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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Beschluß dieses IV. Theils/ und der gantzen Kirchen-Historie.
[Spaltenumbruch] seinen Sohn selbst offenbahren/ so dann
gehe auß/ und predige das Evangelium.

Sir. XVIII, 20. Joh. XX, 22. Gal. I, 12. 15. 16.

10. So ist nun diß der allerseligste einige
lauterste unbetrüglichste Weg: "Vor allen
"Dingen GOTT im Glauben von gantzem
"Hertzen gehorsam werden/ ihn in wahrer
"Busse um die Erkantnüß und Gemeinschafft
"seines Sohnes bitten/ bey dessen Erlangung
"in den Proceß seines Leydens und Absterbens
"treten den alten verdeckten Menschen ertöd-
"ten lassen/ und am neuen wiederum GOtt
"leben/ und mit Christo warhafftig im Geist
"aufferstehen. So dann HErrn als eine neue
"Creatur sich darstellen zu allem Gefallen und
"dannoch weder selbst auß Bekehrsucht lauf-
"fen/ oder menschlichem Beruff blatthin fol-
"gen/ wofern nicht der H. Geist selbst dazu salbet/
"außrüstet und mit dringender Liebes-Gewalt
"in eine Erndte außstösset.

11. Diesen Weg haben nicht allein alle Pro-
pheten/ Apostel/ Hirten und Lehrer zu allen Zei-
ten gegangen/ sondern auch Johannes und
Christus selber: Welche zu erst in der Wüsten
versuchet und zubereitet worden/ ehe sie vor
das Volck getreten. Und eben dieses ist der
lautere Sinn der ersten Christen gewesen/ wie
noch letzlich in dem Denckmal des alten Chri-
stenthums
auß ihren einstimmigen gewaltigen
Zeugnüssen hin und wieder mit Vergnügung
zu lesen ist. Und wofern annoch die jenige/
welche in sich einigen Trieb zum Lehren finden/
sich unter diesem Proceß erstlich rechtschaffen
beugen und eingeben wolten/ ehe sie das flüchtige
unbändige Wesen des auffblehenden Wissens
außbrechen liessen: so würde in kurtzer Zeit ei-
ne grosse Ernde des Evangelii vor der Thür
seyn.

12. Unterdessen ist vor die jenigen/ welche zur
bösen Zeit klüglich handeln/ und lieber schwei-
gen und verborgen seyn wollen/ von Gott nicht
weniger ein grosser Segen bestimmet; welcher
deßwegen eben vor den sichersten und seligsten
zu achten/ weil ihn die Welt nicht weiß/ und
niemand ihn durch Ruhm oder andere Be-
lohnungen verderben kan. Das stetige Gebät/
Kämpffen und Flehen für alle Menschen in der
Stille und Abgeschiedenheit wird an mancher
Seele mehr fruchten/ zu welcher kein äusserli-
cher Schall der Vermahnungen reichen kan.
GOtt streuet im verborgenen seinen geheimen
Saamen durch die unsichtbare Gemeinschafft
und Mittheilung geistlicher Kräffte allenthal-
ben auß/ welchen kein Tyranne noch falscher
Eifferer oder auch ein Heuchler hindern mag/
daß er nicht Frucht schaffe/ und in viel 1000. mal
1000. wachse.

13. Und hierinn lieget eben der Grund/ war-
um doch je und allezeit die wahre Kirche Christi
unter allen Partheyen/ Völckern und Sprachen
unsichtbar/ verborgen/ unterdruckt und in der
Wüsten seyn müssen. Weil nemlich das
Reich Gottes allezeit inwendig/ und also denen
leiblichen Augen unkäntlich gewesen/ auch in
wenigen verachteten Außwürfflingen bestanden/
welche einander nur an der innern Verbindung
und Verwandschasst des Geistes gekannt/
[Spaltenumbruch] nicht aber an äusseren Formen/ Ceremo-
nien/ Satzungen/ Arten/ Zeiten/ und andern
Umständen/ welche unsichtbare Gemein auch in
allen ihren Gliedern über der Freyheit/ damit
sie JEsus Christus befreyet gehabt/ beständig
gehalten/ oder wo ja einige auß heilsamer Füh-
rung Gottes jederman allerley werden müssen/
dannoch im Grund der Seelen abgeschieden
und frey/ rein und unbefleckt verblieben/ da-
von ihnen der H. Geist selbst Zeugnuß gegeben.

14. Diß ist ferner auch der wahre Grund/
warum zwar unter jeden Secten oder Par-
theyen der sogenannten Christenheit viel er-
kauffte von der Erden hin und wieder verbor-
gen gewesen/ und noch sind; Dannoch aber
solche Seelen bey dem Vermischten Zustande
nicht von GOtt als ein völliges Opffer ange-
nommen/ noch der wahren vollkommenen Ruhe
theilhafftig werden können/ biß sie außgehen/
und sich absondern/ und nichts unreines mehr
anrühren/ vermög des klaren Befehls unsers
Schöpffers und Erbarmers 1. Cor. VI. vers. 17.
Dann wer die völlige Erlösung und Befreyung/
so durch JEsum Christum geschehen/ auch
nicht in diesem Stücke annimmt und brauchet/
der wird noch immer theilhafftig derer Plagen
welche dem verwirrten Babel gedrohet sind/
und täglich über den Halß kommen/ weil es
Christi nicht theilhafftig worden.

15. So wenig nun als eine Seele in ihre
Ruhe eingehen mag/ die sich noch mit Gefällig-
keit und falschen Absichten unter den äusserli-
chen Satzungen gefangen nehmen und damit
beflecken lässet: so wenig und noch viel weniger
kan GOtt ihm Lehrer bereiten nach seinem Her-
tzen/ wann sie nicht alle mit denen Aposteln ihre
Schiffe/ Tempel/ Dienste und alles verlassen/
und Christi Ruff alleine folgen. Dann ob
gleich das äussere Außgehen auß dem verfalle-
nen Schutthauffen des ruinirten Tempels mit
nichten stracks einen wahren Jünger Christi
oder Zeugen desselben außmachet/ wie sich viele
auch unter diesem Schein verführen und verfüh-
ren lassen: so wird doch auch das Kindlein/ so in
uns muß Gestalt gewinnen/ geboren werden/ und
weder zu Jerusalem im Tempel noch an Herodis
Hoffe/ noch bey andern ordinaren gesetzlichen
Dingen gefunden/ sondern bey einem unschul-
digen/ einfältigen/ lauteren/ stillen Wesen des
Geistes/ das allein von der Welt inn- und äus-
serlich unbefleckt bewahret/ und vor GOtt köst-
lich erfunden wird.

16. Demnach wird ein Gemüth/ so nach der
gewissen und wahren Führung GOttes verlan-
get/ weder im äusseren Außgang allein seine
wahre vollkommene Freyheit suchen/ noch
auch sich einbilden dürffen/ man könne das Jn-
nere alles ungehindert und völlig geniessen und
behalten/ wann man gleich im äusseren nach al-
len Stücken sich gleich stelle. Angesehen leyder!
Die klägliche Erfahrung nach beyden Arten das
Gegentheil erweiset/ und allem Scrupuliren und
Disputiren von dieser Materie ein Ende machen
könte. Diejenigen/ welche ihre wahre Frey-
heit auffs blosse eussere Enthalten setzen/ erfah-
ren/ wie solches nichts mehr/ als einige Hin-
wegreumung der groben Hindernüsse seyn/

dadurch

Beſchluß dieſes IV. Theils/ und der gantzen Kirchen-Hiſtorie.
[Spaltenumbruch] ſeinen Sohn ſelbſt offenbahren/ ſo dann
gehe auß/ und predige das Evangelium.

Sir. XVIII, 20. Joh. XX, 22. Gal. I, 12. 15. 16.

10. So iſt nun diß der allerſeligſte einige
lauterſte unbetruͤglichſte Weg: “Vor allen
„Dingen GOTT im Glauben von gantzem
„Hertzen gehorſam werden/ ihn in wahrer
„Buſſe um die Erkantnuͤß und Gemeinſchafft
„ſeines Sohnes bitten/ bey deſſen Erlangung
„in den Proceß ſeines Leydens und Abſterbens
„treten den alten verdeckten Menſchen ertoͤd-
„ten laſſen/ und am neuen wiederum GOtt
„leben/ und mit Chriſto warhafftig im Geiſt
„aufferſtehen. So dann HErrn als eine neue
„Creatur ſich darſtellen zu allem Gefallen und
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„fen/ oder menſchlichem Beruff blatthin fol-
„gen/ wofern nicht der H. Geiſt ſelbſt dazu ſalbet/
„außruͤſtet und mit dringender Liebes-Gewalt
„in eine Erndte außſtoͤſſet.

11. Dieſen Weg haben nicht allein alle Pro-
pheten/ Apoſtel/ Hirten und Lehrer zu allen Zei-
ten gegangen/ ſondern auch Johannes und
Chriſtus ſelber: Welche zu erſt in der Wuͤſten
verſuchet und zubereitet worden/ ehe ſie vor
das Volck getreten. Und eben dieſes iſt der
lautere Sinn der erſten Chriſten geweſen/ wie
noch letzlich in dem Denckmal des alten Chri-
ſtenthums
auß ihren einſtimmigen gewaltigen
Zeugnuͤſſen hin und wieder mit Vergnuͤgung
zu leſen iſt. Und wofern annoch die jenige/
welche in ſich einigen Trieb zum Lehren finden/
ſich unter dieſem Proceß erſtlich rechtſchaffen
beugen und eingeben wolten/ ehe ſie das fluͤchtige
unbaͤndige Weſen des auffblehenden Wiſſens
außbrechen lieſſen: ſo wuͤrde in kurtzer Zeit ei-
ne groſſe Ernde des Evangelii vor der Thuͤr
ſeyn.

12. Unterdeſſen iſt vor die jenigen/ welche zur
boͤſen Zeit kluͤglich handeln/ und lieber ſchwei-
gen und verborgen ſeyn wollen/ von Gott nicht
weniger ein groſſer Segen beſtimmet; welcher
deßwegen eben vor den ſicherſten und ſeligſten
zu achten/ weil ihn die Welt nicht weiß/ und
niemand ihn durch Ruhm oder andere Be-
lohnungen verderben kan. Das ſtetige Gebaͤt/
Kaͤmpffen und Flehen fuͤr alle Menſchen in der
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GOtt ſtreuet im verborgenen ſeinen geheimen
Saamen durch die unſichtbare Gemeinſchafft
und Mittheilung geiſtlicher Kraͤffte allenthal-
ben auß/ welchen kein Tyranne noch falſcher
Eifferer oder auch ein Heuchler hindern mag/
daß er nicht Frucht ſchaffe/ und in viel 1000. mal
1000. wachſe.

13. Und hierinn lieget eben der Grund/ war-
um doch je und allezeit die wahre Kirche Chriſti
unter allen Partheyen/ Voͤlckern und Sprachen
unſichtbar/ verborgen/ unterdruckt und in der
Wuͤſten ſeyn muͤſſen. Weil nemlich das
Reich Gottes allezeit inwendig/ und alſo denen
leiblichen Augen unkaͤntlich geweſen/ auch in
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welche einander nur an der innern Verbindung
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[Spaltenumbruch] nicht aber an aͤuſſeren Formen/ Ceremo-
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Umſtaͤnden/ welche unſichtbare Gemein auch in
allen ihren Gliedern uͤber der Freyheit/ damit
ſie JEſus Chriſtus befreyet gehabt/ beſtaͤndig
gehalten/ oder wo ja einige auß heilſamer Fuͤh-
rung Gottes jederman allerley werden muͤſſen/
dannoch im Grund der Seelen abgeſchieden
und frey/ rein und unbefleckt verblieben/ da-
von ihnen der H. Geiſt ſelbſt Zeugnuß gegeben.

14. Diß iſt ferner auch der wahre Grund/
warum zwar unter jeden Secten oder Par-
theyen der ſogenannten Chriſtenheit viel er-
kauffte von der Erden hin und wieder verbor-
gen geweſen/ und noch ſind; Dannoch aber
ſolche Seelen bey dem Vermiſchten Zuſtande
nicht von GOtt als ein voͤlliges Opffer ange-
nommen/ noch der wahren vollkommenen Ruhe
theilhafftig werden koͤnnen/ biß ſie außgehen/
und ſich abſondern/ und nichts unreines mehr
anruͤhren/ vermoͤg des klaren Befehls unſers
Schoͤpffers und Erbarmers 1. Cor. VI. verſ. 17.
Dann wer die voͤllige Erloͤſung und Befreyung/
ſo durch JEſum Chriſtum geſchehen/ auch
nicht in dieſem Stuͤcke annimmt und brauchet/
der wird noch immer theilhafftig derer Plagen
welche dem verwirrten Babel gedrohet ſind/
und taͤglich uͤber den Halß kommen/ weil es
Chriſti nicht theilhafftig worden.

15. So wenig nun als eine Seele in ihre
Ruhe eingehen mag/ die ſich noch mit Gefaͤllig-
keit und falſchen Abſichten unter den aͤuſſerli-
chen Satzungen gefangen nehmen und damit
beflecken laͤſſet: ſo wenig und noch viel weniger
kan GOtt ihm Lehrer bereiten nach ſeinem Her-
tzen/ wann ſie nicht alle mit denen Apoſteln ihre
Schiffe/ Tempel/ Dienſte und alles verlaſſen/
und Chriſti Ruff alleine folgen. Dann ob
gleich das aͤuſſere Außgehen auß dem verfalle-
nen Schutthauffen des ruinirten Tempels mit
nichten ſtracks einen wahren Juͤnger Chriſti
oder Zeugen deſſelben außmachet/ wie ſich viele
auch unter dieſem Schein verfuͤhren und verfuͤh-
ren laſſen: ſo wird doch auch das Kindlein/ ſo in
uns muß Geſtalt gewiñen/ geboren werden/ und
weder zu Jeruſalem im Tempel noch an Herodis
Hoffe/ noch bey andern ordinaren geſetzlichen
Dingen gefunden/ ſondern bey einem unſchul-
digen/ einfaͤltigen/ lauteren/ ſtillen Weſen des
Geiſtes/ das allein von der Welt inn- und aͤuſ-
ſerlich unbefleckt bewahret/ und vor GOtt koͤſt-
lich erfunden wird.

16. Demnach wird ein Gemuͤth/ ſo nach der
gewiſſen und wahren Fuͤhrung GOttes verlan-
get/ weder im aͤuſſeren Außgang allein ſeine
wahre vollkommene Freyheit ſuchen/ noch
auch ſich einbilden duͤrffen/ man koͤnne das Jn-
nere alles ungehindert und voͤllig genieſſen und
behalten/ wann man gleich im aͤuſſeren nach al-
len Stuͤcken ſich gleich ſtelle. Angeſehen leyder!
Die klaͤgliche Erfahrung nach beyden Arten das
Gegentheil erweiſet/ und allem Scrupuliren und
Diſputiren von dieſer Materie ein Ende machen
koͤnte. Diejenigen/ welche ihre wahre Frey-
heit auffs bloſſe euſſere Enthalten ſetzen/ erfah-
ren/ wie ſolches nichts mehr/ als einige Hin-
wegreumung der groben Hindernuͤſſe ſeyn/

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[846/1154] Beſchluß dieſes IV. Theils/ und der gantzen Kirchen-Hiſtorie. ſeinen Sohn ſelbſt offenbahren/ ſo dann gehe auß/ und predige das Evangelium. Sir. XVIII, 20. Joh. XX, 22. Gal. I, 12. 15. 16. 10. So iſt nun diß der allerſeligſte einige lauterſte unbetruͤglichſte Weg: “Vor allen „Dingen GOTT im Glauben von gantzem „Hertzen gehorſam werden/ ihn in wahrer „Buſſe um die Erkantnuͤß und Gemeinſchafft „ſeines Sohnes bitten/ bey deſſen Erlangung „in den Proceß ſeines Leydens und Abſterbens „treten den alten verdeckten Menſchen ertoͤd- „ten laſſen/ und am neuen wiederum GOtt „leben/ und mit Chriſto warhafftig im Geiſt „aufferſtehen. So dann HErrn als eine neue „Creatur ſich darſtellen zu allem Gefallen und „dannoch weder ſelbſt auß Bekehrſucht lauf- „fen/ oder menſchlichem Beruff blatthin fol- „gen/ wofern nicht der H. Geiſt ſelbſt dazu ſalbet/ „außruͤſtet und mit dringender Liebes-Gewalt „in eine Erndte außſtoͤſſet. 11. Dieſen Weg haben nicht allein alle Pro- pheten/ Apoſtel/ Hirten und Lehrer zu allen Zei- ten gegangen/ ſondern auch Johannes und Chriſtus ſelber: Welche zu erſt in der Wuͤſten verſuchet und zubereitet worden/ ehe ſie vor das Volck getreten. Und eben dieſes iſt der lautere Sinn der erſten Chriſten geweſen/ wie noch letzlich in dem Denckmal des alten Chri- ſtenthums auß ihren einſtimmigen gewaltigen Zeugnuͤſſen hin und wieder mit Vergnuͤgung zu leſen iſt. Und wofern annoch die jenige/ welche in ſich einigen Trieb zum Lehren finden/ ſich unter dieſem Proceß erſtlich rechtſchaffen beugen und eingeben wolten/ ehe ſie das fluͤchtige unbaͤndige Weſen des auffblehenden Wiſſens außbrechen lieſſen: ſo wuͤrde in kurtzer Zeit ei- ne groſſe Ernde des Evangelii vor der Thuͤr ſeyn. 12. Unterdeſſen iſt vor die jenigen/ welche zur boͤſen Zeit kluͤglich handeln/ und lieber ſchwei- gen und verborgen ſeyn wollen/ von Gott nicht weniger ein groſſer Segen beſtimmet; welcher deßwegen eben vor den ſicherſten und ſeligſten zu achten/ weil ihn die Welt nicht weiß/ und niemand ihn durch Ruhm oder andere Be- lohnungen verderben kan. Das ſtetige Gebaͤt/ Kaͤmpffen und Flehen fuͤr alle Menſchen in der Stille und Abgeſchiedenheit wird an mancher Seele mehr fruchten/ zu welcher kein aͤuſſerli- cher Schall der Vermahnungen reichen kan. GOtt ſtreuet im verborgenen ſeinen geheimen Saamen durch die unſichtbare Gemeinſchafft und Mittheilung geiſtlicher Kraͤffte allenthal- ben auß/ welchen kein Tyranne noch falſcher Eifferer oder auch ein Heuchler hindern mag/ daß er nicht Frucht ſchaffe/ und in viel 1000. mal 1000. wachſe. 13. Und hierinn lieget eben der Grund/ war- um doch je und allezeit die wahre Kirche Chriſti unter allen Partheyen/ Voͤlckern und Sprachen unſichtbar/ verborgen/ unterdruckt und in der Wuͤſten ſeyn muͤſſen. Weil nemlich das Reich Gottes allezeit inwendig/ und alſo denen leiblichen Augen unkaͤntlich geweſen/ auch in wenigen verachteten Außwuͤrfflingen beſtanden/ welche einander nur an der innern Verbindung und Verwandſchaſſt des Geiſtes gekannt/ nicht aber an aͤuſſeren Formen/ Ceremo- nien/ Satzungen/ Arten/ Zeiten/ und andern Umſtaͤnden/ welche unſichtbare Gemein auch in allen ihren Gliedern uͤber der Freyheit/ damit ſie JEſus Chriſtus befreyet gehabt/ beſtaͤndig gehalten/ oder wo ja einige auß heilſamer Fuͤh- rung Gottes jederman allerley werden muͤſſen/ dannoch im Grund der Seelen abgeſchieden und frey/ rein und unbefleckt verblieben/ da- von ihnen der H. Geiſt ſelbſt Zeugnuß gegeben. 14. Diß iſt ferner auch der wahre Grund/ warum zwar unter jeden Secten oder Par- theyen der ſogenannten Chriſtenheit viel er- kauffte von der Erden hin und wieder verbor- gen geweſen/ und noch ſind; Dannoch aber ſolche Seelen bey dem Vermiſchten Zuſtande nicht von GOtt als ein voͤlliges Opffer ange- nommen/ noch der wahren vollkommenen Ruhe theilhafftig werden koͤnnen/ biß ſie außgehen/ und ſich abſondern/ und nichts unreines mehr anruͤhren/ vermoͤg des klaren Befehls unſers Schoͤpffers und Erbarmers 1. Cor. VI. verſ. 17. Dann wer die voͤllige Erloͤſung und Befreyung/ ſo durch JEſum Chriſtum geſchehen/ auch nicht in dieſem Stuͤcke annimmt und brauchet/ der wird noch immer theilhafftig derer Plagen welche dem verwirrten Babel gedrohet ſind/ und taͤglich uͤber den Halß kommen/ weil es Chriſti nicht theilhafftig worden. 15. So wenig nun als eine Seele in ihre Ruhe eingehen mag/ die ſich noch mit Gefaͤllig- keit und falſchen Abſichten unter den aͤuſſerli- chen Satzungen gefangen nehmen und damit beflecken laͤſſet: ſo wenig und noch viel weniger kan GOtt ihm Lehrer bereiten nach ſeinem Her- tzen/ wann ſie nicht alle mit denen Apoſteln ihre Schiffe/ Tempel/ Dienſte und alles verlaſſen/ und Chriſti Ruff alleine folgen. Dann ob gleich das aͤuſſere Außgehen auß dem verfalle- nen Schutthauffen des ruinirten Tempels mit nichten ſtracks einen wahren Juͤnger Chriſti oder Zeugen deſſelben außmachet/ wie ſich viele auch unter dieſem Schein verfuͤhren und verfuͤh- ren laſſen: ſo wird doch auch das Kindlein/ ſo in uns muß Geſtalt gewiñen/ geboren werden/ und weder zu Jeruſalem im Tempel noch an Herodis Hoffe/ noch bey andern ordinaren geſetzlichen Dingen gefunden/ ſondern bey einem unſchul- digen/ einfaͤltigen/ lauteren/ ſtillen Weſen des Geiſtes/ das allein von der Welt inn- und aͤuſ- ſerlich unbefleckt bewahret/ und vor GOtt koͤſt- lich erfunden wird. 16. Demnach wird ein Gemuͤth/ ſo nach der gewiſſen und wahren Fuͤhrung GOttes verlan- get/ weder im aͤuſſeren Außgang allein ſeine wahre vollkommene Freyheit ſuchen/ noch auch ſich einbilden duͤrffen/ man koͤnne das Jn- nere alles ungehindert und voͤllig genieſſen und behalten/ wann man gleich im aͤuſſeren nach al- len Stuͤcken ſich gleich ſtelle. Angeſehen leyder! Die klaͤgliche Erfahrung nach beyden Arten das Gegentheil erweiſet/ und allem Scrupuliren und Diſputiren von dieſer Materie ein Ende machen koͤnte. Diejenigen/ welche ihre wahre Frey- heit auffs bloſſe euſſere Enthalten ſetzen/ erfah- ren/ wie ſolches nichts mehr/ als einige Hin- wegreumung der groben Hindernuͤſſe ſeyn/ dadurch

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 846. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/1154>, abgerufen am 22.12.2024.