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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. IV. Sect. II. Num. XX. Weitere Observationes
[Spaltenumbruch] der nacht/ wann alle leibliche dinge ruhen/
heimlich und still sind/ am besten und nützlich-
stenzu speculiren/ meditiren/ imaginiren ist/
auch an heimlichen/ besondern/ und darzu
gelegenen orten/ also daß keiner von leuten be-
schrien/ erschrecket/ oder verhindert kan werden:
darzu auch mit nüchternem leibe.

14. Ferner schreibet er in dem fragmento de
fundamento sapientiae p.
392. u. f. von der
weißheit offenbahrung und würckung
in der äussern welt; als von offenbah-
rung und findung aller künsten:

Am ersten ist die artzeney bey den Propheten
gewesen/ und sind Propheten geheissen wor-
den/ darum daß sie mehr haben gewust/ dann
das gemeine volck/ und das gemeine volck nicht
verstanden hat. Naturales praesagatores hat
man alle Propheten geheissen.

Die natur/ die alle dinge lernet/ und was sie
nicht kan/ das erwirbt sie vom Heiligen Geiste
der sie lernet: und der Heilige Geist und die na-
tur sind eins/ das ist/ täglich ist die natur ein
licht auß dem Heiligen Geist/ und lernet von
ihm/ und also kommt es in den menschen/ gleich
als schläfflingen.

Dieweil nun das licht der natur ein schüler
ist deß Heiligen Geistes/ so bitter der schüler
seinen meister/ lehret mich das/ so lehret er ihm
das: Also kommt es in den schüler/ so es nun
im schüler ist/ so wird der schüler zweyfach/ das
ist/ er redet mit ihm selbst/ und gibt ihm selber
antwort.

Ein zweyfacher schüler ist/ die person und
der traum: deßgleichen die person deß Sa-
tans/ und die person deß versuchten: Die
person der geister/ die person der räth: und
allemal ist ein licht der natur/ und das licht der
natur antwortet seiner person/ das ist/ ihme
selbst. Dann wie ein schulmeister seinen fleis-
sigen schülern nichts verhält/ sondern er lernet
ihnen was ihm anliegt: Noch viel mehr der
Heilige Geist das licht der natur in denen din-
gen das ihme abgehet gegen seiner person:
dann das wahre licht der natur und die person
theilen sich nicht.

Nun ist weiter das licht der natur ein licht/
das angezündet ist auß dem Heiligen Geiste/
und leschet nicht ab/ dann es ist wohl angezün-
det. Zu gleicher weise ists im menschen; wie
das leben/ also wächst es mit ihm auff/ und
wird also gebohren. Nun begehret das licht
je länger je mehr zu scheinen/ und je länger je
grösser: Wie das leben begehret durch die
artzeney je mehr/ je länger zu leben/ und ohne
auffhören zu leben: Also ist auch im lichte
der natur eine hitzige begierdung deß anzün-
dens.

Wie redet der artzt mit seinem leben? Er
spricht zu thm: Jß das/ trinck das/ so lebest
du und stirbest nicht. Also redet der Heilige
Geist mit dem licht der natur/ das habe/ das
thue/ das etc. so brennest du und wirst gelehret.
Nun lehret der Heilige Geist allein das/
das er begehret. Darum spricht man; die
natur hat ihre gesundheit begehret/ und er
aß/ und genaß: Also treibt die natur sol-
ches ein.

Nun aber/ daß wir kommen auff die außthei-
lung und fürgenommene materiam, ist das
unser fürnehmen/ fürzuhalten den schulmeister
[Spaltenumbruch] aller weißheit/ und aller kunst/ und alles unsers
wissens/ wer der seye der uns alle dinge giebet/
dann wir haben nichts in uns/ dann als
wie ihr sehet/ daß der leib der kranckheit und
dem tod unterworffen ist/ und mancherley
kranckheit und elenden gebrechen und hinde-
rung: Also auch unsere vernunfft mit solchen
gebrechen in viel wege beladen/ das ist/ in
kranckheit/ die ihr zufället/ also daß wir auch
nicht mögen mit gesundem hirn auff das ende
kommen/ da wir hin begehren; wie uns die
kranckheit abwendig machet von unserm
fürnehmen durch unser abnehmen der stärcke:
also fällt auch eine schwachheit der vernunfft/
in dem sie gebrochen wird in ihrem fürnehmen.
Daraus kommt nun/ daß einer weiter ergrün-
det/ mehr erfähret/ dann der andere/ nach-
dem eine jegliche kranckheit liegt in seiner ver-
nunfft.

Dieweil nun der leib mit seiner kranckheit be-
laden ist/ also wird er maniacus oder unsinnig/ er
wird toll etc. so wisset auch in dem/ daß diß dassel-
bige billige urtheil/ den menschen soll man an ket-
ten legen/ dann er ist nicht selbst rechtfertig in der
vernunfft. Nun liegt die vernunfft auch also
kranck/ und wird dermassen auch irrig/ und wird
mit kranck heit beladen; als dann noth ist/ daß
man wisse von den leibes-kranckheiten/ also noth
ist auch die kranckheit der vernunfft zu kennen;
und wie ich fürgenommen habe zu schreiben den
grund eines artztes in den leibes-kranckheiten
daß ersollte dieselbigen erkennen: also weiter
ists mir billich/ daß ich auch weiter beschreibe
von den kranckheiten der vernunfft/ woraus sie
werden/ das ist/ aus was grund dieselben zuver-
stehen seynd.

Also habt ihr nun gehöret von dem leibe/ wie
obstehet/ daß derselbige ligt in beyden sphären:
Und wie himmel und erden sein vater seye/ und
wie der mensch aus dein vater densohn soll er-
kennen/ und wie alle ding im menschen der welt
sind/ und alle dinge der welt deß menschen: das-
selbige stehet nun in massen/ wie ichs angezeiget
habe. Weiter allhie so wisset/ daß hie stehet ein
solches von den kranckheiten der vernunfft/ daß
aller verstand der thieren in der erden und lufft
im menschen ist/ darzu auch der engel verstand
von wegen der seele.

Das mercket wol und eben/ alle listigkeit und
weißheit/ art/ vernunfft/ fürsichtigkeit etc. so in
allen thieren der welt/ was in der himmels-sphae-
ra
begriffen ist/ dieselbigen seynd alle im men-
schen. Darum ist einer füchsisch/ der andere
wölffisch/ der dritte papageyisch/ und wie viel ihr
sind/ so sind es alles viehis. vernunft bey der weiß-
heit etc. und nichts/ das den menschen berühret/ son-
dern dieweil der mensch auch ein viehe ist/ so ist
er alle viehe/ das ist/ aller viehe vernunfft ist auch
im menschen. Darum an dem ort urtheilet der-
massen/ daß ihr am ersten die viehische vernunfft
zu erfahren erkennet/ die will ich durch einen
sondern tractat nachfolgends erklären/ darnach
die englische vernunfft sonderlich in seinem tra-
ctat. Einer der da will von künsten schreiben/
von der weißheit des lichts der natur/ und was
dem menschen darin betreffend ist/ der soll am
ersten fürlegen seiner weißheit kunst und lichts
lehrmeister/ aus dem ers hat/ auff daß die/ so
von ihm angezündet werden/ wissen/ was er
redet/ und was er ihn gelernet hat.

Dann

Th. IV. Sect. II. Num. XX. Weitere Obſervationes
[Spaltenumbruch] der nacht/ wann alle leibliche dinge ruhen/
heimlich und ſtill ſind/ am beſten und nuͤtzlich-
ſtenzu ſpeculiren/ meditiren/ imaginiren iſt/
auch an heimlichen/ beſondern/ und darzu
gelegenen orten/ alſo daß keiner von leuten be-
ſchrien/ erſchrecket/ oder verhindert kan werden:
darzu auch mit nuͤchternem leibe.

14. Ferner ſchreibet er in dem fragmento de
fundamento ſapientiæ p.
392. u. f. von der
weißheit offenbahrung und wuͤrckung
in der aͤuſſern welt; als von offenbah-
rung und findung aller kuͤnſten:

Am erſten iſt die artzeney bey den Propheten
geweſen/ und ſind Propheten geheiſſen wor-
den/ darum daß ſie mehr haben gewuſt/ dann
das gemeine volck/ und das gemeine volck nicht
verſtanden hat. Naturales præſagatores hat
man alle Propheten geheiſſen.

Die natur/ die alle dinge lernet/ und was ſie
nicht kan/ das erwirbt ſie vom Heiligen Geiſte
der ſie lernet: und der Heilige Geiſt und die na-
tur ſind eins/ das iſt/ taͤglich iſt die natur ein
licht auß dem Heiligen Geiſt/ und lernet von
ihm/ und alſo kommt es in den menſchen/ gleich
als ſchlaͤfflingen.

Dieweil nun das licht der natur ein ſchuͤler
iſt deß Heiligen Geiſtes/ ſo bitter der ſchuͤler
ſeinen meiſter/ lehret mich das/ ſo lehret er ihm
das: Alſo kommt es in den ſchuͤler/ ſo es nun
im ſchuͤler iſt/ ſo wird der ſchuͤler zweyfach/ das
iſt/ er redet mit ihm ſelbſt/ und gibt ihm ſelber
antwort.

Ein zweyfacher ſchuͤler iſt/ die perſon und
der traum: deßgleichen die perſon deß Sa-
tans/ und die perſon deß verſuchten: Die
perſon der geiſter/ die perſon der raͤth: und
allemal iſt ein licht der natur/ und das licht der
natur antwortet ſeiner perſon/ das iſt/ ihme
ſelbſt. Dann wie ein ſchulmeiſter ſeinen fleiſ-
ſigen ſchuͤlern nichts verhaͤlt/ ſondern er lernet
ihnen was ihm anliegt: Noch viel mehr der
Heilige Geiſt das licht der natur in denen din-
gen das ihme abgehet gegen ſeiner perſon:
dann das wahre licht der natur und die perſon
theilen ſich nicht.

Nun iſt weiter das licht der natur ein licht/
das angezuͤndet iſt auß dem Heiligen Geiſte/
und leſchet nicht ab/ dann es iſt wohl angezuͤn-
det. Zu gleicher weiſe iſts im menſchen; wie
das leben/ alſo waͤchſt es mit ihm auff/ und
wird alſo gebohren. Nun begehret das licht
je laͤnger je mehr zu ſcheinen/ und je laͤnger je
groͤſſer: Wie das leben begehret durch die
artzeney je mehr/ je laͤnger zu leben/ und ohne
auffhoͤren zu leben: Alſo iſt auch im lichte
der natur eine hitzige begierdung deß anzuͤn-
dens.

Wie redet der artzt mit ſeinem leben? Er
ſpricht zu thm: Jß das/ trinck das/ ſo lebeſt
du und ſtirbeſt nicht. Alſo redet der Heilige
Geiſt mit dem licht der natur/ das habe/ das
thue/ das ꝛc. ſo brenneſt du und wirſt gelehret.
Nun lehret der Heilige Geiſt allein das/
das er begehret. Darum ſpricht man; die
natur hat ihre geſundheit begehret/ und er
aß/ und genaß: Alſo treibt die natur ſol-
ches ein.

Nun aber/ daß wir kommen auff die außthei-
lung und fuͤrgenommene materiam, iſt das
unſer fuͤrnehmen/ fuͤrzuhalten den ſchulmeiſter
[Spaltenumbruch] aller weißheit/ und aller kunſt/ und alles unſers
wiſſens/ wer der ſeye der uns alle dinge giebet/
dann wir haben nichts in uns/ dann als
wie ihr ſehet/ daß der leib der kranckheit und
dem tod unterworffen iſt/ und mancherley
kranckheit und elenden gebrechen und hinde-
rung: Alſo auch unſere vernunfft mit ſolchen
gebrechen in viel wege beladen/ das iſt/ in
kranckheit/ die ihr zufaͤllet/ alſo daß wir auch
nicht moͤgen mit geſundem hirn auff das ende
kommen/ da wir hin begehren; wie uns die
kranckheit abwendig machet von unſerm
fuͤrnehmen durch unſer abnehmen der ſtaͤrcke:
alſo faͤllt auch eine ſchwachheit der vernunfft/
in dem ſie gebrochen wird in ihrem fuͤrnehmen.
Daraus kommt nun/ daß einer weiter ergruͤn-
det/ mehr erfaͤhret/ dann der andere/ nach-
dem eine jegliche kranckheit liegt in ſeiner ver-
nunfft.

Dieweil nun der leib mit ſeiner kranckheit be-
laden iſt/ alſo wird er maniacus oder unſinnig/ er
wird toll ꝛc. ſo wiſſet auch in dem/ daß diß daſſel-
bige billige urtheil/ den menſchẽ ſoll man an ket-
tẽ legen/ dann er iſt nicht ſelbſt rechtfertig in der
vernunfft. Nun liegt die vernunfft auch alſo
kranck/ und wird dermaſſen auch irrig/ und wird
mit kranck heit beladen; als dann noth iſt/ daß
man wiſſe von den leibes-kranckheitẽ/ alſo noth
iſt auch die kranckheit der vernunfft zu kennen;
und wie ich fuͤrgenommen habe zu ſchreiben den
grund eines artztes in den leibes-kranckheiten
daß erſollte dieſelbigen erkennen: alſo weiter
iſts mir billich/ daß ich auch weiter beſchreibe
von den kranckheiten der vernunfft/ woraus ſie
werden/ das iſt/ aus was grund dieſelben zuver-
ſtehen ſeynd.

Alſo habt ihr nun gehoͤret von dem leibe/ wie
obſtehet/ daß derſelbige ligt in beyden ſphaͤren:
Und wie himmel und erden ſein vater ſeye/ und
wie der menſch aus dein vater denſohn ſoll er-
kennen/ und wie alle ding im menſchen der welt
ſind/ und alle dinge der welt deß menſchen: daſ-
ſelbige ſtehet nun in maſſen/ wie ichs angezeiget
habe. Weiter allhie ſo wiſſet/ daß hie ſtehet ein
ſolches von den kranckheiten der vernunfft/ daß
aller verſtand der thieren in der erden und lufft
im menſchen iſt/ darzu auch der engel verſtand
von wegen der ſeele.

Das mercket wol und eben/ alle liſtigkeit und
weißheit/ art/ vernunfft/ fuͤrſichtigkeit ꝛc. ſo in
allen thieren der welt/ was in der him̃els-ſphæ-
ra
begriffen iſt/ dieſelbigen ſeynd alle im men-
ſchen. Darum iſt einer fuͤchſiſch/ der andere
woͤlffiſch/ der dritte papageyiſch/ und wie viel ihr
ſind/ ſo ſind es alles viehiſ. vernunft bey deꝛ weiß-
heit ꝛc. uñ nichts/ das den menſchẽ beruͤhret/ ſon-
dern dieweil der menſch auch ein viehe iſt/ ſo iſt
er alle viehe/ das iſt/ aller viehe vernunfft iſt auch
im menſchen. Darum an dem ort urtheilet der-
maſſen/ daß ihr am erſten die viehiſche vernunfft
zu erfahren erkennet/ die will ich durch einen
ſondern tractat nachfolgends erklaͤren/ darnach
die engliſche vernunfft ſonderlich in ſeinem tra-
ctat. Einer der da will von kuͤnſten ſchreiben/
von der weißheit des lichts der natur/ und was
dem menſchen darin betreffend iſt/ der ſoll am
erſten fuͤrlegen ſeiner weißheit kunſt und lichts
lehrmeiſter/ aus dem ers hat/ auff daß die/ ſo
von ihm angezuͤndet werden/ wiſſen/ was er
redet/ und was er ihn gelernet hat.

Dann
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[146/0442] Th. IV. Sect. II. Num. XX. Weitere Obſervationes der nacht/ wann alle leibliche dinge ruhen/ heimlich und ſtill ſind/ am beſten und nuͤtzlich- ſtenzu ſpeculiren/ meditiren/ imaginiren iſt/ auch an heimlichen/ beſondern/ und darzu gelegenen orten/ alſo daß keiner von leuten be- ſchrien/ erſchrecket/ oder verhindert kan werden: darzu auch mit nuͤchternem leibe. 14. Ferner ſchreibet er in dem fragmento de fundamento ſapientiæ p. 392. u. f. von der weißheit offenbahrung und wuͤrckung in der aͤuſſern welt; als von offenbah- rung und findung aller kuͤnſten: Am erſten iſt die artzeney bey den Propheten geweſen/ und ſind Propheten geheiſſen wor- den/ darum daß ſie mehr haben gewuſt/ dann das gemeine volck/ und das gemeine volck nicht verſtanden hat. Naturales præſagatores hat man alle Propheten geheiſſen. Die natur/ die alle dinge lernet/ und was ſie nicht kan/ das erwirbt ſie vom Heiligen Geiſte der ſie lernet: und der Heilige Geiſt und die na- tur ſind eins/ das iſt/ taͤglich iſt die natur ein licht auß dem Heiligen Geiſt/ und lernet von ihm/ und alſo kommt es in den menſchen/ gleich als ſchlaͤfflingen. Dieweil nun das licht der natur ein ſchuͤler iſt deß Heiligen Geiſtes/ ſo bitter der ſchuͤler ſeinen meiſter/ lehret mich das/ ſo lehret er ihm das: Alſo kommt es in den ſchuͤler/ ſo es nun im ſchuͤler iſt/ ſo wird der ſchuͤler zweyfach/ das iſt/ er redet mit ihm ſelbſt/ und gibt ihm ſelber antwort. Ein zweyfacher ſchuͤler iſt/ die perſon und der traum: deßgleichen die perſon deß Sa- tans/ und die perſon deß verſuchten: Die perſon der geiſter/ die perſon der raͤth: und allemal iſt ein licht der natur/ und das licht der natur antwortet ſeiner perſon/ das iſt/ ihme ſelbſt. Dann wie ein ſchulmeiſter ſeinen fleiſ- ſigen ſchuͤlern nichts verhaͤlt/ ſondern er lernet ihnen was ihm anliegt: Noch viel mehr der Heilige Geiſt das licht der natur in denen din- gen das ihme abgehet gegen ſeiner perſon: dann das wahre licht der natur und die perſon theilen ſich nicht. Nun iſt weiter das licht der natur ein licht/ das angezuͤndet iſt auß dem Heiligen Geiſte/ und leſchet nicht ab/ dann es iſt wohl angezuͤn- det. Zu gleicher weiſe iſts im menſchen; wie das leben/ alſo waͤchſt es mit ihm auff/ und wird alſo gebohren. Nun begehret das licht je laͤnger je mehr zu ſcheinen/ und je laͤnger je groͤſſer: Wie das leben begehret durch die artzeney je mehr/ je laͤnger zu leben/ und ohne auffhoͤren zu leben: Alſo iſt auch im lichte der natur eine hitzige begierdung deß anzuͤn- dens. Wie redet der artzt mit ſeinem leben? Er ſpricht zu thm: Jß das/ trinck das/ ſo lebeſt du und ſtirbeſt nicht. Alſo redet der Heilige Geiſt mit dem licht der natur/ das habe/ das thue/ das ꝛc. ſo brenneſt du und wirſt gelehret. Nun lehret der Heilige Geiſt allein das/ das er begehret. Darum ſpricht man; die natur hat ihre geſundheit begehret/ und er aß/ und genaß: Alſo treibt die natur ſol- ches ein. Nun aber/ daß wir kommen auff die außthei- lung und fuͤrgenommene materiam, iſt das unſer fuͤrnehmen/ fuͤrzuhalten den ſchulmeiſter aller weißheit/ und aller kunſt/ und alles unſers wiſſens/ wer der ſeye der uns alle dinge giebet/ dann wir haben nichts in uns/ dann als wie ihr ſehet/ daß der leib der kranckheit und dem tod unterworffen iſt/ und mancherley kranckheit und elenden gebrechen und hinde- rung: Alſo auch unſere vernunfft mit ſolchen gebrechen in viel wege beladen/ das iſt/ in kranckheit/ die ihr zufaͤllet/ alſo daß wir auch nicht moͤgen mit geſundem hirn auff das ende kommen/ da wir hin begehren; wie uns die kranckheit abwendig machet von unſerm fuͤrnehmen durch unſer abnehmen der ſtaͤrcke: alſo faͤllt auch eine ſchwachheit der vernunfft/ in dem ſie gebrochen wird in ihrem fuͤrnehmen. Daraus kommt nun/ daß einer weiter ergruͤn- det/ mehr erfaͤhret/ dann der andere/ nach- dem eine jegliche kranckheit liegt in ſeiner ver- nunfft. Dieweil nun der leib mit ſeiner kranckheit be- laden iſt/ alſo wird er maniacus oder unſinnig/ er wird toll ꝛc. ſo wiſſet auch in dem/ daß diß daſſel- bige billige urtheil/ den menſchẽ ſoll man an ket- tẽ legen/ dann er iſt nicht ſelbſt rechtfertig in der vernunfft. Nun liegt die vernunfft auch alſo kranck/ und wird dermaſſen auch irrig/ und wird mit kranck heit beladen; als dann noth iſt/ daß man wiſſe von den leibes-kranckheitẽ/ alſo noth iſt auch die kranckheit der vernunfft zu kennen; und wie ich fuͤrgenommen habe zu ſchreiben den grund eines artztes in den leibes-kranckheiten daß erſollte dieſelbigen erkennen: alſo weiter iſts mir billich/ daß ich auch weiter beſchreibe von den kranckheiten der vernunfft/ woraus ſie werden/ das iſt/ aus was grund dieſelben zuver- ſtehen ſeynd. Alſo habt ihr nun gehoͤret von dem leibe/ wie obſtehet/ daß derſelbige ligt in beyden ſphaͤren: Und wie himmel und erden ſein vater ſeye/ und wie der menſch aus dein vater denſohn ſoll er- kennen/ und wie alle ding im menſchen der welt ſind/ und alle dinge der welt deß menſchen: daſ- ſelbige ſtehet nun in maſſen/ wie ichs angezeiget habe. Weiter allhie ſo wiſſet/ daß hie ſtehet ein ſolches von den kranckheiten der vernunfft/ daß aller verſtand der thieren in der erden und lufft im menſchen iſt/ darzu auch der engel verſtand von wegen der ſeele. Das mercket wol und eben/ alle liſtigkeit und weißheit/ art/ vernunfft/ fuͤrſichtigkeit ꝛc. ſo in allen thieren der welt/ was in der him̃els-ſphæ- ra begriffen iſt/ dieſelbigen ſeynd alle im men- ſchen. Darum iſt einer fuͤchſiſch/ der andere woͤlffiſch/ der dritte papageyiſch/ und wie viel ihr ſind/ ſo ſind es alles viehiſ. vernunft bey deꝛ weiß- heit ꝛc. uñ nichts/ das den menſchẽ beruͤhret/ ſon- dern dieweil der menſch auch ein viehe iſt/ ſo iſt er alle viehe/ das iſt/ aller viehe vernunfft iſt auch im menſchen. Darum an dem ort urtheilet der- maſſen/ daß ihr am erſten die viehiſche vernunfft zu erfahren erkennet/ die will ich durch einen ſondern tractat nachfolgends erklaͤren/ darnach die engliſche vernunfft ſonderlich in ſeinem tra- ctat. Einer der da will von kuͤnſten ſchreiben/ von der weißheit des lichts der natur/ und was dem menſchen darin betreffend iſt/ der ſoll am erſten fuͤrlegen ſeiner weißheit kunſt und lichts lehrmeiſter/ aus dem ers hat/ auff daß die/ ſo von ihm angezuͤndet werden/ wiſſen/ was er redet/ und was er ihn gelernet hat. Dann

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/442>, abgerufen am 29.11.2024.