-
chem irgend eine urſach geben/ die die menſchen
nicht allein auff Chriſtum Jeſum weiſen/ ſon-
dern das werck des Herꝛn betrieglich handeln/
Jer. XVII. Herwiederum ſelig ſeynd dieſe/ die
da hungert und durſtet nach der gerechtigkeit
GOttes/ die ſich ſelbſt verleugnen/ und einge-
gehen durch die enge pforte/ auff daß ſie dem
ebenbilde des Sohnes GOttes gleichfoͤrmig
werden/ und ſeinen fußſtapffen nachfolgen
moͤgen/ durch einen wahren glauben/ der die
welt uͤberwindet Rom. IIX. Joh. V. und fuͤhret
zum ewigen leben; denn wideꝛ die iſt nicht das ge-
ſetz mit ſeiner vermaledeyung; die im geiſt wan-
deln/ und die Chriſti ſeynd/ haben das fleiſch
gecreutziget mit den luͤſten uñ begierden. Gal. V.

Wiewol nun obgedachte exempel von denen
ſeynd/ die auch das wort aͤuſſerlich recht nach
dem buchſtaben verſtanden haben/ oder noch
verſtehen moͤchten/ daß ſie doch gleichwol noch
damit allein keinen wahren rechten glauben ha-
ben/ wie vielmehr wird denn ein ſolcher glaube
fuͤr falſch und unrecht geachtet/ da nichts denn
ein falſcher eingebildeteꝛ wahn/ iꝛꝛſal und unver-
ſtand/ auch beymaͤuſſerlichen Goͤttlichen buch-
ſtaben fuͤr augen iſt/ wie wir etwan geglaͤubet/
und noch heute viel aus unverſtand dieſes
ſpruchs: Tues Petrus (du biſt ein felß/ und auff
dieſen felſen werde ich bauen meine kirche) glaͤu-
ben/ daß Petrus/ ja auch nach ihm der Pabſt zu
Rom nicht allein ein diener/ ſondern auch das
haupt der rechten wahren Chriſtlichen kirchen
ſey. Alſo hat man auch den Paͤbſtlichen ablaß/
indulgentz und bann geglaubet/ und nach unver-
ſtande der ſchluͤſſel und der ſpruͤche: Alles was
du auff erden binden wirſt/ ſoll auch im himmel
gebunden ſeyn/ und alles was du auff erden loͤſen
wirſt/ ſoll auch im himmel loß ſeyn/ hat man ge-
meinet/ daß der Roͤmiſche Ablaß nicht allein den
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gut ſey/ dagegen aber des Pabſts bann jedermañ
verdammlich ſey/ und es ſeynd ja auch helle klare
worte/ ihres beduͤnckens/ (dabey deñ auch etliche
der Vaͤter etwan geſtrauchelt haben) darauf faſt
das gantze Pabſtthum/ eben als wol auf den un-
verſtand dieſer woꝛte: Hoc eſt corpus meum, hoc
facite &c.
auff den mißbrauch des Herꝛn Nacht-
mals iſt gewiedmet uñ gegruͤndet worden. Item,
[Spaltenumbruch] alſo glaubte auch der ketzer Arius uñ ſeinenachfol-
ger/ daß nach inhalt des buchſtabens/ ja auch ſei-
nem unverſtande dieſes ſpruchs im Johañe: Der
Vater iſt groͤſſer denn ich/ Chriſtus Jeſus nicht
wahrer Gott waͤre/ er wolte auf den duͤrren hellen
worten bleiben; denn Chriſtus haͤtte ſie geredt/
und wolte keine andere ſchrift zu erklaͤrung dieſes
ſpruches zulaſſen/ eben wie etliche bey den woꝛten
des Nachtmals zu thun ſich unterſtanden/ und
ihren mißglauben auff derſelbigen unverſtand
gerichtet haben.

Und daß ich von dieſem gedichtem vernunfft-
glauben noch mehr exempel gebe/ ſo glauben alle
diejenigen aus unverſtande des ſpruchs Pauli
1. ſim. IV. da er ſagt: daß (den glaͤubigen)
alle creatur ſey geheiliget durchs wort GOttes
und gebet/ vermeinen ſie/ daß das waſſer/ ſaltz/
licht/ kraͤuter/ glocken/ ſpeiſe und tranck durchs
aͤuſſerliche geſprochene wort an ihnen ſelbſt ge-
weihet/ geheiliget und mit Goͤttlicher krafft an-
gezogen werden/ ſo es doch nur als dienſtliche
zeichē von den Vaͤtern gebraucht ſeynd/ dadurch
das heiligthum und mancherley geiſtliche gna-
den in Chriſto den glaͤubigen ſeynd etwan ange-
zeigt worden. Ja es glauben auch dermaſſen die
heren/ und ſonſt viel gottloſe menſchen/ die des
buchſtabens der ſchrifft/ oder der heiligen worte/
wie ſie es nennen/ bey ihren boͤſen unchriſtlichen
haͤndeln mißbꝛauchen/ ſtarck und feſt halten/ daß
es ihnen wiederfahre dermaſſen/ wie ſie glau-
ben; wo aber ihre conjuration nicht fortgang
gewinnet/ ſagen ſie/ es ſey diß ſchuld/ daß mans
nicht geglaubet habe. Eben alſo moͤchte man
auch ſagen von etlicher menſchē falſchem gedich-
tem vernunft-glauben/ damit man bey dem edlen
theuren geheimnis des H. Sacraments heute
umgehet/ und die menſchen will uͤberreden/ ſie ſol-
len den leib Chriſti leiblich im brod glauben/ wel-
ches doch auch noch vor zehen jahren kein menſch
nie weder geglaubt noch gedacht hat; ſolcher fal-
ſcher wahnglaube/ der ſich aus unverſtande des
buchſtabens verurſachet/ und im geiſtlichen
ſchein mit GOttes wort bedecket/ mißbraucht
eben als wol/ als die andeꝛn deꝛ worte des Herꝛn/
da er von der geiſtlichen art des glaubens redet
und ſpricht: Dir geſchehe/ wie du glaubeſt/ denen
glaubigen ſind alle dinge moͤglich ꝛc. davon wir
bald weiter hoͤren werden. Und das heiſt denn
auch freylich ein blinder finſterer glaube/ fuͤr wel-
chem man billich/ wie ſie ſagen/ augen und ohren
ſolte zuſchlieſſen; es iſt das geheimnis des kraͤffti-
gen irꝛſals und verfuͤhrung uͤber alle die/ die den
glauben der warheit nicht wollē annehmen/ ſon-
dern haben luſt an der ungerechtigkeit 2. Theſſ.
II.
dafuͤr der Herꝛalle guthertzige menſchen gnaͤ-
diglich erretten wolle/ durch ſeinen H. Geiſt.
Amen.

Und ſo viel hab ich vom aͤuſſerlichen hiftori-
ſchenglauben/ ja auch vom falſchen gedichten
wahnglauben zuvor wollen anzeigen/ darum
daß wir doch einmal die trunckenheit unſers her-
tzens bedaͤchtē/ unſere vermeßliche ſicherheit fah-
ren lieſſen/ daß wir aus gnaden unſern groſſen
unglauben/ unſere blindheit und unwiſſenheit
lernten erkennen/ nicht diß fuͤr glauben hielten/
was fuͤr Gott kein glaube iſt/ ſondern vielmehr
bedaͤchten/ was der Herr Chriſtus fuͤr einen glau-
ben meinet/ dem er ſo viel zugibt/ und auch mit
des kindes Vater Marc. IX. im ernſt ſchrey-
en moͤchten: O HERR/ ich glaube/ komm zu

huͤlff
A. K. H. Vierter Theil. Z 2
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[179/0475] Th. IV. Sect. II. Num. XXIV. Schwenckfelds fernere erklaͤrung. buchſtaben/ damit er auch Chriſtum ſelbſt etwan wolte betriegen/ und bildet uns dagegen fuͤr ei- nen gedichteten wahnglauben von der barm- hertzigkeit GOttes/ von ſeiner gnaͤdigen zuſage und verheiſſung/ als daß uns CHriſtus erloͤſt und alles ausgerichtet habe/ nur daß wir an ihn alſo feſt und ſtarck glauben/ im alten weſen blei- ben/ und daneben auch der welt und unſerm fleiſch zugefallen im ſauſe leben ꝛc. O wehe die- ſer groſſen tuͤcke des ſatans/ dadurch nun beym erkaͤntnis der vorigen irꝛſal/ unzehlich viel men- ſchen von der lincken ſeiten zur rechten abgefuͤh- ret werden/ und der rechten Koͤniglichen mittel- ſtraſſen/ die Chriſtus iſt/ beym glauben gantz verfehlen. Sie ſchoͤpffen aus dem buchſtaben der Schrifft einen fleiſchlichen troſt und hoffnung/ eben wie zuvor aus den menſchen-geſetzen/ ohne allem ernſt/ ohne alle buſſe und toͤdtung des fleiſches uñ ohne allen anfang des neuen lebens! Jn ſumma, wie das bekaͤntniß der ſuͤnden iſt/ ſo iſt auch bey ihnen der glaube/ buchſtabe und menſchen-lehre iſt es alleſamt uͤberall/ und nichts anders. Wehe aber eins allen denen/ die zu ſol- chem irgend eine urſach geben/ die die menſchen nicht allein auff Chriſtum Jeſum weiſen/ ſon- dern das werck des Herꝛn betrieglich handeln/ Jer. XVII. Herwiederum ſelig ſeynd dieſe/ die da hungert und durſtet nach der gerechtigkeit GOttes/ die ſich ſelbſt verleugnen/ und einge- gehen durch die enge pforte/ auff daß ſie dem ebenbilde des Sohnes GOttes gleichfoͤrmig werden/ und ſeinen fußſtapffen nachfolgen moͤgen/ durch einen wahren glauben/ der die welt uͤberwindet Rom. IIX. Joh. V. und fuͤhret zum ewigen leben; denn wideꝛ die iſt nicht das ge- ſetz mit ſeiner vermaledeyung; die im geiſt wan- deln/ und die Chriſti ſeynd/ haben das fleiſch gecreutziget mit den luͤſten uñ begierden. Gal. V. Wiewol nun obgedachte exempel von denen ſeynd/ die auch das wort aͤuſſerlich recht nach dem buchſtaben verſtanden haben/ oder noch verſtehen moͤchten/ daß ſie doch gleichwol noch damit allein keinen wahren rechten glauben ha- ben/ wie vielmehr wird denn ein ſolcher glaube fuͤr falſch und unrecht geachtet/ da nichts denn ein falſcher eingebildeteꝛ wahn/ iꝛꝛſal und unver- ſtand/ auch beymaͤuſſerlichen Goͤttlichen buch- ſtaben fuͤr augen iſt/ wie wir etwan geglaͤubet/ und noch heute viel aus unverſtand dieſes ſpruchs: Tues Petrus (du biſt ein felß/ und auff dieſen felſen werde ich bauen meine kirche) glaͤu- ben/ daß Petrus/ ja auch nach ihm der Pabſt zu Rom nicht allein ein diener/ ſondern auch das haupt der rechten wahren Chriſtlichen kirchen ſey. Alſo hat man auch den Paͤbſtlichen ablaß/ indulgentz und bann geglaubet/ und nach unver- ſtande der ſchluͤſſel und der ſpruͤche: Alles was du auff erden binden wirſt/ ſoll auch im himmel gebunden ſeyn/ und alles was du auff erden loͤſen wirſt/ ſoll auch im himmel loß ſeyn/ hat man ge- meinet/ daß der Roͤmiſche Ablaß nicht allein den lebendigen/ ſondeꝛn auch dentodten nuͤtzlich und gut ſey/ dagegen aber des Pabſts bann jedermañ verdammlich ſey/ und es ſeynd ja auch helle klare worte/ ihres beduͤnckens/ (dabey deñ auch etliche der Vaͤter etwan geſtrauchelt haben) darauf faſt das gantze Pabſtthum/ eben als wol auf den un- verſtand dieſer woꝛte: Hoc eſt corpus meum, hoc facite &c. auff den mißbrauch des Herꝛn Nacht- mals iſt gewiedmet uñ gegruͤndet worden. Item, alſo glaubte auch der ketzer Arius uñ ſeinenachfol- ger/ daß nach inhalt des buchſtabens/ ja auch ſei- nem unverſtande dieſes ſpruchs im Johañe: Der Vater iſt groͤſſer denn ich/ Chriſtus Jeſus nicht wahrer Gott waͤre/ er wolte auf den duͤrren hellen worten bleiben; denn Chriſtus haͤtte ſie geredt/ und wolte keine andere ſchrift zu erklaͤrung dieſes ſpruches zulaſſen/ eben wie etliche bey den woꝛten des Nachtmals zu thun ſich unterſtanden/ und ihren mißglauben auff derſelbigen unverſtand gerichtet haben. Und daß ich von dieſem gedichtem vernunfft- glauben noch mehr exempel gebe/ ſo glauben alle diejenigen aus unverſtande des ſpruchs Pauli 1. ſim. IV. da er ſagt: daß (den glaͤubigen) alle creatur ſey geheiliget durchs wort GOttes und gebet/ vermeinen ſie/ daß das waſſer/ ſaltz/ licht/ kraͤuter/ glocken/ ſpeiſe und tranck durchs aͤuſſerliche geſprochene wort an ihnen ſelbſt ge- weihet/ geheiliget und mit Goͤttlicher krafft an- gezogen werden/ ſo es doch nur als dienſtliche zeichē von den Vaͤtern gebraucht ſeynd/ dadurch das heiligthum und mancherley geiſtliche gna- den in Chriſto den glaͤubigen ſeynd etwan ange- zeigt worden. Ja es glauben auch dermaſſen die heren/ und ſonſt viel gottloſe menſchen/ die des buchſtabens der ſchrifft/ oder der heiligen worte/ wie ſie es nennen/ bey ihren boͤſen unchriſtlichen haͤndeln mißbꝛauchen/ ſtarck und feſt halten/ daß es ihnen wiederfahre dermaſſen/ wie ſie glau- ben; wo aber ihre conjuration nicht fortgang gewinnet/ ſagen ſie/ es ſey diß ſchuld/ daß mans nicht geglaubet habe. Eben alſo moͤchte man auch ſagen von etlicher menſchē falſchem gedich- tem vernunft-glauben/ damit man bey dem edlen theuren geheimnis des H. Sacraments heute umgehet/ und die menſchen will uͤberreden/ ſie ſol- len den leib Chriſti leiblich im brod glauben/ wel- ches doch auch noch vor zehen jahren kein menſch nie weder geglaubt noch gedacht hat; ſolcher fal- ſcher wahnglaube/ der ſich aus unverſtande des buchſtabens verurſachet/ und im geiſtlichen ſchein mit GOttes wort bedecket/ mißbraucht eben als wol/ als die andeꝛn deꝛ worte des Herꝛn/ da er von der geiſtlichen art des glaubens redet und ſpricht: Dir geſchehe/ wie du glaubeſt/ denen glaubigen ſind alle dinge moͤglich ꝛc. davon wir bald weiter hoͤren werden. Und das heiſt denn auch freylich ein blinder finſterer glaube/ fuͤr wel- chem man billich/ wie ſie ſagen/ augen und ohren ſolte zuſchlieſſen; es iſt das geheimnis des kraͤffti- gen irꝛſals und verfuͤhrung uͤber alle die/ die den glauben der warheit nicht wollē annehmen/ ſon- dern haben luſt an der ungerechtigkeit 2. Theſſ. II. dafuͤr der Herꝛalle guthertzige menſchen gnaͤ- diglich erretten wolle/ durch ſeinen H. Geiſt. Amen. Und ſo viel hab ich vom aͤuſſerlichen hiftori- ſchenglauben/ ja auch vom falſchen gedichten wahnglauben zuvor wollen anzeigen/ darum daß wir doch einmal die trunckenheit unſers her- tzens bedaͤchtē/ unſere vermeßliche ſicherheit fah- ren lieſſen/ daß wir aus gnaden unſern groſſen unglauben/ unſere blindheit und unwiſſenheit lernten erkennen/ nicht diß fuͤr glauben hielten/ was fuͤr Gott kein glaube iſt/ ſondern vielmehr bedaͤchten/ was der Herr Chriſtus fuͤr einen glau- ben meinet/ dem er ſo viel zugibt/ und auch mit des kindes Vater Marc. IX. im ernſt ſchrey- en moͤchten: O HERR/ ich glaube/ komm zu huͤlff A. K. H. Vierter Theil. Z 2

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/475>, abgerufen am 27.11.2024.